Urteil des ArbG Aachen vom 16.08.2005

ArbG Aachen: fristlose kündigung, anhörung, geschäftsführer, betriebsrat, wichtiger grund, datum, missbrauch, abmahnung, widerklage, arbeitsgericht

Arbeitsgericht Aachen, 7 Ca 5514/04
Datum:
16.08.2005
Gericht:
Arbeitsgericht Aachen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Ca 5514/04
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Öffnet ein Systemadministrator ohne Erlaubnis nicht an ihn gerichtete E-
Mail, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 0 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 0 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 0 zu
zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
4. Der Streitwert wird auf 0 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten.
2
Der am geborene, verheiratete und 0 Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger
war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängern seit dem 0 zu einem
durchschnittlichen, monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 0 EUR als Systemadministrator
beschäftigt. Er war mit umfassenden Zugriffsrechten ausgestattet, die ihm ermöglichten,
den gesamten internen und externen E-Mail Verkehr der Beklagten einzusehen. In
Verbindung mit der Ausübung seiner Tätigkeit wurde der Kläger durch zahlreiche
Hinweise und Belehrungen der Beklagten schriftlich über die Strafbarkeit und möglichen
arbeitsvertraglichen Konsequenzen bei Zugriffsmissbrauch in Kenntnis gesetzt.
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Bis zum 0 gehörte der Kläger der bei der Beklagten gebildeten Gruppe PZ-N an.
Fachlicher Vorgesetzter des Klägers war dort der Gruppenleiter Herr , disziplinarischer
Vorgesetzter der Abteilungsleiter Herr . Zum 0 wurde der Kläger in die Gruppe IB-a
versetzt. Neuer Abteilungsleiter des Klägers wurde ab diesem Zeitpunkt Herr Ebermann
4
statt Herr . Neuer Gruppenleiter des Kläger wurde Herr statt vormals Herr . Die Funktion
Betrieb und Bereitstellung verblieb jedoch unter der Leitung des Herrn . Der Prozess
des Wechsels in die Gruppe IB-a aus der Gruppe PZ-n sollte für den Kläger schrittweise
verlaufen. Dementsprechend würde der Kläger für beide Gruppen weiterarbeiten aus,
obgleich er formal ab dem 0 nur noch der neuen Gruppe 1 B-a angehörte. In diesem
Zusammenhang wurden wiederholt Gespräche zwischen dem Kläger und den Herren
oder geführt. Bezüglich der Ausfüllung eines Formulars hinsichtlich der Arbeitszeiten
und zurückgelegter Tätigkeiten kam es zwischen dem Kläger und Herr am 0 zu einem
Streitgespräch. Sodann wurde hierüber noch eine E-Mail Korrespondenz zwischen
Herrn , Herrn und dem Kläger geführt. Herr und der Kläger wiederholten darin noch
einmal ihre Sichtweisen. Die Beklagte entschied sodann, dass die bisherige
Verantwortung des Klägers für zwei verschiedene Aufgaben nicht zufriedenstellend
umgesetzt würde und entband den Kläger von der Projektleitung. Dies wurde dem
Kläger am durch Herrn mitgeteilt. Ebenso wurde den Mitarbeitern in der
Gruppenbesprechung vom mitgeteilt, dass dem Kläger die Projektverantwortung
entzogen worden sei.
Der Kläger hatte die Sorge, dass ihm ein neues großes Projekt, dass er im Rahmen
seiner neuen Gruppenzuordnung ausführen sollte, auch weggenommen würde und
schaute am deshalb in den Maileingangsbriefkasten seines Gruppenleiters, Herrn .
Hierbei sah er, dass seinem Gruppenleiter, Herrn , eine E-Mail von seinem vormaligen
Abteilungsleiter, Herrn zugegangen war. Am 0 nahm Herr die Empfangsbestätigung zur
Kenntnis. Durch Rücksprache mit Herrn noch am selben Tage erwiderte Herr , dass für
den Kläger keine "Stellvertreterfunktion" für Herrn eingerichtet war.
5
Herr informierte am 0 den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn , telefonisch von seinen
Erkenntnissen. Herr entschied das der Kläger hierzu noch einmal angehört werden
solle. Als Termin zur Anhörung des Klägers wurde der 0 vereinbart.
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Unterdessen stellte die Beklagte weitere Ermittlungen an. Am 0 wurde der LOG-File
geöffnet, um etwaige Spuren des Zugriffs zu sichern und um hierdurch gegebenenfalls
auch auszuschließen, dass tatsächlich nicht der Kläger, sondern ein anderer Mitarbeiter
auf das E-Mail zugegriffen hatte und dies nur aufgrund einer Manipulation oder
Fehlfunktion als Zugriff des Klägers erschienen war. Dem LOG-File ließen sich jedoch
keine Zugriffsspuren entnehmen, da der Kläger eine lokale Replik erstellt hatte.
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Am 0 wurde der Kläger sodann von dem Geschäftsführer Herrn und dem
Abteilungsleiter zu dem Vorgang angehört. Der Kläger wurde mit einem Ausdruck der
Empfangsbestätigung konfrontiert. Der Kläger bestritt auf dieses E-Mail zugegriffen zu
haben. Er behauptete unter anderem sinngemäß, er habe in den "0 Jahren noch nie
unerlaubt ein E-Mail geöffnet", es müsse sich "wohl um einen technischen Fehler
handeln" und er könne "hoch und heilig versichern", dass er nicht auf dieses E-Mail
zugegriffen habe. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte dem Kläger, das
Vertrauensverhältnis sei zerstört. Er gebe dem Kläger die Möglichkeit mit einer
Eigenkündigung auszuscheiden. Zugleich wurde der Kläger freigestellt und ihm die
Zugangsberechtigungen entzogen.
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Am darauffolgenden Tag, dem 0, gestand der Kläger gegenüber Herrn telefonisch, dass
er tatsächlich auf das E-Mail zugegriffen habe und entschuldigte sich gegenüber dem
Geschäftsführer. Er erwähnte dabei nicht, wie die Beklagte später herausfand, dass er
am 0 zwei weitere E-Mails geöffnet hatte.
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Am 0 wurde dem Betriebsrat ein Anhörungsschreiben einer beabsichtigten fristlosen
bzw. fristgerechten Kündigung des Klägers überreicht. Unter der Rubrik Bemerkungen
ist ausgeführt, dass der Betriebsrat Aachen am 0 durch Herrn und Frau ebenfalls
mündlich über die Hintergründe der beabsichtigten Kündigung unterrichtet worden sei.
Dem Anhörungsschreiben beigefügt war eine schlagwortartige Zusammenfassung des
Kündigungsvorwurfs (Blatt 22 und 23 d. A.). Am 0. hörte der Betriebsrat den Kläger zu
dem Kündigungsvorwurf an. Mit Stellungnahme vom 0 erhob der Betriebsrat gegen die
fristlose Kündigung Bedenken und wiedersprach der beabsichtigten ordentlichen
Kündigung.
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Mit Schreiben vom 0, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, kündigte die Beklagte
das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit weiteren Kündigungen vom 0 kündigte die Beklagte
das Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht, nachdem sich in der
Folgezeit herausgestellt hatte, dass der Kläger nicht nur eine sondern drei Mails am 0
geöffnet hatte.
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Trotz der fristlosen Kündigung zum 0 zahlte die Beklagte aus sozialen Erwägungen
noch das vollständige Gehalt für den Monat 0. Bei Erstellung der Abrechnung zum
Austrittstermin 0 wurde versehentlich nicht berücksichtigt, dass der Gesamtbetrag auf
der Grundlage eines nur halben Monats steuerlich und sozialversicherungsrechtlich zu
bewerten war. Die Berechnung der abzuführenden Einkommenssteuer auf Basis eines
Teilmonats führte angesichts der dann höheren Progressionsstufe zu einem höheren
Abzug. Es erfolgte an den Kläger eine unstreitige Überzahlung in Höhe von 0 EUR.
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Der Kläger hält sämtliche Kündigungen für unwirksam. Richtig sei, dass er seine
arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Dies würde er außerordentlich bedauern
und hätte sich hierfür bei der Geschäftsführung entschuldigt. Er könne sich sein
Fehlverhalten aus heutiger Sicht auch nicht mehr erklären. Er habe gewissermaßen "im
Affekt" gehandelt. Dies würde schon daraus deutlich, dass er ohne weiteres den
Empfang einer Lesebestätigung an Herrn hätte problemlos unterbinden können, was er
jedoch nicht getan habe. Dies zeige, dass er nicht planvoll gehandelt habe.
Insbesondere sei bei einem derartigen Pflichtenverstoß eine Abmahnung erforderlich.
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Die Beklagte habe die Zweiwochenfrist des § 626 BGB nicht eingehalten. Der
Sachverhalt sei nicht zügig aufgeklärt worden. Die Beklagte habe bereits am 0 von dem
Zugriff des Klägers auf das E-Mail von Herrn an Herrn Kenntnis erlangt, da Herr Herrn
am 0 telefonisch hierüber informiert hätte. Einer mündlichen Anhörung des Klägers hätte
es ohnehin nicht bedurft. Eine schriftliche Anhörung des Klägers hätte ausgereicht.
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Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Soweit es in dem
Anhörungsschreiben unter dem Absatz Bemerkungen heiße, der Betriebsrat Aachen sei
am 0 durch Herrn und Frau ebenfalls mündlich über die Hintergründe der beabsichtigten
Kündigung unterrichtet worden, habe Frau als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende,
gegenüber dem Klägervertreter erklärt, dass eine mündliche Erläuterung über die
Hintergründe der beabsichtigten Kündigung gegenüber dem Betriebsrat durch den
Arbeitgeber nicht stattgefunden habe. Hingegen habe der Betriebsrat selber sich den
Sachverhalt ermitteln müssen, nämlich durch Befragung des Klägers. Er bestreite
weiter, dass die unter dem schriftlich geäußerten Bedenken des Betriebsrats der
Beklagten vor Ausspruch und Zugang der Kündigung an den Kläger bekannt gewesen
seien.
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Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose
Kündigung der Beklagten vom 0 dem Kläger zugegangen am 0, nicht aufgelöst ist,
sondern ungekündigt über dieses Datum hinaus fortbesteht.
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2. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgemäße
Kündigung der Beklagten vom 0, dem Kläger zugegangen am 0, nicht zum
aufgelöst ist, sondern ungekündigt über dieses Datum hinaus fortbesteht.
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3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits
bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung als Systemadministrator bei einer
Bruttojahresvergütung von 0 EUR zu im übrigen unveränderten
Arbeitsbedingungen gemäß dem Anstellungsvertrag vom 0 weiterzubeschäftigen.
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4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose
Kündigung der Beklagten vom 0, dem Kläger zugegangen am gleichen Tage,
nicht aufgelöst ist, sondern über dieses Datum hinaus fortbesteht.
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5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgemäße
Kündigung der Beklagten vom 0, dem Kläger zugegangen am gleichen Tage,
nicht zum 0 aufgelöst ist, sondern über dieses Datum hinaus fortbesteht.
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26
Die Beklagte beantragt,
27
die Klage abzuweisen
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und beantragt wiederklagend,
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den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 0 EUR nebst Zinsen in Höhe von 0
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 0 zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Sie meint, die fristlose Kündigung vom 0 sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt, weil der
Kläger unter Missbrauch der ihm übertragenen Befugnisse und technischen
Möglichkeiten auf interne Korrespondenz zwischen seinem Vorgesetzten und einer
weiteren Führungskraft der Beklagten zugegriffen habe. Erschwerend käme hinzu, dass
der Kläger am 0 diesen Sachverhalt bestritten habe. Weiter käme hinzu, dass der Kläger
am 0 lediglich das Öffnen einer E-Mail eingeräumt habe, obwohl er tatsächlich zwei
weitere E-Mails geöffnet hatte.
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Sie habe auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie sei am 0 erstmals von den
ersten Verdachtsmomenten informiert worden. Die Anhörung des Klägers am 0 sei im
Zuge der gebotenen Eile vorgenommen worden. Eine frühere Anhörung sei wegen
Verhinderung der ermittelnden Personen nicht möglich gewesen. Auf die im einzelnen
vorgetragenen Verhinderungsgründe des Geschäftsführers der Beklagten, Herrn und
Herrn (Blatt 77 bis 79 d. A.) wird Bezug genommen.
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Am 0 seien Frau als Vertreterin des seinerzeit ortabwesenden Betriebsvorsitzenden
sowie das Betriebsratsmitglied Herr von den Mitarbeitern der Personalabteilung, Herrn
und Frau mündlich zu den Kündigungsvorwürfen angehört worden. Herr hätte
geschildert, dass es zwischen dem Kläger und Herr zu einem Konflikt gekommen sei. Er
habe erläutert, dass der Kläger am 0 ein von Herrn an Herrn gerichtetes E-Mail unbefugt
und unter Ausnutzung von der Befugnis und Möglichkeiten als Systemadministrator
geöffnet und gelesen habe. Herr habe weiter erklärt, dass der Kläger in einem Gespräch
mit Herrn und Herrn wahrheitswidrig bestritten habe, das besagte E-Mail geöffnet zu
haben. Herr hätte mitgeteilt, dass der Kläger erst am Folgetag Herrn angerufen und den
Vorgang eingeräumt habe. Herr hätte daraufhin erklärt, dass aus Sicht der Beklagten
eine weitere Zusammenarbeit aufgrund eines zerstörten Vertrauensverhältnisses nicht
mehr möglich sei. Die Beklagte beabsichtigte daher das Arbeitsverhältnis fristlos,
hilfsweise fristgerecht, zu kündigen. Die schriftliche Stellungnahme des Betriebsrates
zur fristlosen bzw. hilfsweise fristgerechten Kündigung, sei der Beklagten in den
Vormittagsstunden des von der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Frau
persönlich überreicht worden. Herr hätte sodann interne Rücksprachen genommen. Man
habe sich entschieden, ungeachtet der Stellungnahme des Betriebsrates, die
Kündigung zu erklären. Um die Mittagszeit habe Herr sodann die unterzeichnete
Kündigungserklärung der Mitarbeiterin Frau übergeben. Die Kündigung sei dem
freigestellten Kläger um ca. 0 Uhr desselben Tages durch persönliche Übergabe
zugestellt worden.
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Der Kläger sei im Hinblick auf die Überzahlung in Höhe von 0 EUR nach Beendigung
des Arbeitsverhältnisses zum zur Rückzahlung verpflichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt
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Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist begründet.
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1.
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Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat aufgrund der fristlosen Kündigung der
Beklagten vom 0 zum 0 sein Ende gefunden, denn ein wichtiger Grund gemäß § 626
Abs. 1 BGB, der die Beklagte berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist zu beenden, ist vorliegend gegeben. Der Kläger hat in
schwerwiegender Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, da er unter
Missbrauch der ihm übertragenen Befugnisse und technischen Möglichkeiten auf
interne Korrespondenz zwischen seinem Vorgesetzten und einer weiteren
Führungskraft der Beklagten zugegriffen hat. Nach herrschender Auffassung rechtfertigt
der Missbrauch von Zugriffsrechten regelmäßig eine fristlose Kündigung ohne vorherige
Abmahnung (BAG Urteil vom 25.11.1981 – 7 AZR 463/79). Danach ist das Vertrauen
des Arbeitgebers in eine nur zweckbestimmte Verwendung der Daten durch den
verantwortlichen Arbeitnehmer schon deswegen erforderlich, weil die Datensicherung
zu seinen Pflichten gehört. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, die Verletzung
schutzwilliger Belange seiner Arbeitnehmer, zu verhindern. Die Beklagte durfte sich
darauf verlassen, dass dem Kläger dienstlich anvertraute Daten nicht zweckwidrig
verwendet werden. Dem Kläger war aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Hinblick
auf die ihm sämtlich unterzeichneten Hinweise bewusst, dass der unbefugte Zugriff auf
die E-Mail einen Straftatbestand erfüllt und arbeitsvertragliche Konsequenzen nach sich
ziehen kann. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich vorliegend auch nicht, wie
vom Kläger vortragen, um einen Fehler der ihm vorliegend unterlaufen ist, sondern um
den gezielten Missbrauch von Zugriffsrechten aus eigennützigen Motiven. Auf die
Motivation des Klägers und die möglicherweise für ihn schwierigen persönlichen
Umstände, kann es bei der Beurteilung seines Verhaltens nicht ankommen. Die
Beklagte muss sich darauf verlassen können, dass der Kläger auch in
Ausnahmesituationen seine Zugriffsrechte nicht missbraucht. Es handelt sich bei dem
Verhalten des Klägers um einen äußerst gravierenden Verstoß, der die
Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien erschüttert hat, sodass der Ausspruch
einer Abmahnung vorliegend entbehrlich ist.
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Auch die vorzunehmende Interessenabwägung muss trotz der seit 1991 bestehenden
Betriebszugehörigkeit zu Lasten des Klägers gehen. Es handelt sich um einen
gravierenden Verstoß, der trotz der Beteuerung des Klägers, die Wiederholungsgefahr
in sich birgt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger in der persönlichen Anhörung
am 0 die Tat hartnäckig geleugnet hat, insbesondere wenn er dort erklärt hat, dass er in
0 Jahren noch nie unerlaubt eine E-Mail geöffnet habe und er könne hoch und heilig
versichern, dass er nicht auf dieses E-Mail zugegriffen habe. Dieses Leugnen des
Klägers ist umso bemerkenswerter, weil der Kläger sich seit dem Vorfall am auf ein zu
diesem Thema anstehendes Personalgespräch einstellen musste und konnte. Der
Kläger hat nur im Hinblick auf den Ausgang des Gesprächs, nämlich der Erklärung des
Geschäftsführers, dass das Vertrauensverhältnis gleichwohl zerstört sei und der Kläger
mit einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden solle, am
darauffolgenden Tag dem 0 die Tat gegenüber dem Geschäftsführer telefonisch
eingestanden, wobei er verschwieg, dass er auf zwei weitere Mails unerlaubt Zugriff
42
genommen hatte.
2.
43
Die außerordentliche Kündigung vom 0 ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 626 II
BGB innerhalb von zwei Wochen erfolgt. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 S. 2 mit
dem Zeitpunkt, indem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung
maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die zeitliche Begrenzung der Ausübung des
Kündigungsrechts dient dem Gebot der Rechtssicherheit. Hat der eine Vertragsteil die
Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung verwirklicht, darf nicht
unangemessen lange Zeit ungewiss bleiben, ob der andere Teil daraus die
kündigungsrechtlichen Folgen zieht. Der Kündigungsberechtigte soll sich keinen
Kündigungsgrund "aufsparen" können, um dadurch den Vertragsgegner unter Druck zu
setzen (BAG Urteil vom 25.02.1983 – AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 14).
Andererseits soll der Kündigungsberechtigte nicht zur hektischen Eile angetrieben
werden (BAG Urteil vom 15.11.1995 – NZA 1996, 419). Die Frist beginnt, sobald der
Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom
Kündigungssachverhalt hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Zu den für die Kündigung
maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung
sprechenden Umstände. Erheblich ist allein die positive Kenntnis der maßgeblichen
Tatsachen. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des
Kündigungssachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden
Maßnahmen zügig durchführt, ist die Ausschlussfrist gehemmt (BAG Urteil vom
31.03.1993, NZA 1994, 409). Der Kündigungsberechtigte muss mit der gebotenen (nicht
hektischen) Eile Ermittlungen anstellen, die ihm eine umfassende und zuverlässige
Kenntnis des Kündigungssachverhalts beschaffen sollen. In der Regel gehört die
Anhörung des Arbeitnehmers zur Aufklärung des Sachverhaltes dazu, obgleich sie
abgesehen vom Fall der Verdachtskündigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung einer
außerordentlichen Kündigung ist. Die Anhörung vermag an dem objektiven Tatbestand
des wichtigen Grundes nicht zu ändern, doch wird sie häufig dem Arbeitgeber eine
sichere Beurteilung der ermittelnden Tatsachen ermöglichen. Die Beklagte hat nach
Auffassung der Kammer den Sachverhalt im Rahmen der gebotenen Eile zügig
aufgeklärt. Nachdem Herr dem Geschäftsführer der Beklagten telefonisch am 0 über
seinen Verdacht informierte, dass der Kläger unbefugt Zugriff auf seine E-Mail
genommen hätte, hat der Geschäftsführer entschieden, den Kläger persönlich
anzuhören. Es wurde unter Berücksichtigung der terminlichen Situation sowohl des
Geschäftsführers der Beklagten als auch Herrn bereits am 0 der 0 als nächster
möglicher Termin zur Anhörung des Klägers vereinbart. Die Beklagte hat daher nicht
tatenlos zugewartet, sondern eine Terminsbestimmung vorgenommen. Unterdessen hat
die Beklagte zur Vorbereitung des Gesprächs den LOG-File geöffnet, um etwaige
Spuren des Zugriffs zu sichern und um hierdurch gegebenenfalls auch auszuschließen,
dass tatsächlich nicht der Kläger sondern ein anderer Mitarbeiter auf das E-Mail
zugegriffen hatte und dies nur aufgrund einer Manipulation oder Fehlfunktion als Zugriff
des Klägers erschienen war. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte
vorliegend keine Verdachtskündigung gegenüber dem Kläger aufgrund der
Erkenntnisse vom ausgesprochen hat. Die Beklagte stützt ihre Kündigung auf das
Geständnis des Klägers vom 0. Die mündliche Anhörung des Klägers am 0 unter
Beteiligung der Personen, die es angeht, nämlich den Geschäftsführer der Beklagten
und Herrn ist nicht zu beanstanden, sondern wünschenswert, denn das persönliche
Gespräch soll dazu dienen, die Gründe, die für und gegen den Ausspruch einer
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Kündigung sprechen gegeneinander abzuwägen.
3.
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Der Betriebsrat wurde gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG vor Ausspruch der
außerordentlichen Kündigung angehört. Entgegen der Darstellung des Klägers erfolgte
die Anhörung nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich am 0 unter Darlegung der
Kündigungsgründe im einzelnen gegenüber der stellvertretenden
Betriebsratsvorsitzenden Frau und Herrn durch die Mitarbeiter der Beklagten Herrn und
Frau . Dies hat die Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung des Herrn sowie der
stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Frau für alle Beteiligten zweifelsfrei ergeben.
Es wird insoweit Bezug genommen auf das Ergebnis der Beweisaufnahme im
Sitzungsprotokoll vom 0. Der Kläger hat im Anschluss an die Durchführung der
Beweisaufnahme den Inhalt der mündlichen Betriebsanhörung nicht weiter gerügt.
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Nach alldem ist festzustellen, dass die fristlose Kündigung vom 0 das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien zum 0beendet hat.
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4.
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Die Widerklage ist begründet. Im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
zum 0 ist der Kläger verpflichtet, die Überzahlungen in Höhe von 0 EUR resultierend
daraus, dass die Berechnung der abzuführenden Einkommenssteuer auf Basis eines
Teilmonats angesichts der dann höheren Progressionsstufe auf einem höheren Abzug
führt, zu erstatten. Dies wurde seitens des Klägers für den Fall der Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses nicht in Abrede gestellt.
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Auf eine Begründung der Nebenentscheidungen wird gemäß § 313 ZPO verzichtet.
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