Urteil des ArbG Dortmund vom 11.06.2008

ArbG Dortmund: anpassung, zukunft, geldentwertung, verzinsung, ermessen, rentner, arbeitsgericht, gefahr, kapitalmarkt, geschäftsjahr

Arbeitsgericht Dortmund, 10 Ca 490/08
Datum:
11.06.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Ca 490/08
Schlagworte:
Anpassung einer Betriebsrente
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 407,28 € brutto nebst Zinsen
in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2008
zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten monatlich zu zahlende
Betriebsrente ab dem 01.10.2007 1263,05 € brutto beträgt.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2443,68 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger begehrt die Anhebung seiner Betriebsrente. Der am 06.12.1941 geborene
Kläger war bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt und bezieht aufgrund
einer Versorgungszusage seit dem 01.01.2002 eine betriebliche Altersversorgung in
Höhe von 1.149,11 Euro, die zum 01.10.2004 auf 1.195,17 Euro angehoben wurde.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte als Rechtsnachfolgerin seiner
Arbeitgeberin verpflichtet sei, zum 01.10.2007 drei Jahre nach der ersten Anpassung die
Betriebsrente erneut um den Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland
während dieses Drei-Jahres-Zeitraumes in Höhe von 5,68 % anzuheben, also um 67,88
Euro. So ergebe sich für die Monate Oktober 2007 bis März 2008 einschließlich ein
nachzuzahlender Betrag in Höhe von 407,28 Euro.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 407,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2008 zu zahlen,
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2. festzustellen, dass die von der Beklagten monatlich zu zahlende Betriebsrente ab
dem 01.10.2007 1.263,05 Euro brutto beträgt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass sie nicht zur Anpassung der Betriebsrenten zum
01.10.2007 verpflichtet sei, da zwar in den Jahren 2005 bis 2007 Gewinne erzielt
worden seien, diese aber voraussichtlich in den Jahren 2008 bis 2010 erheblich
niedriger sein würden und nichtmals ausreichten, um eine angemessene Verzinsung
des Eigenkapitals nebst Risikozuschlag zu garantieren. In den Jahren 2004 bis 2007 sei
dies zwar durchschnittlich möglich gewesen auch unter Berücksichtigung des im Jahre
2004 entstandenen Bilanzverlustes von 21. 027.546 Euro, da insbesondere in den
Jahren 2005 und 2006 erhebliche Gewinne erzielt worden seien. Das in den Jahren
2004 bis 2007 erwirtschaftete Anpassungspotenzial reiche aber nicht aus, um das in
den Jahren 2008 bis 2010 zu erwartende negative Anpassungspotenzial
auszugleichen, sondern es verbleibe für den Zeitraum 2004 bis 2010 ein negatives
Anpassungspotenzial in Höhe von 4.315.000 Euro.
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Es sei auch nicht gerechtfertigt, nur die vor dem Anpassungsstichtag liegenden drei
Jahre zu berücksichtigen, insbesondere nicht das Jahr 2004 nur zu einem Viertel und
das Jahr 2007 nur zu drei Viertel. Dies sei schon deshalb nicht realistisch, weil es in
vielen Geschäftszweigen saisonale Unterschiede gebe und bestimmte Gewinne und
Verluste erst zu einem bestimmten Zeitpunkt des jeweiligen Jahres entstünden. So
würden z. B. bei der Beklagten als Holdinggesellschaft die Erträge und Aufwendungen
aus Ergebnisabführungsverträgen oder aber Abschreibungen und Zuschreibungen im
Bereich des Beteiligungsvermögens erst am Bilanzstichtag des 31.12. eines jeden
Jahres gebucht. So belaufe sich der Verlust im vierten Quartal 2004 sogar auf
25.838.422 Euro, weil im letzten Quartal Aufwendungen aus Verlustübernahmen in
Höhe von 28.699.116,19 Euro mit dem 31.12.2004 zu verbuchen gewesen seien.
Andererseits seien im Jahr 2007 im vierten Quartal insbesondere positive Beträge zu
verbuchen gewesen, so dass in den ersten drei Quartalen der Gewinn lediglich
5.105.883 Euro betragen habe statt 8.714.000 Euro. Dies hätte zum Ergebnis, dass für
die Zeit vom 01.10.2004 bis zum 01.10.2007 sogar ein negatives Anpassungspotenzial
in Höhe von 8.520.000 Euro bestünde, statt des insgesamt für die Jahre 2004 bis 2007
bestehenden positiven Anpassungspotenzials in Höhe von 2.652.000 Euro. In den
Jahren 2005 und 2006 seien lediglich deshalb höhere Gewinne erzielt worden, weil im
Jahre 2005 in den Jahren zuvor gebildete Rückstellungen hätten aufgelöst werden
können und im Jahre 2006 einmalige Erträge aus der Veräußerung von Finanzanlagen
in Höhe von 18.191.000 Euro entstanden seien.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze und die
Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat zum 01.10.2007 drei Jahre nach der letzten
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Anpassung der Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG einen erneuten Anspruch auf
Anpassung seiner Betriebsrente und zwar in Höhe des Anstiegs des
Verbraucherpreisindexes in der Zeit vom 01.10.2004 bis zum 30.09.2007 um 5,68 %
(Verbraucherpreisindex Ende September/Anfang Oktober 2007 104,2 % geteilt durch
Verbraucherpreisindex Ende September 2004 98,6 %). Dies ist eine Erhöhung der
Betriebsrente von 1.195,17 Euro um 67,88 Euro auf 1.263,05 Euro. Für die Monate
Oktober 2007 bis März 2008 einschließlich ergibt sich ein nachzuzahlender Betrag in
Höhe von 407,28 Euro (67,88 Euro x 6).
1) Gemäß § 16 Absatz 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung
der laufenden Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber
nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat er insbesondere die Belange des
Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu
berücksichtigen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist dann eine Anpassung geboten, wenn zum Zeitpunkt des
Anpassungsstichtages absehbar ist, dass in den folgenden drei Jahren höhere Gewinne
erzielt werden, als sie zur Erhaltung des Stammkapitals und der zusätzlich gebildeten
Kapitalrücklage und zur Erzielung einer angemessen Verzinsung entsprechend der
Umlaufrendite von Anleihen der öffentlichen Hand zuzüglich eines Risikozuschlages
von zwei Prozentpunkten erforderlich sind (vgl. BAG, Urteil vom 23.05.2000 - 3 AZR
146/99, vom 23.01.2001 – 3 AZR 287/00 und vom 18.02.2003 – 3 AZR 172/02, AP Nr.
45, 46 und 53 zu § 16 BetrAVG). Ausgangspunkt der vom Arbeitgeber zu erstellenden
Prognose ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die wirtschaftliche
Entwicklung in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag, wie sie sich aus den
handelsrechtlichen Jahresabschlüssen ergibt, wobei in den Bilanzen enthaltene
Scheingewinne oder überhöhte betriebliche Abschreibungen nicht zu berücksichtigen
sind. Der Sachvortrag der Parteien muss jedoch ausreichende Anhaltspunkte dafür
enthalten, das derartige Korrekturen nötig sind und einen für die
Anpassungsentscheidung erheblichen Umfang haben können (vgl. BAG, Urteil vom
18.02.2003, aaO).
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2) Hier hat die Beklagte im Kalenderjahr 2007, in dem der Anpassungsstichtag liegt und
das zum Zeitpunkt des Anpassungsstichtages bereits bis auf das letzte Quartal
abgelaufen war, einen Jahresüberschuss in Höhe von 22.620.000 Euro bzw. nach
Abzug des Ertragssteueraufwandes in Höhe von 3.291.000 Euro einen
Jahresüberschuss in Höhe von 19.329.000 Euro erzielt. Der erzielte
Gewinn/Jahresüberschuss in Höhe von 22.620.000 Euro übersteigt eine angemessene
Verzinsung des Eigenkapitals nebst Risikozuschlag, die gemäß der Berechnung der
Beklagten 15.769.000 Euro beträgt, um 6.851.000 Euro. Da der Gewinn bereits unter
Berücksichtigung von Rückstellungen in Höhe von insgesamt 16.781.844,94 Euro
einschließlich der Rückstellungen für die betriebliche Altersversorgung in Höhe von
etwa 6 Mio. Euro errechnet wurde, verbleibt ein mehr als ausreichender Gewinn für
zusätzliche Rückstellungen aufgrund einer Betriebsrentenanpassung in Höhe des
Anstiegs des Verbraucherindexes in den letzten drei Jahren um weniger als 6 %. Wie
sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Bericht der Treuhandgesellschaft
bezüglich des Jahresabschlusses zum 31.12.2008 Seite 2 der Anlage 3 erster Absatz
ergibt, sind die Rentenrückstellungen von 6 Mio. Euro sogar bereits unter
Zugrundelegung eines Rentenanstiegs von 1 bzw. 1,5 % pro Jahr und einer Abzinsung
von lediglich noch 4, 25 % berechnet und damit mit einem Zinssatz etwas unter dem von
der Beklagten für die angemessene Eigenkapitalverzinsung zugrunde gelegten Zinssatz
von 4,3 % bzw. mit Risikozuschlag in Höhe von 6,3 %. So sind seit dem Jahr 2006 mit
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dem Betrag von etwa 6 Mio. Euro in den Bilanzen bereits erheblich höhere
Rückstellungen für die Altersversorgung vorgenommen worden, als in den Jahren zuvor.
Der die angemessene Eigenkapitalverzinsung nebst Risikozuschlag übersteigende
Gewinn im Jahre 2007 würde aber sogar ausreichen, diese erhöhten Rückstellungen für
die Altersversorgung zu verdoppeln, also Rückstellungen für eine doppelt so hohe
Altersversorgung zu bilden. Für eine Rentenanpassung in Höhe von 5,68 % wären die
Rückstellungen aber selbst, wenn in ihnen entgegen der Angaben des
Wirtschaftsprüfungsberichts noch keine Rentenerhöhungen von 1 bzw. 1,5 % pro Jahr
berücksichtigt wären, allenfalls um 5,68 % anzuheben, nämlich um 336.000 Euro, wenn
alle Rentner betroffen wären. Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, dass der erzielte
Gewinn nach Abzug der Ertragssteuern eine angemessene Kapitalverzinsung nebst
Risikozuschlag übersteigen müsse, ist dies nicht zutreffend, da bei einer Anlage des
Kapitals auf dem Kapitalmarkt die erzielten Zinsen ebenfalls zu versteuern wären. Aber
auch unter Zugrundelegung dieser Ansicht der Beklagten verbliebe ein Gewinn, der
eine angemessene Kapitalverzinsung nebst Risikozuschlag um 3.560.000 Euro
übersteigen würde. Auch von diesem Betrag müsste allenfalls ein verschwindend
kleiner Teil für zusätzliche Rückstellungen wegen einer Rentenanpassung verwandt
werden.
Ferner wäre auch zu berücksichtigen, dass nicht wie zugunsten der Beklagten oben
angenommen, davon auszugehen ist, dass alle Renten im Jahre 2007 angepasst
werden müssen. Soweit in späteren Jahren die Ertragslage wesentlich ungünstiger sein
sollte, hat die Beklagte bei den Arbeitnehmern, deren Anpassungsstichtag in die Jahre
2008 oder 2009 fällt, immer noch die Möglichkeit, eine Anpassung zu überprüfen und
erforderlichenfalls zu verweigern. Entscheidungserheblich für diesen Rechtsstreit ist
allein, ob die Beklagte in der Lage ist, in vergleichbaren Fällen eine Anpassung zu
finanzieren. Die Zahl der von der Beklagten zu versorgenden Rentner nimmt zudem
ständig ab, da die Beklagte keine eigenen Arbeitnehmer mehr hat und insofern auch
keine Arbeitnehmer mehr in das Rentenalter gelangen können, also auch keine neuen
Rentenansprüche mehr an die Stelle der durch das Versterben von Rentnern
erlöschenden Rentenansprüche treten können.
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Die Beklagte benötigt den Jahresgewinn im Jahre 2007 auch nicht, um eine durch
Verluste in den Vorjahren entstandene Eigenkapitalreduzierung auszugleichen.
Vielmehr hat die Beklagte den im Jahre 2004 erlittenen Verlust in Höhe von
21.027.546,07 Euro bereits durch den im Jahre 2005 nach Steuern erzielten Gewinn in
Höhe von 26.225.581,03 Euro mehr als ausgeglichen und hat im Jahre 2006 sogar
einen noch höheren Gewinn nach Steuern erzielt, nämlich 31.059.773,97 Euro.
Entsprechend ist auch das Eigenkapital seit dem Stichtag des 31.12.2004 mit
183.347.602,41 Euro bis zum 31.12.2007 auf 259.962.000 Euro angestiegen. Damit
überstiegen die in den Jahren 2005 und 2006 erzielten Gewinne aber nicht nur den
Verlust im Jahre 2004, sondern übersteigen auch noch erheblich eine angemessene
Eigenkapitalverzinsung einschließlich Risikozuschlag für die Jahre 2004 und 2006.
Nach den Berechnungen der Beklagten ergibt sich bis zum Jahre 2006 insofern ein
überschießender Betrag von fast 1 Mio. Euro. Dieser Betrag ist aber sogar um ein
Vielfaches höher, da die Beklagte – wie oben gezeigt – zu Unrecht nicht berücksichtigt,
dass bei Anlage des Eigenkapitals auf dem Kapitalmarkt die Verzinsung ebenfalls zu
versteuern wäre. Auch wäre noch zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu Unrecht bei
der Berechnung des Anpassungspotenzials von einem erhöhten
Substanzerhaltungsaufwand ausgeht, da die handelsrechtlich möglichen und in der
Bilanz berücksichtigten Abschreibungen lediglich den Anschaffungspreis, nicht aber
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den Wiederbeschaffungspreis zugrunde legen. Die Beklagte beachtet dabei nicht, dass
die handelsrechtlich und steuerrechtlich möglichen Abschreibungsprozentsätze in der
Regel so großzügig bemessen sind, dass sie, obwohl ihnen die Anschaffungspreise
zugrunde liegen, den tatsächlichen Wertverlust bezogen auf den
Wiederanschaffungspreis in der Regel übersteigen. So haben die Betriebsmittel selbst
nach völliger handelrechtlicher und steuerlicher Abschreibung häufig noch einen
erheblichen Verkehrswert und können zur Gewinnerzielung weiter verwandt werden.
3) Nach Auffassung der Kammer ist für einen Anpassungsanspruch nicht auf die zu
erwartende zukünftige Gewinnentwicklung abzustellen.
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Es reicht aus, wenn zum Zeitpunkt der Rentenanpassung ausreichende Mittel zur
Verfügung stehen, um nach einem Ausgleich der eventuell vor der Rentenanpassung
entstandenen Verluste und nach Sicherung einer angemessenen
Eigenkapitalverzinsung nebst Risikozuschlag für die vergangenen drei Jahre
Rückstellungen für die voraussichtlich zukünftig zu zahlenden angepassten Renten zu
bilden. Ist eine Anhebung der Rückstellungen für Renten in den letzten drei Jahren
durch Gewinne, die über eine angemessene Verzinsung nebst Risikozuschlag
hinausgehen, erwirtschaftet worden, so bedarf es deren Finanzierung nicht mehr in den
zukünftigen Jahren und entfällt damit auch der Grund, weshalb das BAG auf die
wirtschaftliche Lage in der Zukunft abstellt (vgl. BAG, Urteil vom 23.04.1985 – 3 AZR
156/83, AP Nr.17 zu § 16 BetrAVG). Zum Zeitpunkt dieser Grundsatzentscheidung
bestand auch noch keine handels- und steuerrechtliche Verpflichtung, entsprechende
Rücklagen zu bilden, die im Übrigen auch vorzeitig die Steuerlast mindern, was auch
zeigt, dass durch das Abstellen auf die gegenwärtige Situation gerade auch die
Interessen des Arbeitgebers Berücksichtigung finden.
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Dadurch besteht weder die Gefahr, dass aufgrund einer falschen Prognose eine zu
hohe Anpassung für die gesamte restliche Rentenzeit des Rentners vorgenommen wird
(vgl. auch Neef in Anmerkung zu BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 3 AZR 172/02, AP Nr.
53 zu § 16 BetrAVG und NZA 2003, 993), noch besteht die Gefahr, dass die gegebenen
Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden. Denn es ist möglich, dass in den dem
Anpassungsstichtag folgenden drei Jahren höhere Gewinne erzielt werden, als mit
hinreichender Sicherheit absehbar ist, die dann aber auch bei dem nächsten
Anpassungsstichtag bei einem Abstellen auf die zukünftige Entwicklung evtl. nicht
berücksichtigt werden können, weil sie dann unter Umständen keine Indizwirkung mehr
für die weitere Zukunft haben.
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Letztlich ist es auch gerechter für die Rentenanpassung die tatsächlichen Verhältnisse
zugrunde zu legen und nicht eine Prognose, die zudem besonders vorsichtig sein
müsste, um eine Existenzgefährdung des Unternehmens auszuschließen. Sie dürfte
sich deshalb eigentlich auch nicht nur auf die nächsten drei Jahre beschränken, weil
eine Erhöhung der Rente auch über den nächsten Anpassungsstichtag hinaus
Bedeutung hat. Denn auch wenn die wirtschaftliche Situation des Unternehmens sich
bis zum nächsten Anpassungsstichtag verschlechtert, kann die zuvor vorgenommene
Anpassung nicht wieder rückgängig gemacht werden.
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Das Abstellen auf den vorangegangenen Drei-Jahres-Zeitraum führt zwar dazu, dass
bei einer zu erwartenden positiven Entwicklung die Betriebsrentner den nächsten
Anpassungsstichtag abwarten müssen, um eine höhere Rente zu erhalten. Andererseits
können sie dann aber auch sicher sein, dass auch Gewinne ihnen zugute kommen, die
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nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten waren. So können auch nur zeitweise
auftretende außergewöhnliche Gewinne oder Verluste Berücksichtigung finden und ist
auf längere Sicht nicht von Bedeutung, ob z. B. Rückstellungen/Abschreibungen zum
richtigen Zeitpunkt in zutreffender Höhe vorgenommen wurden.
Die Rechtssicherheit ist größer und die Arbeitgeber können jährlich die Rückstellungen
den erzielten Gewinnen anpassen und dann zum Zeitpunkt des Anpassungsstichtages
die Rentenanpassung aus den bereits vorgenommenen Rentenrückstellungen
finanzieren, auch wenn die Gewinnerwartung für die Zukunft nicht mehr so gut sein
sollte.
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.
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4) Es dürfte auch sachgerecht sein, alle Betriebsrentner hinsichtlich der Anpassung
gleich zu behandeln, deren Anpassungsstichtag in ein Bilanzierungsjahr fällt, da
einerseits bei der Prüfung der Billigkeit und Durchführbarkeit einer Anpassung auch die
anderen Betriebsrentner und die Aufwendungen für eine Anpassung ihrer Betriebsrente
zu berücksichtigen sind, andererseits aus pragmatischen Gründen aber nicht im
Rahmen einer Anpassungsprüfung gleichzeitig auch unterschiedliche
Anpassungsprüfungen für andere Betriebsrentner mit anderem Anpassungsstichtag
während des gleichen Bilanzierungsjahres vorgenommen werden können.
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Es bedarf, um die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens zu einem Stichtag
umfassend beurteilen zu können, eines großen Aufwandes und so ist nach
handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Grundsätzen auch nur einmal im Jahr eine
Bilanzierung durchzuführen. Eine zusätzliche Bilanzierungspflicht zu weiteren
Zeitpunkten allein im Hinblick auf die Anpassungsverpflichtung gemäß § 16 BetrAVG ist
nicht gerechtfertigt.
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Letztlich ist die mit der Zugrundelegung der Bilanzjahre teilweise verbundene
unterschiedliche Lage des Referenzzeitraumes im Verhältnis zum Anpassungsstichtag
auf Dauer gesehen in der Regel nur von sehr geringer Bedeutung, wenn bei der
Anpassungsprüfung lediglich auf die Ertragslage in der Vergangenheit abgestellt wird.
Nach dem Ende des Bilanzjahres bis zum Anpassungsstichtag eingetretene
Änderungen werden beim nächsten Anpassungsstichtag berücksichtigt. Auch dies
spricht dafür, allein darauf abzustellen, ob die notwendigen zusätzlichen
Rückstellungen für eine Anpassung in der Vergangenheit erwirtschaftet werden
konnten, und nicht auf eine Zukunftsprognose, da diese je nach Beurteilungszeitpunkt
unter Umständen auch sehr unterschiedlich ausfallen kann und die Unterschiede nicht
mehr beim nächsten Anpassungsstichtag ausgeglichen werden können.
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5) Hält man es aber für richtig, exakt auf die letzten drei Jahre vor dem
Anpassungsstichtag abzustellen, so sind die ausgewiesenen Bilanzgewinne/Verluste
des während des Anpassungsstichtages und des vorangegangenen
Anpassungsstichtages laufenden Bilanzierungsjahres anteilig zu berücksichtigen. Dies
würde hier dazu führen, dass die im Jahre 2004 eingetretenen Verluste nur zu einem
Viertel zu berücksichtigen wären. Dadurch wäre das Anpassungspotenzial noch höher,
wenn dann auch der Gewinn im Jahre 2007 nur zu drei Viertel Berücksichtigung finden
könnte. Keinesfalls können entsprechend der Ansicht der Beklagten Erträge und
Aufwendungen aus Ergebnisabführungsverträgen oder aber Abschreibungen und
Zuschreibungen, die aus bilanztechnischen Gründen jeweils erst am Ende eines Jahres
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zu erfassen sind, allein diesem letzten Tag des Bilanzjahres zugeordnet werden, was
zur Folge haben könnte, dass ein Betriebsrentner mit dem Anpassungsstichtag des
31.12. eines Jahres völlig anders zu behandeln ist, als ein Betriebsrentner mit einem
kurz vorher liegenden Anpassungsstichtag. Die aufgrund eines
Ergebnisabführungsvertrages entstehenden Erträge und Aufwendungen fallen während
des gesamten Jahres an. Gleiches gilt für die Abschreibungen und Zuschreibungen, die
aus bilanztechnischen Gründen erst am Ende des Jahres erfasst werden.
6) Aber selbst wenn man hier auf eine Zukunftsprognose abstellen würde, hätte der
Kläger einen Anspruch auf Anpassung der Betriebsrente in Höhe des Anstieges des
Verbraucherpreisindexes für die letzten drei Jahre vor dem Anpassungsstichtag. Aus
den Darlegungen der Beklagten ergibt sich nicht, dass für die Jahre 2008 bis 2010 keine
Erträge zu erwarten sind, die über eine ausreichende Eigenkapitalfinanzierung nebst
Risikozuschlag hinausgehen. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass das
Geschäftsjahr 2005 durch hohe periodenfremde Sondererträge aus der Auflösung von in
den Vorjahren aus Vorsichtsgründen gebildeten, dann aber nicht in Anspruch
genommenen Rückstellungen für Risikovorsorge von 14.912.000 Euro positiv
beeinflusst worden sei. Im Geschäftsjahr 2006 seien letztmalig außerordentliche
Sondererträge aus den Veräußerungen von Finanzanlagen in Höhe von 18.191.000
Euro erzielt worden. Insofern seien die Anpassungspotenziale der Jahre 2005 und 2006
als positive Ausreißer zu sehen.
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Die Gewinne in den Jahren 2005 und 2006 waren aber (nach Abzug der Steuern) mit
26.226.000 Euro und 31.060.000 Euro besonders hoch. Aus den Darlegungen der
Beklagten ergibt sich auch nicht, warum in den Jahren 2008 bis 2010 nicht zumindest in
ähnlicher Weise Gewinne anfallen sollen, wie im Jahre 2007 und diese Gewinne nicht
ausreichen sollen, nebst einer angemessenen Kapitalverzinsung nebst Risikozuschlag
die laufenden Rentenzahlungen einschließlich Rentenanpassung zu finanzieren. Die
Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die positiven Sondererträge letztmalig im Jahre
2006 aufgetreten sind. Dennoch überstieg nach Abzug der Steuern der Gewinn im Jahre
2007 eine angemessene Kapitalverzinsung nebst Risikozuschlag von 6,3 %,
insbesondere wenn man bei diesem Prozentsatz richtigerweise auch einen
Steuerabzug berücksichtigt, so weit , dass Rückstellungen für eine Anpassung der
Renten der Betriebsrentner mit Anpassungsstichtag im Jahre 2007 unter
Berücksichtigung aller zu erwartenden zukünftigen Lebensjahre dieser Rentner um ein
Vielfaches vorgenommen werden konnten, wie bereits oben gezeigt.
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Stellt man darauf ab, ob die wirtschaftliche Situation in den zukünftigen Jahren die
Finanzierung einer höheren Rente zulässt, ist auch nur darauf zu achten, dass aus den
Erträgen in den zukünftigen Jahren eine angemessene Kapitalverzinsung nebst
Risikozuschlag erwirtschaftet werden kann. Die zu zahlenden Betriebsrenten nebst
Anpassung finanzieren sich aus den für die Anpassung gebildeten Rückstellungen
durch die Auflösung dieser Rückstellungen in den Jahren, in denen die Renten nebst
Anpassung auszuzahlen sind.
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7) Letztlich soll jedoch nochmals betont werden, dass bei Finanzierbarkeit der
Anpassung für alle noch zu erwartenden Lebensjahre des Rentners aus den bis zum
Anpassungsstichtag erzielten Gewinnen nach Auffassung der Kammer es nicht
gerechtfertigt ist, eine vorzunehmende Anpassungsentscheidung von der zukünftigen
Ertragslage des Unternehmens abhängig zu machen und damit die Anpassungsbeträge
als zusätzliche Haftungsmasse zugleich auch für eine angemessene Kapitalverzinsung
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in der Zukunft anzusehen.
Die Rentenanpassung stellt keine Erhöhung der realen Betriebsrente dar, sondern
schafft lediglich einen Ausgleich für den zwischenzeitlichen Preisanstieg. Grundsätzlich
ist es Sinn und Zweck der vorzunehmenden Anpassung, dass ein Preisanstieg weder
positive noch negative Auswirkungen für den Betriebsrentner oder den Arbeitgeber hat.
Abweichend hiervon ist es nachvollziehbar, dass ein Ausgleich für eine Geldentwertung
nicht vorgenommen werden kann, wenn hierfür nicht ausreichende Mittel zur Verfügung
stehen. Dafür spricht, dass nach den handelsrechtlichen und steuerrechtlichen
Bilanzierungsrichtlinien Rücklagen für die angepassten Betriebsrenten während der
Geldentwertung, spätestens aber im Augenblick der Anpassung zu bilden sind. Nicht
nachvollziehbar ist jedoch, dass selbst dann, wenn bereits zum Anpassungsstichtag
nicht nur ausreichende Mittel für die laufende Zahlung einer angepassten Rente
sondern auch für die zukünftige Zahlung dieser an der Geldentwertung in der
Vergangenheit angepassten Rente vorhanden sind, eine Anpassung nicht
vorzunehmen sein soll, nur weil eventuell nicht sichergestellt ist, dass das Unternehmen
auch in Zukunft angemessene Gewinne erzielt. Die zukünftige Ertragslage steht in
keinem Zusammenhang mit der Geldentwertung in der Vergangenheit und der
entsprechenden Rentenanpassung, da diese aus den erwirtschafteten Rückstellungen
beglichen werden kann, ohne dass dadurch zukünftige Gewinne geschmälert werden.
Der Arbeitnehmer hat seine Leistung erbracht und muss bei zukünftiger schlechter
Ertragslage schon hinnehmen, dass Anpassungen wegen der zukünftigen
Geldentwertungen ausbleiben. Es entspricht nicht billigem Ermessen, dass er je nach
Höhe der Geldentwertung in der Vergangenheit auf Teile seiner Vergütung für seine
Arbeit (die Betriebsrente hat Vergütungscharakter) verzichten soll, um sogar für die
Zukunft sicherzustellen, dass das Unternehmen angemessene Gewinne erzielt. Dies
könnte allenfalls dann billigem Ermessen entsprechen, wenn er auch an zukünftigen
überschießenden Gewinnen entsprechend dem von ihm zu tragenden Risiko beteiligt
wäre, zumindest dann aber eine Nachholung einer unterbliebenen Anpassung zu
erfolgen hätte.
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Insofern hat sich aber die Gesetzeslage durch die Einfügung des § 16 IV BetrAVG im
Vergleich zu dem Zeitpunkt geändert geändert, als das BAG (siehe u. a. BAG, Urteil
vom 23.04.1985 – 3 AZR 156/83, AP Nr.17 zu § 16 BetrAVG) seine Rechtsprechung
begründete, dass auf die zukünftige Entwicklung abzustellen sei. Auch gab es damals
noch keine Begrenzungen/Einschränkungen des Anpassungsanspruches, wie sie jetzt
in § 16 BetrAVG vorgesehen sind.
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Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 II ZPO der Beklagten aufzuerlegen.
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