Urteil des ArbG Berlin vom 14.03.2017

ArbG Berlin: stellenausschreibung, restriktive auslegung, öffentliches amt, verfügung, begriff, erlass, beamtenverhältnis, stellenbeschreibung, eingriffsverwaltung, amtsblatt

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Gericht:
ArbG Berlin 33.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
33 Ga 2676/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 935 ZPO, § 940 ZPO, Art 33
Abs 2 GG, Art 33 Abs 4 GG, §
611 Abs 1 BGB
(Funktionsvorbehalt iSd Art 33 Abs 4 GG - Leitung des
Ordnungsamtes - Konkurrentenklage)
Leitsatz
1. Bei der Leitung des Ordnungsamtes handelt es sich um ein öffentliches Amt, dessen
Besetzung nach Artikel 33 Abs. 4 GG ausschließlich Beamtinnen und Beamten vorbehalten
werden darf.
2. Es bleibt dahingestellt, ob Artikel 33 Abs. 4 GG restriktiv auszulegen ist. Die Leitung des
Ordnungsamtes fällt auch dann unter den Funktionsvorbehalt. Dies ergibt sich daraus, dass
die Aufgaben eines Ordnungsamtes zum klassischen Bereich der grundrechtsrelevanten
Eingriffsverwaltung gehören und insofern zumindest die Leitung ein hohes Maß an Kontinuität,
Loyalität und Zuverlässigkeit insbesondere auch in Krisenzeiten erfordert.
Tenor
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens über die
vorläufige Untersagung der Besetzung einer Stelle nach den Grundsätzen der
Konkurrentenklage wegen des Ausschlusses des Verfügungsklägers als Angestellter von
dem Stellenbesetzungsverfahren.
Der Verfügungskläger ist bei dem Verfügungsbeklagten als Angestellter in der
Vergütungsgruppe II a BAT in Vollzeit beschäftigt.
Am 19. Dezember 2008 schrieb der Verfügungsbeklagte im Amtsblatt für Berlin eine
Stelle für eine Magistratsdirektor oder einen Magistratsdirektor mit Besoldungsgruppe A
15 u. a. mit dem Aufgabengebiet „Leitung des Wirtschafts- und Ordnungsamtes“ unter
der Kennzahl 3520-001.1 aus. Als Bewerbungsfrist war der 9. Januar 2009 genannt.
Ferner wurde auf eine ausführliche Stellenausschreibung mit Angabe der
beamtenrechtlichen Anforderungen, des Anforderungsprofils und sonstigen Hinweisen
im Internet und im Intranet der Berliner Verwaltung hingewiesen. Wegen des weiteren
Inhalts der Ausschreibung wird auf deren Ablichtung (Bl. 8 d. A.) verwiesen.
In der ausführlichen Stellenausschreibung heißt es unter der Überschrift
„Anforderungen“ u. a., dass die Übertragung der Funktion zunächst im
Beamtenverhältnis auf Probe erfolgt und hauptsächlich
Obermagistratsrätinnen/Obermagistratsräte in Frage kommen, deren letzte Beförderung
mindestens ein Jahr zurückliege. Unter der Überschrift „weitere Anforderungen“ heißt es
u. a., unabdingbar seien fundierte spezifische Rechts-/ Fachkenntnisse in der Anwendung
des Ordnungsämtererrichtungsgesetzes, des ASOG, des Berliner Straßengesetzes, der
Lärmordnung, des Grünanlagengesetzes, des Hundegesetzes, des Kreislaufwirtschafts-
und des Abfallgesetzes, des Jugendschutzgesetzes, des Nichtraucherschutzgesetzes,
des Gewerberechts, der Straßenverkehrsordnung, der Verwaltungsgerichtsordnung, des
Verwaltungsverfahrensrechts, des Ordnungswidrigkeitsrechts und der
Strafprozessordnung. Am Ende der Stellenausschreibung heißt es unter der Überschrift
„Standardhinweise“:
„Es kommen nur Bewerber/innen in Betracht, die sich bereits in einem
unbefristeten Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis zum Land Berlin befinden.“
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Wegen des weiteren Inhalts der ausführlichen Stellenausschreibung wird auf deren
Ausdruck (Bl. 15 ff. d. A.) verwiesen.
Dem Wirtschafts- und Ordnungsamt obliegen folgende Aufgaben:
- Erteilen von Erlaubnissen und Gestattungen, die Untersagung sowie die
Erteilung von Auflagen zur Gewerbeausübung nach der Gewerbeordnung und das
Festsetzen von Märkten;
- Widerspruchsbearbeitung, soweit die vorgenannten Sachgebiete betroffen sind,
Verwaltungszwangsverfahren; Durchführung von Ordnungswidrigkeitenverfahren,
Bearbeitung von generellen Angelegenheiten des Straßenrechts, des
Straßenverkehrsrechts, des Verwaltungsverfahrens und Vollstreckungsrechts, des
Ordnungsrechts- und des Ordnungswidrigkeitenrechts;
- Entgegennahme und eigenverantwortliche Bearbeitung bis zur
Bescheiderteilung von Anträgen auf Sondernutzungserlaubnisse und
straßenverkehrsbehördliche Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen für
Straßenhandel, weihnachtliche Festbeleuchtung, Infostände, Märkte, Straßenfeste,
Veranstaltungen, Befahren von Gehwegen, Sondernutzung besonderer Art, Erteilung von
Erlaubnissen zur Verteilung von Werbematerialien nach dem Straßenreinigungsgesetz;
- Bearbeitung der Anträge und Ausgabe von Anwohnervignetten, desgleichen alle
sonstigen Ausnahmegenehmigungen im Zusammenhang mit der
Parkraumbewirtschaftung innerhalb und außerhalb des Bezirkes; Bearbeitung aller
Anträge auf straßenverkehrsbehördliche Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen, die
nicht im Zusammenhang mit der Erteilung einer straßenrechtlichen
Sondernutzungserlaubnis stehen;
- Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsgesetz Berlin mit den
Schwerpunkten Drehgenehmigungen;
- Bearbeitung von Ordnungsaufgaben nach dem Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetz sowie Straßenreinigungsgesetz, Durchführung von
Ordnungswidrigkeitenverfahren im Bereich des Haus- und Nachbarschaftslärms;
- Planung, Koordinierung und der tägliche Einsatz der
Außendienstmitarbeiter/Mitarbeiterinnen des allgemeinen Ordnungsdienstes zur
Überwachung des öffentlichen Raums, des ruhenden Verkehrs und zur
Parkraumüberwachung sowie die Organisation und Koordination besonderer Einsätze
und ggf. eigenständige Setzung von Schwerpunkten;
- Kontrolle und Überwachung des ruhenden Verkehrs, Feststellung und
Verfolgung von Verkehrsverstößen nach der StVZO und Veranlassung von
Fahrzeugumsetzungen; Feststellen von Verstößen nach der StVZO und Fertigung von
Mängelberichten und Anzeigen, Erteilen von Verwarnungen mit und ohne
Verwarnungsgeld, Weiterleiten der festgestellten Verstöße an die zentrale Bußgeldstelle
beim Polizeipräsidenten;
- Ordnungsmaßnahmen zur Herstellung und Sicherheit der Ordnung im
öffentlichen Raum: Feststellen von Verstößen gemäß Verwarnungsgeldkatalog durch
Kontrollen im öffentlichen Raum, Aussprechen von Verwarnungen mit und ohne
Verwarnungsgeld; Erstellen von Berichten und Anzeigen zur Einleitung von Verwarnungs-
und Bußgeldverfahren; Vornahmen von Ordnungsmaßnahmen gegen handelnde
Personen vor Ort.
Zukünftig gehören zu den Aufgaben des Wirtschafts- und Ordnungsamtes auch die
bisher vom Gesundheitsamt wahrgenommene Veterinär- und Lebensmittelaufsicht.
Der Verfügungskläger bewarb sich fristgerecht auf die ausgeschriebene Stelle. Mit
Schreiben vom 19. Januar 2009 (Bl. 10 d. A.) teilte ihm das Bezirksamt mit, die
ausgeschriebene Stelle sei wegen der Besonderheiten der wahrzunehmenden Aufgaben
nicht für Angestellte vorgesehen. Seine Bewerbung könne deshalb nicht berücksichtigt
werden. Hiergegen wandte sich der Verfügungskläger mit Schreiben vom 26. Januar
2009 (Bl. 11 f. d. A.) und bat um Überprüfung. Mit Schreiben vom 30. Januar 2009 (Bl. 13
f. d. A.) teilte ihm das Bezirksamt mit, dass die Stelle bewusst nur für beamtete
Bewerberinnen und Bewerber ausgeschrieben worden sei und an der Entscheidung,
seine Bewerbung nicht zu berücksichtigen, festgehalten werde.
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Mit dem beim Arbeitsgericht Berlin am 10. Februar 2009 eingegangenen, dem
Verfügungsbeklagten am 17. Februar 2009 zugestellten Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung verfolgt der Verfügungskläger sein Begehren weiter.
Der Verfügungskläger meint, durch den Hinweis in der ausführlichen
Stellenausschreibung, es kämen nur Bewerberinnen und Bewerber in Betracht, die sich
in einem unbefristeten Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis zum Land Berlin befinden,
habe der Verfügungsbeklagte nicht nur Beamte, sondern auch Angestellte zur
Bewerbung aufgerufen. Jedenfalls habe ein durchschnittlich unterrichteter verständiger
Dritter die Ausschreibung nur so verstehen können. Die nachträgliche Beschränkung auf
Beamte sei wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig. Etwaige missverständliche
Formulierungen gingen zu Lasten des Verfügungsbeklagten, da anderenfalls die
Objektivität des Verfahrens nicht gewährleistet und dem willkürlichen Ausschluss „nicht
genehmer“ Angestellter Tür und Tor eröffnet werde. Darüber hinaus sei der
Verfügungsbeklagte nach Artikel 33 Abs. 2 GG auch rechtlich gehindert, dass
Stellenbesetzungsverfahren ausschließlich auf beamtete Beschäftigte zu beschränken.
Auf den sog. Funktionsvorbehalt des Artikel 33 Abs. 4 GG könne er sich nicht berufen.
Weder dem Gesetz, durch welches die Ordnungsämter errichtet worden seien, oder den
Gesetzesmaterialien, noch der Stellenausschreibung sei zu entnehmen, dass es sich um
„hoheitsrechtliche“ Aufgaben i. S. d. Artikel 33 Abs. 4 GG handele. Zwar sei noch nicht
abschließend entschieden, was unter dem Begriff „hoheitsrechtlich“ zu verstehen sei. In
der Literatur ginge man jedoch zutreffend davon aus, dass Artikel 33 Abs. 4 GG im
Hinblick auf die fortschreitende Privatisierung zahlreicher Verwaltungsaufgaben immer
weniger Bedeutung beizumessen und nur noch auf einen engen Bereich, wie z. B. die
Stelle des Präsidenten der OFD, des Vorstehers des Finanzamtes oder des
Polizeipräsidenten, beschränkt sei. Die Dienstkräfte der Ordnungsämter seien auch nicht
nur im Ausnahmefall sondern in der Regel Angestellte, gleichwohl sie hoheitliche
Befugnisse einschließlich vorläufiger Festnahmen und die Ausübung unmittelbaren
Zwangs gegen Personen und Sachen ausübten. Dementsprechend hätten andere
Bezirksämter vergleichbare Stellen sowohl für Beamte als auch für Angestellte
ausgeschrieben.
Der Verfügungskläger hat beantragt,
dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, die mit der Kennzahl 3520-001.1 im
Amtsblatt für Berlin Nr. 57 vom 19.12.2008 ausgeschriebene Stelle „Leitung des
Wirtschafts- und Ordnungsamtes“ vor dem rechtskräftigen Abschluss des
Hauptsacheverfahrens zum Az.: 33 Ca 2672/09 mit einer anderen Bewerberin oder
einem anderen Bewerber als dem Verfügungskläger zu besetzen.
Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Verfügungsbeklagte trägt vor, nach Artikel 66 Abs. 2 VvB i. V. m. § 1 Abs. 1 VGG
obliege die Organisationsgewalt hinsichtlich der Anzahl und Art der Arbeitsplätze sowie
des Anforderungsprofils und damit auch die Entscheidung über den Funktionsvorbehalt
einschließlich deren Besetzung den jeweiligen Bezirksämtern. Es komme deshalb auch
nicht darauf an, ob andere Bezirksämter wie beispielsweise das Bezirksamt N. die
Leitung des Ordnungsamtes sowohl für beamtete als auch angestellte Beschäftigte
ausgeschrieben habe. Die in der Stellenausschreibung genannten und auf der Stelle der
Leitung des Wirtschafts- und Ordnungsamts wahrzunehmenden ständigen Aufgaben
seien mit der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse i. S. d. Artikel 33 Abs. 4 GG
verbunden. Der grundgesetzliche Begriff „hoheitsrechtliche Befugnisse“ sei
gleichbedeutend mit dem in § 4 Nr. 1 BBG verwendeten Begriff „hoheitsrechtliche
Aufgaben“. Ein hoheitsrechtliches Tätigwerden sei immer dann gegeben, wenn der Staat
durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag tätig werde. Gemeint sei der
Bereich der Verwaltung, in dem der Staat gegenüber dem Bürger als übergeordneter
Hoheitsträger in Erscheinung trete. Zu den Aufgaben der Leitung des Wirtschafts- und
Ordnungsamtes gehöre neben der Organisation des Amtes unter Berücksichtigung der
personellen und sachlichen Mittel vor allem auch die fachliche Verantwortung für das
Tätigwerden des Amtes in einem Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüber dem
Bürger. Diese erforderten eine kontinuierliche und allein auf die Tätigkeit gerichtete
Aufgabenwahrnehmung. Dies könne am effektivsten und insbesondere auch unabhängig
von möglichen Arbeitskämpfen abgesichert werden, indem die Leitung mit einer
Beamtin oder einem Beamten besetzt werde. Darauf, ob einzelne Tätigkeiten innerhalb
des Amtes Angestellten übertragen werden, komme es nicht an. Denn bei den Aufgaben
des Amtsleiters handle es sich nicht nur um die Wahrnehmung einzelner
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des Amtsleiters handle es sich nicht nur um die Wahrnehmung einzelner
hoheitsrechtlicher Aufgaben. Vielmehr trage die Amtsleitung die Gesamtverantwortung
für einen gegenüber den Bürgerinnen und Bürger stark eingriffsorientierten
Verwaltungszweig. Die Stelle sei auch nur für beamtete Beschäftigte ausgeschrieben
worden. Aus dem Hinweis am Ende der ausführlichen Stellenbeschreibung könne der
Verfügungskläger nichts anderes herleiten. Zum einen handle es sich, wie schon die
Überschrift zeige, um einen Standardhinweis. Zum anderen ziele dieser lediglich auf eine
Abgrenzung zwischen Berliner und auswärtigen Bewerbern ab. Von einem treuwidrigen
Verhalten gegenüber einzelnen Bewerbern könne schon deshalb keine Rede sein, weil es
sich bei einer Stellenausschreibung um keine rechtlich verbindliche empfangsbedürftige
Willenserklärung handele.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten
Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg.
I.
Der Antrag ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für den
Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 62 Abs. 2 ArbGG i. V. m. den §§ 935 ff. ZPO
sind nicht gegeben. Es fehlt bereits am erforderlichen Verfügungsanspruch. Der
Verfügungsbeklagte ist nicht verpflichtet, die Bewerbung des Verfügungsklägers bei der
Besetzung der Stelle der Leitung des Wirtschafts- und Ordnungsamtes zu
berücksichtigen.
1. Ein Anspruch des Verfügungsklägers auf Einbeziehung seiner Bewerbung in dem
Stellenbesetzungsverfahren folgt nicht aus Artikel 33 Abs. 2 GG.
a) Artikel 33 Abs. 2 GG eröffnet jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und
fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jeden öffentlichen Amt. Daraus ergeben sich
subjektive Rechte aller Bewerberinnen und Bewerber, ohne dass es auf die Art des zu
begründenden Rechtsverhältnisses ankommt. Der Schutzbereich des Artikel 33 Abs. 2
GG gilt für alle Beschäftigten und angehenden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes,
unabhängig davon, ob es sich um ein Beamten- oder ein Angestelltenverhältnis handelt
(BAG vom 05.11.2002 - 9 AZR 451/01 -, AP Nr. 57 zu Art. 33 Abs. 2 GG, m. w. N.).
aa) Eine Beschränkung des Bewerberkreises auf beamtete Beschäftigte ist jedoch
zulässig, wenn die Stelle unter den sog. Funktionsvorbehalt des Artikel 33 Abs. 4 GG fällt.
Danach ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der
Regel Beschäftigten zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und
Treueverhältnis stehen. In einem solchen Dienst- und Treueverhältnis werden
ausschließlich beamtete Beschäftigte tätig (BVerfG vom 27.04.1959 - 2 BvF 2/58 -, NJW
1959, 1171). Durch den Funktionsvorbehalt soll gewährleistet werden, dass die
hoheitsrechtlichen Aufgaben jederzeit, vor allem auch in Krisenzeiten, loyal, zuverlässig
und qualifiziert erledigt werden. Dies wird nur sichergestellt, wenn die Bediensteten,
denen solche hoheitsrechtlichen Aufgaben als ständige Aufgabe übertragen sind, dem
für Beamtinnen und Beamte geltenden Dienstrecht, insbesondere dem Streikverbot,
unterliegen (vgl. BAG vom 11.08.1998 - 9 AZR 155/97 -, AP Nr. 45 zu Art. 33 Abs. 2 GG,
und vom 05.11.2002 - 9 AZR 451/01 -, a. a. O., sowie BVerfG vom 19.09.2007 - 1 BvR
1213 -, ZTR 2007, 640).
bb) Bisher nicht geklärt ist, was unter dem Begriff hoheitsrechtliche Befugnisse i. S. d.
Artikel 33 Abs. 4 GG konkret zu verstehen ist. In einer neueren Entscheidung hat das
Bundesverfassungsgericht hierzu lediglich ausgeführt, dass zum Gewährleistungsbereich
des Artikel 33 Abs. 4 GG jene Aufgaben gehörten, deren Wahrnehmung die besonderen
Verlässlichkeits-, Stetigkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Beamtentums
erfordert, und die Tätigkeit von Lehrern nicht darunter fiele, weil diese in der Regel nicht
schwerpunktmäßig hoheitlich geprägte Aufgaben wahrnehmen, die der besonderen
Absicherung durch den Beamtenstatus bedürften (BVerfG vom 19.09. 2007 - 2 BvF 3/02
-, ZTR 2007, 640). In einer frühren Entscheidung aus dem Jahr 1993 hat es darüber
hinaus klargestellt, dass Artikel 33 Abs. 4 GG die Kontinuität hoheitlicher Funktionen des
Staates sichere, in dem er als Regel vorsehe, dass ihre Ausübung Beamten übertragen
wird, jedoch nicht generell verbiete, dafür auch Arbeitnehmer einzusetzen (BVerfG vom
02.03.1993 - 1 BvR 1213/85 -, AP Nr. 126 zu Art. 9 GG). Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts bestimmt sich die Beurteilung einer Aufgabe als hoheitlich i. S. d.
Artikel 33 Abs. 4 GG nicht nach der zuständigen Organisationseinheit, sondern nach
ihrem Inhalt und dem Umfang des zur Verfügung stehenden ordnungsbehördlichen
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ihrem Inhalt und dem Umfang des zur Verfügung stehenden ordnungsbehördlichen
Instrumentariums (BAG vom 11.08.1998 - 9 AZR 155/97 -, a. a. O.; vom 05.11.2002 - 9
AZR 451/01 -, a. a. O.). In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass
einerseits die Ausübung von Eingriffsbefugnissen, d. h. die Tätigkeit der sog.
Eingriffsverwaltung, hoheitsrechtlicher Natur sei, hingegen nicht die Tätigkeit des Staates
als Fiskus oder untergeordnete, nicht entscheidungsprägende Hilfstätigkeiten. Im
Übrigen gehen die Meinungen weit auseinander. Teilweise wird vertreten, die Ausübung
hoheitsrechtlicher Befugnisse sei gleich bedeutend mit der Erfüllung öffentlicher
Aufgaben. Andere sehen die Erfüllung öffentlicher Aufgaben dann als hoheitsrechtlich an,
wenn sie in den Formen des öffentlichen Rechts erfolgt. Eine dritte Auffassung legt den
Begriff restriktiv aus und stellt traditionell auf den eingreifenden Charakter der fraglichen
Tätigkeit ab, wobei teilweise pauschal nach der sog. Eingriffs- und Leistungsverwaltung
unterschieden wird (siehe zum Ganzen Dreier-Masing, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 33 Rn. 64
m. w. N.). Andere, die ebenfalls der restriktiven Auslegung folgen, lehnen eine solche
rein formale Unterscheidung ab und befürworten eine differenzierte Betrachtungsweise
nach der Eingriffsrelevanz der Tätigkeit für die Grundrechte ergänzt durch funktionale
Gesichtspunkte. Bezüglich Letzterem sei zu berücksichtigen, ob eine Tätigkeit sich in
einem Kräftefeld bewege, in dem die Gewährleistung der relativen Unabhängigkeit bzw.
die spezifische Pflichtenstellung im Beamtenverhältnis für die Erfüllung der Aufgaben
typischerweise wesentlich sei (Dreier-Masing, a. a. O., sowie insb. Rn. 66).
b) Die Stelle der Leitung des Wirtschafts- und Ordnungsamts fällt unter den
Funktionsvorbehalt des Artikel 33 Abs. 4 GG.
Dabei kann dahingestellt bleiben, welcher der oben dargestellten Auffassungen zu folgen
ist, gleichwohl für eine restriktive Auslegung schon das gewandelte gesellschaftliche
Verständnis zur Rolle und Bedeutung des Staates und dem damit einhergehenden
Rückgang der Bedeutung des Beamtentums spricht. Ebenso konnte offen bleiben, ob
der vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 11. August 1998 - 9 AZR 155/97
- (a. a. O.) vertretene Auffassung zu folgen ist, dass auch die Stellen von
Sachbearbeitern, die an hoheitsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen nur vorbereitend
mitwirken, unter den Funktionsvorbehalt fallen. Denn vorliegend geht es nicht um die
Besetzung einer Sachbearbeiterstelle, sondern um die Besetzung einer
verantwortlichen, leitenden Funktion in einem klassischen grundrechtsrelevanten Bereich
der Eingriffsverwaltung.
aa) Die Tätigkeit des Wirtschafts- und Ordnungsamtes bewegt sich schwerpunktmäßig
im hoheitsrechtlichen Bereich und erfordert damit ein hohes Maß an Kontinuität,
Zuverlässigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Denn Aufgabe des Wirtschafts- und
Ordnungsamtes ist u. a. die Wahrnehmung zahlreicher typischer ordnungsbehördlicher
Aufsichtsfunktionen im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der
Gewerbeausübung im weiteren Sinne, der Verkehrssicherheit, insbesondere des
ruhenden Verkehrs, und des Gesundheitsschutzes im Hinblick auf das
Jugendschutzrecht und das Abfallbeseitigungs- und Straßenreinigungsrecht, vergleichbar
mit der ordnungsbehördlichen Aufsichtsfunktion des Bundesaufsichtsamts für
Kreditwesen in dem der oben zierten Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zugrunde
liegenden Fall. Hinzukommen zukünftig noch weitere Aufsichtsfunktionen im Bereich des
Veterinär- und Lebensmittelrechts. Mit diesen Aufsichtsfunktionen sind wiederum
zahlreiche für die Verwirklichung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger relevante
Befugnisse verbunden, wie die Erteilung von Erlaubnissen und Genehmigungen, deren
Versagen oder Aufhebung bzw. Widerruf, das Einschreiten gegen ungesetzliches
Handeln und dessen Verfolgung sowie die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen
Personen und Sachen.
bb) Dies stellt auch der Verfügungskläger nicht in Abrede, sondern beruft sich vor allem
darauf, dass die Dienstkräfte der Ordnungsämter nicht nur im Ausnahmefall, sondern in
aller Regel Angestellte seien. Dabei lässt er jedoch außer Acht, dass es vorliegend nicht
um irgendeine Dienstkraft, sondern um die Leitung des Wirtschafts- und Ordnungsamtes
geht. Aufgabe der Leitung ist, worauf der Verfügungsbeklagte zutreffend hinweist, neben
einen möglichst effizienten Einsatz der vorhandenen personellen und sachlichen Mittel,
insbesondere die fachliche Verantwortung für die Durchführung der Aufgaben des
Amtes. Im Rahmen der fachlichen Verantwortung obliegt es der Leitung die Tätigkeit der
ihr unterstellten Dienstkräfte zu überwachen und durch allgemeine Vorgaben und
Einzelweisungen sicherzustellen, dass die Aufgaben auch tatsächlich wahrgenommen
und die damit verbundenen hoheitsrechtlichen Befugnisse nach Recht und Gesetz
ausgeübt werden. Im Fall eines Arbeitskampfes liegt darüber hinaus in der
Verantwortung der Leitung zu entscheiden, welche Aufgaben vorrangig wahrzunehmen
sind und mit dem während des Arbeitskampfes noch zur Verfügung stehenden Personal
wahrgenommen werden können. Nicht zuletzt auch unter diesem Gesichtspunkt ist es
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wahrgenommen werden können. Nicht zuletzt auch unter diesem Gesichtspunkt ist es
für die Funktionsfähigkeit der Behörde von Bedeutung, dass die Leitung in einem
öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht und ihrerseits nicht berechtigt
ist, an einem Arbeitskampf teilzunehmen.
cc) Soweit sich der Verfügungskläger darauf beruft, dass andere Bezirksämter die Stelle
der Leitung des Ordnungsamtes sowohl für beamtete als auch angestellte Beschäftigte
ausgeschrieben hätten, ist dies ohne Bedeutung. Denn zum einen verbietet Artikel 33
Abs. 4 GG die Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf Angestellte nicht. Vielmehr
steht öffentlichen Arbeitgebern im Rahmen des Artikel 33 Abs. 4 GG ein
Entscheidungsspielraum zu, welche mit hoheitsrechtlichen Befugnissen verbundenen
Stellen sie ausschließlich im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und
Treueverhältnisses besetzen wollen. Zum anderen liegt die Organisationsgewalt
bezüglich der auf die Bezirke übertragenen staatlichen Aufgaben nach Artikel 66 Abs. 2
VvB beim jeweiligen Bezirksamt und damit auch die Entscheidung, in welchen Fällen es
den Funktionsvorbehalt in Anspruch nimmt.
2. Ein Anspruch des Verfügungsklägers auf Einbeziehung seiner Bewerbung in das
Stellenbesetzungsverfahren ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der im Amtsblatt für
Berlin veröffentlichten Ausschreibung oder der im Internet und im Intranet der Berliner
Verwaltung veröffentlichten ausführlichen Stellenausschreibung.
Das Bezirksamt ist nach Artikel 33 Abs. 2 GG zwar an das von ihm festgelegte und in der
Ausschreibung dokumentierte Anforderungsprofil gebunden (BAG vom 19.02.2008 - 9
AZR 70/07 -, AP Nr. 69 zu Art. 33 Abs. 2 GG, m. w. N.). Jedoch hat das Bezirksamt die
Stelle ausschließlich für Beamtinnen und Beamte ausgeschrieben und damit Angestellte
wie den Verfügungskläger von dem Stellenbesetzungsverfahren von vornherein
ausgeschlossen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Inhalt der Stellenausschreibung und
konnte vom Verfügungskläger auch nicht anders verstanden werden. Zum einen enthält
die Stellenausschreibung mit „Magistratsdirektor/-in“ eine beamtenrechtliche
Amtsbezeichnung. Zum anderen ist unter der Angabe der Vergütung lediglich die
Besoldungsgruppe und keine Vergütungsgruppe nach dem im Land Berlin nach wie vor
geltenden Bundes-Angestelltentarifvertrag angegeben. Weiter wird in der ausführlichen
Stellenbeschreibung darauf hingewiesen, dass die Übertragung der Funktion der Leitung
des Wirtschafts- und Ordnungsamtes zunächst im Beamtenverhältnis auf Probe erfolge
und hauptsächlich Obermagistratsrätinnen/Obermagistratsräte in Frage kommen.
Hierbei handelt es sich ebenfalls um beamtenrechtliche Amtsbezeichnungen. Entgegen
der Ansicht des Verfügungsklägers ergibt sich etwas anderes auch nicht aus den
Standardhinweisen am Ende der ausführlichen Stellenbeschreibung. Zwar heißt es dort
u. a., dass nur Bewerberinnen und Bewerber in Betracht kommen, die sich bereits in
einem unbefristeten Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis zum Land Berlin befinden.
Jedoch wird schon dadurch, dass es sich um einen Standardhinweis handelt, deutlich,
dass dieser keinen konkreten Bezug zum Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle
hat, sondern in sämtlichen Ausschreibungen enthalten ist und lediglich zum Ausdruck
bringt, dass die Stelle nur für solche Bewerberinnen und Bewerber vorgesehen ist, die
bereits im öffentlichen Dienst des Landes Berlin unbefristet beschäftigt sind.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Verfahrenswert entspricht nach §
46 Abs. 2 ArbGG, § 3 ZPO einem Hilfswert i. S. d. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wobei im
Hinblick auf den vorläufiger Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens ein
Abschlag vorzunehmen war. Ein Abschlag von 25 % war angemessen, weil bei
Konkurrentenstreitigkeiten der Streit über die Ordnungsgemäßheit des
Stellenbesetzungsverfahrens in der Regel endgültig durch eine rechtskräftige
Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren geklärt werden kann, ohne dass es
noch auf eine Entscheidung in der Hauptsache ankommt.
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