Urteil des ArbG Bielefeld vom 21.08.2008

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Arbeitsgericht Bielefeld, 3 Ca 1503/08
Datum:
21.08.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Bielefeld
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 1503/08
Schlagworte:
Einseitige Bestimmung des Umfangs der wöchentlichen Arbeitszeit
Normen:
§ 12 TzBfG; § 2 KSchG, § 134 BGB, § 4 EntgeltfortzahlungsG
Leitsätze:
1. Zur Unwirksamkeit eines vertraglich vereinbarten einseitigen
Leistungsbestimmungsrechtes des Arbeitgebers über die wöchentliche
Dauer der Arbeitszeit.
2. Zur Bestimmung der in diesem Fall zwischen den
Arbeitsvertragsparteien geltenden Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.506,32 € brutto zu zahlen
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
1.147,92 € seit dem 01.01.2008 und aus weiteren 358,40 € ab dem
16.01.2008, abzüglich bereits gezahlter 727,93 € netto.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/4 , die Beklagte zu
¾.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.029,62 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung.
2
Der 40 Jahre alte, ledige und keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei
der Beklagten, die ein Transportunternehmen betreibt, seit August 2007, zunächst auf
der Basis einer Vergütung von 400,00 € brutto pro Monat, sodann ab dem 01.10.2007
auf der Basis eines vom 01.10.2007 datierenden Anstellungsvertrages tätig. Danach
war eine Bruttovergütung von 7,50 €, bei Sprintertätigkeiten in Höhe von 6.40 € pro
3
Stunde vereinbart, die eine "Mehrarbeit von bis zu 6 Stunden pro Woche" abgelten
sollte. Es war ein Erholungsurlaub von 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr vereinbart. Zur
wöchentlichen Arbeitszeit regelt § 3 "Arbeitszeit/Arbeitspensum" … "Die wöchentliche
Arbeitszeit beträgt 20 – 40 Stunden" (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Ablichtung dieses Vertrages Anlage K 1 Blatt 5- 7 der Akte verwiesen). In diesem
Zusammenhang ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es sich bei dem
Anstellungsvertrag des Klägers um einen "Standardarbeitsvertrag" mit Standardklauseln
handelt. Dies ist durch diverse Verfahren vor allen Kammern des erkennenden Gerichts
auch gerichtsbekannt.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis jeweils zum 15. eines Monats abgerechnet. Aus
der Abrechnung vom 15.10.2007 ergeben sich auf der Basis von 85 Stunden 790,48 €
brutto = 687,00 € netto. Zu dem 15.11.2007 hat die Beklagte 180 Stunden, 1.578,24 €
brutto = 1.278,21 € netto abgerechnet. Der Kläger war seit dem 19.11.2007 bis zum
31.12.2007 durchgehend arbeitsunfähig krank. Aus der Abrechnung vom 17.12.2007 für
Dezember 2007 ergibt sich ein Gesamtbrutto von 904,72 € und ein Auszahlungsbetrag
in Höhe von 727,93 € (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieser
Abrechnung Anlage K4 Blatt 10 der Akte verwiesen). Die 727,93 € wurden in der
Folgezeit an den Kläger ausgezahlt. Unter dem 15.01.2008 hat die Beklagte 230,40 €
brutto abgerechnet. Den sich aus dieser Abrechnung ergebenden Nettobetrag hat der
Kläger bislang nicht erhalten.
4
Der Kläger behauptet, er habe trotz der Erkrankung im Dezember 2 ½ Wochen, nach
dem Vortrag der Beklagten drei Tage, auf Bitten der Beklagten für jene gearbeitet.
Deswegen stünde ihm der Bruttolohn für Dezember teilweise unter dem Gesichtspunkt
der Entgeltfortzahlung, teilweise wegen der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zu.
Der Kläger meint, unter Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40
Stunden (mithin für den Monat Dezember 2007 insgesamt 168 Stunden) hätte ihm auf
Basis des vereinbarten Stundenlohnes von 6,40 € ein Bruttobetrag in Höhe von
1.147,92 € abgerechnet werden müssen.
5
Zudem sei die Beklagte verpflichtet, an den Kläger Urlaubsabgeltung zu zahlen. Da er
im laufenden Arbeitsverhältnis keinerlei Urlaub erhalten habe, stehe ihm nunmehr ein
Urlaubsanspruch für 4 Monate, somit 7 Urlaubstage zu. Auf der Basis von 8 Stunden
täglich unter Zugrundelegung der vereinbarten Vergütung von 6,40 € errechnet er einen
Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 358,40 €.
6
Der Kläger behauptet schließlich, die Beklagte habe ihm in einem Gespräch ca. 1
Woche vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages vom 01.10.2007 aufgefordert, den
Führerschein für Lastkraftwagen (Klasse CE) zu erwerben. Ihm sei von der Beklagten
und deren Ehemann ausdrücklich gesagt worden, er solle sich bei der Fahrschule
anmelden, die Beklagte würde die Kosten zahlen. So habe die Beklagte auch die
Anmeldegebühr gezahlt. Lediglich die weiteren Kosten für die Fahrschulausbildung
habe die Beklagte dann nicht mehr gezahlt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
Rechnung der Fahrschule H2.-P2. N3 GmbH vom 26.10.2007 über 523,33 € Anlage K5
Blatt 11 der Akte verwiesen).
7
Der Kläger beantragt,
8
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.506,32 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.147,92 € seit dem
9
01.01.2008 und aus weiteren 358,40 € seit dem 16.01.2008 zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 523,33 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2008 zu zahlen.
10
Die Beklagte bittet darum,
11
die Klage abzuweisen.
12
Die Beklagte verweist darauf, dass sie das Arbeitsverhältnis in dem streitbefangenen
Zeitraum jeweils zum 15. eines Monats abgerechnet habe, weil die Firma U5, für die sie
als Subunternehmer tätig sei, ebenfalls unter dem 15. eines Monats gezahlt habe. Die
Abrechnung Dezember 2007 verhalte sich daher tatsächlich über den Zeitraum
16.11.2007 bis zum 15.12.2007.
13
Sie behauptet, der Kläger habe für sie lediglich durchschnittlich 4 Stunden pro Tag
gearbeitet. Im streitbefangenen Zeitraum habe der Kläger 30 Stunden gearbeitet und
erhalte darüber hinaus für 100 weitere Stunden Lohnfortzahlung sowie die
ausgewiesenen Zuschläge. Die Lohnfortzahlung habe sie auf Basis einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden berechnet. Damit sei der
Vergütungsanspruch des Klägers für Dezember 2007 bereits vollständig erfüllt.
14
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung in geltend gemachter Höhe zu.
Für die 3 Monate, während derer er für die Beklagte gearbeitet habe, stünde ihm ein
Urlaubsabgeltungsanspruch von 5 Tagen zu. Dieser sei maximal mit 4 Stunden pro Tag
x 6,40 € die Stunde abzugelten, so dass sich ein maximaler Abgeltungsanspruch in
Höhe von 128,00 € brutto errechnet.
15
Die Beklagte bestreitet, dass sie die Kostenübernahme für die Fahrschule zugesagt
haben solle. Der Kläger habe seinerseits Interesse am Erwerb der Führerscheinklasse
CE gehabt, um dann den höheren Bruttostundenlohn von 7,50 € erhalten zu können.
Die Beklagte habe dem Kläger die Anmeldegebühren vorgestreckt, weil jener sonst die
Ausbildung hätte abbrechen müssen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei sie nicht
verpflichtet, die Kosten für die Fahrschulausbildung zu übernehmen, zumal sich der
Kläger persönlich bei der Fahrschule angemeldet habe und damit zum
Rechnungsausgleich verpflichtet sei.
16
Wegen der weiteren hier gem. § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO knapp zusammgenfassten Sach-
und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der im Verfahren
gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie die
Sitzungsniederschriften verwiesen.
17
Entscheidungsgründe:
18
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
19
1.
20
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für
geleistete Arbeit (§ 611 BGB) bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 4
21
Entgeltfortzahlungsgesetz) auf der Basis von 40 Wochenstunden in Höhe von 1.147,92
€.
Die Beklagte kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, sie sei aufgrund des
Arbeitsvertrages der Parteien vom 01.10.2007 ermächtigt, dem Umfang der
wöchentlichen Arbeitszeit einseitig zu bestimmen, so dass sie Entgeltfortzahlung nur für
20 Wochenstunden leisten müsse.
22
a.)
23
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 12.12.1984 –
7 AZR 509/83 – (sogenannte Musikschullehrerentscheidung) darauf erkannt, eine
arbeitsvertragliche Regelung, die den Arbeitgeber berechtige, die Zahl der zu leistenden
Arbeitsstunden einseitig festzulegen, stelle eine objektive Umgebung von zwingenden
Vorschriften des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts (§ 2 KSchG i.V.m. § 1 Abs.
2 und Abs. 3 KSchG, § 622 Abs. 1 und Abs. 5 BGB) dar und sei daher gemäß § 134
BGB nichtig (Rdnr. 44 der vorgenannten Entscheidung). Das Bundesarbeitsgericht hat
darauf erkannt, das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers habe stets nur eine
Konkretisierungsfunktion hinsichtlich der im Arbeitsvertrag enthaltenen
Rahmenarbeitsbedingungen. Der Umfang der beiderseitigen Hauptleistungspflichten
(Vergütungs- und Arbeitspflicht) unterliege dagegen nicht dem allgemeinen
Weisungsrecht des Arbeitgebers. Die Regelung der beiderseitigen
Hauptleistungspflichten gehöre zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses mit der
Folge, dass diese Arbeitsbedingungen lediglich durch Gesetz, Kollektiv- oder
Einzelarbeitsvertrag gestaltbar sind. Erhalte der Arbeitnehmer eine an den Umfang der
Arbeitszeit anknüpfende Vergütung, so wirkten sich Veränderungen der Arbeitszeit
unmittelbar auf dem Umfang der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (Vergütungs-
und Arbeitspflicht) aus. Durch die einseitige Festlegung des Umfangs zur Arbeitszeit
könne der Arbeitgeber die Höhe der nach Zeit zu bemessenen Vergütung ebenso selbst
bestimmen wie den Umfang der dem Arbeitnehmer obliegenden Arbeitspflicht. Eine
derartige einseitige Gestaltung der beiderseitigen Hauptpflichten übersteige die
Grenzen des dem Arbeitgeber zustehenden allgemeinen Weisungsrechts. Durch die
Einräumung eines nicht fristgebundenen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts
hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit werde in den kündigungsschutz-rechtlich
geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingriffen.
24
Diese Entscheidung war Anlass, den Gesetzentwurf zum
Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 im Bereich des § 4 Abs. 1
Beschäftigungsförderungsgesetz kurzfristig zu überarbeiten. Für den Bereich der
Teilzeitarbeit untersagt im Anschluss an die Rechtssprechung des
Bundesarbeitsgerichts bis zum 31.12.2000 § 4 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz
ausdrücklich, Arbeitsverträge abzuschließen, ohne ein bestimmtes Stundendeputat
festzulegen. Bei nicht von vornherein festgelegter, sondern nach Anforderung des
Arbeitsgebers entsprechend dem Arbeitsanfall abzuleistender Teilzeitarbeit musste
zugleich eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festgelegt werden (wie groß der
Bezugszeitraum sein durfte, wurde unterschiedlich beurteilt, beispielsweise Kleveman
in: BB 1987, 1242 bis 1246). Das Erfordernis der Festlegung einer bestimmten D3 der
Arbeitszeit wurde durch die seit dem 01.01.2001 geltende Vorschrift des § 12 Abs. 1
Satz 2 TzBfG konkretisiert. Danach muss die vertragliche Vereinbarung bei Abrufarbeit
eine wöchentliche und tägliche Arbeitszeitdauer festlegen. Ihrem Wortlaut nach gelten
die Vorschriften des § 4 BeschFG bzw. die Nachfolgevorschrift § 12 TzBfG zwar nur für
25
Teilzeitarbeitsverhältnisse. Überwiegend wird in Literatur jedoch eine entsprechende
Anwendung auf Vollzeitarbeitsarbeitsverhältnisse befürwortet (vgl. dazu nur Preis in:
Der Arbeitsvertrag, 2. Auflage 2005, II a 90 Rdnr. 52 mit weiteren Nachweisen in
Fußnote 94).
Sofern andere Autoren die Auffassung vertreten, ein Vollzeitarbeitsverhältnis falle nicht
unter diese Vorschrift, ist dennoch einhellig anerkannt, dass auch in einem
Vollzeitarbeitsverhältnis eine Regelung, nach der der Arbeitgeber die Arbeitszeitdauer
ohne weitere Voraussetzungen und nicht lediglich zum Zweck der Vermeidung
betriebsbedingter Kündigungen dem Arbeitsanfall anpassen darf, unwirksam, weil
unangemessen benachteiligend, ist. Denn dadurch kann der Arbeitgeber in
weitreichendem Umfang wirtschaftliche Risiken auf den Arbeitnehmer abwälzen, ohne
dass dieser einen Ausgleich dafür erhielte.
26
Auf die Entscheidung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 07.12.2005 – 5
AZR 535/04 -, die diesen Gedanken und der gesetzgeberischen Intention des § 12 Abs.
1 Satz 2 TzBfG unzureichend Rechnung trägt, muss an dieser Stelle nicht näher
eingegangen werden, da auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des
Bundesarbeitsgerichts in jener Entscheidung die vorliegende Vertragsgestaltung eine
unangemessene Benachteiligung des Klägers nach § 307 Abs. 2 BGB darstellt.
27
Die Beklagte ist – soweit ersichtlich – von sämtlichen Vorsitzenden des erkennenden
Gerichts darauf hingewiesen worden, dass der § 3 des von ihr vorformulierten
Anstellungsvertragsformulars wegen der vorstehend dargestellten Gesichtspunkte
unwirksam ist.
28
b.)
29
Die Unwirksamkeit dieser Klausel führt nach herrschender Ansicht dazu, dass als
vereinbarte Arbeitszeitdauer die tatsächlich von den Parteien gewollte Arbeitszeitdauer
zugrundzulegen ist. Diese Arbeitszeit ist gemäß § 615 BGB auch dann zu vergüten,
wenn der Arbeitgeber – wie hier – nur wenig oder keinerlei Arbeit abruft.
30
Sofern die vereinbarte Dauer der Arbeitszeit sich nicht eindeutig ermitteln lässt, wird
nach § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG für diesen Fall von Gesetzes wegen eine Dauer der
wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden fingiert.
31
Die Vorschrift des § 12 TzBfG begegnet jedoch sozialstaatlichen und
verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Statuierung einer – dazu noch äußerst geringen
– wöchentlichen Arbeitszeit für den Fall einer fehlenden Vereinbarung greift jedenfalls
auf Seiten des Arbeitnehmers in die Vertragsfreiheit ein. Es kann regelmäßig nicht
vermutet werden, dass der Arbeitnehmer bereit gewesen wäre, einen Arbeitsvertrag mit
einem Stundenumfang unterhalb der Grenze der Sozialversicherungspflicht
abzuschließen, wenn der Arbeitsvertrag während seiner Laufzeit tatsächlich ganz
anders abgewickelt wurde (ähnlich LAG Düsseldorf vom 17.09.2004 – 18 Sa 224/04 –
in: LAGE § 315 BGB, 2002 Nr. 1 unter Randnummer 86 der Gründe).
32
Dem Gesetz, insbesondere § 12 TzBfG lässt sich eine Lösung der Frage, wann die
Fiktion nicht greift, nicht unmittelbar entnehmen. Eine wöchentliche Arbeitszeit von 10
Stunden wird jedoch nach allgemeiner Ansicht dann nicht fingiert, wenn bei Fehlen
einer ausdrücklichen Vereinbarung – wie hier - aus der tatsächlichen Handhabung
33
hinsichtlich der D3 der Arbeitszeit auf einen von der gesetzlichen Fiktion abweichenden
Parteiwillen zu schließen ist. Denn § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG ist lediglich ein
Auffangtatbestand, der dann anwendbar ist, wenn sich eine wöchentliche Arbeitszeit in
keiner Weise ermitteln lässt (Laux in: Laux/Schlachter, Teilzeit- und Befristungsgesetz,
München 2007, § 12 Randnummer 43 unter Verweis auf Rudolf in: NZA 2002, 1013
sowie Mühlmann in: RdA 2006, 359). Wie sich aus dem jeweils 1 Halbsatz des § 12
Abs. 1 S. 3 und 4 TzBfG ("wenn … nicht festgelegt ist") ergibt, ist die gesetzliche
Festlegung der Dauer der wöchentlichen bzw. der täglichen Arbeitszeit gegenüber der
vertraglichen Festlegung der Arbeitsvertragsparteien subsidiär. Sie greift als
Auffangregelung nur, wenn sich eine anderweitige Festlegung nicht vornehmen lässt
(Sievers, TzBfG, Kommentar zum Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2 Auflage, Köln 2007
mit weiteren Nachweisen in Fußnote 27 sowie Arnold / Gräf / Imping / Lehnen /
Rambach / Spinner / Vossen, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Kommentar zum TzBfG
mit Gestaltungshinweisen und Beispielen für die Praxis, 2. Auflage, Freiburg 2007, § 12
TzBfG, Rdnr. 49 mit weiteren Nachweisen in Fußnote 82; Preis in: Erfurter Kommentar
zum Arbeitsrecht, 7. Auflage, München 2007, 12 TzBfG, Rdnr. 24 ebenfalls mit weiteren
Nachweisen).
Ob eine andere Arbeitszeitdauer gilt, ist eine Frage der Auslegung bzw. der Ermittlung
des konkludenten Parteiwillens. Nach diesem muss feststehen, dass die Parteien eine
(andere) Festlegung des Umfangs der Arbeitszeit wollten, was voraussetzt, dass sich
die Parteien eindeutig und längerfristig an eine bestimmte Arbeitszeit gehalten haben
und in Folge des Umfangs der Abrufe durch den Arbeitgeber der Arbeitnehmer darauf
vertrauen durfte, dass damit ein bestimmter Umfang der Arbeitszeit festgelegt und weiter
abgerufen werden sollte (ebenso Mikosch in: Becker / Danne / Lang / Lipke / Mikosch /
Steinwedel, Gemeinschaftskommentar zum Teilzeitarbeitsrecht (zur Vorgängervorschrift
Artikel 1, § 4 Beschäftigungsförderungsgesetz 1987) Neuwied und Darmstadt, Artikel 1,
§ 4 Randnummer 58 ff.).
34
Die von dem Beklagten gewählte Vertragsgestaltung beweist den Willen des Beklagten,
nur einen beschränkten Mindestumfang der Arbeitszeit zu garantieren. Ein solches auf
die Umgehung eines Gesetzes ausgerichtetes Verhalten kann nicht dadurch belohnt
werden, dass das umgangene Gesetz zum Schutz und Vorteil der umgehenden Partei
zur Anwendung kommt. Eine Partei kann sich nicht für ihren Vorteil auf ein Gesetz
berufen, auf dessen Ablehnung ihre Umgehungsversuche gerichtet waren. Das hieße,
die Schutzrichtung eines Gesetzes im Gegenteil zu verkehren. Vielmehr ist der
intentionswidrigen Wirkung des Schutzgesetzes (hier: § 12 TzBfG) dadurch zu
begegnen, dass die Vereinbarung des flexiblen Beschäftigungsumfangs als nichtig
anzusehen ist, ohne dass diese Teilnichtigkeit die Gesamtnichtigkeit des
Arbeitsverhältnisses zur Folge hätte. Die sich durch die Teilnichtigkeit ergebende Lücke
ist durch Auslegung zu füllen (so schon LAG Köln vom 07.12.2001 – 11 (6) Sa 827/01 –
in: NZA-RR 2002, 415-416).
35
Bei der Zehn-Stunden-Fiktion des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG handelt es sich um eine reine
Auffangklausel, die nur dann anwendbar ist, wenn das Arbeitsdeputat nicht durch
Auslegung unter Berücksichtigung des Parteiwillens festzustellen ist (LAG Düsseldorf a.
a. O. unter Verweis auf Preis und Rudolf a.a.O). Teilweise wird jedoch darauf
hingewiesen, dass in diesen Fällen stets erforderlich sei, dass einer Heranziehung zur
Arbeit in der Vergangenheit ein entsprechender Erklärungswert entnommen werden
könne, was sich nur bei Vorliegen einer eindeutigen und längeren Handhabung
annehmen lasse (Staudacher u.a. a. a. O. in Randnummer 268 unter Verweis auf BAG
36
vom 29.11.1983 in: AP Nr. 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 15 unter II.2 a der Gründe,
sowie BAG vom 30.10.1991 – 5 AZR 6/91 -; ähnlich Mikosch a. a. O. Randnummer 62).
aa.)
37
Ist ein Rückgriff auf die Fiktion des § 12 TzBfG nicht möglich, so wird in der Literatur
vorgeschlagen, dem Arbeitnehmer das Recht zu gewähren, innerhalb der vertraglich
vorgesehen Bandbreite einmalig seine Arbeitszeit festzulegen (Mikosch a. a. O. Rdnr.
59; Däubler, Das Arbeitsrecht 2: Leitfaden für Arbeitnehmer, 10. Auflage unter
15.3.1.2.1). Gegen diese Möglichkeit wird allerdings eingewandt, es könne nicht
ausgeschlossen werden, dass nun der Arbeitnehmer dadurch eine unbillige
Leistungsbestimmung treffe, dass er die höchstmögliche Arbeitszeit wähle (LAG
Düsseldorf a. a. O. unter Verweis auf Rudolf und Schüren, Münchener Handbuch zum
Arbeitsrecht, § 159, Randnummer 10). Aufgrund dieser Erwägungen hat sich diese
Ansicht in der arbeitsrechtlichen Literatur bislang nicht durchsetzen können.
38
bb.)
39
Überwiegend wird das als sach- und interessengerecht angesehen, auch in diesem Fall
die maßgebliche Arbeitszeit aus der bisherigen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses
unter Berücksichtigung der Begleitumstände des Einzelfalles abzuleiten. Als
Anknüpfungspunkt bietet sich hier eine Durchschnittsberechnung der in der
Vergangenheit angefallenen Arbeitsstunden an (so auch LAG Düsseldorf a. a. O. in
Randnummer 90). Die bisherige Vertragsabwicklung wiederum verweist im
vorliegenden Fall darauf, dass zwischen den Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis mit
mindestens 40 Stunden pro Woche gewollt war. Dies ergibt sich jedenfalls aus den
vorangegangenen Abrechnungen vom 15.10. 2007, in der für einen halben Monat 85
Stunden zugrundegelegt worden sind und vom 15.11.2007, in der für einen ganzen
Monat 180 geleistete Arbeitsstunden zugrundegelegt worden sind.
40
2.
41
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in der von ihm
berechneten Höhe. Nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz ist Urlaub, der wegen
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden
kann, abzugelten. Die Höhe des Abgeltungsanspruchs ergibt sich im vorliegenden Fall
aus § 5 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz. Danach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf 1/12
des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses,
wenn er vor erfüllter Wartezeit (§ 4 Bundesurlaubsgesetz) aus dem Arbeitsverhältnis
ausscheidet, § 5 Abs. 1 b Bundesurlaubsgesetz. Da der Kläger 4 volle Monate
(September 2007 bis Dezember 2007) gearbeitet hat und er keinen Urlaub in Natur
erhalten hat, sind ihm 5 Urlaubstage abzugelten. Dies ergibt nach der zutreffenden
Berechnung des Klägers einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 358,40 €
brutto.
42
3.
43
Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten
Fahrschulkosten.
44
Soweit der Kläger behauptet hat, etwa eine Woche vor Beginn des Arbeitsverhältnisses
habe die Beklagte ihm im Beisein ihres Ehemannes ausdrücklich zugesagt, die
Beklagte würde die Kosten der Fahrschulausbildung bezahlen, ist dies von der
Beklagten bestritten worden. Der Kläger hat für seine Behauptung keinen Beweis
angetreten. Damit ist nach der Beweislast zu entscheiden. Darlegungs- und
beweispflichtig für die Vereinbarung, dass nicht der Kläger als Vertragspartner des
Fahrschulausbildungsvertrages mit der Fahrschule H2.-P2. N3 GmbH zur Zahlung
verpflichtet ist, sondern die Beklagte, ist der Kläger. Der Kläger hat für seine
Behauptung keinen Beweis angetreten. Damit war nach der Beweislast zu entscheiden
und insoweit die Klage abzuweisen.
45
Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495 und 92 ZPO.
Nach der letztgenannten Vorschrift sind die Kosten des Rechtsstreits bei teilweisem
Obsiegen und teilweisem Unterliegen verhältnismäßig zu teilen. Deswegen hat der
Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu 1/4 tragen, die Beklagte zu 3/4.
46
Nach § 61 ArbGG ist der Streitwert im Urteil festzusetzen. Die Höhe des Streitwerts
ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Addition der beiden Klagebeträge, § 5 ZPO.
47
Es bestand keine Veranlassung die Berufung für den Kläger zuzulassen. Einer der
Gründe des § 64 Abs. 3 ArbGG ist nicht ersichtlich.
48
K l e v e m a n -
49
50