Urteil des ArbG Berlin vom 10.01.2007

ArbG Berlin: fristlose kündigung, ordentliche kündigung, wichtiger grund, sache von geringem wert, treu und glauben, erste hilfe, arglistige täuschung, rechtliches gehör, klageverzicht, sachwalter

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Gericht:
ArbG Berlin 28.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
28 Ca 1174/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 626 Abs 1 BGB, § 123 Abs 1
BGB, § 1 Abs 2 S 1 Alt 2 KSchG
Kündigung wegen des Verzehrs von Ausschussware -
Klageverzichtserklärung
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die
Kündigung im Schreiben vom 10. Januar 2007 beendet werden wird.
II.
Es wird festgestellt, dass die Erledigungserklärung des Klägers im Schreiben vom 10.
Januar 2007 unwirksam ist.
III.
die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Verkäufer
in dem Filialbetrieb T-straße ..., B, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits
weiterzubeschäftigen.
IV.
Die weitergehende Klage wird als unzulässig abgewiesen.
V.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte fünf Sechstel und der Kläger ein
Sechstel zu tragen.
VI.
Der Wert der Streitgegenstände wird auf 11.789,64 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Anfechtung
(vorgeblich) betriebsbedingte Kündigung. Dieser "Verzicht" ging auf die Reaktion der
8.
Januar 2007
Weihnachtsmann
ohne erklärte Erlaubnis des Filialleiters gütlich getan hatte: Er hatte entweder
der Figur (Kläger) – oder vielleicht auch deren
(Beklagte) – verzehrt. Deshalb suchte die Beklagte wegen "Diebstahls" die Trennung
voneinander, wofür sie sich (auch) auf das sogenannte "Bienenstich-Urteil" des
(BAG) aus dem Mai 1984
1
stützt
2
. – Der Streitfall aktualisiert
(wieder einmal) die Frage, worauf der Arbeitgeber zu hat, wenn er dem
fristlose
Kündigung
Im Einzelnen ist – soweit feststellbar – folgendes vorgefallen:
I.
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Dezember 1984
4
(ursprünglich als
"Drogist") in den Diensten der Beklagten, die mit entweder "mehreren zig Mitarbeitern"
allein in Berlin (Kläger
5
) oder auch "knapp 4.400 Mitarbeiter im Verkaufsbereich" der
Region Berlin (Beklagte
6
) ein Filialunternehmen des betreibt. Während
der Ereignisse, die zum vorliegenden Rechtsstreit geführt haben, war der Kläger in der
Verkaufsstelle der Beklagten an der B (M) gegen ein Monatsgehalt von zuletzt
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Verkaufsstelle der Beklagten an der B (M) gegen ein Monatsgehalt von zuletzt
1.964,94 €
II.
Videokameras überwacht, deren Bilder von einem externen Sicherheitsdienst in einem
Nebengelass zum Verkaufsraum auf Monitoren verfolgt werden (können). In dieser
Kammer (Kläger: Fläche von "etwa 3 m²") war Anfang des Jahres 2007 auch ein Behältnis
untergebracht, dessen konkrete Beschaffenheit (Varianten: Papptopf
7
, Papptablett
8
,
Pappschachtel
9
, Pappkiste
10
) im hiesigen Rechtsstreit bis zum Kammertermin
unkenntlich blieb. Seither darf jedoch als (halbwegs
11
) gesichert gelten
12
, dass es
sich um den – offenen – handelte, der auf einem seitens der Beklagten im Termin
Urteilsanlage
Unstreitig ist, wie eingangs (S. 3 ( I.)) schon angedeutet, dass sich im besagten
Behältnis allerlei Restartikel angesammelt hatten, die im abgelaufenen
Weihnachtsgeschäft nicht hatten abgesetzt werden können. Darunter befanden sich –
wie gleichfalls oben schon vorausgeschickt – aus Schokolade geformte Abbilder
sogenannte "Weihnachtsmänner". Zu deren äußerlichen Zustand und zum Zweck ihrer
separaten Zwischenlagerung gehen die Darstellungen der Parteien teilweise jedoch
(weit) auseinander:
Während der Kläger den Inhalt des Behältnisses als "abgeschriebene Ware" zur
Entsorgung
13
und "gefälligen Selbstbedienung"
14
beschreibt, spricht die Beklagte
zuletzt
15
von einer "Vielzahl von eben nicht nur eingedrückten, sondern auch
unbeschädigten Weihnachtsmännern"
16
. Im Übrigen würden, so die Beklagte, in dem
"Büro", in dem die Kiste deponiert gewesen sei, "ausschließlich Waren gelagert, die der
Warenbegutachtung bzw. der Retour" dienten "oder die mit einer Preissenkung
versehen" würden
17
.
III.
Januar 2007 gegen Mittag das vorerwähnte Nebengelass aufsuchte, um an einem dort
gleichfalls stationierten PC eine Warenprüfung vorzunehmen. Dort traf er auf einen der
externen Detektive, der mit der Beobachtung der Monitore zugange war
18
. Unstreitig
ist auch, dass der Kläger sich bei dieser Gelegenheit aus dem besagten Behältnis etwas
Essbares herausfischte und an Ort und Stelle vertilgte. Streitig ist im Rechtsstreit – wie
ebenfalls eingangs schon erwähnt –, ob diesen Verzehrsweg eine (und zuvor
äußerlich ) Schokoladenfigur genommen hat (s. unten, S. 8 (VIII.1.)), oder
ob der Appetit des Klägers lediglich zwei "Bruchstücken" eines ohnehin bereits lädierten
Figürchens galt (s. unten, S. 7 (VI.1.)).
IV.
auf den Vorgang, als er ihnen auf nicht restlos
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geklärte Weise zu Ohren kam, nun
:
1.
(Herr ... ) den Kläger beim Dienstantritt gegen 12.00 Uhr zu einem Gespräch ins
Marktleiterbüro zu sich. Dort traf der Kläger auch den stellvertretenden Filialleiter, Herrn
, an. Die Herren konfrontierten ihn mit dem Vorgang vom 8. Januar 2007 als
"Diebstahl"
20
. Deshalb solle er sein Arbeitsverhältnis "am besten selber kündigen"
21
.
Da der Kläger die Dinge anders sah, hießen die Herren ihn, "seinen Kittel auszuziehen
und die Filiale zu verlassen"
22
. Außerdem bestellten sie ihn zu einem Folgegespräch
um 16.00 Uhr in die Zentrale der Beklagten
23
und gaben ihm mit auf den Weg, er werde
die Filiale (Turmstraße) "nicht mehr betreten"
24
.
2.
dort die Personalleiterin (Frau ... ), die Personalreferentin (Frau ... ), der schon
vorbefasste Distriktmanager (Herr ) und ein Mitglied des (Herr ... ).
a.
25
– Unterredung gehen
die Darstellungen der Parteien teilweise wieder auseinander:
Unstreitig ist zwar, dass seine Gesprächspartner den Vorgang nach den Worten von Frau
wie gehabt als "Diebstahl" einordneten
26
und eine Trennung voneinander danach
unausweichlich sei. Hierfür brachten die Gesprächspartner des Klägers – wenn er nicht
kündige – eine auf Gründe gestützte fristgerechte Kündigung ins
Spiel, die er allerdings nicht angreifen (können) dürfe
27
. Streitig ist allerdings, vor
welche der Kläger dieserhalb, wenn er sich dem Trennungswunsch nicht füge,
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welche der Kläger dieserhalb, wenn er sich dem Trennungswunsch nicht füge,
gestellt war:
behauptet, die Sachwalter der Beklagten hätten ihn zur Unterzeichnung der
"Ausgleichsquittung" mit der Drohung "veranlasst, dass man ihn – wenn er diese
Ausgleichsquittung nicht unterzeichne und die ordentliche Kündigung aus dringenden
betrieblichen Gründen akzeptiere – fristlos kündigen werde"
28
. Dagegen lässt die
Beklagte (zuletzt
29
) unterbreiten, dem Kläger keine fristlose Kündigung in Aussicht
gestellt worden (s. unten, S. 9 (VIII.2 b.)).
b.
Nachdem sich der Kläger unter vier Augen mit Herrn (Betriebsrat) beraten hatte,
willigte er darin ein, eine ordentliche Kündigung hinzunehmen
30
. Nun legte ihm Frau
Urteilsanlage
31. August 2007 – zur Unterzeichnung vor. Darauf unterschrieb der Kläger an Ort und
Stelle zweierlei:
ba.
31
mit folgendem Text:
"Ich erkläre mich mit der Beendigung meines Arbeitsverhältnisses einverstanden und
werde keine Klage, gleich aus welchem Rechtsgrund, insbesondere keine
Kündigungsschutzklage vor den (gemeint: 'dem'; d. U.) Arbeitsgericht erheben
(Datum/Unterschrift)".
bb.
32
:
"Hiermit bestätige ich, dass mit Ausnahme der mir noch auszuhändigenden,
ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitspapiere und den Überweisungen des (gemeint:
'der'; d. U.) sich aus den Entgeltabrechnungen ergebenden Nettobeträgen auf mein
Gehaltskonto sowie der Ansprüche aus dem Schreiben vom 10.01.2007 alle meine
Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung
durch die ... (Beklagte) ausgeglichen und erledigt sind (Datum/Unterschrift)".
3.
vorerwähnten "Zusatz" ergänzten) Fassung des Kündigungsschreibens
33
, andererseits
ohne die gesonderte "Erledigungserklärung"
34
und auch ohne dass der Betriebsrat mit
der Angelegenheit (§ 102 BetrVG) befasst worden wäre
35
– den
Versammlungsort.
V.
Kündigungsschutzklage
unter Anfechtung einer "Ausgleichsquittung" wegen arglistiger Täuschung und Drohung
zunächst die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung im Schreiben
vom 10. Januar 2007 beendet werde. Außerdem wünscht er vorläufige
Weiterbeschäftigung
Klageerweiterung vom 15. Februar 2007 begehrt er darüber hinaus die gerichtliche
Feststellung
Erledigungserklärung
wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung anficht
36
unwirksam
seien.
VI.
überzogen:
1.
Schokoladenweihnachtsmänner" gehandelt, die "zum Teil zerbrochen, eingedrückt, offen
und ohne Aluminiumeinwicklung" gewesen seien, und zudem hätten auch
Schokoladenteile gefehlt
37
. Dieser "Abfall" sei für die Beklagte wertlos gewesen und
habe in dem Büro – wie bereits erwähnt (s. oben, S. 4 (II.)) – "zur gefälligen
Selbstbedienung der Mitarbeiter" gestanden, bevor die Beklagte ihn "endgültig entsorgt"
hätte
38
. Von dem beschaffenen Bestand habe er "zwei Stückchen Schokolade eines
bereits „angegessenen“ Weihnachtsmannes" entnommen und ihn (zumal im Beisein
des Warenhausdetektivs) verzehrt
39
.
2.
geringfügige Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten" vorwerfen zu lassen
40
.
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geringfügige Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten" vorwerfen zu lassen .
Schon gar nicht hätte ein verständiger Arbeitgeber, wie der Kläger weiter meint,
dieserhalb eine ordentliche Kündigung oder gar eine außerordentliche Kündigung
"ernsthaft in Erwägung gezogen"
41
.
3.
unwirksam, weil der zuvor – was, wie erwähnt, unstreitig ist – nicht
ordnungsgemäß angehört worden sei.
VII.
Die Beklagte beantragt,
VIII.
44
und die beiden
anderen für jedenfalls . Der Kläger habe auf die Erhebung einer
Kündigungsschutzklage wirksam verzichtet. Gründe zur Anfechtung seiner
diesbezüglichen Erklärungen beständen nicht:
1.
Beklagte zuletzt mit den Worten, der Kläger habe einen "Weihnachtsmann" ohne
Bezahlung und ohne ihr Einverständnis "komplett verzehrt"
45
. Und weiter: "Insoweit"
werde sein "verharmlosender Vortrag", die Schokoladenfiguren hätten sich "auf einer
Pappschachtel zum Verzehr für die Mitarbeiter" befunden und er hätte "nur zwei kleine
'Schokostückchen' genommen, bestritten
46
.
2.
mit dem auslösenden Geschehen sind namentlich folgende Etappen ihrer
Rechtsverteidigung von Interesse:
a.
unter anderem mitteilen lassen
47
:
"Darüber hinaus liegt auch, wie klägerseitig behauptet, der vom Kläger
unterzeichneten Klageverzichts- sowie der Erledigungserklärung insbesondere keine
widerrechtliche Drohung oder arglistige Täuschung zugrunde. So hat der Kläger in dem
bereits genannten Gespräch am 10.01.2007 selbst dargestellt, dass er Stücke von sich
in einer Pappschachtel befindlichen und teilweise eingedrückten Weihnachtsmännern
verzehrte.
: Zeugnis ... , ... ; ... , ... .
Bei diesen Weihnachtsmännern handelte es sich zwar grundsätzlich um nicht
verkaufsfähige Ware, jedoch hat das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 36/03
48
) in seiner
Rechtsprechung bereits festgestellt, dass '
.
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51
Diese Rechtsprechung zugrunde gelegt, war die Beklagte grundsätzlich dazu
berechtigt, eine außerordentliche Kündigung als Reaktion auf das Verhalten des Klägers
in den Raum zu stellen. ...".
b.
49
:
"Nachdem der Kläger in dem Gespräch am 10.01.2007 von der Personalleiterin zu
dem Verzehr des Weihnachtsmannes und des damit verbundenen Diebstahls angehört
wurde, ist dem Kläger in diesem Gespräch mitgeteilt worden, dass die Beklagte aufgrund
des vom Kläger begangenen Diebstahls an keiner weiteren Zusammenarbeit mit dem
Kläger interessiert sei, so dass dem Kläger verschiedene Varianten der
Vertragsbeendigung aufgezeigt wurden. Der Kläger lehnte jedoch den Vorschlag der
Beklagten, eine Eigenkündigung auszusprechen, ab. Ausschließlich aus sozialen
Erwägungen, das heißt wegen der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers bot die
Beklagte diesem daraufhin eine betriebsbedingte Kündigung verbunden mit einer
siebenmonatigen Freistellung an. Nach einer Beratung mit dem Betriebsratsmitglied
erklärte sich der Kläger mit dieser Vertragsbeendigung einverstanden. ...
2. Ebenfalls ist dem Kläger keinesfalls mit einer fristlosen Kündigungserklärung
gedroht worden, falls er den Klageverzicht oder die Erledigungserklärung nicht
unterschreibe.
unter Protest gegen die Beweislast: Zeugnis ... , ... ."
IX.
50
des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der
Sitzungsniederschriften verwiesen. Hiervon inbegriffen sind lediglich die
Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 7. März 2007 (Bl. 62-64 GA (Fax) bzw. Bl.
67-69 GA (Urschrift)), zu denen die Beklagte kein ausreichendes rechtliches Gehör mehr
erhalten und deshalb im Kammertermin am 9. März 2007 vorsorglich um Erklärungsfrist
gebeten hat. Soweit aus diesem Schriftsatz im Rahmen des Urteils zitiert oder berichtet
wird, geschieht dies ausschließlich zur .
Entscheidungsgründe
Der Klage war wegen der zu entsprechen, wegen des – in der Tat
unzulässigen – jedoch nicht. – Im Einzelnen:
A.
I.
des Kündigungsschreibens (: 10 Januar 2007) bei Gericht einreichen lassen (: 18. Januar
2007). Zugestellt wurde die Klage am 29. Januar 2007. Damit hat der Kläger selbst
die andernfalls entsprechende
51
Anwendung der Wertungen aus § 167 ZPO die ihm in §
4 Satz 1 KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung
"gilt" folglich nicht schon kraft Gesetzes nach § 7 (1. Halbsatz) KSchG als "von Anfang an
rechtswirksam". Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen, sie nämlich
"sozial rechtfertigenden" (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) . Außerdem darf die
Kündigung – selbstverständlich – nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstoßen, was
für den Streitfall von Interesse ist (s. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), weil der Betriebsrat
vor ihrem Ausspruch nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG förmlich wurde.
II.
befreit, weil sie den Kläger bei Aushändigung des Kündigungsschreibens die Erklärung
Urteilsanlage
§ 142 Abs. 1
BGB
§ 123 Abs. 1 BGB (2.
Variante) BGB
Der Reihe nach:
1.
Aussicht, dass er bei stattdessen erklärter Kündigung auf eine Klage – was
zumindest Kündigungsausspruch an sich zulässig wäre
52
– verzichte, so liegt darin
nach heute zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogener Rechtsprechung eine "Drohung" im
Sinne des § 123 Abs. 1 BGB
53
. Für die tatsächliche Feststellung eines solchen
Bedrohungsakts das Gericht dem Kläger hier nicht den "Nachweis" seiner
52
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Bedrohungsakts das Gericht dem Kläger hier nicht den "Nachweis" seiner
diesbezüglichen Behauptungen (s. oben, S. 6 (IV.2 a.)) abzufordern
54
. Das hat die
Beklagte mit ihren ursprünglichen Einlassungen im Rechtsstreit nämlich schon
besorgt:
a.
Schriftsatz vom 2. Februar 2007 den zuvor in der Klageschrift erhobenen Vorwurf des
Klägers beantwortet, er sei zur Unterzeichnung der (damals in Ermangelung von Kopien
der fraglichen Schriftstücke noch sogenannten) "Ausgleichsquittung" mit der Drohung
angehalten worden, dass sie das Arbeitsverhältnis anderenfalls fristlos kündigen werde.
aa.
Sie hat ihm vielmehr vorgehalten, dass es sich bei ihren "Weihnachtsmännern" zwar
grundsätzlich "um nicht verkaufsfähige Ware" gehandelt habe, jedoch auch die
unerlaubte Aneignung nur geringwertiger Sachen des Arbeitgebers nach von ihr zitierter
Judikatur des BAG "als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich
geeignet" sei. Nach dieser Rechtsprechung, so betont sie a. a. O. weiter, sei sie
(gewesen), "eine außerordentliche Kündigung" als Reaktion auf sein Verhalten
"in den Raum zu stellen".
ab.
Die Beklagte stellt – bei aller Weichzeichnung ihres dialogischen Stils (nicht etwa
"gedroht", sondern nur "in den Raum" gestellt) – nicht , den Kläger wegen
"Diebstahls" mit fristloser Kündigung konfrontiert zu haben. Sie unterstreicht und
verteidigt vielmehr ihr (vermeintlich
55
) zu solcher Drohgebärde. Sollen
Worte einen Sinn haben, so hat die Beklagte den Vortrag des Klägers zur Drohung mit
fristloser Kündigung damit also – bereits zum Gütetermin (7. Februar 2007) –
(vgl. §§ 288 Abs. 1, 137 Abs. 3 ZPO
56
).
b.
März 2007 (s. oben, S. 9 (VIII.2 b.)) nach Kräften abzurücken: Nun beteuert sie unter
(gegenbeweislicher) Berufung auf das Zeugnis ihrer in das dialogische Geschehen
involvierten Personalverantwortlichen, dem Kläger "keinesfalls" mit fristloser Kündigung
gedroht zu haben. Das hilft ihr hier aber nicht weiter. Denn die pure Negierung des
mittlerweile vom Kläger vorsorglich Sachvortrags zum Zweitgespräch vom 10.
Januar 2007
57
bleibt nicht nur weit entfernt von den Anforderungen des § 290 Satz 1
ZPO zur Befreiung von den Wirkungen eines gerichtlichen Geständnisses. Ihr fehlt auch –
jegliche – Plausibilität:
ba.
"Vorschlag", sich durch Eigenkündigung seinerseits aus dem Arbeitsverhältnis
zurückzuziehen,
So weit, so gut.
Im direkten Anschluss daran heißt es bei der Beklagten jedoch, sie habe dem Kläger nun
– "ausschließlich aus sozialen Erwägungen" wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit –
eine Kündigung unter siebenmonatiger Freistellung "angeboten".
Darauf sei dann der Kläger – nach Beratung mit Herrn (Betriebsrat) – .
bb.
Umstand, dass die Beklagte ihre für die vorgeblich "sozial" geprägte
Problemlösung – vor allem den Klageverzicht des Klägers – weder erwähnt noch
erläutert. Zum anderen, dass völlig ausgespart bleibt, vor welche sie den
Kläger für den Fall gestellt hat, dass er sich ihrer "sozialen" Trennungsvariante nun etwa
nicht füge.
Das ist offenbar kein Zufall.
Denn in die von der Beklagten frei gelassene "Lücke" ihrer Darstellung der Interaktion
passt nahtlos als jenes "Bindeglied" der damaligen Gesprächsdynamik, das dann
offenbar das Zeug hatte, den Kläger in seinem bisherigen Widerstand gegen eine
einvernehmliche Trennung , die "in den Raum gestellte" fristlose
Kündigung, von dem die – anwaltlich beratene – Beklagte nichts mehr wissen will: Nur im
Vergleich zu einer Kündigung konnte ihm die an die Vorbedingung seines
Klageverzichts offerierte ordentliche Kündigung situativ als das "geringere Übel"
58
erscheinen.
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66
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68
69
70
2.
der "Widerrechtlichkeit" (§ 123 Abs. 1 BGB) lassen, so erweist sich ihr
Verhandlungsstil als in der Tat normativ diskreditiert. Die Überwindung seines
Widerstandes gegen die ihm als unausweichlich hingestellte Trennung war nach den
Verhältnissen des Streitfalles mit den von ihr gewählten Mitteln – evident – unzulässig.
Dazu, nochmals, der Reihe nach:
a.
59
nach einer beim seit 1969
60
gebräuchlichen Formel davon aus
61
, dass die
Drohung mit fristloser Kündigung nicht widerrechtlich im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB sei,
wenn ein "verständiger Arbeitgeber" in der betreffenden Situation eine fristlose
Kündigung "ernsthaft in Erwägung" habe ziehen dürfen
62
. Nicht entscheidend sei
demgegenüber, ob sich die Kündigung in einem als wirksam erwiesen hätte
63
.
aa.
Gebrauch profilieren könnte, liegt zwar nicht auf Anhieb offen zutage. Denn
wie schon die gleichnamige Denkfigur aus den Anfängen der Rechtsprechung des
zu § 1 KSchG 1951
64
, die sich ihrerseits als Abkömmling des "verständigen
Rechtsgenossen" aus der älteren Judikatur des
65
(BGH) darstellt,
war deren Steuerungskraft für den betrieblichen "Hausgebrauch" ursprünglich eher
gering zu veranschlagen
66
.
Glücklicherweise entspricht dieses Lagebild der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
nicht mehr dem Stand der Rechtsprechung. Seit Mitte der neunziger Jahre ist
nämlich auch die Judikatur zu § 123 Abs. 1 BGB im – wenn auch zeitlich verzögerten –
Anschluss an die bekannte Entwicklung zum Kündigungsschutzrecht
67
dazu
übergegangen
68
, dem "verständigen Arbeitgeber" namentlich mit dem
eine gewisse normative Binnenstruktur zu verschaffen, die seinen
Orientierungsnutzen sowohl für die betriebliche Praxis als auch für die befassten Gerichte
für Arbeitssachen signifikant verbessern hilft. Den derzeitigen Stand beschreibt das
schon zitierte Urteil des des BAG aus dem November 2003
69
. Dort
heißt es, soweit hier von Interesse
70
:
"a) .... Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus
der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des
verfolgten Zwecks (Hinnahme einer fristgemäßen Kündigung durch den Arbeitnehmer
bzw. Verzicht einer gerichtlichen Überprüfung) kein berechtigtes Interesse oder ist die
Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung
dieses Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich. ...
b) ... Insbesondere umfasst der Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts die
Frage, ob eine Kündigung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die mildeste
angemessene Reaktion auf ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers war oder ob
zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch eine Abmahnung
noch ausreichend gewesen wäre. Dabei kann von einem verständigen Arbeitgeber nicht
generell verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung die Beurteilung des
Tatsachengerichts 'trifft'. Nur wenn er unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls
davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer
arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er
die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den
Arbeitnehmer zum Einlenken und zum Akzeptieren einer fristgemäßen Kündigung bei
Verzicht einer Kündigungsschutzklage bzw. zum Abschluss einer
Beendigungsvereinbarung zu veranlassen".
ab.
zur Selbstbeschränkung seiner revisionsgerichtlichen Kontrollkompetenz
gegenüber den Sachverhaltswürdigungen der (Abschnitt b) a. a.
O.). Gleichwohl schält sich dort brauchbar heraus, worauf es in Sachen "Verständigkeit"
für einen Arbeitgeber, der sich wegen vertragswidrigen Verhaltens eines Arbeitnehmers
von diesem am liebsten auf der Stelle trennen möchte, beim Einsatz von
Kündigungsdrohungen zur Weckung der Trennungsbereitschaft (auch) seines
Vertragspartners maßgeblich : Der Arbeitgeber hat sich nämlich mit der Frage
zu beschäftigen, ob die angedrohte Kündigung "im Falle ihres Ausspruchs" die Aussicht
habe, "einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung" .
71
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78
Das bleibt nicht ohne Konsequenzen:
(1.)
Arbeitssachen – wie gerade erwähnt – das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gehört, das
die Kündbarkeit eines Arbeitsverhältnisses nicht als "Erste Hilfe", sondern nur als "letztes
Mittel" zur Wahrung vertraglicher Belange des Arbeitgebers gestattet. Davon hat sich
der Arbeitgeber folglich auch bei seinen Überlegungen leiten zu lassen, ob das fragliche
Fehlverhalten eine – fristlose – Kündigung "ernstlich" in ziehen lässt. Die ihm
damit auferlegte Selbstkontrolle verlangt dem Arbeitgeber jedenfalls nicht als
das ab, was er dem Arbeitnehmer schon nach den Grundsätzen der altehrwürdigen
"Fürsorgepflicht"
71
(vgl. heute § 241 Abs. 2 BGB) und im Lichte "billigen Ermessens"
72
(vgl. etwa § 106 Satz 1 GewO) selbst im an Rücksichtnahme schuldet: Schon
nach deren Grundsätzen darf er nicht nur seinen eigenen Interessen nach Kräften
ungeschmälerte Geltung verschaffen, sondern hat auch auf die Rechte, Rechtsgüter und
Interessen seines Bedacht zu nehmen. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
geht darüber mit dem Gebot, bei der Wahrung eigener Interessen mit dem
Vertragspartner möglichst (nicht: möglich "robust") umzugehen, noch einen
Schritt hinaus.
(2.)
73
– Klarstellung des a. a. O.
Beachtung, dass das Konfliktmanagement des Arbeitgebers nicht reflexhaft auf
"Schema F" geeicht sein darf. Er hat bei seinem – "verständigen" –
Wahrscheinlichkeitsurteil über die gerichtliche Akzeptanz in Aussicht genommener
Kündigung vielmehr eine "Abwägung aller Umstände des Einzelfalls" zu treffen. Gerade
dies ist auch kein Zufall, sondern für die Wirksamkeit – namentlich fristloser (s. den
des heutigen § 626 Abs. 1 BGB) – Kündigungen bekanntlich essentiell:
(a.)
Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz des Jahres 1969
74
seit Jahrzehnten anerkannt, dass
der "wichtige Grund" zur außerordentlichen Kündigung im praktischen Rechtsgebrauch
eine sorgfältige Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalles gebiete
75
. Das hat
der parlamentarische Gesetzgeber des Jahres 1969 nicht nur im Text des heutigen § 626
Abs. 1 BGB verankert, sondern durch die damals gleichzeitige Verabschiedung der aus
den Analen des 19. Jahrhunderts stammenden sogenannten "absoluten"
Kündigungsgründe aus diversen überkommenen Spezialgesetzen in den –
wohlverdienten – "Ruhestand" bekräftigt.
(b.)
"wohlverdient" war, ist dabei vor allem der neueren Rechtsprechung des
(BVerfG) zu verdanken
76
: Sie nämlich hat
herausgearbeitet, dass die Beachtung der Umstände des Einzelfalls in
kündigungsrechtlichen Sachzusammenhängen in den Schutzbereich des Grundrechts
der Berufsfreiheit (s. Art. 12 Abs. 1 GG) fällt und damit sogar hat.
(c.)
Streitfall zu schließen, nicht zuletzt Judikatur, auf deren berühmtes "Präjudiz" die
hiesige Beklagte die Aufmerksamkeit des Klägers – und der befassten Kammer – zu
lenken sucht
77
. Im Leitsatz des "Bienenstich-Urteils" heißt es
78
:
"
79
".
b.
ihrer Androhung fristloser Kündigung nur deshalb gegenüber dem Kläger rechtsirrig auf
der "sicheren Seite" wähnen, weil sie ihre Obliegenheit zur Abwägung der
Einzelfallumstände sichtlich hat (s. sogleich, S. 18-19 (A.II.2 ba.)). Mit einer
Sachlage, in der dem Arbeitgeber ggf. anfechtungsrechtlich nachgesehen werden
könnte, dass er "bei seiner Abwägung die Beurteilung des Tatsachengerichts" nicht
"getroffen" habe (s. a. a. O. – S. 15 (A.II.2 aa.)), hat ihr innerbetriebliches Prozedere
folglich nichts zu tun. – Tatsächlich kann auch keine Rede davon sein, dass bei
dem ihrer Kündigungsandrohung zugrunde liegenden Geschehensbild (s. oben, S. 9
(VIII.2 a.): Verzehr von "Stücken ... teilweise eingedrückter Weihnachtsmänner") eine
79
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(VIII.2 a.): Verzehr von "Stücken ... teilweise eingedrückter Weihnachtsmänner") eine
fristlose Kündigung des seit mehr als 22 Jahre in ihren Diensten stehenden Klägers
"ernsthaft" in Erwägung gezogen werden konnte (s. unten, S. 19-22 (A.II.2 bb.)):
ba.
der Vorausschau auf die Erfolgsaussichten einer fristlosen Kündigung gründlich vertan
haben, belegt ihre hiesige Prozessführung:
(1.)
Zeichen ihrer vermeintlichen Befugnis, wegen des Vorfalls vom 8. Januar 2007 die
außerordentliche Kündigung "in den Raum" zu stellen, eine Judikatur des
vorgehalten, wonach sich die "Verletzung des Eigentums oder Vermögens" des
Arbeitgebers "stets" als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung eigne.
Wie bereits dem "Bienenstich-Urteil" (S. 17 (A.II.2 ab (2 c.)) entnommen werden kann, ist
das zwar zutreffend referiert. Das Zitat bleibt aber die des
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schuldig. Dort sind nämlich die in Klammern gesetzten Worte hinzufügt:
"Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB". – Im Klartext: Es gibt eine "
Stufe", auf der sich überhaupt erst , ob der betreffende Arbeitnehmer sich mit
dem fraglichen Fehlverhalten in seiner nun "kündigungsreif" gemacht habe.
Genau diese zweite Stufe besteht, was der Beklagten offenbar völlig entgeht, in der auf
den Einzelfall bezogenen Interessenabwägung.
Das bedeutet: Selbst es sich beim Vorgang vom 8. Januar 2007, wie die
Sachwalter der Beklagten nach interner Vorberatung meinten, um "Diebstahl" gehandelt
habe, wäre ihre Arbeit mit solcher Etikettierung nicht getan gewesen: Sie hätte nun
vielmehr erst beginnen müssen.
(2.)
Ausführungen ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 2. März 2007 nicht
wieder gut zu machen. Im Gegenteil. Die dortigen Ausführungen –
notgedrungen – das Defizit der innerbetrieblichen Problemwahrnehmung:
Wenn nun nämlich von "sozialen Erwägungen" die Rede ist (s. oben, S. 9 (VIII.2 b.)), die
die betrieblichen Sachwalter bewogen hätten, dem Kläger in Gestalt einer fristgerechten
Kündigung unter Klageverzicht eine zur fristlosen Kündigung anzubieten, so
zäumt dies "das Pferd von hinten auf": Ob die Beklagte mit Rücksicht auf die konkreten
Geschehensumstände und obendrein den sozialen Besitzstand des Klägers eine
Problemlösung als die fristlose Kündigung zu suchen gehabt hätte, wäre
nach den Grundsätzen des deren Androhung abzuwägen gewesen. Die
Beklagte damit den mit ihr stattdessen überschießend entfalteten Druck nicht mit
Erfolg – abermals – "weichzeichnen".
(3.)
Abstinenz der Beklagten gegen die gebotene Individualabwägung auch nicht durch jenen
Hinweis neutralisiert wäre, die dieser noch zum Verlauf der dialogischen
Interaktion am 10. Januar 2007 beigesteuert hat (s. oben, S. 12 Fn. 57): Danach sei ihm
erklärt worden, man könne es nicht bei einer Abmahnung bewenden lassen, weil dem
der "Gleichbehandlungsgrundsatz mit anderen Mitarbeitern" im Wege stehe. – Sollte
diese – durchaus glaubhafte – Berichterstattung zutreffen, dann offenbarte sich darin
nämlich nur ein Missverständnis aufseiten der Beklagten:
Zwar ist die Gleichbehandlung von Betriebsangehörigen zweifellos ein hochrangiges Gut
modernder Rechtskultur, das seine Spuren denn auch im geschriebenen Gesetzesrecht
des § 75 Abs. 1 BetrVG hinterlassen hat. Gleichwohl verkürzte der mechanische Zugriff
auf "Gleichbehandlung" abermals das der Beklagten gestellte : Denn zum für
den deutschen Sprachraum eingespielten "Katechismus" der Rechtsgleichheit gehört
bekanntlich nicht nur die Faustformel, dass "Gleiches" möglichst "gleich zu behandeln"
sei, sondern auch ihre Umkehrung, wonach "Ungleiches" eben unbesehen "gleich"
behandelt werden dürfe
81
. Die der Beklagten obliegende "Hausaufgabe" einer
sorgfältigen Ausleuchtung und Würdigung der Umstände des Einzelfalls wäre mit der
bloßen Etikettierung des Geschehens als "Diebstahl" danach auch unter dem
Gesichtspunkt vermeintlicher Gleichbehandlung nicht bewältigt, sondern verfehlt.
bb.
beizeiten vertraut gemacht (oder besser: lieber ihre anwaltlichen
Bevollmächtigten zu Rate gezogen), so hätte ihnen dessen Lektüre auf Anhieb die
Augen dafür geöffnet, dass eine fristlose Kündigung im Falle des Klägers vor Gericht nie
und nimmer Aussicht auf Bestand gehabt hätte (s. oben, S. 15 (A.II.2 aa.)).
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98
(1.)
Im dortigen Falle ging es um eine Klägerin, die im Betrieb der Beklagten seit
Dezember 1980 als Buffetkraft beschäftigt war. Ende März 1982 wurde sie "von einer
Kontrollverkäuferin beobachtet, wie sie ohne Bezahlung ein Stück Bienenstichkuchen aus
dem Warenbestand nahm und hinter der Bedienungstheke verzehrte"
82
. Ihrer Klage
gegen die prompt fristlos erklärte Kündigung gab das befasste Arbeitsgericht statt,
während das Berufungsgericht die fristlose in eine fristgerechte Kündigung umdeutete
und das Arbeitsverhältnis gegen Abfindung auflöste (§§ 9, 10 KSchG). Auf die Revisionen
beider Parteien hob der des BAG das Urteil der Vorinstanz auf, weil der
Rechtsstreit wegen der fristlosen Kündigung aus seiner Sicht noch nicht
entscheidungsreif war:
Die Beklagte hatte nämlich in der Berufungsbegründungsschrift unter Beweisantritt
vortragen lassen, die Klägerin habe ihrem Geschäftsführer "auf Befragen zugestanden,
darüber unterrichtet gewesen zu sein, dass sie hinter dem Ladentisch keine Essware
verzehren dürfe und bei einem Kauf zum eigenen Verzehr den Kaufpreis durch einen
Kollegen kassieren sowie vom Abteilungsleiter abzeichnen lassen müsse"
83
. Diesen
Vortrag hatte das LAG nicht für relevant gehalten, weil jedenfalls "die Gesamtumstände
des Falles auf fehlendes Unrechtsbewusstsein der Klägerin schließen ließen"
84
.
Das ließ das nicht durchgehen, weil die Vorinstanz damit "die für die subjektive
Tatsache der Klägerin wesentliche Behauptung der Beklagten unberücksichtigt gelassen"
habe, die Klägerin habe (u. a.) "ihre Kenntnis von den Anordnungen der Beklagten bei
Personaleinkäufen zugestanden"
85
.
Zur weiteren Sachbehandlung erteilte der dem LAG noch den Hinweis, dass
eine vorherige nur (aber, wie zu ergänzen ist, jedenfalls) dann erforderlich
sei, "wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen, etwa aufgrund einer unklaren
Regelung oder Anweisung, annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig
oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des
Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen"
86
.
(2.)
Wirksamkeit eine fristlosen Kündigung der dortigen Klägerin wegen des unerlaubten
Verzehrs eines Stückes "Bienenstich" die Frage ihres eine
wesentliche Rolle. Konnten daran Zweifel bestehen, so wären etwaige Unklarheiten über
das betriebliche Reglement anstelle fristloser (oder auch nur fristgerechter) Kündigung
zunächst einmal durch auszuräumen. – Genau dies hätte auch das zentrale
Thema bei der Sachbehandlung durch die Akteure der hiesigen Beklagten sein müssen:
(a.)
Lektüre des "Bienenstich-Urteils" für sie aufschlussreich gewesen, dass sich das für
fristlose Kündigung unabdingbare "Unrechts-Bewusstsein" der dortigen Klägerin nicht
einmal im Hinblick von selbst verstand, dass deren Appetit einem Leckerbissen
aus dem aktuellen Warenangebot ihrer Arbeitgeberin gegolten hatte. Die –
kündigungsrelevante – ihrer Verkennung von "mein und Dein" sollte sich
vielmehr erst damit hinreichend objektivieren, dass die Klägerin ihre positive Kenntnis
der betrieblichen Weisungslage dem Geschäftsführer gegenüber eingeräumt habe.
trennen diese Verhältnisse von denen des hiesigen Geschehens:
(aa.)
Urteilsanlage
Beklagte mit vollem Recht als "grundsätzlich nicht verkaufsfähig" apostrophiert und eben
deshalb wohlweislich aus dem Verkehr gezogen hatte.
Zwar legt sie gleichwohl Wert auf die Feststellung, dass die wegen ihres – nennen wir es:
– "sozialen" Verfallsdatums ausgemusterten "Weihnachtsmänner" des Jahrgangs 2006
(nur) "teilweise" eingedrückt gewesen seien. Das ändert aber nichts an den Fakten:
Selbst wenn mit dieser Zustandsbeschreibung gemeint sein sollte, dass auch äußerlich
Schokoladenfiguren wie geschehen ausgesondert gewesen seien, so hat
doch deren unterschiedlicher Erhaltungszustand ihnen das gemeinsame Schicksal nicht
erspart: Ob "eingedrückt" oder nicht – sie waren mit ihrer Verfrachtung in ihr entlegenes
Zwischenlager allesamt
87
.
Genauso wenig danach eine noch Rolle, ob sich der Kläger, wie er beteuert und worauf
die Sachwalter der Beklagten ihre Drohung mit fristloser Kündigung ursprünglich auch
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die Sachwalter der Beklagten ihre Drohung mit fristloser Kündigung ursprünglich auch
gestützt hatten (s. oben, S. 9 (VIII.2 a.)), nur "Bruchstücke" des traurigen
Sammelsuriums einverleibt hat, oder aber, wie die Beklagte später hat behaupten
lassen (s. oben, S. 8 (VIII.1.)), eine Figur. – Obendrein wäre es der Beklagten
auch verwehrt, das von ihr anfänglich ermittelte Geschehensbild im Zuge des
Rechtsstreits kurzerhand auszutauschen und die Folgen der Vernachlässigung ihrer
seinerzeit eigenen Aufklärungspflicht nun auf den Kläger abzuwälzen.
(ab.)
fehlendes Unrechts-Bewusstsein ohne Wenn und Aber war. Zwar wäre er
zweifellos besser beraten gewesen, sich beim Filialverantwortlichen zur Frage "gefälliger
Selbstbedienung" (s. nochmals oben, S. 4 (II.)) schon aus Gründen der Eigensicherung
vorsorglich zu . Nur bedurfte es zur nachträglichen Verdeutlichung des von
der Beklagten gewünschten Umgangs mit solcher "Ware" nicht gleich des rigorosen
der Arbeitsbeziehung. Eine Zurechtweisung des Klägers – und äußerstenfalls:
eine diesbezügliche Abmahnung (s. auch a. a. O.) – hätte dafür allemal genügt.
(b.)
Verhältnismäßigkeit nicht schon im die äußerste Grenze noch tolerabler
Reaktion der Beklagten gewesen, so gälte dies im noch weitaus verstärkten Maße
angesichts der Tatsache, dass der Kläger ihrem Hause am 8. Januar 2007 bereits seit
mehr als zwei Jahrzehnten gedient hatte. – Spätestens damit gewinnt der für die
konkreten Verhältnisse der Parteien bedauerlich "blinde" Fehlgriff des
Konfliktmanagements der Beklagten – endgültig – Evidenz.
Nur beiläufig ist bei diesem Befund anzumerken, dass die Beklagte – allenfalls (zur
rechtlichen einer solchen Maßnahme jedoch ohne Gewähr!) – noch in
Betracht zu ziehen hatte, den Kläger (ohne Schmälerung seines guten Leumunds) in
eine andere Filiale zu . Damit wäre im Ergebnis sogar jegliche (offenbar:
unerwünschte) "Kompromittierung" jener erstbefassten Akteure der Beklagten
vermieden gewesen, die den Kläger schon der großen Gesprächsrunde am 10.
Januar 2007 spontan hatten wissen lassen (s. oben, S. 5 (IV.1.)), er werde die Filiale
"nicht mehr betreten". – Nur: Man hätte solche – besonnene – Problembewältigung eben
besser gewählt.
3.
reichhaltigen Rechtsprechung des über die im betrieblichen Alltagsgeschehen oft
keineswegs eindeutigen Grautöne zwischen vertraglichem "Recht" und "Unrecht" fündig
88
: Insofern böte sich nämlich ein Kommentar an, der dort auf eine – voreilig – als
"vorgetäuscht" angeprangerte Erkrankung der Betroffenen zum Nachteil der
Arbeitgeberin gemünzt war und mit nur wenigen redaktionellen Anpassungen auch auf
den hiesigen Fall übertragbar erscheint:
"Jedenfalls ist dem LAG darin zuzustimmen, dass es angesichts der
Gesamtumstände, vor allem im Hinblick auf den erheblichen sozialen Besitzstand der
Klägerin aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers eine völlig überzogene Reaktion
darstellte, wenn die Beklagte ohne weitere Sachaufklärung sofort an das äußerste Mittel
einer fristlosen Kündigung dachte, eine solche der Klägerin androhte und die Klägerin
damit zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages bewog. Dies macht die Drohung
widerrechtlich".
III.
als unwirksam, so der Kündigungsschutzklage nur entsprochen werden. Da die
Beklagte – von ihrer Warte her begreiflicherweise – Gründe für den im
Urteilsanlage
Klägers nicht unterbreitet und im Übrigen (s. oben, S. 10 (A.I.)) den Betriebsrat nicht
Tenor
zu I.
B.
Der Klage war ihr Erfolg auch insofern nicht zu versagen, als der Kläger die Feststellung
begehrt, dass seine Ansprüche gegen die Beklagte – soweit nicht im weiteren Schreiben
Urteilsanlage
"ausgeglichen und erledigt" seien. Das ihm von der Beklagten hierfür abgesprochene
(§ 46 Abs. 2 Satz 1, §§ 495 Abs. 1, 256 Abs. 1 ZPO) folgt bereits
daraus, dass sich aus der Unwirksamkeit der auf den 31. August 2007 gerichteten
Kündigung auch für die Zeit diesem Termin wechselseitige Berechtigungen und
Verpflichtungen der Parteien aus ihrem Arbeitsverhältnis ergeben (werden). Ihre auch
Berechtigung erfährt die Klage aus denselben Gründen, deretwegen schon die
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Berechtigung erfährt die Klage aus denselben Gründen, deretwegen schon die
Anfechtung des "Klageverzichts" Erfolg haben musste (S. 13 ff. (A.II.2.)). Darauf wird
Tenor zu II.
C.
Tenor zu III.
Grundsätzen in BAGE 48, 122 ff.
D.
Feststellungsinteresse ist dem Kläger jedoch an einer separaten Entscheidung des
Gerichts im Bezug auf den "Klageverzicht" zu bescheinigen. Dessen rechtliches Schicksal
ist in der Tat, wie die Beklagte zutreffend moniert, eine Vorfrage des Erfolgs der
Kündigungsschutzklage und mit ihr auch bereits abschließend abgehandelt. – Ergebnis:
Tenor zu IV.
E.
Die treffen die Parteien nach ihren jeweiligen Anteilen am
Unterliegen, § 92 Abs. 1 ZPO. Den hat das Gericht aufgrund
des § 61 Abs. 1 ArbGG im Tenor festgesetzt, für die Kündigungsschutzklage mit der
Monatsvergütung des Klägers bemessen (also: 3 x 1.964,94 € = 5.894,82 €)
und für die übrigen drei Anträge mit jeweils Monatsvergütung (von 1.964,94 €). Das
Tenor zu VI.
vorerwähnte Kostenquote her: Da der Kläger mit 1.964,94 € (Antrag zu 1.) unterliegt,
geht ein Sechstel der Kosten zu Lasten, während die Beklagte die fünf
Tenor zu V.
Dr. Ruberg
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