Urteil des ArbG Arnsberg vom 07.12.2004

ArbG Arnsberg: zulage, widerruf, freiwillige leistung, arbeitsgericht, kündigung, unterliegen, arbeitsrecht, streichung, geschäftsjahr, vergütung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Normen:
Arbeitsgericht Arnsberg, 3 Ca 622/04
07.12.2004
Arbeitsgericht Arnsberg
3. Kammer
Urteil
3 Ca 622/04
Widerruf einer Zulage, Kürzung des Mitarbeiterrabatts, Teilkündigung,
betriebliche Übung
§§ 305 ff, 308 Ziff. 4, 307 Abs. 1 S. 2 BGB
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34,66 € (i.W.: vierunddreißig
66/100 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
01.07.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf 3.193,42 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche.
Die Klägerin ist am 22.10.1948 geboren und ledig. Sie ist seit dem 01.10.1999 bei der
Beklagten als Verkäuferin / Verkaufsstellenleitung beschäftigt.
Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom
28.10./08.11.1999 (Bl. 26 ff. d.A.). Die Klägerin erzielte zuletzt bei einer monatlichen
Arbeitszeit von 120 Stunden ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.367,00 Euro. Sie
erhielt zudem bis zum Jahre 2003 eine Team-Coach-Zulage. Hierzu trafen die Parteien
unter dem 05.01.2001 die nachfolgende Vereinbarung:
"1.2 Mit dem Bestehen der Prüfung zum TC und einer sechsmonatigen Probezeit als
TC bekommt der TC von der Firma V5xxxx eine außertarifliche Zulage.
1.3 Die Firma V5xxxx ist nicht zu dieser außertariflichen Zahlung verpflichtet. Sie behält
sich vor, die Zulage mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende zu widerrufen. Es
können auch keine Ansprüche seitens der Mitarbeiterin aus der Regelmäßigkeit der
Zahlung geltend gemacht werden. Die Zulage ist eine freiwillige Arbeitgeberzulage, auf die
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kein Rechtsanspruch besteht."
Die Beklagte kündigte die Team-Coach-Zulage durch Schreiben vom 20.08.2003 zum
30.09.2003. Durch Urteil des Arbeitsgerichtes Arnsberg vom 24.02.2004 (Az.: 3 Ca 1706/03
O) wurde die Beklagte zudem verurteilt, die Team-Coach-Zulage auch noch für die Monate
Oktober und November 2003 zu zahlen. Ab Dezember 2003 zahlte die Beklagte keine
Team-Coach-Zulage mehr an die Klägerin.
Mit Schreiben vom 28.07.2004 (Bl. 52 d.A.) kündigte die Beklagte die Team-Coach-Zulage
nochmals vorsorglich fristgemäß zum 31.08.2004.
Die Beklagte zahlte an die Klägerin in den Jahren 2001 bis 2003 jeweils ein Urlaubsgeld in
Höhe von 684,00 Euro. Im Jahr 2004 zahlte sie lediglich ein Urlaubsgeld in Höhe von
649,34 Euro.
Die Beklagte erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2001 / 2002 einen Verlust von 613.796,98
Euro. Im Geschäftsjahr 2002 / 2003 erwirtschaftete sie einen Verlust in Höhe von 58.784,65
Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen
(Bl. 37 ff. d.A.) Bezug genommen.
Zur Reduzierung der Personalkosten strich die Beklagte im Folgenden freiwillige
Zuwendungen wie etwa die Team-Coach-Zulage bei ihren Mitarbeitern. Sie unterbreitete
zudem im weiteren Fortgang ihren Arbeitnehmern Änderungsangebote hinsichtlich ihrer
Arbeitsverträge, nach denen unter anderem Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und
Urlaubsansprüche gestrichen bzw. gekürzt wurden, andererseits die Arbeitszeit bei
gleichbleibender Vergütung um 6,14 % verlängert wurde. Die entsprechenden
Änderungsangebote wurden von der großen Mehrzahl der 500 bei der Beklagten
beschäftigten Arbeitnehmer – nicht jedoch von der Klägerin - angenommen.
Mit Schreiben vom 20.10.2004 (Bl. 69 d.A.) kündigte die Beklagte den arbeitsvertraglich
festgelegten Mitarbeiterrabatt von 30 % gegenüber der Klägerin und gewährte der Klägerin
ab dem 01.12.2004 lediglich ein Mitarbeiterrabatt von 10 %.
Mit ihrer am 20.04.2004 erhobenen, später mehrfach umgestellten Klage wendet sich die
Klägerin gegen die Streichung der Team-Coach-Zulage und die Kürzung des
Mitarbeiterrabatts.
Sie ist der Ansicht, der Widerruf der Vergünstigungen sei vorliegend nicht möglich
gewesen. Da die entsprechenden Regelungen in Formulararbeitsverträge niedergelegt
worden seien, seien sie einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu unterziehen. Der
verwendete Widerrufsvorbehalt sei gemäß § 308 Ziff. 4 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB unwirksam, da nicht konkret vereinbart worden sei, unter welchen Voraussetzungen
der Arbeitgeber die Leistungsänderung herbeiführen könne.
Weiterhin ist die Klägerin der Ansicht, dass formell eine Teilkündigung von Bestandteilen
des Arbeitsvertrages nicht möglich sei.
Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, ihr stehe für das Jahr 2004 das in den Jahren 2001
bis 2003 gezahlte Urlaubsgeld in einer Gesamthöhe von 684,00 Euro zu.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.079,86 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten
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Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 204,52 Euro seit dem 02.01., 02.02.,01.03.,
01.04., 03.05., 01.06., 02.08., 01.09. und 01.10.2004 sowie aus 239,18 Euro seit dem
01.07.2004 zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Kündigung vom 28.07.2004 unwirksam ist;
3. festzustellen, dass der Widerruf des Mitarbeiterrabatts unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Widerruf der Team-Coach-Zulage sowie des Mitarbeiterrabatts in
Höhe von 30 % sei jeweils in rechtswirksamer Weise erfolgt. Sie ist zudem der Ansicht, der
Klägerin stehe nur ein Urlaubsgeld in Höhe 649,34 Euro zu. Dieser Betrag entspreche dem
der Klägerin tatsächlich zustehenden tariflichen Urlaubsgeld.
Wegen des umfangreichen weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist nur im stattgegebenen Umfang erfolgreich.
1.)
Die Klage ist zulässig und begründet, soweit die Klägerin von der Beklagten die Zahlung
weiteren Urlaubsgelds in Höhe von 34,66 Euro begehrt.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung
auch für das Jahr 2004 einen Anspruch auf Urlaubsgeld in Höhe von insgesamt 684,00
Euro.
a)
Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige, mindestens dreimalige Wiederholung
bestimmter Verhaltensweisen durch den Arbeitgeber zu verstehen, aus denen der
Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer
eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des
Arbeitgebers, das von dem Arbeitnehmer im Regelfall stillschweigend angenommen wird
(§ 151 BGB) erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen
(BAG, Urteil vom 24.06.2003, 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145 ff.).
b)
Nach diesen Grundsätzen stand der Klägerin auch für 2004 ein Urlaubsgeld in Höhe von
684,00 Euro zu. Denn die Beklagte hatte der Klägerin für die Jahre 2001 bis 2003 jeweils
vorbehaltlos ein Urlaubsgeld in Höhe von 684,00 Euro gezahlt. Damit ist zugunsten der
Klägerin eine entsprechende betriebliche Übung entstanden. Da die Beklagte den
Urlaubsgeldanspruch der Klägerin für das Jahr 2004 lediglich in einer Höhe von 649,34
Euro befriedigt hat, ergibt sich ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von 34,66 Euro.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs.
2.)
Soweit sich die Klägerin gegen die Streichung ihrer Team-Coach-Zulage wendet, ist die
Klage jedoch unbegründet.
Die Beklagte hat die Team-Coach-Zulage durch Schreiben vom 20.08.2003 wirksam
widerrufen. Es handelt sich bei dieser Erklärung nicht um eine unzulässige Teilkündigung,
sondern um den Widerruf der außertariflichen Zulage, wie dies Ziffer 1.3 des Team-Coach-
Vertrages ausdrücklich vorsieht.
Dieser Widerruf ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a)
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war eine Vereinbarung,
die dem Arbeitgeber ein vertragliches Recht zu einseitigen Änderungen einzelner
Vertragsbedingungen einräumt, grundsätzlich zulässig. Sie durfte jedoch nicht zur
Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften führen. Dies war in der Regel dann
der Fall, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einseitigen Änderungen
unterliegen sollten, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung
grundlegend gestört wurde (BAG, Urteil vom 28.05.1997, 5 AZR 125/96, NZA 1997, 1160
ff.). Das Bundesarbeitsgericht hat eine grundlegende Störung des Leistungsgewichts und
damit einen Eingriff in den kündigungsrechtlich geschützten Kernbereich verneint, wenn
sich Widerrufsklauseln lediglich auf 15 - bis 20 % der Gesamtbezüge bezogen.
Nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wäre
der Widerruf der Team-Coach-Zulage zulässig gewesen. Denn er bezog sich lediglich auf
ca. 13,6 % des der Klägerin bis September 2003 zustehenden Gehalts.
b)
Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich aus Sicht der Kammer auch nicht unter
Zugrundelegung der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu geschaffenen
Regelungen der §§ 305 ff. BGB. Insofern ist allerdings der Klägerin zuzugeben, dass auch
Formulararbeitsverträge nach neuem Recht einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB
unterliegen. Allerdings sind gemäß § 310 Abs. 4 BGB die im Arbeitsrecht geltenden
Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.
Nach diesen Grundsätzen können auch unter der Geltung der §§ 305 ff. BGB freiwillige
Leistungen im vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Umfang wirksam unter
Widerrufsvorbehalt gestellt werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber bereits
bei Abschluss der arbeitsvertraglichen Vereinbarung Widerrufsgründe bereits detailliert
beschreibt. (LAG Berlin, Urteil vom 30.03.2004, 3 Sa 2206/03, NZA 2004, 1047).
Freiwillige Leistungen, die vom Arbeitgeber unter Widerrufsvorbehalt geleistet werden,
stellen eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit im Sinne von § 310 Abs. 4 BGB. Da
arbeitsvertraglich fest zugesicherte Leistungen in einem kündigungsschutzrechtlich
geschützten Arbeitsverhältnis rechtswirksam kaum einseitig beseitigt werden können,
stellen freiwillige Leistungen für den Arbeitgeber das einzig taugliche Mittel dar, auf
wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren, ohne Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern
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aussprechen zu müssen. Vor diesem Hintergrund entsprechen derartige Leistungen
sowohl dem Interesse des Arbeitgebers an flexibler Gestaltung der Vergütung als auch
dem Interesse der Arbeitnehmer an der Erhaltung ihrer Arbeitsplätze. Dieser
arbeitsrechtlichen Besonderheit hat die Rechtsprechung Rechnung zu tragen.
Nach alledem erweisen sich die bislang von der Rechtsprechung akzeptierten freiwilligen
und widerruflichen Arbeitgeberleistungen als arbeitsrechtliche Besonderheiten im Sinne
von § 310 Abs. 4 BGB.
Vor diesem Hintergrund war die Beklagte auch unter Geltung des neuen Schuldrechts nicht
gemäß § 308 Ziff. 4 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gehindert, die von ihr freiwillig und
unter Widerrufsvorbehalt zugesagte Team-Coach-Zulage zu widerrufen.
c)
Allerdings hatte die Beklagte bei Erklärung des Widerrufs die Grundsätze billigen
Ermessens gemäß § 315 BGB zu wahren. Im Hinblick auf die beklagtenseits dargestellten
Verluste der Wirtschaftsjahre 2001/2002 sowie 2002/2003 entsprach der im August 2003
erstmals erklärte Widerruf billigem Ermessen. Er war somit wirksam.
Nach alledem kann die Klägerin die Fortzahlung der Team-Coach-Zulage für die Zeit ab
Dezember 2003 nicht begehren.
3.)
Soweit die Klägerin mit ihrem weiteren Klageantrag die Feststellung begehrt, dass die
Kündigung vom 28.07.2004 unwirksam ist, ist ihre Klage ebenfalls abzuweisen.
Auch insofern ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Schreiben vom
28.07.2004 nicht um einen Fall der unzulässigen Teilkündigung, sondern um einen
vorsorglich erklärten Widerruf entsprechend Ziffer 1.3 der Team-Coach-Vereinbarung
handelte.
In der Sache hat die gegen den am 28.07.2004 erklärten Widerruf der Team-Coach-Zulage
gerichtete Klage schon deshalb keinen Erfolg, weil die Team-Coach-Zulage bereits mit
Schreiben vom 20.08.2003 wirksam widerrufen wurde.
4.)
Auch soweit sich die Klägerin gegen die Kürzung des Mitarbeiterrabatts wendet, ist ihre
Klage abzuweisen.
Auch bei dem Mitarbeiterrabatt handelt es sich um eine freiwillige und widerrufliche
Leistung gemäß § 5 des Arbeitsvertrages.
Die Beklagte war grundsätzlich berechtigt, die widerruflich zugesagte freiwillige Leistung
zu widerrufen. Insofern kann auf die Ausführungen zur Team-Coach-Zulage Bezug
genommen werden.
Es ist – jedenfalls nach vorliegendem Sach- und Streitstand – auch nicht ersichtlich, dass
der Widerruf des Mitarbeiterrabatts durch die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin den
Grundsätzen billigem Ermessens widersprach.
Nach alledem ist die Klage nur im stattgegebenen Umfang begründet.
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II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 61 ArbGG, 3 ZPO. Der Zahlungsantrag wird mit
dem Nominalbetrag bewertet. Für den Antrag zu 2. wird die vierteljährliche Team-Coach-
Zulage in Ansatz gebracht. Der Antrag zu 3. wird mit 500,00 Euro bewertet.
Gez. Dr. Teipel