Urteil des ArbG Dortmund vom 10.01.2007

ArbG Dortmund: einvernehmliche regelung, betriebsrat, altersrente, kreis, arbeitsrecht, arbeitsgericht, aufhebungsvertrag, beendigung, widerruf, auflage

Arbeitsgericht Dortmund, 10 (8) Ca 5798/06
Datum:
10.01.2007
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 (8) Ca 5798/06
Schlagworte:
Treuegeldordnung, Widerruf, Beteiligung des BR, Gleichbehandlung
Normen:
§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, betribliche Treuegeldordnung,
arbeitsrechlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.800,00 Euro brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 01.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert wird auf 19.800,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Der am 24.05.1940 geborene Kläger war seit dem 01.09.1960 bei der Beklagten bzw.
deren Rechtsvorgänger beschäftigt, zuletzt als Abteilungsleiter in der Konstruktion zu
einem Monatsbruttoeinkommen in Höhe von 6.600,00 Euro. Nach Erreichen des 65.
Lebensjahres schied der Kläger zum 31.05.2005 aus dem Arbeitsverhältnis aus und
bezieht seitdem eine Altersrente. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen zahlte
seit den sechziger Jahren altersbedingt ausscheidenden Mitarbeitern ein Treuegeld in
Höhe von einem Monatseinkommen nach mehr als 10jähriger Betriebszugehörigkeit, in
Höhe von zwei Monatseinkommen nach mehr als 20jähriger Betriebszugehörigkeit und
in Höhe von drei Monatsgehältern nach mehr als 25jähriger Betriebszugehörigkeit. Mit
Schreiben vom 10.12.1992 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern mit, dass sie
Treuegelder nur noch bis 1995 zahle. Nach 1995 zahlte die Beklagte nur noch teilweise
eine entsprechende Sonderzahlung.
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Zuletzt unter dem 18.10.2001 schloss die Beklagte mit dem Kläger einen neuen
schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem es heißt, dass durch ihn alle bisherigen
arbeitsvertraglichen Regelungen abgelöst werden, Änderungen und Ergänzungen des
Vertrages der Schriftform bedürfen und mündliche Nebenabreden nicht bestehen.
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Anlässlich seines Ausscheidens verlangte der Kläger von der Beklagten die Zahlung
eines Treuegeldes in Höhe von drei Monatseinkommen = 19.800,00 Euro im Hinblick
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auf seine mehr als 25jährige Betriebszugehörigkeit. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab.
Mit der bei Gericht am 08.11.2005 eingegangenen Klage begehrt der Kläger diese
Sonderzahlung.
Er behauptet, auch nach 1995 seien entsprechende Zahlungen in gleicher Höhe, wenn
auch teilweise unter anderem Namen, gezahlt worden, sofern sie von den Mitarbeitern
geltend gemacht worden seien. Die Beklagte habe deshalb auch Rückstellungen
vorgenommen. So sei eine entsprechende Zahlung unter den ihm bekannten
Mitarbeitern zum Beispiel 1999 der Mitarbeiterin S4xxxxxx, im Jahre 2002 dem
Mitarbeiter T1xxx, im Jahre 2004 der Mitarbeiterin H1xxx, im Jahr 2005 dem Mitarbeiter
W5xx, und im Jahre 2004 den Mitarbeitern K3xx, S7xxxxxxx, S5xxxx, G1xxxxx und
D4xxxxxxxxx geleistet worden. Zahlreiche weitere Mitarbeiter habe der Betriebsrat in
dem dem Schriftsatz vom 08.03.06 beigefügten Vermerk aufgeführt.
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Der Kläger vertritt die Ansicht, dass er zumindest aufgrund des
Gleichbehandlungsgrundsatzes einen Anspruch darauf habe, ebenfalls eine
entsprechende Zahlung zu erhalten.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.800,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt die Ansicht, dass ein dem Kläger eventuell im Hinblick auf die betriebliche
Übung entstandener Anspruch durch das Schreiben an alle Mitarbeiter im Jahre 1992
und spätestens durch Abschluss des Arbeitsvertrages im Jahre 2001 wieder entfallen
sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch aufgrund des
Gleichbehandlungsgrundsatzes. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die vom
Kläger benannten Mitarbeiter K3xx, S7xxxxxxx, S5xxxx, G1xxxxx und D4xxxxxxxxx die
Leistung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehandelt hätten. Die
Beklagte behauptet, keiner von diesen Mitarbeitern habe mit Ablauf des 65.
Lebensjahres auf seinen Arbeitsplatz bei ihr verzichtet. Mit dem Mitarbeiter K3xx sei bei
einem Monatsgehalt in Höhe von 3.375,02 Euro ein Aufhebungsvertrag unter
Vereinbarung einer Abfindung in Höhe von 15.000,00 Euro geschlossen worden. Die
Mitarbeiterin G1xxxxx sei zum Beispiel einvernehmlich nach ihrer Eigenkündigung vom
11.03.2003 zuzüglich der Geldleistung bis zu ihrem Ausstritt von der Arbeitsleistung
freigestellt worden. Die Mitarbeiter D4xxxxxxxxx und S5xxxx seien als
schwerbehinderte Menschen bereits mit dem 63. Lebensjahr durch Eigenkündigung in
die Altersrente für Schwerbehinderte gewechselt. Die Mitarbeiterin S4xxxxxx habe mit
dem Ausscheiden in die Altersrente aufgrund ihrer eigenen Kündigung eine Zahlung
erhalten. Die Grundlage der Zahlung könnte allerdings nicht mehr nachvollzogen
werden. Sie sei im Abrechnungssystem als einmalige Sonderzahlung gemäß
besonderer Vereinbarung gekennzeichnet. Eine Vergleichbarkeit mit anderen
Mitarbeitern liege auch deshalb nicht vor, weil diese unterschiedliche
Monatsvergütungen und damit auch bei ihrem Ausscheiden unterschiedliche Zahlungen
erhalten hätten. Schließlich vertritt die Beklagte die Ansicht, dass der Kläger auch
zumindest solange keinen Anspruch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes
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geltend machen könne, solange mit dem Betriebsrat nicht eine einvernehmliche
Regelung gefunden worden sei. Die Gewährung von solchen Sonderzahlungen
unterliege dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat aufgrund seiner Betriebstreue über mehr als 25 Jahre bis zu seinem
Ausscheiden mit Erreichen des Rentenalters einen Anspruch gegen die Beklagte auf
eine Sonderzahlung in Höhe von drei Monatsgehältern in Höhe von insgesamt 19800 €.
Der Anspruch ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Kläger hat
vorgetragen, dass die Beklagte trotz ihrer Ankündigungen im Jahre 1992, ab 1995 kein
Treuegeld mehr zu zahlen, dennoch weiterhin entsprechende Sonderzahlungen an
diejenigen Arbeitnehmer gezahlt hat, die eine entsprechende Zahlung verlangt haben.
Dies muss als unstreitig gelten, weil dieses Vorbringen von der Beklagten zumindest
nicht substantiiert bestritten worden ist.
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Hätte die Beklagte das Vorbringen des Klägers bestreiten wollen, hätte sie darlegen
müssen, dass sie nicht entsprechende Zahlungen an alle diejenigen Arbeitnehmer
weiterhin erbracht habe, die sie geltend gemacht haben, welchem anderen Kreis von
Arbeitnehmern sie entsprechende Leistungen erbracht hat, wie er sich zusammensetzt
und abgrenzt und warum der Kläger nicht dazu gehört (vgl. auch zur Darlegungs- und
Beweislast Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht – Preis, 7. Auflage § 611 BGB, Rdnr.
748). Darüber hinaus kann nachgeschobener Vortrag zur sachlichen Rechtfertigung nur
eingeschränkt berücksichtigt werden. Die den Arbeitnehmern nicht erkennbaren
Unterscheidungsmerkmale, deren Auswahl der Arbeitgeber nicht offen gelegt hat,
können nur dann berücksichtigt werden, wenn besondere Umstände erkennen lassen,
dass sie nicht nur vorgeschoben sind (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht – Preis,
a. a. O.). So reicht es nicht aus, wenn die Beklagte einzelne Arbeitnehmer benennt, die
keine entsprechende Zahlung erhalten haben, vorträgt, dass nicht ausgeschlossen
werden könne, dass die vom Kläger aufgeführten Personen die Leistung für die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehandelt hätten, da keiner von den
aufgeführten Personen mit Ablauf des 65. Lebensjahres auf seinen Arbeitsplatz bei ihr
verzichtet habe , und darauf verweist, dass mit diesen Mitarbeitern teilweise ein
Aufhebungsvertrag geschlossen worden sei, teilweise Altersteilzeit vereinbart worden
sei, sie teilweise selbst gekündigt hätten und sie teilweise als Schwerbehinderte bereits
mit 63 Jahren Altersrente in Anspruch genommen hätten, unterschiedlich viel verdient
hätten sowie bezüglich zwei weiterer vom Kläger benannten Mitarbeiter ausdrücklich
erwähnt, dass die Grundlage der Zahlungen nicht mehr nachvollzogen werden könne.
Aus diesem Vortrag ergibt sich nicht, ob und – wenn ja – in welcher Weise sie nach
1995 den Kreis der begünstigten Arbeitnehmer anders abgegrenzt hat und auch nicht,
warum der Kläger zu diesem Kreis nicht dazugehört. Selbst soweit die Beklagte in
Einzelfällen auf unterschiedliche Fallgestaltungen hinweist, ergibt sich daraus nicht, ob
sie ausschlaggebend waren. Sie können nicht ausschlaggebend gewesen sein, wenn
letztlich alle Arbeitnehmer, die einen Anspruch geltend gemacht haben, entsprechende
Zahlungen erhalten haben. Im Übrigen erscheint es zum Beispiel auch wenig
wahrscheinlich, dass diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund des Erreichens des 65.
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Lebensjahres Altersrente beziehen können und denen die Beklagte auch über 1995
hinaus Treuegeld bzw. entsprechende Zahlungen geleistet hat, nur aufgrund der
Zusage dieser Zahlung bereit waren, auszuscheiden. Ähnliches dürfte für
Schwerbehinderte gelten, die das Rentenalter erreicht haben oder für Arbeitnehmer,
denen Altersteilzeit angeboten wird, da in der Regel mehr Arbeitnehmer eine
Altersteilzeitvereinbarung treffen wollen, als der Arbeitgeber dies anbieten will. Soweit
die Beklagte schließlich vorträgt, dass sie keine Beschäftigungsgruppe gebildet habe,
der eine bestimmte Leistung gezahlt worden sei, so bedeutet dies, dass sie keine
andere Beschäftigungsgruppe als bisher gebildet hat, der ausschließlich noch ein
Treuegeld bzw. entsprechende Leistungen gezahlt wird, und dass es damit auch keinen
Rechtfertigungsgrund gibt, warum der Kläger nicht zum Kreis der Begünstigten gehören
soll.
Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch aus § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG.
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Da die Beklagte Treuegeldzahlungen oder entsprechende Leistungen auch nach 1995
erbringt , aber keine andere Beschäftigungsgruppe als bisher gebildet hat, der
ausschließlich noch ein Treuegeld bzw. entsprechende Leistungen gezahlt wird, hat die
Beklagte die Vergütungsgrundsätze bezüglich dieser übertariflichen Leistungen
geändert.
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Dies durfte sie gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG jedoch nicht ohne Beteiligung des
Betriebsrats, was zur Folge hat, dass die Änderung der Vergütungsgrundsätze
unwirksam ist (vgl. BAG, Entscheidung vom 20.08.1991, AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG
Lohngestaltung und Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht – Kania, 7. Aufl. Rdnr. 116 zu
§ 87 BetrVG). Da die Beklagte nach dem Widerruf der Treuegeldzahlungen im Jahre
1992 diese Zahlungen bzw. entsprechende Zahlungen fortgeführt hat, ohne im
zeitlichen Zusammenhang eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat notfalls durch
Einrichtung einer Einigungsstelle herbeizuführen, kommt auch eine rückwirkende
andere Vereinbarung mit dem Betriebsrat nicht in Betracht, zumal die weiterhin
begünstigten Arbeitnehmer bereits seit längerer Zeit bei der Beklagten ausgeschieden
sind. Im Übrigen hatte die Beklagte zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
noch immer keine Vereinbarung mit dem Betriebsrat geschlossen, obwohl der Kläger
diesen Rechtsstreit längere Zeit hat ruhen lassen, um der Beklagte entsprechend ihrem
Wunsch Gelegenheit zu geben, mit dem Betriebsrat eine Einigung herbeizuführen.
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Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 91 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.
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Wolffram
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