Urteil des ArbG Dortmund vom 02.03.2006

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Arbeitsgericht Dortmund, 6 Ca 4306/05
Datum:
02.03.2006
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Ca 4306/05
Schlagworte:
Orientierungssatz: Befristung, Lehrkraft, Lehrer, BAT sr 24
Rechtskraft:
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt
werden
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
aufgrund der Befristung vom 02.05.2005 mit Ablauf des 31.07.2006 sein
Ende finden wird.
2. Das beklagte L2xx wird verurteilt, die Klägerin über den 31.07.2006
hinaus
als angestellte Lehrkraft zu unveränderten Bedingungen bis zum
rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte L2xx.
4. Der Streitwert wird auf 12 500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsvertrages der
Parteien vom 02.05.2005 zum 31.07.2006.
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Die Klägerin ist Diplom-Sozialpädagogin und steht seit Oktober 2001 aufgrund mehrerer
befristeter Verträge als angestellte Lehrkraft im öffentlichen Schuldienst des beklagten
L2xxxx . Sie ist an der K3xxxxxx-Schule für Lernbehinderte in D1xxxxxx zuletzt 21
Stunden pro Woche tätig. Die Parteien vereinbarten die Anwendbarkeit des Bundes-
Angestelltentarifvertrages. Die Klägerin ist in die Vergütungsgruppe IVb BAT
eingruppiert und verdient etwa 2.500,- € brutto.
3
Die Klägerin wurde zunächst durch Arbeitsvertrag vom 25.10.2001 (Bl. 8 d. A.) ab dem
31.10.2001 befristet bis zum 31.07.2002 eingestellt. In dem Vertrag heißt es:
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"Frau S1xxxxx L1xxxxxx wird mit Wirkung vom 31.10.01, frühestens vom Tage des
Dienstantritts auf bestimmte Zeit gem. Nr. 1 c der Sonderregelung 2 y BAT als nicht
vollbeschäftigte Lehrkraft im funktionellen Sinne mit durchschnittlich wöchentlich
13,25 Pflichtstunden eingestellt, und zwar als Angestellte für folgende Aufgaben
von begrenzter Dauer: zeitlich begrenztes Projekt "Schulsozialarbeit" bis zum
31.07.2002."
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Das beklagte L2xx beschäftigte die Klägerin aufgrund der Verträge datiert auf den
20.06.2001
jeweils für ein Jahr weiter. Mit Vertrag vom 02.05.2005 (Bl. 13 d. A.) vereinbarten die
Parteien die hier streitgegenständliche Befristung bis zum 31.07.2006. Die Klägerin
unterzeichnete den Vertrag am 10.05.2005.
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Auf die Verträge wird im übrigen ergänzend Bezug genommen. Als Befristungsgrund ist
(mit Ausnahme des auf den 21.06.2001 datierten Vertrages) jeweils angegeben: "Das
Projekt ist noch nicht abgeschlossen und wird im nächsten Jahr fortgesetzt.". In den
Verträgen heißt es jeweils: "Die übrigen Bestimmungen des Vertrages vom 25.10.2001
sind weiter Bestandteil dieses Vertrages."
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Die Klägerin ist der Ansicht, die Befristung im Vertrag vom 02.05.2005 sei unwirksam
und beende das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Das beklagte L2xx könne die
Befristung nur auf die im Arbeitsvertrag vereinbarten Befristungsgrundformen der SR 2y
BAT stützen. Die vorgetragene Befristungsbegründung sei nicht vereinbart. Ein
Nachschieben einer auf Haushaltsmittel gestützten Begründung sei nicht möglich.
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Sie behauptet, es gäbe kein zeitlich begrenztes Projekt "Schulsozialarbeit". Der
Haushaltsgesetzgeber habe sich nicht selbst mit den Verhältnissen ihrer Stelle befasst.
Das Arbeitgeberrisiko, im nächsten Jahr nicht ausreichend Geld für eine Beschäftigung
zu haben, solle unzulässig auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden.
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Die Klägerin bestreitet die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats. Dem
Personalrat sei nicht der im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristungsgrund mitgeteilt
worden. Der Befristungsgrund habe dem Personalrat auch nicht bekannt sein können.
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Die Klägerin beantragt,
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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht kraft Befristung vom 02.05.2005 mit Ablauf des
31.07.2006 enden wird.
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2. das beklagte L2xx zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen
Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits als angestellte Lehrkraft über den
31.07.2006 hinaus weiter zu beschäftigen.
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Das beklagte L2xx beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das beklagte L2xx ist der Ansicht, die Befristung sei wirksam. Die Klägerin werde aus
Haushaltsmitteln vergütet, die vom Ministerium für Schule, Jugend und Kinder
haushaltsrechtlich für eine für die Dauer eines Schuljahres befristete Beschäftigung
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bestimmt seien. Das beklagte L2xx nimmt auf den Erlass des Ministeriums vom
18.02.2003 Bezug. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe festgestanden, dass die
Planstelle nur befristet sei und wieder wegfallen solle. Die "Schulsozialarbeit" werde
vom Ministerium als "zeitlich begrenztes Projekt" bezeichnet, wobei sich die zeitliche
Begrenzung aus dem Bedarf und insbesondere aus den zeitlich begrenzt zur Verfügung
gestellten Haushaltsmitteln ergebe. Die Erprobungsphase des Projekts sei bereits
abgeschlossen.
Die Haushaltsmittel für das Projekt seien jeweils für ein Jahr begrenzt. Seitens der
Schule, seit Dezember 2004 über die Stadt D1xxxxxx, werde jedes Jahr nach
Bedarfsermittlung ein Antrag auf Zuweisung von Stellenanteilen gestellte. Auf
Grundlage der gesammelten Bedarfsermittlungen werde über den Umfang der zu
bewilligenden Mittel entschieden. L2xxxx weit stünden 1.300 Stellen zur Verfügung, die
ab dem Haushaltsplan 2004/2005 aus einem Stellenkontingent für
Vorgriffseinstellungen bereitgestellt würden.
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Der Personalrat sei mit der Personalratsvorlage vom 02.05.2005 informiert worden und
habe am 03.05.2005 nach ordnungsgemäßer Sitzung zugestimmt (Bl. 36 d. A.). Da das
Projekt schon fünf Jahre lief, seien dem Personalrat die näheren Umstände über
Beendiungs- und Verlängerungsgründe sowie die Genehmigungs- und
Zuweisungspraxis des Ministeriums bekannt gewesen, ohne dass er im konkreten
Einzelfall darüber habe informiert werden müssen. Das beklagte L2xx nimmt auf eine
Bestätigung der Personalratsvorsitzenden vom 28.02.2006 (Bl. 99 d. A.) Bezug.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der geäußerten
Rechtsansichten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ausdrücklich
ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet und hat Erfolg.
21
1.
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Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird nicht aufgrund der vereinbarten Befristung zum
31.07.2006 sein Ende finden. Die mit Vertrag vom 02.05.2005 vereinbarte Befristung ist
unwirksam, §§ 14 Abs. 1 S. 1, 16 S. 1 TzBfG. Es fehlt an einem wirksam vereinbarten
Sachgrund.
23
a.
24
Das beklagte L2xx vermag die Befristung nicht auf § 14 Abs 1 S. 1 Nr. 7 TzBfG
(Vergütung aus Haushaltsmitteln, die haushaltsrechtlich für eine befristete
Beschäftigung bestimmt sind) zu stützen., denn die Befristungsgrundform des
Zeitangestellten (Nr. 1 a SR 2y BAT) ist zwischen den Parteien nicht vereinbart.
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Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung (BAG, 04.12.2002 – 7 AZR
437/01 – AP Nr. 24 zur § 2 BAT SR 2y m. w. N.) davon aus, dass eine Befristung wegen
nur begrenzt verfügbarer Haushaltsmittel ausschließlich auf die Befristungsgrundform
des Zeitangestellten (Nr. 1 a SR 2y BAT) gestützt werden kann. Die Kammer nimmt auf
die Begründung des BAG, auf die bereits durch Beschluss vom 23.12.2005
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hingewiesen wurde, ausdrücklich Bezug.
Aus der im Änderungsvertrag vom 02.05.2005 verwendeten Formulierung "Das Projekt
ist noch nicht abgeschlossen und wird im nächsten Schuljahr fortgesetzt" folgt keine
Vereinbarung der Befristungsgrundform "Zeitangestellte".
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Auch aufgrund der Inbezugnahme des Vertrages vom 25.10.2001 beinhaltet der hier
streitgegenständliche Vertrag vom 02.05.2005 keine wirksam vereinbarte
Befristungsgrundform des Zeitangestellten (Nr. 1 a SR 2y BAT). Dabei kann es
dahinstehen, ob die streitgegenständliche Befristung ausschließlich auf die
Befristungsgrundform der Vertretung (Nr. 1 c SR 2y BAT) oder auch auf Aufgaben von
begrenzter Dauer (Nr. 1 b SR 2y BAT) gestützt werden kann. Für die erste Ansicht
spricht, dass nur Nr. 1 c SR 2y BAT im Vertrag ausdrücklich genannt ist. Für die zweite
Ansicht spricht dass die "Aufgabe von begrenzter Dauer" im Wortlaut genannt ist.
Jedenfalls hat das beklagte L2xx im Arbeitsvertrag die Befristungsgrundform
"Zeitangestellte" weder ausdrücklich noch durch Bezugnahme auf die Bestimmung des
BAT erwähnt.
28
b.
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Weitere Sachgründe, die die streitgegenständliche Befristung rechtfertigen könnten,
macht das beklagte L2xx nicht geltend.
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Im übrigen kämen dann Bedenken bezüglich der substantiierten Darlegung der
ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats in Betracht.
31
2.
32
Der Weiterbeschäftigungsantrag ist begründet und hat Erfolg, denn die Klägerin hat
einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen zumindest bis
zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits.
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Der Anspruch ergibt sich aus dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch (vgl.
BAG, 27.02.1985 - GS 1/84 - in: AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Der
Arbeitnehmer hat in der Regel einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits, wenn in einem Urteil
die Unwirksamkeit einer Kündigung festgestellt wird. Diese Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist auf ein obsiegendes Urteil im vorliegenden
Entfristungsrechtsstreit entsprechend anzuwenden.
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Umstände, die im Rahmen einer Abwägung der Interessen der Parteien ein
überwiegendes Interesse der Beklagten an einer Nichtbeschäftigung des Klägers
begründen, sind nicht ersichtlich.
35
3.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die
unterlegene Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Der
Bestandsschutzantrag war mit drei (§ 42 Abs. 4 GKG) und der
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Weiterbeschäftigungsantrag mit zwei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten.
Wolkenhauer
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