Urteil des ArbG Berlin vom 20.01.2009

ArbG Berlin: eugh, arbeitsunfähigkeit, urlaub, arbeitsunfähiger, bauer, vertrauensschutz, verfall, faber, abgeltung, fälligkeit

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Gericht:
ArbG Berlin 56.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
56 Ca 21280/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 7 EGRL 88/2003, § 47 Abs 7
BAT, § 51 BAT, § 7 Abs 3 BUrlG,
§ 125 SGB 9
Urlaubsabgeltung trotz mehrjähriger Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz
1. Der vierwöchige Mindesturlaubsanspruch verfällt nicht, wenn ein Arbeitnehmer bis zum
Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt ist (vgl. EuGH [20.01.2009] - C-
350/06 u.a. - Sch.-H.).
2. Es steht in der Freiheit der Arbeits- oder Tarifvertragsparteien, den Verfall eines darüber
hinausgehenden arbeits-, tarifvertrag- oder gesetzlichen zusätzlichen Erholungsurlaubs mit
oder nach dem 31.03. des Folgejahres zu bestimmen (vgl. BAG [24.03.2009] - 9 AZR 983/07),
soweit nicht Sonderbestimmungen wie § 17 Abs. 2 BEEG gelten.
3. Ob eine arbeitsvertragliche Verfallklausel übergesetzliche Urlaubsansprüche auch im Fall
durchgehender Arbeitsunfähigkeit erfassen soll, ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG,
a.a.O.).
4. Eine arbeitsvertraglich in Bezug genommene tarifvertragliche Urlaubsfristenregelung gilt im
Fall durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht für den vierwöchigen Mindesturlaub (BAG, a.a.O.).
Darüber hinausgehende tarifliche Urlaubsansprüche verfallen im Regelfall wie bisher. Es
bedarf keiner Anhaltspunkte für eine tarifvertragliche Differenzierung zwischen gesetzlichen
und übergesetzlichen Erholungsurlaubsansprüchen (gegen BAG [24.03.2009] - 9 AZR
983/07). Im Zweifel ist in einer tarifvertraglichen Verfallsregelung für Urlaubsansprüche eine
Gleichbehandlung arbeitsfähiger und arbeitsunfähiger Arbeitnehmer gewollt (mit BAG
[07.09.2004] - 9 AZR 587/03), soweit dies gesetzlich zulässig ist.
5. Dies gilt auch für den über § 3 Abs. 1 BUrlG hinausgehenden zusätzlichen Erholungsurlaub
nach § 125 SGB IX (a.A. LAG Düsseldorf [02.02.2009] - 12 Sa 486/06).
Tenor
I. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 3.154,80 EUR brutto (in Worten:
dreitausendeinhundertvierundfünfzig 80/100) brutto zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits z u3/5, das beklagte Land zu 2/5 zu
tragen; bis auf die Kosten der Verweisung, die die Klägerin allein zu tragen hat.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.600,22 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung trotz
mehrjähriger Arbeitsunfähigkeit.
Die am …1950 geborene, schwerbehinderte Klägerin war bei dem beklagten Land als
Angestellte in einer Fünf-Tage-Woche tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet
kraft unstreitiger, nicht näher dargelegter Bezugnahme der BAT i.V.m. dem
Anwendungstarifvertrag des beklagten Landes Anwendung.
Die Klägerin hatte im Jahr 2005 nach § 48 Abs. 1 BAT Anspruch auf einen tariflichen
Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen und nach § 125 SGB IX einen zusätzlichen
Urlaubsanspruch von fünf Arbeitstagen. Im Jahr 2005 nahm die Klägerin in der Zeit vom
4. bis 29.07.2005 Urlaub. Die Klägerin war seit dem 23.08.2005 bis zum Ende ihres
Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 23.08.2007 wurde der
Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend ab dem 01.02.2007
zuerkannt. Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 20.09.2007 mit,
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zuerkannt. Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 20.09.2007 mit,
dass ihr Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 BAT mit Ablauf des 05.10.2007 beendet
werde.
Die Klägerin begehrte mit Schreiben vom 13.09.2007 unter anderem "die Verrechnung
v. Urlaubstagen" und legte ihre "Urlaubskonten" anbei. Mit Schreiben vom 04.01.2008
lehnte das beklagte Land eine Urlaubsabgeltung ohne Nachweis der Erlangung der
Arbeitsfähigkeit ab. Dies lehnte die Klägerin mit unterschriebenem Schreiben vom
10.01.2008 ab und wiederholte darin unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom
13.09.2007 ihr Begehren.
Mit ihrer beim Sozialgericht am 12.02.2008 eingereichten Klage, die dem beklagten Land
14.04.2008 zugestellt wurde, verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche - zuletzt vor dem
Arbeitsgericht - weiter.
Die Klägerin begehrt die Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 - 2007:
für das Jahr 2005 die Abgeltung von 15 Urlaubstagen, für das Jahr 2006 von 35
Urlaubstagen und für Januar 2007 von drei Urlaubstagen.
Die Klägerin beruft sich zuletzt auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach bei
durchgehender Arbeitsunfähigkeit ein Urlaubsanspruch nicht verfallen könne. Die
Klägerin behauptet, dass ihr Monatseinkommen 3.107,01 € brutto betragen habe.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 7.600,22 € brutto zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land behauptet, die Klägerin sei auch nach dem 05.10.2007 weiterhin
anhaltend arbeitsunfähig erkrankt.
Es ist der Ansicht, dass ein Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung nicht bestehe,
da die Klägerin auf Grund ihrer Arbeitsunfähigkeit einen Urlaub nicht habe und nach dem
Ende des Arbeitsverhältnisses nicht hätte nehmen können. Der Urlaubsanspruch sei
daher verfallen. Ohne Urlaubsanspruch gäbe es auch keinen
Urlaubsabgeltungsanspruch. Dem EuGH-Urteil Sch.-H. sei nicht folgen. Wenn doch, nur
im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch und unter Gewährung von
Vertrauensschutz.
Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Die Klägerin hat für die Jahre 2005 bis 2007 einen Abgeltungsanspruch nur für den
gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch - soweit er geltend gemacht und nicht schon
erfüllt worden ist. Dies für 22 Urlaubstage in Höhe von 3.154,80 € brutto i.V.m. §§ 1, 3
Abs. 1, §§ 4, 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 51 BAT.
I.
Klägerin zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für das Jahr 2005
keinen Urlaubsanspruch mehr hatte, der abzugelten wäre. Der gesetzliche
Mindesturlaubsanspruch ist erfüllt. Der tarifliche und gesetzliche Mehrurlaubsanspruch
ist nach § 47 Abs. 7 BAT am 30.06.2006 verfallen.
1.
Arbeitstagen ist durch die Gewährung von Urlaub in der Zeit vom 04. - 29.07.2005, d.h.
im Umfang von 20 Urlaubstagen, erfüllt.
Die teilweise Urlaubsgewährung des beklagten Landes im Jahr 2005 erfolgte zur Erfüllung
des gesetzlichen Mindesturlaubs. Mangels ausdrücklicher Leistungsbestimmung gilt die
Auslegungsregel des § 366 Abs. 2 BGB. Nach dem Vortrag der Klägerin geht es hier
allein um die Erfüllung des Urlaubs aus dem laufenden Urlaubsjahr. Wird ein laufender
Jahresurlaubsanspruch durch Urlaubsgewährung nur teilweise erfüllt, ist davon
auszugehen, dass zunächst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nach dem BUrlG
erfüllt werden soll (vgl. BAG [05.09.2002] - 9 AZR 244/01 - Rn. 68, NZA 2003, 726 (730)).
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2.
[20.01.2009] - C-350/06 und C-520/06 , NJW 2009, 495 - entsprechend der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - auf Grund der dauernden
Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum Ende des Übertragungszeitraumes nach § 47
Abs. 7 BAT verfallen.
2.1
im Urlaubsjahr nicht mehr genommen werden, wird der Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3
BUrlG auf das Folgejahr übertragen, verfällt jedoch dann am 31.03. des Folgejahres, § 7
Abs. 3 S. 3 BUrlG. Im hier vorliegenden Fall des § 47 Abs. 7 S. 3 BAT verlängert sich der
Übertragungszeitraum bis zum 30. Juni des Folgejahres. Innerhalb der Frist nicht
angetretener Urlaub verfällt, § 47 Abs. 7 S. 5 BAT.
2.1.1
BUrlG hinausgehenden tarifvertraglichen oder anderweitigen gesetzlichen zusätzlichen
Anspruches auf Gewährung von Erholungsurlaub, steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie
2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über
bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nicht entgegen. Nach
Ansicht des EuGH, a.a.O. verbietet Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar den Verfall des
gemeinschaftsrechtlichen Mindestjahresurlaubsanspruchs von vier Wochen. Weder Art. 7
Abs. 1 RL 2003/88/EG noch die EuGH-Entscheidung betreffen jedoch einen
darüber hinausgehenden Anspruch auf Erholungsurlaub. Urlaubs- und
Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleisteten
und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen
übersteigen, können daher frei geregelt werden (vgl. ausführlich BAG [24.03.2009] - 9
AZR 983/07 - Rn. 81 ff.).
2.1.2
AZR 983/07 - Rn. 84 ff.; Gaul/Josten/Strauf, BB 2009, 497 (489 f.); Bauer/Arnold, NJW
2009, 631 (634)).
Nach Ansicht des BAG muss "für einen Regelungswillen der Parteien des
Einzelarbeitsvertrags, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen
unterscheidet, .. im Rahmen der Auslegung nach §§ 137, 157 BGB deutliche
Anhaltspunkte bestehen" (BAG [24.03.2009] - 9 AZR 983/07 - Rn. 84). Die
Voraussetzungen der Annahme eines vom Gesetzesrecht abweichenden
Regelungswillens lägen nur "ausnahmsweise" vor (BAG, a.a.O., Rn. 85). Eine in Bezug
genommene Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) sei in diesem Sinne zu
untersuchen (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 85).
Diese Auffassung ist im letzten Punkt abzulehnen (vgl. aber im Vorfeld
Gaul/Josten/Strauf, BB 2009, 497 (490)). Dabei geht es hier nicht um die Frage, ob eine
im Einzelarbeitsvertrag geregelte Urlaubsbefristungsregelung auf Grund der
Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB im Fall dauernder Arbeitsunfähigkeit auch
für arbeitsvertraglichen Mehrurlaub nicht greift (vgl. dazu Bauer/Arnold, NJW 2009, 631
(634)). Es geht auch nicht um die Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen
Bezugnahme(klausel) (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 86 ff.) - diese ist von der Klägerin schon gar
nicht vorgetragen und im öffentlichen Dienst im Übrigen in der Regel unproblematisch.
Es geht hier um die Auslegung der in Bezug genommenen Kollektivordnung. Da die
KAVO zwar kein Tarifvertrag ist, jedoch wie ein Tarifvertrag auszulegen ist (vgl. LAG
Düsseldorf [06.03.2007] - 8 Sa 1245/06 - Rn. 55, ZTR 2007, 373), verlangt das BAG der
Sache nach, dass aus einer tarifvertraglichen Urlaubsbefristungsregelung eine
Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen positiv zu
entnehmen sein muss.
Das BAG wendet zwar damit vermeintlich nur seine bisherige Rechtsprechung an (vgl.
auch Gaul/Josten/Strauf, BB 2009, 497 (490)), verkehrt sie aber verdeckt wertungsmäßig
in ihr Gegenteil. Nach der Rechtsprechung des BAG gilt die Verfallsregelung des § 7 Abs.
3 BUrlG auch für den tariflichen Mehrurlaub, wenn keine eindeutige anderweitige
Regelung besteht (vgl. BAG [21.06.2005] - 9 AZR 200/04 - NJOZ 2006, 681 (683); BAG
[10.02.2004] - 9 AZR 116/03 - NZA 2004, 986 (987)). Begründet wurde die Akzessorität
bislang mit dem Argument: "Ohne hinreichende Anhaltspunkte kann nicht angenommen
werden, die Tarifvertragsparteien wollten arbeitsunfähige Arbeitnehmer, deren
Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente endet oder zum
Ruhen kommt, besser stellen als die im aktiven Arbeitsverhältnis verbleibenden
arbeitsunfähigen Arbeitnehmer" (BAG [07.09.2004] - 9 AZR 587/03 - NJOZ 2005, 575
(576) m.w.N.).
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Ging damit das BAG bisher von der Vermutung aus, dass in tarifvertraglichen
Regelungen arbeitsunfähige Arbeitnehmer im Hinblick auf den Verfall ihrer
Urlaubsansprüche nicht besser gestellt werden sollten als arbeitsfähige, geht das BAG
jetzt von dem genauen Gegenteil aus (vgl. auch Leinemann, DB 2009, Nr. 8, I, der im
EuGH-Urteil , a.a.O. eine ungerechtfertigte Besserstellung arbeitsunfähiger
Arbeitnehmer sieht). Im Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG muss man
dies zwar nun anders sehen, weil der EuGH das so will. Das rechtfertigt aber nicht den
Schluss darauf, dass Tarifvertragsparteien (schon immer) das wollten, was der EuGH
nunmehr für diese überraschend will. Es ist daher in Tarifverträgen nicht nach
Anhaltspunkten zu suchen, dass die gemeinschaftsrechtlich bedingte Unverfallbarkeit
des Mindesturlaubsanspruchs sich nicht auch auf tariflichen Mehrurlaub erstreckt,
sondern es ist danach zu fragen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass arbeitsunfähige
Arbeitnehmer über das zwingende gesetzliche Maß hinaus bessergestellt werden sollen.
2.1.3
einem Anhaltspunkt für eine Unterscheidung zwischen gemeinschaftsrechtlichen
Mindesturlaub und sonstigem Mehrurlaub im BAT suchen will - diesen auch im BAT
findet.
Anders als in der Leitentscheidung BAG [24.03.2009] - 9 AZR 983/07 findet sich in der
Parallelvorschrift § 47 Abs. 7 BAT allerdings keine zu § 36 Abs. 8 letzter Halbsatz KAVO
vergleichbare Regelung. Für das BAG, a.a.O. war es entscheidend und ausreichend, dass
§ 36 Abs. 8 letzter Halbsatz KAVO beinhaltete: "verfällt, soweit gesetzlich nichts anderes
geregelt ist". Eine solche Regelung findet sich in § 47 Abs. 7 BAT nicht. Dies lässt aber
keinen Umkehrschluss zu, da die KAVO lediglich auf neuere gesetzliche Regelungen
reagiert, die für den älteren BAT kein Thema waren.
Eine vom BAG erwünschte erkennbare Differenzierung zwischen gesetzlichen und
übergesetzlichen Ansprüchen ergibt sich jedenfalls mittelbar aus der
Urlaubsabgeltungsregelung des § 51 Abs. 1 S. 3 BAT, wonach in den dort genannten
Fällen (fristlose Arbeitgeberkündigung, Arbeitsvertragsbruch) dem Angestellten nur ein
Urlaubsanspruch "nach gesetzlichen Vorschriften" zustehen soll. Das ist nicht viel, aber
auch nicht weniger an Anhaltspunkt als der vom BAG aufgegriffene oben zitierte
Halbsatz in § 36 Abs. 8 KAVO.
3.
ist verfallen. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und die EuGH-Entscheidung , a.a.O.
betreffen nicht den Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX (vgl. auch Gaul/Josten/Stauf, BB
2009, 497 (490); Subatzus, DB 2009, 510 (512)). Wenn LAG Düsseldorf [02.02.2009] -
12 Sa 486/06 - Rn. 118, ZTR 2009, 149 dies anders sieht, erfolgt in dem einen Satz dazu
keine Begründung.
§ 125 SGB IX dient auch nicht der Umsetzung sonstigen EU-Rechts. Dies ist nicht
ersichtlich und wird auch nicht diskutiert (vgl. Erfurter Kommentar/Rolfs, 9. Aufl. [2009],
SGB IX § 125 Rn. 1; Faber, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX [2009], § 125 Rn. 2;
Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. [2005], § 125 Rn. 1 ff.).
Der Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX unterliegt damit den allgemeinen Grundsätzen des
Urlaubsrechts (BAG [21.02.1995] - 9 AZR 166/94 - Rn. 14, NJW 1996, 76 (noch für § 47
SchwbG); Erfurter Kommentar/Rolfs, a.a.O., Rn. 2; Faber, a.a.O., Rn. 3). Dies gilt auch für
§ 7 BUrlG (Faber, a.a.O., Rn. 4). Die Ausnahmen des § 125 Abs. 2, 3 SGB IX insoweit sind
hier nicht von Belang.
Fehlt es an günstigeren Regelungen verfällt ein Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX wie der
Urlaub nach dem BUrlG mit dem laufenden Kalenderjahr, im Fall der gesetzlichen
Übertragung spätestens am 31.03. des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 BUrlG) (Pahlen, a.a.O.,
Rn. 11 m.w.N.; Neumann/Fenski, BUrlG, 9. Aufl. [2003], SGB IX Rn. 29; vgl. auch BAG
[21.02.1995] - 9 AZR 166/94 - Rn. 14, NJW 1996, 76). § 47 Abs. 7 BAT verlängert nur den
Übertragungszeitraum hier bis zum 30. Juni des Folgejahres.
Für eine Besserstellung dauerhaft erkrankter arbeitsunfähiger Arbeitnehmer besteht
kein Anhaltspunkt. Verlangt man mit dem BAG einen Anhaltspunkt für eine
Gleichbehandlung arbeitsfähiger und arbeitsunfähiger Arbeitnehmer - technisch: eine
Differenzierung zwischen dem gesetzlichen nicht tarifdispositiven Mindesturlaub und
dem sonstigen Mehrurlaub - kann man diesen in § 51 Abs. 1 S. 3 BAT finden.
II.
Mindesturlaubsanspruchs von 20 Arbeitstagen. Weitergehende Ansprüche sind am
30.06.2007 verfallen.
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1.
Jahr 2006 im Umfang von 20 Arbeitstagen ist nicht nach § 47 Abs. 7 BAT verfallen und
daher nach § 51 BAT abzugelten. Einem Erlöschen des gesetzlichen
Mindesturlaubsanspruchs steht Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG in der maßgeblichen
Auslegung des EuGH im Schultz-Hoff-Urteil, a.a.O. entgegen. § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. BAG
[24.03.2009] - 9 AZR 983/07, Rn. 57 ff., 66) und entsprechend ebenso auch § 47 Abs. 7
BAT sind in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung teleologisch zu reduzieren.
Das beklagte Land genießt für das Urlaubsjahr 2006, bis zum 30.06.2007 zu übertragen,
keinen Vertrauensschutz. Nach dem Urteil Sch.-H. des EuGH nicht (vgl. BAG, a.a.O., Rn.
70) und nach dem Urteil des BAG auch nicht (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 71 ff.). Zeitlich nicht,
weil das BAG allenfalls für die Zeit vor Bekanntwerden des Vorlagebeschlusses des LAG
Düsseldorf vom 02.08.2006 Vertrauensschutz gewährt (BAG, a.a.O., Rn. 76).
Grundsätzlich nicht, weil sich die Klägerin gegenüber dem beklagten Land als öffentliche
Hand unmittelbar auf Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG berufen kann (vgl. auch Bauer/Arnold,
NJW 2009, 631 (633)), der EuGH für Gemeinschaftsrecht ein Vertrauensschutzmonopol
hat (vgl. BAG [27.06.2006] - 3 AZR 352/05 (A) - Rn. 55, NZA 2006, 1276), jedoch im
Urteil Sch.-H. keinen Vertrauensschutz gewährt hat.
Die Klägerin hat ihren Abgeltungsanspruch auch innerhalb der sechsmonatigen
Ausschlussfrist nach § 70 BAT geltend gemacht. Es kann hier offen bleiben, ob im
Hinblick auf die Sch.-H.-Entscheidung des EuGH die bisherige Rechtsprechung des BAG
zur weitgehenden Unanwendbarkeit tariflicher Ausschlussfristen im Urlaubsrecht zu
überdenken ist (vgl. Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634 f.)). Es bleibt jedenfalls dabei,
dass ein wegen dauernder durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbarer
Urlaubsanspruch nicht erfüllt und damit auch nicht fällig werden und mangels Fälligkeit
bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer Ausschlussfrist auch nicht
verfallen kann.
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der Naturalanspruch in einen
Abgeltungsanspruch um, § 7 Abs. 4 BUrlG, § 51 Abs. 1 BAT. Hier wurde dieser daher
entweder am Ende des Arbeitsverhältnisses am 5.10.2007 fällig oder - bei Anwendung
der Surrogatstheorie des BAG (trotz dem relativierenden Argument in BAG [24.03.2009]
- 9 AZR 983/07 - Rn. 62 dem Urteil zugrunde liegend und durch die EuGH-Entscheidung
, a.a.o. nicht infrage gestellt; vgl. aber LAG Düsseldorf [02.02.2009] 12 Sa
486/06) - mit dem Ende des Übertragungszeitraumes am 30.06.2008. Bei einer Fälligkeit
schon am Ende des Arbeitsverhältnisses, d.h. am 5.10.2007, ist die Ausschlussfrist
spätestens durch das Schreiben vom 10.01.2008, auf das vorfällige, genügend
bestimmte Schreiben vom 13.07.2007 Bezug nehmend, gewahrt. Bei einer Fälligkeit erst
am Ende des Übertragungszeitraumes am 30.06.2008 jedenfalls durch die am
14.04.2008 erhobene Klage.
2.
Gewährung von Erholungsurlaub ist nach den schon oben zu I.1. ausgeführten Gründen
mit Ablauf des Übertragungszeitraums hingegen gemäß § 47 Abs. 7 BAT am 30.06.2007
verfallen.
III.
Urlaubsanspruch für Januar 2007 geltend gemacht. Der gesetzliche Urlaubsanspruch
von 20 Urlaubstagen beläuft sich anteilig auf 1,66 Urlaubstage, nach § 48 Abs. 5 BAT auf
zwei Urlaubstage aufgerundet. Ein über den gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten
gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehender tariflicher oder gesetzlicher
Urlaubsanspruch ist nach dem Vorhergesagten nach § 47 Abs. 7 BAT i.V.m. der
Surrogatstheorie des BAG mit Ablauf des 30.06.2008 verfallen. Von einer bis dahin
andauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ist i.V.m. § 138 Abs. 3 ZPO auszugehen.
IV.
Urlaubstage führt dies auf der Grundlage eines nicht näher bestrittenem
Monatseinkommen der Klägerin i.H.v. 3.107,01 € brutto der Höhe nach i.V.m. § 51 Abs.
2 BAT zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch i.H.v. 3.154,80 € brutto.
V.
i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Verweisungskosten
hat die Klägerin nach § 17b Abs. 2 S. 2 GVG alleine zu tragen. Der nach § 61 Abs. 1
ArbGG festzusetzende Urteilsstreitwert bestimmt sich nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§
3 ff. ZPO.
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