Urteil des ArbG Darmstadt vom 27.06.2007

ArbG Darmstadt: betriebsrat, zeiterfassung, hypothetischer parteiwille, manager, haus, unternehmen, gespräch, ausschuss, androhung, verfügung

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Gericht:
ArbG Darmstadt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 BV 7/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 77 Abs 1 S 1 BetrVG
Zum Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer
Betriebsvereinbarung
Tenor
1. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, während
der Geltung der Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeit“ vom
07.09.2000 Mitarbeiter ohne Zustimmung des Betriebsrats aus der
Zeiterfassung herauszunehmen, es sei denn, es handelt sich hierbei
um leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG.
2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziffer
1. wird der Beteiligten zu 2. ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 EUR (in
Worten: Zehntausend Euro)
nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, zu vollziehen an den
Geschäftsführern T D und Y F.
3. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, hinsichtlich der Mitarbeiter J
M, F W, M B, P S, S N, T U, N J, G C und K P die Betriebsvereinbarung
„Jahresarbeitszeit“ vom 07.09.2000 durchzuführen und diese
Arbeitnehmer zu veranlassen, deren Arbeitszeiten nach der
Betriebsvereinbarung zu erfassen.
4. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden Betriebsrat) nimmt die Beteiligte zu 2. (im
Folgenden Arbeitgeberin) auf Unterlassung der Herausnahme von Mitarbeitern aus
der Zeiterfassung während der Geltung der Betriebsvereinbarung
„Jahresarbeitszeit“ vom 7. September 2000 sowie auf Durchführung dieser
Betriebsvereinbarung in Bezug auf 10 Mitarbeiter in Anspruch.
Die Arbeitgeberin unterhält einen Betrieb in Darmstadt mit ca. 219 Mitarbeitern.
Gegenstand des Unternehmens ist die Forschung, Entwicklung und der Vertrieb
von friseurexklusiven Haarpflegeproduktion.
Der Betriebsrat ist der im Betrieb der Arbeitgeberin in Darmstadt gebildete
neunköpfige Betriebsrat.
Unter dem 7. September 2000 schloss der Betriebsrat mit der Arbeitgeberin die
erwähnte Betriebsvereinbarung ab. Diese hat unter anderem folgende
Vorschriften:
„PRÄAMBEL
Hinter der hier geschlossenen Vereinbarung steht die Überzeugung, dass
ein erfolgreiches und ausgewogenes Miteinander innerhalb des Unternehmens nur
erreicht werden kann, wenn betriebliche Erfordernisse und persönliche
Arbeitszeitwünsche im Einklang stehen. Dies verlangt von allen Beteiligten neben
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Arbeitszeitwünsche im Einklang stehen. Dies verlangt von allen Beteiligten neben
Aufgaben- und Kundenorientierung Verantwortungsbewusstsein, Konsensfähigkeit
und Vertrauen und damit auch eine größere Eigenverantwortung bei der
Aufgabenerfüllung. Letztlich ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit unverzichtbar,
um Vorgesetzte und Mitarbeiter weg von der Zeitorientierung und hin zur
Aufgaben- und Ergebnisorientierung zu führen.
Um das hierfür notwendige Umdenken der Mitarbeiter zu erleichtern und
sie bei diesem Prozeß zu begleiten, ist das nachstehend vereinbarte
Jahresarbeitszeitmodell als erster Schritt auf dem Weg zu einer weitgehenden
Flexibilisierung der Arbeitszeit zu verstehen.
1. GELTUNGSBEREICH
Die hier geschlossene Betriebsvereinbarung gilt für die Mitarbeiter der G
GmbH.
7. ARBEITSZEITGREMIUM
7.1 Sinn und Zweck
Um den Prozeß der Arbeitszeitflexibilisierung zu begleiten, wird ein
Gremium gebildet. Dieses Gremium ist jederzeit Ansprechpartner für Mitarbeiter
und Vorgesetzte, wenn es um die Ausgestaltung der in dieser
Betriebsvereinbarung festgelegten Bestimmungen geht. Das Gremium wird aus
Mitarbeitern von Human Resources und Betriebsratsmitgliedern gebildet, die
jeweils aktuelle Zusammensetzung ergibt sich aus der Anlage zu dieser
Betriebsvereinbarung.
Das Gremium beobachtet die Entwicklung der Zeitkonten und macht auf
die Einhaltung der Zeitobergrenzen (Ampelfunktion) aufmerksam. Insbesondere
soll es darauf hinwirken, dass die erforderlichen Gespräche zwischen Vorgesetzten
und Mitarbeitern rechtzeitig geführt und daraus resultierende Maßnahmen zeitnah
umgesetzt werden.
Sollten Mitarbeiter und Vorgesetzter über die individuelle Umsetzung
dieser Vereinbarung auch nach ausreichender Bemühung, Übereinstimmung
herbeizuführen, letztlich keine Einigkeit erzielen, so steht das Gremium als
vermittelnde Stelle zur Verfügung. Mitarbeiter und Vorgesetzter haben die
Möglichkeit, das Gremium oder einzelne seiner Mitglieder anzusprechen, um sich
Rat oder eine Entscheidungshilfe zu holen. In besonders schwerwiegenden Fällen
hat das Gremium als Ganzes zu beraten.
Ebenso kann das Gremium angerufen werden, wenn aufgrund besonderer
Umstände Ausnahmen von den Regelungen dieser Betriebsvereinbarung
notwendig erscheinen. Entscheidungen des Gremiums sind einstimmig zu treffen.
…“
Ergänzend wird auf den Inhalt dieser Betriebsvereinbarung (Blatt 7 bis 14 d.A.)
Bezug genommen. Diese Betriebsvereinbarung wurde zuletzt mit Vereinbarung
vom 12. August 2003 (Blatt 16 d.A.) verlängert und besteht heute in einem
ungekündigten Zustand.
Die Arbeitgeberin nimmt die Mitarbeiter ……… , bei denen es sich nicht um
leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG handelt, von der
Zeiterfassung aus.
Der Betriebsrat behauptet, dies gelte darüber hinaus im Hinblick auf den
Mitarbeiter ……… .
Der Betriebsrat beantragt zuletzt:
1.Der Antragsgegnerin wird untersagt, während der Geltung der
Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeit“ vom 07.09.2000 Mitarbeiter ohne
Zustimmung des Betriebsrats aus der Zeiterfassung herauszunehmen, es sei
denn es handelt sich hierbei um leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3
BetrVG.
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2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus dem
Antrag zu 1) wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 €,
ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.
3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, hinsichtlich der Mitarbeiter
……… die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeit“ vom 07.09.2000
durchzuführen und die Arbeitnehmer zu veranlassen, deren Arbeitszeiten nach der
Betriebsvereinbarung zu erfassen.
4. Der Beteiligten zu 2. ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 €
anzudrohen bzw. Zwangshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern ……… .
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie führt aus, die genannten Mitarbeiter seien sämtlich nicht in den
Zeiterfassungsmodellen, wie sie in der erwähnten Betriebsvereinbarung
beschrieben seien, einzuordnen.
Ziffer 1. bezeichne den Rahmen, in dem die Betriebsvereinbarung sachlich zur
Geltung gelangen könne. Eine Regelung darüber, wie die Zeiten erfasst würden,
die nicht über das entsprechende Terminal gebucht werden könnten, etwa bei
auswärtigen Terminen, enthalte die Betriebsvereinbarung nicht.
Im Übrigen sei in der Präambel festgehalten, dass die Flexibilisierung der Arbeit
unverzichtbar sei, um Vorgesetzte und Mitarbeiter weg von der Zeitorientierung
hin zur Aufgaben- und Ergebnisorientierung zu führen.
Daraus folge, dass eine Zeiterfassung dann nicht von Sinn und Zweck der
Betriebsvereinbarung und deren fachlichem Geltungsbereich gedeckt sei, wenn
Mitarbeiter im Unternehmen der Arbeitgeberin auch Aufgaben erfüllen, die eine
Zeiterfassung über die im Unternehmen stationär angebrachten Terminals
weitgehend unmöglich machen. Dies seien solche Mitarbeiter, die einen
erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit – und nicht nur gelegentlich – Dienstreisen
unternehmen bzw. im Ausland arbeiteten. Dies treffe auf sämtliche in der der
Antragsschrift genannten Mitarbeiter zu, wobei der Mitarbeiter …………….. bei der
Arbeitgeberin bereits ausgeschieden sei. Hierzu wurde seitens des Personalleiters
der Arbeitgeberin …………... in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2007
erklärt, der Mitarbeiter …………… sei zum 1. April 2007 in ein
Tochterunternehmen der Arbeitgeberin, namentlich die …………… gewechselt und
ab diesem Zeitpunkt sei er bei ihr ausgeschieden.
Hinsichtlich des Mitarbeiters …………… , der unstreitig Leiter der Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit bei der Arbeitgeberin ist, gehörten zu seinen Aufgaben u. a.
die Planung, Steuerung, Koordination und Durchführung von PR-Maßnahmen, PR-
Kampagnen, PR-Events und PR-Veranstaltungen sowie die Messe-PR für die
jeweiligen Märkte und Regionen in Zusammenarbeit mit den tangierenden
Bereichen, die er in allen europäischen Ländern und in Südafrika vollbringe. Diese
Aufgaben erfülle er täglich im Außendienst und in mehreren Wochen andauernden,
länger zusammenhängenden Dienstreisen. Damit sei eine Zeiterfassung im Sinne
der Betriebsvereinbarung, also über die stationären Terminals, für den Mitarbeiter
…………… somit tatsächlich unmöglich.
Die Mitarbeiter ……………. seien als SAP Application Manager CRM/SD eingesetzt,
wobei Herr der Leiter des Centers ist, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Deren Tätigkeiten fänden in großem Umfang im Ausland statt. So sei der
Mitarbeiter im Jahre 2006 an insgesamt 110 Tagen, davon 55 Tage im Ausland,
auf Dienstreise gewesen. Dies stelle mehr als die Hälfte der jährlichen zur
Verfügung stehenden Arbeitszeit dar. Der Mitarbeiter sei z. B. im Jahre 2006
umfangreich auf Dienstreise gewesen, nämlich an insgesamt 67 Arbeitstagen.
Bei den Mitarbeitern handele es sich um sog. „International Trainer“, was
zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Dabei sei der Mitarbeiter im Jahre 2006 an
insgesamt 116 Arbeitstagen, der Mitarbeiter an insgesamt 86 Arbeitstagen, der
Mitarbeiter an insgesamt 52 Arbeitstagen, die Mitarbeiterin an insgesamt 43
Arbeitstagen auf Dienstreise gewesen.
Bei den Mitarbeitern handele es sich – unstreitig – um sog. Senior Manager, die in
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Bei den Mitarbeitern handele es sich – unstreitig – um sog. Senior Manager, die in
der Hierarchie bei der Arbeitgeberin auf zweiter Stufe unterhalb der
Geschäftsführung nach den Vice-Presidents agierten. Es sei bei der Arbeitgeberin
seit jeher so, dass diese Hierarchieebene der Senior Manager nicht von einer
Zeiterfassung erfasst sein sollten. Dieses Einverständnis habe auch bei Abschluss
der entsprechenden Betriebsvereinbarung bestanden. Insoweit hätten die
Betriebsparteien ein gegenüber Ziffer 1. der Betriebsvereinbarung abweichendes
Verständnis über den Geltungsbereich von vornherein gehabt.
Darüber hinaus habe im Rahmen einer „HAY-Stellenbewertung“ Anfang März 2007
der Betriebsrat bei der Bewertung dieser beiden Mitarbeiter ihrer Zuordnung in die
Gruppe des Senior-Manager zugestimmt, was zwischen den Beteiligten ebenfalls
unstreitig ist, und auf die Frage der Personalreferentin der Arbeitgeberin, …….., ob
sich damit auch das Zeiterfassungsproblem bezüglich dieser Mitarbeiter erledigt
habe, positiv zugestimmt und sinngemäß geäußert: „Da habe aber die
Arbeitgeberin bezüglich dieser beiden Mitarbeiter gehabt“. Dieses Gespräch habe
zwischen dem 5. und 7. März 2007 stattgefunden. Bei ihnen sei – unstreitig – für
den Betriebsrat dessen Vorsitzender und das Betriebsratsmitglied……….. und für
die Arbeitgeberin die Zeugen anwesend gewesen. Die erwähnten Äußerungen
des Betriebsrats würden von einem der beiden Betriebsratsmitglieder stammen,
von wem genau, könne zurzeit nicht gesagt werden.
Darüber hinaus habe der Betriebsrat durch die tatsächliche Handhabung und die
Akzeptanz der von der Arbeitgeberin offen gelegten Personen, die aus der
Zeiterfassung herausgenommen worden seien, dieser Ausnahmeregelung
einvernehmlich zugestimmt, zumindest würde er sich mit vorliegendem Antrag
rechtsmissbräuchlich verhalten. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen der
Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 23. Mai 2007, dort auf Seite 6 (Blatt 39 d.A.)
sowie auf ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 21. Juni 2007, dort auf Seite 5,
letzter Absatz bis Seite 6 (Blatt 55, 56 d.A.) Bezug genommen.
Es wäre völlig unzweckmäßig, eine Zeiterfassung bei Mitarbeitern vorzunehmen,
wenn von vornherein klar sei, dass die Mitarbeiter in erheblichem Umfang diese
aufgrund ihrer dienstlichen Verpflichtungen außer Haus nicht bedienen könnten.
Diese Mitarbeiter hätten eine Vertrauensarbeitszeit.
Der Betriebsrat erwidert, es habe niemals eine Absprache zwischen den
Beteiligten gegeben, dass die Hierarchieebene der Senior-Manager ………. nicht
an der Zeiterfassung teilnehmen solle. Im Übrigen würden die im Antrag
genannten Mitarbeiter auch dann aus der Zeiterfassung herausgenommen, wenn
sie vor Ort im Betrieb anwesend seien, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Bei dem „HAY-Ausschuss“ handele es sich nicht um den Ausschuss im Sinne der
Ziffer 7.1 der in Rede stehenden Betriebsvereinbarung, was zwischen den
Beteiligten unstreitig ist. Dort ging es vielmehr – unstreitig – um die
Eingruppierung von Mitarbeitern. Es sei in dem von der Arbeitgeberin
erwähnten Gespräch darum gegangen, ob die beiden erwähnten Mitarbeiter den
Status eines Senior Managers inne gehabt hätten. Dies sei – unstreitig- von allen
Beteiligten bejaht worden. Es sei dann die Aussage der Mitarbeiterin
……………. gekommen „ja, dann hat sich ja das Thema Arbeitszeit erledigt“. Der
Betriebsrat habe dann geäußert: „Das werden wir dann sehen“. Zum damaligen
Zeitpunkt seien im Gremium nach Ziffer 7.1 der Betriebsvereinbarung
„Jahresarbeitszeit“ für den Betriebsrat neben dem Mitglieds …………… auch noch
das Mitglied ……………. tätig gewesen, was unstreitig ist.
Schließlich verweist der Betriebsrat auf die Möglichkeit einer manuellen
Zeiterfassung und bestreitet mit Nichtwissen, dass der Mitarbeiter
……………. ausgeschieden sei. Normalerweise bekomme der
Betriebsratsvorsitzende eine schriftliche Mitteilung über das Ausscheiden. Dies sei
im Falle …………… nicht der Fall gewesen.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile Bezug
genommen.
II.
Die Anträge sind überwiegend zulässig und begründet.
Der Betriebsrat hat einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Unterlassung der
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Der Betriebsrat hat einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Unterlassung der
Herausnahme der aus dem Tenor ersichtlichen Mitarbeiter sowie auf Durchführung
der Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeit“ vom 7. September 2000 im Wege
der Einwirkung auf diese Mitarbeiter dahingehend, dass sie ihre Arbeitszeiten nach
der erwähnten Betriebsvereinbarung erfassen.
Grundsätzlich ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine Durchführungspflicht
im Hinblick auf Vereinbarungen zwischen Betriebsparteien. Daraus folgt ein
Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung vereinbarungswidriger
Maßnahmen (etwa BAG, Beschluss vom 13. Oktober 1987, AP Nr. 2 zu § 77
BetrVG Auslegung) sowie auf Durchführung der getroffenen Vereinbarung (etwa
BAG, Beschluss vom 21. Januar 2003, AP Nr. 1 zu § 21 a BetrVG 1972), der u. a.
auch durch Einwirkung auf die sich nicht betriebsvereinbarungskonform
verhaltenden Mitarbeiter verwirklicht werden kann.
Da die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung nach dem eindeutigen Wortlaut
ihrer Ziffer 1. „für die Mitarbeiter“ der Arbeitgeberin gilt, haben alle Mitarbeiter,
zumindest für die Zeiten, in denen sie im Betrieb anwesend sind, an dem dort
installierten Zeiterfassungssystem teilzunehmen.
Soweit die im Tenor genannten Mitarbeiter – zum Teil erhebliche Zeiten – außer
Haus arbeiten, gibt es keine Regelung in der Betriebsvereinbarung. Mangels
Anhaltspunkte kann insoweit auch ein hypothetischer Parteiwille nicht durch
ergänzende Vertragsauslegung gewonnen werden. Allein die Regelung in der
Präambel, aus der lediglich der Wille der Betriebsparteien hinsichtlich einer
Flexibilisierung der Arbeitszeit hervorgeht, gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür, dass nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden
Betriebsvereinbarung Arbeitnehmer mit erheblichen Dienstzeiten außer Haus von
der im Haus installierten Zeiterfassung ausgenommen werden sollten. Da keine
mitbestimmungspflichtige Zeiterfassung von der Arbeitgeberin in Zeiten, in denen
die Mitarbeiter außer Haus arbeiten, vorgenommen wird und der Betriebsrat
diesbezüglich von seinem Initiativrecht keinen Gebrauch gemacht hat, ist es der
Arbeitgeberin jedenfalls insoweit erlaubt, von einer Vertrauensarbeitszeit
auszugehen, sich also auf die Angaben der Mitarbeiter zu verlassen. Daraus ergibt
sich jedoch nicht, dass eine Erfassung von Arbeitszeiten im Betrieb zwecklos wäre
und zu unterbleiben habe.
Dies gilt auch für die Senior-Manager ……… . Soweit in Bezug auf diese von der
Arbeitgeberin pauschal behauptet wird, anlässlich des Abschlusses der
Betriebsvereinbarung habe es bereits insoweit ein Einvernehmen hinsichtlich ihrer
Herausnahme aus der Zeiterfassung gegeben, reicht dies nicht. Konkrete
Gesprächsinhalte zwischen den Betriebsparteien, aus denen sich diese
Schlussfolgerungen herleiten ließen, wurden nicht dargelegt.
Die Arbeitgeberin kann sich darüber hinaus auch nicht auf das Gespräch im „HAY-
Ausschuss“ vom 5. oder 7. März 2007 berufen. Eine Zustimmung des
Betriebsrates als Gremium zu der Herausnahme der Mitarbeiter ……… aus der
Zeiterfassung wurde seitens der Arbeitgeberin nicht hinreichend konkret
dargelegt. Insbesondere ist nicht konkret dargelegt worden, dass eine
entsprechende Zustimmung seitens des Betriebsratsvorsitzenden
……… stattgefunden hat. Nur in diesem Fall hätte man unter Umständen von
einer Zustimmung des Betriebsrates als Gremium in Bezug auf die Herausnahme
der Mitarbeiter ……… aus der Zeiterfassung ausgehen können. Nach dem
eigenen Vortrag der Arbeitgeberin ist es auch möglich, dass eine zustimmende
Äußerung lediglich durch das einfache Betriebsratsmitglied ……… erfolgt ist.
Dieser ist jedoch nicht der gesetzliche Vertreter des Betriebsrates und man kann
nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Betriebsratsvorsitzende
………. allein durch sein Stillschweigen auf eine entsprechende Äußerung für den
Betriebsrat als Gremium seine Zustimmung kundgetan hat.
Im Übrigen kann sich die Arbeitgeberin nicht darauf berufen, dass sich der
Betriebsrat trotz Vorlage entsprechender Listen eine längere Zeit nicht negativ in
Bezug auf die bisher aus der Zeiterfassung herausgenommenen Mitarbeiter
geäußert habe. Ein Verzicht auf seine Rechte aus der in Rede stehenden
Betriebsvereinbarung kann darin nicht gesehen werden.
Soweit der Betriebsrat eine Durchführung der Betriebsvereinbarung auch in Bezug
auf den Mitarbeiter ………. begehrt, ist der Antrag unbegründet. Spätestens
nachdem der Personalleiter der Arbeitgeberin im Termin am 27. Juni 2007
persönlich mitgeteilt hat, dass dieser Mitarbeiter zum 1. April 2007 in das
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persönlich mitgeteilt hat, dass dieser Mitarbeiter zum 1. April 2007 in das
Tochterunternehmen ……… gewechselt und ab diesem Zeitpunkt bei der
Arbeitgeberin ausgeschieden sei, hätte der Betriebsrat konkret darlegen müssen,
woraus sich eine Weiterbeschäftigung dieses Mitarbeiters nach dem vorerwähnten
Zeitpunkt ergibt. Ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen reicht hierfür nicht aus.
Die Berechtigung und damit Begründetheit des Antrages auf Androhung eines
Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, in Bezug auf den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 890
Abs. 2 ZPO.
In Bezug auf die vom Betriebsrat begehrte Durchführung der
streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung richtet sich die Zwangsvollstreckung
nach § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i.V.m. § 888 ZPO. Da nach § 888 Abs. 2 ZPO eine
Androhung der Zwangsmittel Zwangsgeld und Zwangshaft nicht stattfindet, ist der
diesbezügliche Antrag bereits unzulässig.
Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.