Urteil des ArbG Berlin vom 14.03.2017

ArbG Berlin: höchstpersönliches recht, betriebsstätte, arbeitsort, wahlergebnis, betriebsrat, anfechtung, stimmabgabe, heimarbeit, telearbeit, anschrift

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Gericht:
ArbG Berlin 18.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 BV 6592/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 19 BetrVG, § 24 BetrVGDV1WO
Versterben nach Anfechtung der Betriebsratswahl - keine
Briefwahlunterlagen bei ruhendem Arbeitsverhältnis
Leitsatz
1. Verstirbt ein die Betriebsratswahl anfechtender Wahlberechtigter nach Einreichung des
Antrags, so führt dies nicht in Anwendung der Regelung aus §§ 80 Abs. 2 ArbGG, 239 ZPO zur
Unterbrechung des Verfahrens. Das Verfahren ist vielmehr fortzuführen. Die
Anfechtungsberechtigung bleibt unberührt, solange weiterhin mindestens drei Arbeitnehmer
die Anfechtung betreiben.
2. Die Verpflichtung des Wahlvorstands zur unaufgeforderten Übermittlung von
Briefwahlunterlagen zur Betriebsratswahl aus § 24 BetrVGDV1WO ist auf "Außenarbeiter"
beschränkt. Erfasst sind Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis so gestaltet ist, dass ihr
Arbeitsort regelmäßig außerhalb der Betriebsstätte gelegen ist. Der Wahlvorstand ist nicht
verpflichtet, Wahlberechtigten allein wegen der Tatsache, dass ihr Arbeitsverhältnis ruht und
sie deshalb am Wahltag voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden,
Briefwahlunterlagen zu übersenden.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Beteiligte zu 8 betreibt ein Krankenhaus. Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie 4 bis 6
(Antragsteller) gehören zu den dort zur Betriebsratswahl wahlberechtigten
Arbeitnehmern. Der Beteiligte zu 7 ist der aus den Betriebsratswahlen am 13. April 2010
hervorgegangene Betriebsrat.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2010 (Anlage zum Schriftsatz des Beteiligten zu 7 vom 12.
August 2010, Bl 65f dA) forderte der Wahlvorstand die Beteiligte zu 8 auf, eine
vollständige Aufstellung aller Beschäftigten im Betrieb zu übermitteln. In dem Schreiben
verwies der Wahlvorstand auf die Regelung in § 24 Abs. 2 Wahlordnung zum
Betriebsverfassungsgesetz (WO) und bat um eine Auflistung der Mitarbeiter, die
aufgrund der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses regelmäßig, überwiegend oder
ständig nicht im Betrieb anwesend und voraussichtlich auch am Tag der Wahl abwesend
sein würden.
In Beantwortung des Schreibens übersandte die Beteiligte zu 8 eine Beschäftigtenliste.
Beschäftigte, die aufgrund von Elternzeit, Mutterschutz, Sonderurlaub, langfristiger
Erkrankung oder ähnlichem dauerhaft oder doch zumindest am Wahltag im Betrieb
abwesend sein würden, sind dort nicht hervorgehoben.
Am 13. April 2010 fand die Wahl zum Betriebsrat statt. Am Wahltag waren 24
Wahlberechtigte aufgrund von Elternzeit oder Mutterschutz nicht im Krankenhaus
anwesend. 29 weitere Mitarbeiter fehlten wegen Sonderurlaub, befristeter
Erwerbsunfähigkeitsrente oder lang andauernder Erkrankung. Briefwahlunterlagen hatte
der Wahlvorstand den Betroffenen nicht übersandt.
Von den etwa 800 Wahlberechtigten wählten 388 Personen. Die Mitarbeiter, die sich am
Wahltag in Elternzeit oder Mutterschutz befanden, beteiligten sich nicht an der Wahl.
Am 14. April 2010 gab der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt. Wegen Einzelheiten
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Am 14. April 2010 gab der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt. Wegen Einzelheiten
ist auf den Schriftsatz der Antragsteller vom 30. September 2010, dort Seite 5, zu
verweisen (= Bl 92 dA).
Mit der am 26. April bei Gericht eingegangenen Antragsschrift fechten die Antragsteller
die Betriebsratswahl vom 13. April 2010 an. Sie behaupten, die Vorsitzende des
Wahlvorstandes W. habe aus ihrer Tätigkeit bei der Beklagten gewusst, welche
Mitarbeiter in Elternzeit oder Mutterschutz seien. Sie behaupten weiter, auch ein Teil der
übrigen dauerhaft abwesenden Mitarbeiter habe nicht an der Wahl teilgenommen. Sie
sind der Auffassung, der Wahlvorstand hätte in Anwendung von § 24 Abs. 2 WO auch den
Mitarbeitern in ruhenden Arbeitsverhältnissen, insbesondere den Mitarbeitern in
Elternzeit oder Mutterschutz, unaufgefordert Briefwahlunterlagen zusenden müssen. Für
eine solche Auslegung sprächen die Interessenlage, der offene Charakter der Aufzählung
in § 24 Abs. 2 WO sowie die in Art. 3 Abs. 2 GG normierte Gleichbehandlungspflicht. Da
bereits vier weitere Stimmen zur Änderung des Wahlergebnisses hätten führen können,
sei dieser Fehler für das Wahlergebnis erheblich.
Die Antragsteller beantragen
festzustellen, dass die Betriebsratswahl, deren Wahlergebnis am 14. April 2010
bekannt gemacht wurde, für unwirksam erklärt wird.
Der Beteiligte zu 7 beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, ein
Grund für eine Wahlanfechtung liege nicht vor. Die Verpflichtung des Wahlvorstandes zur
unaufgeforderten Übersendung von Briefwahlunterlagen bestehe nur gegenüber solchen
Beschäftigten, die nach der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses ihre Arbeit ganz oder
teilweise nicht im Betrieb selbst verrichteten und deshalb im Zeitpunkt der
Stimmabgabe voraussichtlich im Betrieb nicht anwesend sein würden. Längerfristig
abwesende Mitarbeiter, wie etwa Arbeitnehmer in Elternzeit oder Mutterschutz, seien
zwar zur Briefwahl berechtigt. Die Nichtversendung von Briefwahlunterlagen an diese
Mitarbeiter stelle aber keinen Verstoß gegen die Wahlordnung dar. Überdies sei der
Wahlvorstand nur bei Kenntnis von den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses zur
Übersendung von Briefwahlunterlagen verpflichtet. Vorliegend fehle es an einer solchen
Kenntnis. Der Wahlvorstand habe auf die Auskunft des Arbeitgebers vertrauen dürfen.
Auf die Kenntnis einzelner Mitglieder des Wahlvorstandes komme es grundsätzlich nicht
an.
Die Beteiligte zu 8 schließt sich der Auffassung der Antragsteller an. Die Verpflichtung
zur Übersendung von Briefwahlunterlagen bestehe gegenüber allen dauerhaft dem
Betrieb fern bleibenden Mitarbeitern.
Ein weiterer wahlberechtigter Beschäftigter, der ebenfalls die Wahl angefochten hatte
(vormals Beteiligter zu 3), ist nach Einreichung der Antragsschrift verstorben.
Wegen des übrigen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen sowie
die Niederschriften zu den Anhörungen am 31. Mai und 3. November 2010.
II.
Die Wahlanfechtung ist zulässig aber unbegründet.
1.
Die formellen Voraussetzungen der Wahlanfechtung aus § 19 BetrVG sind erfüllt.
An dem Verfahren sind die Antragsteller sowie Arbeitgeber und Betriebsrat zu beteiligen
(vgl. Richardi/Thüsing BetrVG § 19 Rn 53 ff).
Die Antragsfrist aus § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG von zwei Wochen nach Bekanntgabe des
Wahlergebnisses ist gewahrt.
Die Beteiligten zu 1, 2, 4 bis 6 sind wahlberechtigte Arbeitnehmer zu der angefochtenen
Betriebsratswahl. Sie sind 5 Personen und übertreffen damit das in § 19 Abs. 2 Satz 1
BetrVG vorgegebene Quorum von drei Wahlberechtigten. Sie sind somit zur Anfechtung
berechtigt.
Der Tod des vormaligen Beteiligten zu 3 hat nicht nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG,
239 ZPO zur Unterbrechung des Verfahrens geführt. Die Anwendung von § 239 ZPO ist
dann nicht möglich, wenn eine Rechtsnachfolge in den Streitgegenstand ausscheidet
(vgl. MünchKommZPO/Gehrlein § 239 Rn 5). Dies ist vorliegend der Fall. Die
Anfechtungsberechtigung aus § 19 BetrVG ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht
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Anfechtungsberechtigung aus § 19 BetrVG ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht
auf Erben übergehen kann. Stirbt ein die Wahl anfechtender Arbeitnehmer, ist das
Verfahren fortzuführen. Die Anfechtungsberechtigung bleibt unberührt, solange weiterhin
mindestens drei Arbeitnehmer die Anfechtung betreiben.
2.
Der Antrag ist unbegründet.
Die Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG setzt voraus, dass gegen wesentliche Vorschriften
über die Betriebsratswahl einschließlich des Wahlverfahrens verstoßen worden ist und
dieser Verstoß das Wahlergebnis fortwirkend beeinflussen könnte. Vorliegend fehlt es an
einem Verstoß gegen Wahlvorschriften. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist §
24 WO nicht verletzt. Der Wahlvorstand war nicht verpflichtet, unaufgefordert Unterlagen
zur Briefwahl an Arbeitnehmer in ruhenden Arbeitsverhältnissen, insbesondere in
Elternzeit oder Mutterschutz, zu übermitteln.
2.1.
§ 24 WO bestimmt:
„(1) Wahlberechtigten, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom
Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben, hat der Wahlvorstand auf ihr
Verlangen
1. das Wahlausschreiben,
2. die Vorschlagslisten,
3. den Stimmzettel und den Wahlumschlag,
4. eine vorgedruckte von der Wählerin oder dem Wähler abzugebende Erklärung,
in der gegenüber dem Wahlvorstand zu versichern ist, dass der Stimmzettel persönlich
gekennzeichnet worden ist, sowie
5. einen größeren Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstands und als
Absender den Namen und die Anschrift der oder des Wahlberechtigten sowie den
Vermerk "Schriftliche Stimmabgabe" trägt,
auszuhändigen oder zu übersenden. Der Wahlvorstand soll der Wählerin oder
dem Wähler ferner ein Merkblatt über die Art und Weise der schriftlichen Stimmabgabe
(§ 25) aushändigen oder übersenden. Der Wahlvorstand hat die Aushändigung oder die
Übersendung der Unterlagen in der Wählerliste zu vermerken.
(2) Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im
Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich
nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst oder mit
Telearbeit Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte), erhalten die in Absatz 1
bezeichneten Unterlagen, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf.“
2.2.
Der in § 24 Abs. 2 WO angesprochene Kreis von Personen, denen der Betriebsrat
unaufgefordert Unterlagen zur Briefwahl zu übersenden hat, wird nicht einheitlich
abgegrenzt.
Das Landesarbeitsgericht München hat ausgeführt, dass § 24 Abs. 2 WO zwar nicht auch
solche Wahlberechtigte ausdrücklich erfasse, die im Zeitraum der Abstimmung zB aus
Gründen der Elternzeit, bestehender Mutterschutzfristen oder Krankheit usw. nicht
anwesend seien. Es sei aber nicht einzusehen, weshalb sie nicht den gleichen Schutz
genießen sollten. Jedenfalls liege in der Übermittlung entsprechender
Briefwahlunterlagen an diesen Personenkreis kein Verstoß gegen so wesentliche
Wahlvorschriften, dass die Betriebsratswahl unwirksam sei (27. Februar 2007 - 8 TaBV
89/06 - juris).
In der Lehre wird darauf abgestellt, ob das Arbeitsverhältnis so gestaltet ist, dass der
Betreffende regelmäßig im Betrieb nicht anwesend ist (Richardi/Thüsing BetrVG § 24 WO
Rn 7). Erfasst seien „Außenarbeiter“, also solche Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit
überwiegend oder ständig außerhalb einer festen Betriebsstätte ausübten (GK-
BetrVG/Kreutz § 24 WO Rn 10). Eine selbständige Verpflichtung des Wahlvorstands zur
unaufgeforderten Überlassung über den Gesetzeswortlaut bestehe nicht, wenn sich die
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unaufgeforderten Überlassung über den Gesetzeswortlaut bestehe nicht, wenn sich die
Abwesenheit am Wahltag nicht aus der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses
ergebe, etwa weil der Arbeitnehmer beurlaubt oder erkrankt sei (Löwisch/Kaiser BetrVG §
24 WO Rn 3).
Andere Autoren befürworten eine Pflicht zur Übersendung von Briefwahlunterlagen an
einzelne Arbeitnehmergruppen mit ruhender Arbeitspflicht. Eine solche Verpflichtung
bestünde bei Altersteilzeit (Schneider/Homburg, in Däubler ua BetrVG § 24 WO Rn 12),
während Wehr- und Zivildienst oder Kurzarbeit Null (Fitting § 24 WO 2001 Rn 10) und
gegenüber Mitarbeitern in Eltern- oder Pflegezeit (jurisPK-Familie und Beruf/Kohte, Seite
510). Der in § 24 Abs. 2 WO genannte Personenkreis sei nicht abschließend. Die
Vorschrift stelle auf die in der Art des Beschäftigungsverhältnisses begründete,
voraussichtliche Betriebsabwesenheit am Wahltag ab. Diese Voraussetzung sei auch
dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer wegen der Eigenart des ruhenden
Beschäftigungsverhältnisses am Wahltag nicht im Betrieb sei.
2.3.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist die Verpflichtung zur unaufgeforderten
Übermittlung von Briefwahlunterlagen zur Betriebsratswahl auf „Außenarbeiter“
beschränkt. Erfasst sind Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis so gestaltet ist, dass ihr
Arbeitsort regelmäßig außerhalb der Betriebsstätte gelegen ist. Der Wahlvorstand ist
nicht verpflichtet, Wahlberechtigten allein deshalb unaufgefordert Briefwahlunterlagen zu
übersenden, weil ihr Arbeitsverhältnis ruht und sie aus diesem Grund am Wahltag
voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden.
Das Ruhen der Arbeitspflichten begründet keine Eigenart des
Beschäftigungsverhältnisses. In dem hier interessierenden Zusammenhang ist unter
Eigenart ein einzelner, besonderer Wesenszug zu verstehen (Duden, Das große
Wörterbuch der deutschen Sprache, 3 Aufl. 1999, Bd 2 Seite 931). Das Ruhen begründet
weder einen Wesenszug noch eine Besonderheit des Beschäftigungsverhältnisses. Zum
Ruhen kommt es, wenn aufgrund persönlicher Umstände beim Arbeitnehmer die
Arbeitspflicht trotz Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unmittelbar oder nach
Freistellung durch den Arbeitgeber vorübergehend entfällt. Da die Arbeitspflicht nur
vorübergehend entfällt, ist kein dauerhafter Wesenszug gegeben. Tatsächlich sind die
verschiedenen Ruhenstatbestände so häufig, dass nicht mehr von einer Besonderheit
gesprochen werden kann, die das betroffene Rechtsverhältnis aus dem Kreis der
Beschäftigungsverhältnisse hervorheben würde.
Der besondere Wesenszug, der die von § 24 Abs. 2 WO erfassten Arbeitsverhältnisse
hervorhebt, ist ein regelmäßiger Arbeitsort außerhalb der Betriebsstätte. Dies folgt aus
den Beispielen, wie sie der Vorschrift beigegeben sind. Außendienst, Telearbeit,
Heimarbeit sind Beschäftigungsformen, deren Gemeinsamkeit ein solcher Arbeitsort ist.
Zwar ist der Katalog in § 24 Abs. 2 WO ersichtlich nicht abschließend. Weitere
Beschäftigtengruppen müssen aber den gegebenen Beispielen entsprechen, um unter
die Vorschrift zu fallen. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, wenn ein regelmäßiger
Arbeitsort außerhalb der Betriebsstätte zumindest mitursächlich für die voraussichtliche
Betriebsabwesenheit am Wahltag ist. Voraussichtliche Betriebsabwesenheit allein wegen
des Ruhens der Arbeitspflichten reicht insoweit nicht aus.
Der herausgehobene Personenkreis entspricht § 5 Abs. 1 BetrVG, wonach Beschäftigte
in Außendienst, Tele- oder Heimarbeit zu den Arbeitnehmern im Sinne des BetrVG
gehören. In den Materialien hat der Gesetzgeber hier betont, die Vorschrift solle die
Einbeziehung von solchen Arbeitnehmern in die Betriebsverfassung klarstellen, die zwar
in die betriebliche Organisation, nicht aber in tatsächlicher örtlicher Hinsicht in den
Betrieb eingeordnet seien (BR-Drs 140/01, Seite 82). § 24 Abs. 2 WO spiegelt dieses
besondere Augenmerk auf Beschäftigte mit regelmäßigen Arbeitspflichten außerhalb der
Betriebsstätte und ist eine weitere Regelung, die ihre Einbeziehung in die betriebliche
Mitbestimmung praktisch wirksam machen soll.
In der vorgenommenen Auslegung bringt § 24 WO eine sinnvolle Abstufung zum
Ausdruck. Allen am Wahltag voraussichtlich betriebsabwesenden Mitarbeitern hat der
Wahlvorstand auf ihr Verlangen Unterlagen zur Briefwahl zu übermitteln.
Wahlberechtigten, die ihre Arbeit dauerhaft nicht in der Betriebsstätte erbringen, hat der
Wahlvorstand solche Unterlagen unaufgefordert zu übersenden. Der Verordnungsgeber
ist ersichtlich davon ausgegangen, dass Außenarbeiter eine Aufforderung zur Briefwahl
in Gestalt der Wahlunterlagen erhalten sollen, um einer aus dem Arbeitsort drohenden
Entfremdung von der im Beschäftigungsbetrieb praktizierten Mitbestimmung
vorzubeugen. Für vorübergehend betriebsabwesende Beschäftigte ohne aktuelle
Arbeitspflicht hat er insoweit nicht die gleiche Dringlichkeit gesehen.
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Diese Abstufung steht nicht im Widerspruch zu dem Diskriminierungsverbot in Art. 3
Abs. 2 GG. Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt nicht vor. Die Regelung
knüpft nicht unmittelbar an das Geschlecht des Arbeitnehmers an. Eine unter
Umständen zu beanstandende mittelbare Benachteiligung würde voraussetzen, dass
Angehörige eines Geschlechtes in besonderer Weise von der Regelung betroffen sind.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Ausschluss von Arbeitnehmern ohne aktuelle
Arbeitspflicht betrifft mit den langfristig Erkrankten, Mitarbeitern in Erziehungszeit oder
Mutterschutz, Wehr- oder Zivildienstleistenden unterschiedliche Arbeitnehmergruppen.
Insgesamt ist nicht zu erwarten, dass das eine Geschlecht in erheblich höherem Maße
betroffen ist als das andere.
2.4.
Ob das von den Antragsstellern eingeforderte Verhalten mit Wahlvorschriften in
Übereinstimmung stünde, war vorliegend nicht zu beurteilen. Das Gericht merkt insoweit
Folgendes an: Dem Landesarbeitsgericht München ist darin beizupflichten, dass der
Wahlvorstand, der unaufgefordert Briefwahlunterlagen an Wahlberechtigte in Elternzeit
oder Mutterschutz übersendet, nicht gegen wesentliche Wahlvorschriften verstößt. Diese
Auffassung und der hier begründete fehlende Anspruch auf Übersendung von
Briefwahlunterlagen schließen sich nicht aus.
2.5.
Die Anwendung des § 24 WO durch den Wahlvorstand ist somit bereits deshalb nicht zu
beanstanden, weil eine Verpflichtung zur Übermittlung von Unterlagen zur Briefwahl an
Mitarbeiter in ruhenden Arbeitsverhältnissen nicht besteht. Ob darüber hinaus ein
Verstoß gegen die genannte Vorschrift wegen fehlender Kenntnis des Wahlvorstands
vom Ruhen der Arbeitsverhältnisse ausscheidet, kann deshalb dahingestellt bleiben.
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