Urteil des ArbG Berlin vom 14.03.2017

ArbG Berlin: sicherheitsleistung, hinterlegung, begriff, treuhandvertrag, auflage, original, betrug, kopie, exemplar, arbeitsentgelt

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Gericht:
ArbG Berlin 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 Ca 19205/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8a Abs 4 AltTZG 1996, § 3 Abs
1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996
Altersteilzeit - Begriff des Wertguthabens - Insolvenzsicherung -
Aufstockungsbetrag
Leitsatz
Die vom Arbeitgeber nach § 8 a Abs. 4 AltersteilzeitG zu leistende Sicherheit bezieht sich der
Höhe nach auf das bestehende Wertguthaben des sich in Altersteilzeit befindenden
Arbeitnehmers einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag, nicht jedoch auf die Aufstockungsbeträge nach § 3 Abs. 1
Ziffer 1 a) AltersteilzeitG.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten des Klägers Sicherheit in Höhe von 39.842,94
EUR (neununddreißigtausendachthundertzweiundvierzig 94/100) zu leisten durch
Stellung eines tauglichen Bürgen oder Hinterlegung von Geld oder Hinterlegung von
solchen Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1 und 3 BGB zur Sicherheitsleistung geeignet
sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80% zu
tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes für dieses Urteil wird festgesetzt auf 49.953,00 EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzsicherung nach dem
Altersteilzeitgesetz.
Der am ... 1947 geborene Kläger ist seit dem 01.04.1996 bei der Beklagten als
Elektroingenieur tätig. Am 30.06.2005 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitvertrag
im Rahmen eines sog. Blockmodells für die Zeit vom 01.07.2005 bis 30.06.2008. Der
Vertrag vom 30.06.2005 enthält u. a. folgende Regelung:
Der Kläger erhielt ab dem 01.07.2005 monatlich ein Altersteilzeitgehalt von 1.839,73
EUR sowie einen Aufstockungsbetrag von 561,67 EUR. Die Beklagte zahlte für die Zeit
von Juli 2005 bis Juni 2006 Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung i.H.v. monatlich
372,54 EUR sowie für die Zeit von Juli 2006 bis Dezember 2006 i.H.v. monatlich 376,22
EUR.
Mit Schreiben vom 01.08.2006 übersandte die Beklagte dem Kläger den Entwurf eines
„Treuhandvertrags“ zur Insolvenzsicherung seines Wertguthabens aus der
Altersteilzeitarbeit. Wegen des genauen Inhalts dieses Entwurfs wird auf die zur Akte
gereichte Kopie (Blatt 10 ff. d. A.) Bezug genommen. Der Kläger hat das ihm übersandte
Exemplar unterschrieben, jedoch niemals ein von Seiten der Beklagten unterschriebenes
Exemplar ausgehändigt bekommen.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 13.09.2006 die
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Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 13.09.2006 die
Beklagte vergeblich aufgefordert hat, die für den Insolvenzfall ergriffenen Maßnahmen
zur Sicherung des klägerischen Wertguthabens in Textform nachzuweisen, macht der
Kläger mit der vorliegenden Klage seinen Anspruch auf Insolvenzsicherung nach § 8 a
Abs. 4 ATZG geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die gesetzliche Insolvenzsicherung nicht nur das
Differenzarbeitsentgelt und den Arbeitgeberanteil am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag, sondern auch die monatlichen Aufstockungsbeträge
umfasst. Daher ergebe sich für die Zeit von Juli 2005 bis Juni 2006 ein zu sichernder
Betrag von monatlich 2.773,94 EUR (= 33.287,28 EUR) und für die Zeit von Juli 2006 bis
einschließlich Dezember 2006 von monatlich 2.777,62 EUR (= 16.665,72 EUR).
Wegen des weiteren Vortrages des Klägers wird auf die Klageschrift (Blatt 1 ff d. A.),
sowie auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 12.01.2007 (Blatt 36 ff d. A.) und
vom 02.01.2007 (Blatt 56 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt - unter Rücknahme eines Teilbetrags von 276,- EUR - zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, zu seinen Gunsten Sicherheit in Höhe von 49.953,00
EUR zu leisten durch Stellung eines tauglichen Bürgen oder Hinterlegung von Geld oder
Hinterlegung von solchen Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1 und 3 BGB zur
Sicherheitsleistung geeignet sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass der Treuhandvertrag vom 01.08.2006 von allen Seiten
unterschrieben worden sei und sich im Original beim Treuhänder, Herrn Rechtsanwalt R.,
befinde. Die hierauf von der Beklagten geleistete Sicherheit habe im November 2006
2.389,26 EUR betragen.
Wegen des weiteren Vortrages der Beklagten wird auf den Schriftsatz des
Beklagtenvertreters vom 28.12.2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
I.
Die Beklagte ist nach § 8 a Abs. 4 ATZG verpflichtet, zu Gunsten des Klägers Sicherheit
in Höhe von 39.842,94 EUR durch Stellung eines Bürgen oder Hinterlegung von Geld
oder Hinterlegung von solchen Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1 und 3 BGB zur
Sicherheitsleistung geeignet sind, zu leisten. Soweit der Kläger darüber hinaus Sicherheit
für weitere 10.110,06 EUR begehrt, steht ihm kein Anspruch gegen die Beklagte zu.
1. Nach § 8 a Abs. 1 ATZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Wertguthaben
einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag mit der ersten Gutschrift in geeigneter Weise gegen
das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit abzusichern, wenn eine Vereinbarung über die
Altersteilzeitarbeit im Sinne von § 2 Abs. 2 ATZG zum Aufbau eines Wertguthabens
führt, das den Betrag des Dreifachen des Regelarbeitsentgelts nach § 6 Abs. 1 ATZG
einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag übersteigt. Der Arbeitgeber hat gemäß § 8 a Abs. 3
ATZG dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen
mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform (§ 126 b BGB)
nachzuweisen. Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach Abs. 3 nicht nach oder
sind die nachgewiesenen Maßnahmen nicht geeignet und weist er auf schriftliche
Aufforderung des Arbeitnehmers nicht innerhalb eines Monats eine geeignete
Insolvenzsicherung des bestehenden Wertguthabens in Textform nach, so kann der
Arbeitnehmer gemäß § 8 a Abs. 4 ATZG verlangen, dass Sicherheit in Höhe des
bestehenden Wertguthabens geleistet wird. In diesem Fall kann der Arbeitgeber die
Insolvenzsicherung nur noch in der in § 8 a Abs. 4 Satz 2 ATZG vorgesehenen Art und
Weise durchführen.
2. Die genannten Voraussetzungen für den gesetzlichen Anspruch auf
Insolvenzsicherung des klägerischen Wertguthabens lagen vor.
a) Die Altersteilzeitvereinbarung der Parteien vom 30.06.2006 führte zum Aufbau eines
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a) Die Altersteilzeitvereinbarung der Parteien vom 30.06.2006 führte zum Aufbau eines
Wertguthabens, das den dreifachen Betrag des Regelarbeitsentgelts nach § 6 Abs. 1
ATZG einschließlich des Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag
übersteigt. Die Arbeitsphase des Klägers betrug insgesamt 18 Monate, so dass die
genannten Zahlenwerte bei weitem überschritten waren.
b) Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung nach § 8 a Abs. 3 ATZG nicht nachgekommen. Sie
hat dem Kläger die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen weder mit
der ersten Gutschrift - die mit Ablauf des Monats Juli 2005 fällig war - noch danach alle
sechs Monate in Textform nachgewiesen. Der Kläger hat von seiner Arbeitgeberin zu
keiner Zeit ein beidseits unterschriebenes Original des Treuhandvertrags vom
01.08.2006 oder zumindest eine Kopie desselben erhalten. Auch etwaige schriftliche
Kontoauszüge, aus denen sich ergeben könnte, dass die Beklagte das Wertguthaben
des Klägers tatsächlich abgesichert hat, sind dem Kläger niemals zur Verfügung gestellt
worden. Der Beklagtenvertreter hat im Gütetermin auf Nachfrage der Vorsitzenden
lediglich erklärt, dass nach dem ihm vorliegenden Kontoauszug das im November 2006
bislang im Rahmen des Treuhandvertrags gesicherte Guthaben des Klägers lediglich
2.389,26 EUR betrug.
c) Der Kläger hat mit Schreiben vom 13.09.2006 die Beklagte gemäß § 8 a Abs. 4 Satz 1
ATZG schriftlich aufgefordert, innerhalb eines Monats eine geeignete Insolvenzsicherung
des bestehenden Wertguthabens in Textform nachzuweisen. Auch dieser ausdrücklichen
Aufforderung ist die Beklagte nicht nachgekommen.
3. Nach Auffassung der Kammer ist die Beklagte nach § 8 a Abs. 4 Satz 1 ATZG
verpflichtet, Sicherheit in Höhe des bestehenden Wertguthabens (einschließlich des
darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) zu
leisten. Entgegen der Auffassung des Klägers bezieht sich die Verpflichtung zur
Sicherheitsleistung indes nicht auf die monatlichen Aufstockungsbeträge in Höhe von
561,67 EUR.
a) Schon aus dem Wortlaut von § 8 a Abs. 1 Satz 1 ATZG ergibt sich, dass der Begriff
des „Wertguthabens“ im Sinne der genannten Vorschrift nicht die Aufstockungsbeträge
nach § 3 Abs. 1 ATZG umfasst. Die Aufstockungsbeträge gehören daher weder
begrifflich zum zu sichernden Guthaben, noch sind sie als Entgeltbestandteile der
gesetzlichen Sicherungspflicht unterzogen. Der Begriff des Wertguthabens in § 8 a Abs.
1 Satz 1 ATZG orientiert sich am Begriff des „Regelarbeitsentgeltes“ im Sinne von § 6
ATZG sowie an den Arbeitgeberanteilen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Nach
der Definition in § 6 ATZG ist das Regelarbeitsentgelt das auf einen Monat entfallende,
vom Arbeitgeber regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt.
Hierzu zählen die Aufstockungsbeträge nicht. Für diese Auslegung spricht auch die
Regelung in § 8 a Abs. 2 ATZG, mit der der Gesetzgeber klargestellt hat, dass bei der
Ermittlung des zu sichernden Wertguthabens die schon gezahlten Aufstockungsbeträge
nicht angerechnet werden dürfen. Das ATZG differenziert in dieser Vorschrift
ausdrücklich zwischen dem „Wertguthaben“ und den „Leistungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3
ATZG“. Auch in der Literatur wird - soweit ersichtlich - einstimmig davon ausgegangen,
dass die Aufstockungsbeträge nicht der Insolvenzsicherungspflicht unterliegen (vgl. nur
Erfurter Kommentar/Rolfs, 7. Auflage 2006, § 8 a Rn. 4; Podewin, „Die Insolvenzsicherung
von Wertguthaben in Arbeitszeitkonten“; RdA 2005, 295 ff., 298; Küttner,
Personalhandbuch 2006, 13. Auflage, Stichwort: Altersteilzeit, Rz. 15)
b) Die Sicherungspflicht nach § 8 a Abs. 4 Satz 1 ATZG umfasst daher zunächst das
während der Arbeitsphase vom 01.07.2005 – 31.12.2006 vom Kläger monatlich schon
„erarbeitete“ Regelarbeitsentgelt in Höhe von 1.839,73 EUR. Wie sich aus dem Inhalt der
Regelung in § 8 a Abs. 1 Satz 1 ATZG sowie dem systematischen Zusammenhang
zwischen Abs. 4 und Abs. 1 ergibt, beinhaltet der Begriff des „Wertguthabens“ indes
nicht nur die „erarbeiteten“ Arbeitnehmerbruttobeträge, sondern auch die vom
Arbeitgeber hierauf zu zahlenden Anteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag.
Damit steht dem Kläger für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2006 ein Anspruch auf
Sicherheitsleistung in Höhe seines gestundeten Bruttoarbeitsentgelts im Umfang
33.115,14 EUR zu (1.839,75 EUR x 18). Hinzu kommen die Arbeitgeberanteile zur
Gesamtsozialversicherung, die sich für die Zeit von Juli 2005 bis Juni 2006 auf 4.470,48
EUR (372,54 x 12) sowie für die Zeit von Juli 2006 bis Dezember 2006 auf 2.257,32 EUR
(376,22 x 6) belaufen. Insgesamt hat die Beklagte daher für einen Betrag in Höhe von
39.842,94 EUR Sicherheit zu leisten.
4. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung ist auch nicht teilweise dadurch erloschen, dass
die Beklagte – möglicherweise – schon 2.389,26 EUR auf den Treuhandvertrag vom
01.08.2006 gezahlt haben will. Der Anspruch nach § 8 a) Abs. 4 ATZG kann nur erfüllt
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01.08.2006 gezahlt haben will. Der Anspruch nach § 8 a) Abs. 4 ATZG kann nur erfüllt
werden, wenn die Beklagte die Sicherheit in der im Gesetz vorgesehenen Form erbringt.
Der „Treuhandvertrag“ zählt nicht hierzu.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits waren im Umfang des Obsiegens und Unterliegens gemäß
§ 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG der Beklagten und dem Kläger aufzuerlegen.
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, trägt er die Kosten nach § 269 Abs. 3
ZPO. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert beläuft sich auf
die eingeklagte Sicherheitssumme (§ 3 ZPO).
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