Urteil des ArbG Berlin vom 14.03.2017

ArbG Berlin: treu und glauben, öffentliche schule, vertragsstrafe, schutzfrist, kündigungsfrist, ordentliche kündigung, fristlose kündigung, privatschule, wechsel, aufrechnung

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Gericht:
ArbG Berlin 81.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
81 Ca 15951/06, 81
Ca 18390/06, 81 Ca
15951/06, 81 Ca
18390/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 306 Abs 2 BGB, § 307 Abs 1 S
1 BGB, § 305 Abs 1 BGB, § 309
Nr 6 BGB, § 310 Abs 4 S 2 BGB
Zulässigkeit von Regelungen zur Vertragslaufzeit und einer
Vertragsstrafe in einem Formulararbeitsvertrag einer
Privatschule mit einer Lehrkraft
Leitsatz
1. Die Abrede in einem Formulararbeitsvertrag einer Privatschule mit einer Lehrkraft, wonach
die Kündigung nur mit einer Schutzfrist von zwei Monaten zum 31. Juli gekündigt werden kann,
benachteiligt die Lehrkraft unangemessen und ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
2. Wird formularmäßig zugleich eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern
für den Fall der Nichteinhaltung des Kündigungstermins vereinbart, so stellt dies im Hinblick
auf die infolge der Unwirksamkeit der Regelungen zur Kündigungsmöglichkeit gem. § 306 Abs.
2 BGB an deren Stelle tretende Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB eine nach § 307 Abs.
1 S. 1 BGB unangemessen zu hohe Vertragsstrafe dar.
3. Auch im Hinblick auf die formularmäßig vereinbarte Schutzfrist von zwei Monaten zum 31.
Juli wäre bei deren wirksamer Vereinbarung eine in jedem Falle der Nichteinhaltung dieser
Schutzfrist fällige Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsgehältern als i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1
BGB unangemessen zu hoch anzusehen.
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.695,59
(eintausendsechshundertfünfundneunzig 59/100) EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.861,73 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Beklagte betreibt eine Privatschule. Die Klägerin war dort vom 1.7.2003 bis
31.7.2006 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.6.2003 (Bl. 12 ff. d. A.)
als Lehrkraft bei einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt 2.958,86 EUR, fällig
jeweils am Monatsende, beschäftigt. In dem von der Beklagten vorformulierten und in
einer Vielzahl von Fällen verwendeten Arbeitsvertrag vom 30.6.2003 heißt es u. a.:
Im Frühjahr 2006 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie beabsichtige, nach Hamburg
an eine öffentliche Schule zu wechseln, da ihr Verlobter dort einen Arbeitsplatz habe,
den sie in Zukunft heiraten und deswegen nach Hamburg ziehen wolle. Sie sprach
deswegen allerdings bis zum 31.5.2006 keine Kündigung aus, weil das Schulamt
Hamburg ihr bis dahin eine Stelle nicht zuwies. Dies erfolgte erste Ende Juni 2006. Da die
Klägerin in der Schule des Beklagten zu diesem Zeitpunkt keinen erreichte, kündigte sie
das Arbeitsverhältnis am 5.7.2006 per Einschreiben zum 31.7.2006.
Der Beklagte zahlte daraufhin die in Höhe von 1.695,59 EUR abgerechnete
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Der Beklagte zahlte daraufhin die in Höhe von 1.695,59 EUR abgerechnete
Nettovergütung für Juli 2006 an die Klägerin nicht aus.
Mit der Klage macht die Klägerin die Nettovergütung für Juli 2006 geltend. Sie hält die
Regelung zur Kündigung des Arbeitsvertrages in dessen § 4 für eine unzulässige
Knebelung des Arbeitnehmers und aufgrund der Schutzfrist auch für eine
unangemessene Benachteiligung, da die Schulämter in der Regel erst einige Wochen vor
dem Ende der Sommerferien Entscheidungen über die Besetzung von Stellen fällten, so
dass durch die Schutzfrist ein Wechsel an eine öffentliche Schule in unzulässiger Weise
erschwert würde. Die nach § 4 des Arbeitsvertrages vorgesehene Vertragsstrafe sei im
Hinblick auf die Schutzfrist von zwei Monaten auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.695,59 EUR netto nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2006 zu zahlen.
Der Beklagte hat den Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vom 8.2.2007
hinsichtlich einer Forderung in Höhe von 985,15 EUR anerkannt und beantragt im
Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt der Beklagte,
die Klägerin zu verurteilen, an den Förderverein der Sch.-Schule e.V. 8.166,14
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung
des Schriftsatzes vom 6.10.2006 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Regelung in § 4 des Arbeitsvertrages für gerechtfertigt, da er ein
schützenswertes Interesse an der Vorhaltung eines kontinuierlich besetzten Unterrichtes
habe, weswegen eine Kündigungsmöglichkeit während des Schuljahres nicht vorgesehen
sei. Die vorgesehene Schutzfrist sei gerechtfertigt, da bei einer Kündigung kurz vor Ende
des Schuljahres oder gar erst nach dessen Ende die Beschaffung einer Ersatzkraft vor
Ablauf des Schuljahres nicht mehr möglich sei, neue Lehrkräfte als Ersatz im
Sommerurlaub nur schwer zu erreichen seien und der notwendige Auswahlprozess,
insbesondere ein Probeunterricht erst mit Beginn des neuen Schuljahres durchgeführt
werden könnten. Auch gegen die Höhe der Vertragsstrafe sei nichts einzuwenden, weil
zum einen die Kündigungsfrist im vorliegenden Falle nicht 2, sondern 12 Monate
betragen habe und weil im vorliegenden Fall die Besonderheit gegeben sei, dass das
Sanktionsinteresse des Beklagten den Wert der Arbeitsleistung aufgrund besonderer
Umstände typischerweise und generell den Betrag der Vergütung für die Dauer der
Schutzfrist übersteige.
Hinsichtlich einer anteiligen Nettovergütung für Juli 2006 hat der Beklagte zuletzt
Aufrechnung mit einem Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 710,44 EUR erklärt.
Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Soweit der Beklagte die Klageforderung anerkannt hat, war gemäß § 307 Abs. 1 ZPO
gemäß dem Anerkenntnis zu entscheiden.
2. Aber auch darüber hinausgehend ist die Klageforderung begründet. Der Klägerin steht
für Juli 2006 Arbeits- bzw. Urlaubsvergütung – dem Grunde nach unstreitig – in Höhe von
1.695,59 EUR netto zu (§§ 611 Abs. 1 BGB bzw. 11 BUrlG), dieser Anspruch ist auch
nicht in Höhe von 710,44 EUR infolge der von dem Beklagten zuletzt erklärten
Prozessaufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Auch in Höhe dieses pfändungsfreien
Betrages ist die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung unwirksam, weil dem
Beklagten die insoweit herangezogene Vertragsstrafenforderung gemäß § 4 des
Arbeitsvertrages vom 30.6.2003 als Gegenforderung nicht zusteht.
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Die Vertragsstrafenforderung des Beklagten stützt sich allein auf § 4 des
Arbeitsvertrages vom 30.6.2003. Diese Regelung ist jedoch gemäß §§ 307 Abs. 1 S. 1,
306 Abs. 2 BGB unwirksam, kann also nicht Rechtsgrundlage des vom Beklagten zur
Aufrechnung herangezogenen Gegenanspruches sein.
a. Bei der Regelung in § 4 des Arbeitsvertrages vom 30.6.2003 handelt es sich – wie bei
allen anderen Regelungen dieses Arbeitsvertrages – unstreitig um für eine Vielzahl von
Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die der Beklagte bei Abschluss des
Arbeitsvertrages gestellt hat (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB). Daher finden die Regelungen der
§§ 305 ff. BGB vorliegend Anwendung.
b. Die Unzulässigkeit der in § 4 S. 3 des Arbeitsvertrages enthaltenen
Vertragsstrafenregelung ergibt sich allerdings nicht schon aus § 309 Nr. 6 BGB, denn
aufgrund von im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten ist diese Bestimmung gemäß §
310 Abs. 4 S. 2 BGB auf Vertragsstrafenregelungen in Arbeitsverträgen nicht
anzuwenden (BAG vom 4.3.2004, 8 AZR 196/03).
c. Die Vertragsstrafenregelung in § 4 S. 3 des Arbeitsvertrages vom 30.6.2003
benachteiligt jedoch die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen und ist daher gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
Unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich
anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und
billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige
Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung
setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender
Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich
geschützte Rechtspositionen zu beachten (BAG a.a.O.).
Eine unangemessene Benachteiligung in diesem Sinne kann auch aus der Höhe der
Vertragsstrafe folgen. Das Fehlen eines Schadens führt noch nicht zur Unwirksamkeit,
denn die Vertragsstrafe bezweckt in erster Linie einen wirkungsvollen Druck auf den
Schuldner zur Einhaltung seiner Verpflichtung auszuüben. Bei der Beurteilung einer
angemessenen Höhe ist aber zu berücksichtigen, ob typischerweise nur ein geringer
Schaden zu erwarten ist. Dabei ist zur Feststellung der Angemessenheit einer
Vertragsstrafe bei vorzeitiger Vertragsbeendigung die maßgebliche Kündigungsfrist von
erheblicher Bedeutung. Denn hierin kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen
Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und
welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat. Die Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis
zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist liefert für den Fall des Nichtantritts der
Arbeit bzw. der vorzeitigen Vertragsbeendigung grundsätzlich einen angemessenen
Rahmen für die Vertragsstrafenhöhe zugunsten des Arbeitgebers. Eine darüber
hinausgehende Vertragsstrafe lässt sich allenfalls rechtfertigen, wenn das
Sanktionsinteresse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung aufgrund besonderer
Umstände typischerweise und generell übersteigt (BAG a.a.O.).
Vorliegend ist in § 4 S. 3 des Arbeitsvertrages die Vertragsstrafe mit drei
Bruttomonatsgehältern aus mehreren Gründen unangemessen zu hoch festgelegt
worden, eine geltungserhaltende Reduktion der Bestimmung auf die angemessene
Vertragsstrafenhöhe kommt nicht in Betracht.
aa. Die Vertragsstrafenhöhe ist deswegen unangemessen, weil die Klägerin vorliegend
gemäß § 622 Abs. 1 BGB beim Ausspruch ihrer Kündigung vom 5.7.2006 eine Frist von
vier Wochen zum Fünfzehnten eines Kalendermonates, also zum 15.8.2006 hätte
einhalten müssen, so dass eine Vertragsstrafenhöhe, die über den Betrag der für den
Zeitraum dieser Kündigungsfrist zu zahlenden Vergütung hinausgeht, unangemessen
hoch ist.
In § 4 S. 1 und S. 2 des Arbeitsvertrages ist zwar eine längere Kündigungsfrist als die
gemäß § 622 Abs. 1 BGB einschlägige Kündigungsfrist geregelt worden. Diese
Verlängerung der Kündigungsfrist, insbesondere die Möglichkeit, dies nur mit einer
Schutzfrist von zwei Monaten zum 31. 7. eines Jahres tun zu können, ist jedoch ihrerseits
gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben für die
Klägerin unangemessen benachteiligend und daher nach dieser Bestimmung
unwirksam. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass in allgemeinen
Geschäftsbedingungen vom Gesetz abweichende, längere Kündigungsfristen festgelegt
werden. Dass derartige Regelungen der AGB-Kontrolle unterliegen, kann im Grundsatz §
309 Nr. 9 BGB entnommen werden, auch wenn dieser auf Arbeitsverträge keine
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309 Nr. 9 BGB entnommen werden, auch wenn dieser auf Arbeitsverträge keine
Anwendung findet und es insoweit bei der Kontrolle nach § 307 BGB verbleibt. Bei der
gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung hat der Arbeitgeber als
Verwender von Formulararbeitsverträgen dabei die gemäß Art. 12 Abs. 1 GG besonders
geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Je länger die Bindung
des Arbeitnehmers an den Arbeitsvertrag durch besondere Kündigungsregelungen
gestaltet wird, desto gravierender müssen die hierfür sprechenden, schutzwürdigen
Interessen des Arbeitgebers sein.
Vorliegend kann die Kammer dahingestellt sein lassen, ob das Interesse des Beklagten
an einem kontinuierlichen Unterricht für die Dauer eines gesamten Schuljahres
ausreicht, um noch von einer nicht unangemessenen Benachteiligung der Berufsfreiheit
der vom Beklagten beschäftigten Lehrkräfte aufgrund der Bindung für die Dauer eines
Schuljahres ausgehen zu können. Jedenfalls sprechen keine hinreichenden
schutzwürdigen Interessen des Beklagten dafür, die Möglichkeit der Lehrkräfte, sich
wenigstens zum Schuljahresende vom Vertrag lösen zu können, durch die Regelung
einer Schutzfrist von zwei Monaten weiter zu erschweren und insbesondere dadurch den
Wechsel an öffentliche Schulen, dem bundesweit weitaus größten Arbeitgeber für Lehrer,
praktisch erheblich zu behindern. Unstreitig ist nämlich zwischen den Parteien geblieben,
dass die Schulämter – wie vorliegend auch das Schulamt Hamburg – nur selten zwei
Monate vor dem 31. Juli eines Jahres bereits über die Vergabe von Stellen entschieden
haben. Die Kammer zweifelt daran, dass anderes für private Schulen gilt. Damit wird
durch die Schutzfrist von zwei Monaten den Lehrkräften des Beklagten, die an eine
andere, insbesondere an eine öffentliche Schule wechseln wollen, das Risiko
aufgebürdet, bis spätestens zum 31. Mai des Jahres die Kündigung auszusprechen und
evtl. ab dem 1. 8. des Jahres für eine längere Zeit arbeitslos zu sein, falls die in Aussicht
genommene Stelle der Lehrkraft nicht zugesprochen wird. Wenn sich die Lehrkraft
hingegen an die Schutzfrist hält und die Kündigung erst ausspricht, wenn die
entsprechende Schule oder das entsprechende Schulamt über die Vergabe der Stelle
entschieden hat, so ist die Kündigung zum 31. Juli des betreffenden Jahres nach der
Regelung in § 4 S. 1 und S. 2 des Arbeitsvertrages meist nicht mehr möglich.
Durch eine am Schuljahresende frühestens zu dessen Ende erfolgende Kündigung wird
auch nicht das Interesse des Beklagten an einer kontinuierlichen Besetzung des
Unterrichts im abgelaufenen Schuljahr beeinträchtigt. Allenfalls kann der Beklagte darauf
verweisen, dass es ihm bei einer Kündigung am Schuljahresende nicht mehr möglich
sein kann, noch im ablaufenden Schuljahr eine Ersatzkraft zu erproben und einzustellen.
Er wird dann in der Regel darauf angewiesen sein, Ersatzkräfte nach Ablauf des
Schuljahres, ggf. während der Sommerferien oder erst nach Beginn des neuen
Schuljahres anzuwerben, ggf. notwendigen Probeunterricht erst nach Beginn des neuen
Schuljahres durchzuführen und auch den Arbeitsvertrag erst nach Beginn des neuen
Schuljahres abzuschließen. Die Kammer sieht, dass sich hieraus auch gewisse
Beeinträchtigungen des Interesses des Beklagten an einer kontinuierlichen Besetzung
des Unterrichts für die Dauer des gesamten Schuljahres ergeben. Diese
Beeinträchtigungen, die sich auf einen relativ kurzen Zeitraum zu Beginn eines
Schuljahres beschränken würden, sind aber nicht so schwerwiegend, dass sie das
grundrechtlich besonders geschützte Interesse der Lehrkraft an der freien Wahl ihres
Berufes, also am ungehinderten Wechsel an eine andere Schule, aufwiegen könnten. Die
Kammer ist dabei auch der Auffassung, dass der Beklagte nicht darauf angewiesen ist,
als Ersatzkraft in Betracht kommende Bewerber erst nach Kenntnis der Kündigung einer
Lehrkraft zu erproben. Es spricht nichts dagegen, mit sich bewerbenden Lehrkräften
auch schon vor diesem Zeitpunkt, sozusagen auf Vorrat, einen Probeunterricht
durchzuführen, um im Fall des Falles dann ohne die Notwendigkeit eines längeren
Auswahlprozesses eine Einstellung durchzuführen.
Es ist demnach eine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene
Benachteiligung der Klägerin, wenn es ihr nach dem Vertrag nicht möglich war, durch
eine am Schuljahresende auszusprechende Kündigung den Vertrag bis spätestens zum
Beginn des nächsten Schuljahres zu beenden. An die Stelle der somit unwirksamen
Bestimmungen des § 4 S. 1 und S. 2 des Arbeitsvertrages tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB
die gesetzliche Regelung des § 622 Abs. 1 BGB, wonach die Klägerin den Vertrag mit
einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonates
kündigen konnte. Legt man jedoch diese Kündigungsfrist zugrunde, so ist eine
Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsgehältern nach den genannten Grundsätzen der
höchstrichterlichen Rechtsprechung unangemessen zu hoch angesetzt.
Der Beklagte kann dabei auch nicht darauf verweisen, dass sein Sanktionsinteresse
vorliegend aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell die Vergütung
für die Dauer der Kündigungsfrist übersteige. Bei einer Kündigung am Schuljahresende
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für die Dauer der Kündigungsfrist übersteige. Bei einer Kündigung am Schuljahresende
mit der gesetzlichen Frist des § 622 BGB könnte es, wie bereits ausgeführt zwar
aufgrund des möglicherweise erst zum nächsten Schuljahresbeginn durchzuführenden
Auswahlprozesses zu gewissen Diskontinuitäten in der Besetzung des Unterrichts am
Schuljahresbeginn kommen, die Kammer ist aber nicht davon überzeugt, das dieser –
an öffentlichen wie auch Privatschulen durchaus normale Vorgang – zu einer nicht
messbaren und erheblichen Rufschädigung des Beklagten führen würde. Im Übrigen ist
auch insoweit zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch eine etwaige Erprobung von
möglichen Ersatzkräften „auf Vorrat“ ein geeignetes Mittel hätte, dem
entgegenzuwirken.
bb. Selbst wenn man jedoch die Regelung in § 4 S. 1 und S. 2 des Arbeitsvertrages nicht
gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB für unwirksam halten würde, so wäre vorliegend die
Vertragsstrafe gleichwohl mit drei Bruttomonatsgehältern zu hoch bemessen. Zwar
hätte die Klägerin im vorliegenden Falle nicht nur eine Kündigungsfrist von 2 Monaten,
sondern tatsächlich von 12 Monaten zum 31.7.2007 einzuhalten gehabt. Allerdings
ergibt sich dies nur daraus, dass die Klägerin die Kündigung nach dem 31.5.2006
aussprach. Nach der Bestimmung in § 4 des Arbeitsvertrages würde eine Vertragsstrafe
von drei Bruttomonatsgehältern aber auch dann fällig, wenn die Lehrkraft eine
Kündigung beispielsweise am 31. 5. des Jahres zum 30.6. des Jahres oder am 31.5. des
Jahres eine fristlose Kündigung aussprechen würde. In derartigen Fällen wäre allein die
Schutzfrist von 2 Monaten zum 31.7. des Jahres nicht eingehalten, gleichwohl eine
Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsgehältern fällig. Da nun aber die Regelung des § 4
S. 3 des Arbeitsvertrages pauschal auf alle Fälle der Nichteinhaltung des
Kündigungstermins und der Verpflichtung zur Dienstleistung zum Ablauf des
Dienstvertrages anzuwenden ist und die Regelung auch nicht in dem Sinne teilbar ist,
dass sie für die Fälle aufrecht erhalten werden könnte, in denen eine mindestens 3
Monate betragende Frist nicht eingehalten wird, muss die Klausel auch aus diesem
Grunde als entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligend angesehen werden. Auch in diesem Zusammenhang kann sich der
Beklagte im Ergebnis nicht auf ein besonderes Sanktionsinteresse berufen, denn ein
solches müsste aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell vorliegen,
also in allen denkbaren Fällen einschlägig sein. Im Falle einer im Mai eines Jahres zu
einem Zeitpunkt kurz vor Ablauf des Schuljahres ausgesprochenen Kündigung ist dies
aber nicht der Fall. Auch in diesem Falle ist nicht ersichtlich, dass eine besondere zu
berücksichtigende Rufschädigung des Beklagten eintreten würde. Auch in diesem
Zusammenhang kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine – auch an
Privatschulen – durchaus anzutreffende Diskontinuität in der Unterrichtsbesetzung zu
Beginn und am Ende eines Schuljahres allein keine besonders zu bewertende
Rufschädigung einer Privatschule hervorrufen kann.
cc. Da somit die Vertragsstrafe in § 4 des Arbeitsvertrages unangemessen zu hoch
festgesetzt ist, ist die Regelung in § 4 S. 3 des Arbeitsvertrages insgesamt unwirksam,
eine geltungserhaltende Reduktion, etwa auf den Betrag von einem Bruttomonatsgehalt
kommt nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Betracht
(vgl. BAG a.a.O.).
II.
Die zulässige Widerklage ist unbegründet. Der Beklagten steht der insoweit geltend
gemachte anteilige Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 8.166,14 EUR nicht zu. Die
zugrunde liegende Regelung des § 4 S. 3 des Arbeitsvertrages ist unwirksam, es kann
insoweit auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1
ZPO, 45 Abs. 1 S. 1 GKG.
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