Urteil des ArbG Berlin vom 15.03.2017

ArbG Berlin: abmahnung, betriebsrat, ausschluss, unterlassen, auflösung, form, rüge, zusammenarbeit, zeitung, androhung

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Gericht:
ArbG Berlin 76.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
76 BV 16593/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 BetrVG, § 23 Abs 1
BetrVG, § 23 Abs 3 BetrVG
Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung
Tenor
Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Arbeitgeberin, einzelnen
Betriebsratsmitgliedern sog. betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen aussprechen
zu dürfen.
Antragsgegnerin ist ein Unternehmen, das IT-Dienstleistungen unter anderem im
Auftrag der ... erbringt (im Folgenden Arbeitgeberin). Im Betrieb sind 59 Arbeitnehmer
beschäftigt.
Antragsteller ist der für diesen Betrieb gewählte Betriebsrat (im Folgenden Betriebsrat).
Am 26.07.2006 erschien in der Berliner Zeitung ein Beitrag, der auf ein Gespräch mit
dem Betriebsratsmitglied ... zurückging (Bl. 8 d. A.).
Dieser wandte sich im Auftrag des Betriebsrats mit einer Email vom 11.08.2006 an den
Vorstand der ... in der er im Zusammenhang mit Umstrukturierungen bei seiner
Arbeitgeberin Befürchtungen des Betriebsrats zu daraus entstehenden
Qualitätsproblemen bei der künftigen Erfüllung des zwischen der ... und der
Arbeitgeberin bestehenden Dienstleistungsvertrages ansprach und auf den Beitrag in
der Berliner Zeitung vom 26.07.2006 hinwies (Bl. 9 d. A.).
Mit Schreiben vom 21.08.2006 an das Betriebsratsmitglied ... rügte die Arbeitgeberin
dessen Verhalten (Bl. 11, 12 d. A.):
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Das Schreiben wurde nicht zur Personalakte des Betriebsratsmitglieds ... genommen.
Mit dem am 05.09.2006 beim ArbG Berlin eingegangenen Antrag meint der Betriebsrat,
das Schreiben der Arbeitgeberin vom 21.08.2006 stelle eine
betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung dar. Eine solche sei unzulässig. Weder liege
ein grober Pflichtverstoß des Betriebsrats vor, noch bestehe Wiederholungsgefahr. Mit
dem Antrag sei beabsichtigt, der Arbeitgeberin künftig zu untersagen, einzelnen
Betriebsratsmitgliedern betriebsverfassungsrechtliche Konsequenzen anzudrohen.
Der Betriebsrat beantragt,
1. der Beteiligten zu 2 aufzugeben, es zu unterlassen, einzelne
Betriebsratsmitglieder abzumahnen, soweit sie die Abmahnung ausdrücklich und
ausschließlich auf die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten stützt,
2. der Beteiligten zu 2 ein Zwangsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen
des Gerichts gestellt wird,
3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1 und 2 die Beteiligte
zu 2 zu verurteilen, die mit Schreiben vom 21.08.2006 ausgesprochene
betriebsverfassungsrechtliche Rüge zurückzunehmen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hält den Unterlassungsantrag für einen unzulässigen Globalantrag. Er sei zudem
unbegründet. Es sei nicht erkennbar, welcher konkrete Sachverhalt unterlassen werden
soll. Der Antrag sei auch nicht vollstreckbar. Das Schreiben an den Betriebsrat ... stelle
keine Abmahnung dar, da keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen angedroht worden
seien. Mit der Klage werde ein rechtliches Gutachten zur Frage begehrt, ob
betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen zulässig seien. Dafür sei kein
Rechtsschutzinteresse gegeben.
Entscheidungsgründe
II.
A.
1. Der Unterlassungsantrag zu 1 ist unzulässig. Der Antrag des Betriebsrats ist als
Globalantrag anzusehen. Er bezieht sich ohne Einschränkungen auf jede künftige
Untersagung von ausschließlich auf die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher
Pflichten gestützte Abmahnungen einzelner Betriebsratsmitglieder.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
auf das Beschlussverfahren entsprechend anzuwenden. Ein Antrag im
Beschlussverfahren muss ebenso bestimmt sein wie ein solcher im Urteilsverfahren. Der
Streitgegenstand muss so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage
mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG v.
17.06.1997, 1 ABR 10/97, zu B 1 der Gründe, zitiert nach juris; v. 24.01.2001, 7 ABR
2/00, zu B I 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50 = EzA ZPO § 253 Nr. 20, mwN).
Dies gilt auch und vor allem für Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen
verlangt wird. Ihnen stattgebende gerichtliche Entscheidungen müssen für den in
Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, was von ihm verlangt
wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner zu unterlassen hat, darf nicht in
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wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner zu unterlassen hat, darf nicht in
das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Die Arbeitgeberin als Schuldnerin eines
an sie gerichteten Titels muss schon aus rechtsstaatlichen Gründen zuverlässig
erkennen können, in welchen Fällen ihr die Verhängung individualrechtlicher Sanktionen
gegenüber Betriebsratsmitgliedern verboten ist und wann sie sich durch
Zuwiderhandlungen gegen das gerichtliche Verbot der Verhängung von
Ordnungsgeldern aussetzt (BAG v. 03.06.2003, 1 ABR 19/02, DB 2003, 2496-2498).
b) Diesen Anforderungen entspricht der vom Betriebsrat gestellte Antrag nicht.
Der Betriebsrat will der Arbeitgeberin ausschließlich auf betriebsverfassungsrechtliche
Pflichtverstöße gestützte Abmahnungen gegenüber Betriebsratsmitglieder untersagen
lassen. In der Praxis ist jedoch häufig gerade streitig, ob das vom Arbeitgeber
beanstandete Verhalten ausschließlich einen Verstoß gegen individualrechtliche Pflichten
darstellt oder zumindest auch als Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten
zu werten ist. Bei einer antragsgemäßen Entscheidung würde gerade die Beantwortung
dieser Frage in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden.
Zudem ist es in Rechtsprechung und Literatur streitig, inwiefern überhaupt
betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen zulässig sein sollen. So wird einerseits die
Auffassung vertreten, eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung von
Amtspflichtverletzungen vor Einleitung eines Verfahrens gem. § 23 Abs. 1 BetrVG sei
nicht erforderlich und sogar unzulässig (vgl. u. a. Fitting § 23 BetrVG, Rn 17a, wohl auch
Glaubitz § 87 BetrVG Rn 123; LAG Niedersachsen v. 25.10.2004, 5 TaBV 96/03, NZA-RR
2005, 530-534; LAG Düsseldorf v. 26.04.1993, 7 Ta 316/92, LAGE § 23 BetrVG 1972 Nr.
31). Das BAG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass bei Verstößen gegen
betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, die nicht zugleich eine Verletzung der Pflichten
aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, keine Kündigung und damit auch keine
Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall in Betracht kommt, sondern nur ein
Antrag nach § 23 Abs 1 BetrVG und damit auch nur die Inaussichtstellung eines solchen
Antrags für den Wiederholungsfall (vgl. u. a. BAG v. 26.01.1994, 7 AZR 640/92, zitiert
nach juris, ohne darin eine solche Inaussichtstellung ausdrücklich als
betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zu definieren). Hingegen wird zunehmend –
auch durch die erkennende Kammer – die Zulässigkeit der
betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung befürwortet (vgl. u. a. Däubler/Kittner/Klebe
§ 23 BetrVG Rn 12, 45; Düwell § 23 BetrVG, Rn. 15; Schleusener NZA 2001, 640 ff., ArbG
Hildesheim, 1 BV 10/95, AuR 1997, 336).
Ist die Frage der Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung aber
insgesamt streitig, käme eine Entscheidung über den vom Betriebsrat gestellten
Unterlassungsantrag der Erteilung eines Rechtsgutachtens über die Frage der
Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gleich,
ohne dass im Fall der festgestellten Zulässigkeit die Arbeitgeberin zuverlässig erkennen
könnte, in welchen Fällen ihr gleichwohl die Verhängung individualrechtlicher Sanktionen
gegenüber Betriebsratsmitgliedern verboten ist.
2. Der Antrag zu 2 ist ohne weiteres zulässig. Für den Fall des Obsiegens mit dem
Antrag zu 1 muss der Betriebsrat die Möglichkeit haben, die erfolgreich eingeklagten
Rechte auch durchzusetzen. Nachdem der Antrag zu 1 aber unzulässig ist, kann eine
Zwangsgeldandrohung nicht erfolgen.
3. Der Hilfsantrag zu 3 ist auf Abgabe einer Willenserklärung zu einer konkret
bezeichneten Erklärung der Arbeitgeberin gerichtet und damit bestimmt genug und
zulässig gem. § 253 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
B.
Der zulässige Hilfsantrag ist jedoch unbegründet. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom
21.08.2006 stellt keine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung dar, deren
Rücknahme der Betriebsrat verlangen könnte.
1. Auf grobe Pflichtverletzungen des Betriebsrats und/oder einzelner seiner Mitglieder
kann durch den Arbeitgeber grundsätzlich mit einer betriebsverfassungsrechtlichen
Abmahnung reagiert werden.
a) Zwar ist eine solche nicht expressis verbis im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. In
der Regel ist der Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung vor
Einleitung eines Verfahrens gem. § 23 Abs. 1 BetrVG jedoch geboten, um nicht ohne
jegliche Vorwarnung zum schwerwiegendsten möglichen Mittel der Reaktion auf
vermeintlich pflichtwidriges betriebsverfassungsrechtliches Verhalten zu reagieren. Der
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vermeintlich pflichtwidriges betriebsverfassungsrechtliches Verhalten zu reagieren. Der
Betriebsrat muss, sofern der ihm vorgeworfene Pflichtverstoß selbst nicht bereits so
schwerwiegend ist, dass er bereits für sich genommen und ohne weitere Vorwarnung
einen Ausschluss von Mitgliedern oder die Auflösung des Betriebsrats rechtfertigt, die
Möglichkeit erhalten, sein Verhalten künftig so einzurichten, dass Pflichtverletzungen
nicht entstehen und damit die Funktionsfähigkeit des Gremiums erhalten bleibt. Dies gilt
umso mehr, als nach allgemeiner Auffassung auch wiederholte leichte
Pflichtverletzungen zu groben Pflichtverletzungen im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG
führen können (vgl. nur Fitting § 23 BetrVG, Rn 36; ErfK-Eisemann § 23 BetrVG Rn 4).
Das gebietet nicht nur der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (a. A. LAG Niedersachsen v.
25.10.2004, 5 TaBV 96/03, NZA-RR 2005, 530-534; LAG Düsseldorf v. 26.04.1993, 7 Ta
316/92, LAGE § 23 BetrVG 1972 Nr., 31), sondern folgt unmittelbar aus dem in § 2
BetrVG normierten Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dieser gebietet
den Betriebsparteien, zunächst durch eine entsprechende Vorwarnung eine
Verhaltenskorrektur der pflichtwidrig handelnden Partei zu ermöglichen, ehe zu den
schärfsten betriebsverfassungsrechtlichen Mitteln gegriffen wird, die zur Verfügung
stehen. Die Abmahnung ist quasi die "gelbe Karte" vor dem endgültigen Rauswurf.
Entsprechend ist das Gesetz bei groben Verstößen von Arbeitgebern gegen
betriebsverfassungsrechtliche Pflichten angelegt. Durch das Verfahren gem. § 23 Abs. 3
BetrVG erhält dieser die Gelegenheit, etwaiges pflichtwidriges Verhalten zu ändern oder
zu unterlassen, ehe gegen diesen Sanktionen in Form von Zwangs- oder
Ordnungsgeldern erfolgen. Das zweistufig in Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren
ausgestaltete Verfahren, entspricht in seiner ersten Stufe einer Abmahnung, nämlich die
Aufforderung ein bestimmtes Verhalten vorzunehmen, zu dulden oder zu unterlassen,
verbunden mit der Androhung von Form von Ordnungs- oder Zwangsgeldern für den
Wiederholungsfall. Das Vollstreckungsverfahren als zweite Stufe stellt erst die
arbeitsrechtliche Sanktion auf das wiederholte pflichtwidrige Verfahren dar.
Würde man gem. § 23 Abs. 1 BetrVG die Konsequenz auf betriebsverfassungsrechtliche
Pflichtverletzungen des Betriebsrats ohne vorherige betriebsverfassungsrechtliche
Abmahnung annehmen, wäre eine nicht zu rechtfertigende unterschiedliche Behandlung
grober Pflichtverstöße von Arbeitgeber und Betriebsrat gegeben. Während der
Arbeitgeber nach Vorwarnung mit der Verpflichtung zur Zahlung von Ordnungs- oder
Zwangsgeldern vergleichsweise gut wegkommt, müsste der Betriebsrat ohne
vorangegangenen Hinweis sofort mit dem schwersten aller Mittel, der Auflösung des
Gremiums oder dem Ausschluss einzelner Mitglieder, rechnen und wäre damit sogar in
seinem Bestand und damit der ordnungsgemäßen künftigen Wahrnahme seiner Aufgabe
als Repräsentant der Belegschaft gefährdet.
b) Wird dem Arbeitgeber ein Recht zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung
eingeräumt, muss der davon betroffene Betriebsrat auch die Möglichkeit haben, die
Berechtigung der darin zum Ausdruck gebrachten Rüge seines Verhaltens gerichtlich
überprüfen zu lassen, da er durch eine solche Abmahnung in seiner Rechtsstellung als
Betriebsrat beeinträchtigt wird, folgt doch im Wiederholungsfall unter Umständen die
"rote Karte", nämlich die Auflösung des Betriebsrats oder der Ausschluss einzelner
Mitglieder. Zwar hat der Betriebsrat regelmäßig das Recht, die mit der Rüge seines
Verhaltens behaupteten Pflichtverletzungen im Rahmen des Verfahrens nach § 23 Abs.
1 BetrVG überprüfen zu lassen, muss sich aber nicht ausschließlich darauf verweisen
lassen. Häufig ist es schon aus Gründen der Darlegung und Beweisführung geboten,
zeitnah auf eine solche Abmahnung zu reagieren.
2. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom 21.08.2006 stellt keine
betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung dar.
a) Mit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung rügt der Arbeitgeber ein
bestimmtes Verhalten des Betriebsrats als Gremium oder einzelner seiner Mitglieder,
mit welchem diese nach Ansicht des Arbeitgebers in grober Weise gegen seine
betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen haben. Zugleich erfordern Sinn und
Zweck einer solchen Abmahnung die Warnung vor Konsequenzen im Fall der
Wiederholung solcher Pflichtverletzungen, nämlich einen Hinweis auf die Möglichkeit
eines Verfahrens gem. § 23 Abs. 1 BetrVG, mit dem die Auflösung des Betriebsrats oder
der Ausschluss von Mitgliedern angestrebt wird.
b) Diesen Voraussetzungen genügt das Schreiben vom 21.08.2006 nicht.
Die Arbeitgeberin hat mit diesem Schreiben gegenüber dem Betriebsratsmitglied ...
dessen Verhalten gerügt und darin einen Verstoß gegen §§ 2, 74 BetrVG gesehen.
Die in den Vorschriften der BetrVG § 2 Abs 1 und BetrVG § 74 Abs 2 enthaltenen Gebote
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Die in den Vorschriften der BetrVG § 2 Abs 1 und BetrVG § 74 Abs 2 enthaltenen Gebote
und Verbote richten sich auch an die einzelnen Mitglieder des Betriebsrats (BAG v.
21.02.1978, 1 ABR 54/76, DB 1978, 1547-1548 im Anschluss an BAG v. 12.05.1975, 1
AZR 94/74, AP Nr 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße). Die grobe Verletzung dieser
Pflichten kann ein Verfahren gem. § 23 Abs. 1 BetrVG nach sich ziehen, das zur
Auflösung des gesamten Betriebsrats oder zum Ausschluss des betreffenden
Betriebsratsmitglieds führen kann.
Es kann dahinstehen, ob das von der Arbeitgeberin gerügte Verhalten des Betriebsrats
... eine Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten ist. Es spricht einiges dafür,
dass die dem Betriebsratsmitglied ... vorgeworfenen Handlungen jedenfalls keine groben
Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG darstellen, da sie nicht in der Absicht der
Schädigung der Arbeitgeberin erfolgt sind, sondern im Gegenteil, dem Erhalt von
Arbeitsplätzen zur qualitativ hochwertigen Bearbeitung des mit der Bankgesellschaft
Berlin geschlossenen Dienstleistungsvertrages dienen sollten. Es ist zudem nicht
ersichtlich, dass Betriebsgeheimnisse oder anderweitige geheimhaltungsbedürftige
Informationen an Dritte hinausgetragen wurden. Auch die Arbeitgeberin hat die
Handlungen des Herrn ... letztlich (noch) nicht als grobe Pflichtverletzungen bewertet.
Als solche sah sie nach ihrem Schreiben vom 21.08.2006 erst "einen Wiederholungsfall
solcher Art" an.
Das Schreiben vom 21.08.2006 zeigt letztlich auch keine Konsequenzen für den
Wiederholungsfall auf, insbesondere weist die Arbeitgeberin nicht darauf hin, dass Herr ...
im Wiederholungsfall mit einem Ausschlussverfahren gem. § 23 Abs. 1 BetrVG rechnen
muss. Sie will das Schreiben selbst auch nicht als betriebsverfassungsrechtliche
Abmahnung verstanden wissen. Zutreffend weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass der
Hinweis auf die Bewertung eines Wiederholungsfalls gleicher Art als groben Pflichtverstoß
nicht zwingend die Konsequenz eines Ausschlussverfahrens gem. § 23 Abs, 1 BetrVG
nach sich ziehen muss. Vielmehr findet sich dieser Hinweis im Einklang mit der bereits
unter Abschnitt B.1.a) der Urteilsgründe zitierten Rechtsprechung, wonach auch
wiederholte leichte Pflichtverstöße als grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 23 Abs. 1
gewertet werden können. Auf einen solchen Pflichtverstoß ist jedoch im Grundsatz dann
erst mit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung zu reagieren.
Fehlt es dem Schreiben aber an einer angedrohten Sanktion/Konsequenz in Form eines
Hinweises auf das mögliche Ausschluss-/Auflösungsverfahren gem. § 23 Abs. 1 BetrVG,
erfüllt es nicht die Voraussetzungen für eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung.
Eine ohne Androhung betriebsverfassungsrechtlicher Konsequenzen erklärte Rüge des
Verhaltens als Betriebsrat beeinträchtigt den Betriebsrat und seine Mitglieder zunächst
nicht in seiner Rechtsstellung. Dies wäre erst dann der Fall, wenn diese betriebsöffentlich
durch die Arbeitgeberin zur Kenntnis gebracht wird oder durch Form und/oder Inhalt in
sonstiger Weise in die Rechte des Betriebsrats oder seiner Mitglieder eingreift. Das
behauptet der Betriebsrat selbst nicht und ist auch nicht erkennbar. Vielmehr ist letztlich
das Schreiben vom 21.08.2006 Ausdruck praktizierter vertrauensvoller
Zusammenarbeit, denn es macht gegenüber dem Betriebsrat und seinem Mitglied
deutlich, dass sich die Arbeitgeberin durch das Verhalten des Betriebsrats beeinträchtigt
fühlt und ähnliche Handlungen nicht ohne weiteres hinnehmen wird, ohne bereits an
dieser Stelle Sanktionen anzudrohen.
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Der Gegenstandswert beträgt 4.000,00 Euro. Es handelt sich um einen
nichtvermögensrechtlichen Gegenstand im Sinne von § 23 Abs. 3 RVG.
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