Urteil des AnwGH Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2008

AnwGH NRW: fao, beratung, kündigung, geburt, verfassungskonforme auslegung, vertretung, mutterschaft, verfügung, zahl, fürsorge

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Anwaltsgerichtshof NRW, 1 AGH 39/08
22.08.2008
Anwaltsgerichtshof NRW
1. Senat des Anwaltsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen
Beschluss
1 AGH 39/08
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin die Führung der
Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin für Miet- und Wohnungs-
eigentumsrecht“ zu erteilen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der
Antragstellerin trägt die Antragsgegnerin.
Der Geschäftswer beträgt 12.500,00 EUR.
Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin, die seit dem 16.05.2000 ununterbrochen zur Rechtsanwaltschaft
zugelassen ist, beantragte mit Antrag vom 15.03.2007 die Gestattung des Führens der
Bezeichnung "Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht".
Beigefügt war ein Zertifikat des KölnerAnwaltVerein e.V. über die Teilnahme an einem
Fachanwaltslehrgang, wonach die Antragstellerin an einem Fachlehrgang zur Erlangung
besonderer Kenntnisse auf dem Fachgebiet des Miet- und Wohnungseigentumsrechts
teilgenommen hat. Des weiteren hat die Antragstellerin vier Klausuren sowie eine Fallliste,
diese sodann erneut in aktualisierter Form, vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 06.03.2008 hat die Antragsgegnerin den Antrag
abgelehnt, weil die Antragstellerin nicht die erforderlichen besonderen praktischen
Erfahrungen nachgewiesen habe. Insgesamt seien nur 107,5 Fälle nachgewiesen, wobei
nur 53 gerichtliche Fälle vorlägen. Solche Fälle, deren Bearbeitung vor dem 15.03.2004
beendet worden sei, können nicht einbezogen werden, weil sich der maßgebliche
Dreijahreszeitraum auf die Zeit vom 15.03.2004 bis zum 15.03.2007 erstrecke. Eine
Ausweitung des Dreijahreszeitraums im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin am
23.11.2005 zum zweiten Mal entbunden habe und als Folge ein halbes Jahr nicht
gearbeitet habe, komme nicht in Betracht. Die FAO sehe eine derartige Ausnahme nicht
vor; eine diesbezügliche Öffnungsklausel sei nicht vorhanden, ebenso wenig für den Fall,
dass ein Rechtsanwalt innerhalb des Dreijahreszeitraums erkranke oder aus ähnlichen
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Gründen verhindert sei, den anwaltlichen Beruf auszuüben. Es sei der Zweck der FAO,
dass nur derjenige Fachanwalt werden solle, der in einem bestimmten Zeitraum eine weit
über dem Durchschnitt liegende Anzahl von Fällen bearbeitet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag der Antragstellerin vom 07.04.2008.
Sie macht geltend, dass der Bescheid vom 06.03.2008 rechtswidrig sei und sie in ihren
Rechten beeinträchtige.
Die Antragsstellerin steht auf dem Standpunkt, dass die Antragsgegnerin als
Nachweiszeitraum nicht allein den Zeitraum vom 15.03.2004 bis zum 15.03.2007 habe
ansehen dürfen. Denn dieser Zeitraum sei um 14 Wochen auf den 08.12.2003
auszudehnen. Sie habe – dies ist unbestritten – am 23.11.2005 ein Kind zur Welt gebracht,
so dass sie nach den §§ 3, 6 MuSchG während der letzten sechs Wochen vor der Geburt
und während der ersten acht Wochen nach der Geburt einem Beschäftigungsverbot
unterlegen habe. Einer diesbezüglichen Öffnungsklausel in der FAO bedürfe es nicht, da
die FAO im Lichte höherrangigen Rechts auszulegen sei. Diese Auslegung ergäbe hier,
dass dann, wenn das MuSchG ein Beschäftigungsverbot vorsähe, der von der FAP
vorgesehene Bearbeitungszeitraum von drei Jahren um diesen Zeitraum auszudehnen sei.
Auch nach den §§ 1, 2 Nr. 3 AGG seien Benachteiligungen des Geschlechts auch
hinsichtlich des beruflichen Aufstiegs und der praktischen Berufserfahrung unzulässig.
Eine unmittelbare Benachteiligung liege nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AGG i.V. § 2 Abs. 1 Nr. 1
bis 4 AGG auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Mutterschaft
vor. Die Haltung der Antragsgegnerin benachteilige sie sowohl gegenüber Kolleginnen, die
im Bearbeitungszeitraum nicht schwanger waren, als auch gegenüber männlichen
Kollegen. Diese Benachteiligung verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG und die §§ 1 bis
3, 7 AGG i.V.m. § 6 Abs. 3 AGG. Die Antragsgegnerin hätte deshalb 23 weitere Fälle zu
ihren, der Antragstellerin, Gunsten in die Bewertung einzubeziehen gehabt.
Unzutreffenderweise habe die Antragsgegnerin Fälle, die im Wege des Mahnbescheides
verfolgt worden sind, als gerichtliche Fälle pauschal mit 0,5 anstatt 1,0 bewertet. Da die
Antragsgegnerin die einzelnen Fälle, die im Rahmen eines Mahnbescheidsverfahrens
verfolgt worden seien, nicht eingesehen habe, könne sie eine Gewichtung nicht
vorgenommen haben. Die pauschale und generelle Herabsetzung auf 0,5 in den Fällen 25,
47, 74, 81, 85, 91, 99, 100, 101 und 103 stelle deshalb einen Ermessensfehlgebrauch dar.
Es stelle ebenfalls einen Ermessensfehlgebrauch dar, dass die Antragsgegnerin in den
Fällen der Beratung 68, 75, 76, 83, 87, 90, 107, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116,
122, 124, 125 und 132 lediglich 0,5 für die außergerichtliche Tätigkeit zugrunde gelegt
habe. In den Fällen 1 und 100 sowie 10 und 126 sei vielmehr, wie beantragt, eine
Höhergewichtung vorzunehmen gewesen.
Die Summenbildung hinsichtlich der gerichtlich bearbeiteten Wohnraummietmandate sei
unzutreffend, weil sich richtigerweise ein Gesamtbetrag von 47,5 ergeben müsse.
Unzutreffenderweise habe die Antragsgegnerin den Fall 31 nicht gewertet; ihre Angaben
hätten den Bearbeitungszeitraum hinreichend bezeichnet.
Der Fall 10 sei als offene Beratungsakte geführt worden, so dass für eine neues Mandat
dieses Mandanten keine neue Akte angelegt worden sei; es habe sich deshalb um drei
außergerichtliche Bearbeitungen gehandelt.
Zu Unrecht sei die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass der Fall 40 in Fall 5
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aufgegangen sei, so dass für eine Mindergewichtung auf 0,5 keine Veranlassung
bestanden habe.
Zwar habe die Antragsgegnerin generell Fälle mit außergerichtlichem Schriftverkehr mit 1,0
gewertet; allerdings sei sie hiervon im Fall 98 abgewichen, weil sie eine Mindergewichtung
auf 0,5 vorgenommen habe, weil eine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses
ausgesprochen war.
Der Fall 61 sei mit 2,0 zu gewichten, weil die gerichtliche Inanspruchnahme zwei
verschiedene Lebenssachverhalte betroffen habe.
Schließlich sei unberücksichtigt geblieben, dass in 17 Fällen der Erhebung von
Räumungsklagen Kündigungen vorausgegangen seien.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr die Führung der Bezeichnung Fachanwalt
für Miet- und Wohnungseigentumsrecht zu gestatten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat keine Stellungnahme zur Antragsschrift vorgelegt.
II.
Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Antragstellerin (§§ 223 Abs. 1
BRAO i.V.m. § 43 c BRAO) ist begründet. Die Antragsgegnerin war auf Antrag der
Antragsgegnerin zu verpflichten (§ 41 Abs. 3 Satz 2 BRAO), der Antragstellerin die
beantragte Fachanwaltsbezeichnung zu verleihen.
Die von der Antragstellerin erstrebte Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Miet-
und Wohnungseigentumsrecht setzt voraus, dass besondere Kenntnisse und Erfahrungen
auf diesem Fachgebiet nachgewiesen sind (§ 43 c Abs. 1 BRAO). Diesen Nachweis hat die
Antragstellerin geführt.
1.
Es steht außer Frage und wird auch nicht seitens der Antragsgegnerin in Zweifel gezogen,
dass die Antragstellerin die nach § 4 FAO erforderlichen besonderen theoretischen
Kenntnisse erworben hat.
2.
Anders als es die Antragsgegnerin im angefochtenen Beschluss angenommen hat, hat die
Antragstellerin auch die erforderlichen besonderen praktischen Erfahrungen nach § 5 FAO
erworben. Nach § 5 Satz 1 lit j FAO in der zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen, der
Antragstellerin wegen der später eingeführten Quoren günstigeren Fassung setzt der
Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen im Fachgebiet des Miet- und
Wohnungseigentumsrechts voraus, dass der Rechtsanwalt innerhalb der letzten drei Jahre
vor der Antragstellung 120 Fälle, davon mindestens 60 Fälle gerichtliche Verfahren, wobei
sich mindestens 60 Fälle auf die in § 14 c nr. 1 und 3 FAO bestimmten Bereiche beziehen
müssen.
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3.
Allerdings ist der Antragsgegnerin darin zu folgen, dass die Antragstellerin in dem sich bei
einer Antragstellung vom 15.03.2007 nach § 5 Satz 1 FAO ergebenden Dreijahreszeittraum
vom 15.03.2004 bis zum 15.07.2007 Fälle nicht in einer den Anforderungen des in einer § 5
Satz 1 lit j FAO genügenden Zahl bearbeitet hatte.
3.1.
So ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin nicht alle Mahnbescheidsfälle
mit dem Fallgewicht von 1,0 bewertet hat.
§ 5 letzter Satz FAO ermöglicht, dass Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner
Fälle zu einer anderen Gewichtung führen. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl.
Beschluss vom 06.03.2006 AnwZ (B) 36/05 = NJW 2006, 1513, 1514 Tz 17) ist dabei
Bezugspunkt für die Gewichtung die Bedeutung, der Umfang und die Schwierigkeit des
jeweiligen Falles, nicht der Umfang und die Schwierigkeit der im maßgebenden
Beurteilungszeitraum erfolgten Bearbeitung. Danach soll es nicht entscheidend sein, in
welcher Intensität sich der Rechtsanwalt mit dem jeweiligen Fall befasst hat; maßgebend
ist danach allein, ob er sich mit einem über- oder unterdurchschnittlichen Fall befasst hat;
dies kann auch in einer unterdurchschnittlichen Weise geschehen sein. Diese Sichtweise
des Bundesgerichtshofs, die sich allein eng an den Wortlaut des § 5 letzter Satz FAO
anlehnt, berücksichtigt nach Auffassung des Senats nicht in gebotener Weise den
gegebenen Regelungszusammenhang (Hartung/Scharmer, 2. Aufl., § 5 FAO Rz 165 a).
Denn zum einen stellt § 2 Abs. 2 FAO auf die durch den Beruf vermittelten besonderen
praktischen Erfahrungen ab, die sich gerade allein aus dem Maß der entfalteten Tätigkeit
des Rechtsanwaltes ergeben können, und zum anderen stellt § 6 Abs. 3 Satz 2 FAO auf die
Aussagekraft von Arbeitsproben ab, was nicht verständlich wäre, wenn es nicht auf die
darin zum Ausdruck kommende Art der Befassung durch den Rechtsanwalt ankommen
soll, sondern allein darauf, ob der Fall für sich genommen – ohne Bezug zur Tätigkeit des
Rechtsanwalts – schwer oder leicht war.
Anzuknüpfen ist daran, dass es allgemeinem Erfahrungswissen entspricht, dass
Bestandteil der anwaltlichen Praxis auch rechtlich und tatsächlich einfach gelagerte Fälle
Sachverhalte bilden. Zur gerichtlichen Durchsetzung in jenen Fällen, in denen der
Schuldner einer Geldforderung diese nicht ernsthaft bestreitet, sie aber nicht erfüllen kann
oder will, hat der Gesetzgeber u.a. das Mahnverfahren zur Verfügung gestellt, das die
Möglichkeit bietet, schnell und einfach ohne mündliche Verhandlung zu einem
Vollstreckungstitel zu kommen. Es entspricht ferner allgemeinem Erfahrungswissen, dass
die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in solchen rechtlich und tatsächlich gelagerten Fällen
ebenfalls allein ein unterdurchschnittliches Maß der Befassung erfordert. So entfällt
gegenüber anderen Fällen der gerichtlichen Bearbeitung die Anfertigung von Schriftsätzen
für das Gericht und die Vertretung der Interessen des Mandanten in einer mündlichen
Verhandlung. Es ist deshalb typischerweise die Annahme gerechtfertigt, dass die durch
Mahnverfahren erledigten gerichtlichen Fälle von geringerer Bedeutung, geringerem
Umfang und geringerer Schwierigkeit waren, die auch nur ein geringeres Maß der
anwaltlichen Befassung erfordert haben. Deshalb ist gerechtfertigt, Fälle einer gerichtlichen
Erledigung im Mahnverfahren im Allgemeinen gegenüber anderen Fällen gerichtlicher
Anspruchsdurchsetzung abzugewichten. Es erscheint auch sachgerecht und ist deshalb
nicht ermessensfehlerhaft, typischerweise, also für den Regelfall, eine Abgewichtung auf
0,5 in solchen Mahnbescheidsfällen vorzunehmen. Allerdings kommt es nicht in Betracht,
Mahnverfahren pauschal abzuwerten, denn § 5 Satz 2 FAO bietet keine Handhabe dafür,
eine bestimmte Art der Fallbearbeitung losgelöst vom einzelnen Fall zu gewichten (BGH
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NJW 2006, 1513, 1515 Tz 28). Deshalb bleibt dem Rechtsanwalt die Möglichkeit
unbenommen, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles
Umstände darzulegen, aufgrund derer von einer Mindergewichtigkeit abzusehen und ggf.
sogar eine Höhergewichtung vorzunehmen ist.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.04.2007 die Antragstellerin auf
die Möglichkeit einer solchen Abgewichtung hingewiesen und zugleich darauf
hingewiesen, dass anderes gelte, wenn Umstände vorlägen, die es rechtfertigen, auch
Mahnbescheidsfälle mit gerichtlichen Verfahren gleichzusetzen, was jedoch näher
begründet werden müsse. Hierauf ist die Antragstellerin sodann erneut mit Schreiben der
Antragsgegnerin vom 05.07.2007 hingewiesen worden. Weiterer Vortrag, der über den
Inhalt der Liste hinausgeht, ist seitens der Antragstellerin nicht erfolgt. Deshalb hatte die
Antragsgegnerin auch keine Veranlassung, diesbezüglich Arbeitsproben bei der
Antragstellerin anzufordern; sie durfte sich vielmehr auf die Prüfung der Listen
beschränken. Auch im gerichtlichen Verfahren trägt die Antragstellerin keine individuellen
Besonderheiten vor, die eine höhere Gewichtung als 0,5 rechtfertigen könnten.
Danach gilt folgendes:
Nicht zu beanstanden ist auf der Grundlage der Angaben der Antragstellerin die
Abgewichtung auf 0,5 in folgenden Fällen :
Fall 25: rückständige Mietzinsforderung
Fall 47: rückständige Mietzinsforderung
Fall 74: rückständige Mietzinsforderung
Fall 81: rückständige Mietzinsforderung
Fall 91: Widerspruch gegen Mahnbescheid
Fall 99: Vertragsgebühr
Fall 101: rückständige Mietzinsforderung
Fall 103: rückständige Mietzinsforderung
Allerdings hat die Antragsgegnerin den Fall 91 zutreffend doppelt gezählt, nämlich zum
einen gerichtlich mit 0,5 und zum anderen außergerichtlich ebenfalls mit 0,5. Zwar zählt im
Ausgangspunkt eine Sache, die ein Rechtsanwalt sowohl außergerichtlich als auch
gerichtlich bearbeitet hat, nur als ein Fall (Vossebürger in Feuerich/Weyland § 5 FAO Rz 4;
AGH Celle BRAK-Mitt. 2002, 142, 144; BGH NVwZ 1999, 1256, 1257). Die von der
Antragstellerin erstellte Liste zeigt auch, dass außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit
jeweils den gleichen Gegenstand hatten, nämlich den Kautionsrückzahlungsanspruch des
Mieters. Gleichwohl kann dieser Fall ausnahmsweise sowohl als gerichtlicher als auch
außergerichtlicher Fall gezählt werden. Denn als gerichtlicher Fall wäre er mit 0,5 zu
bewerten (nur Widerspruch gegen den Mahnbescheid des Gegners), während er als
außergerichtlicher Fall mit 1,0 zu bewerten wäre (Anfertigung eines an den Gegner
gerichteten Schreibens). Die Berücksichtigung nur als gerichtlicher Fall, die hier allein mit
einem Gewicht von 0,5 erfolgen kann, würde deshalb dazu führen, dass das in der
außergerichtlichen Tätigkeit erarbeitete Fallgewicht von 1,0 hinsichtlich eines Anteil von
0,5 "verbraucht" und in Wegfall geraten würde. Deshalb ist es in Fällen wie diesen
angemessen, sofern der Antragsteller hierzu keine andere Vorgabe macht, eine
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Berücksichtigung mit einem Fallgewicht von je 0,5 in beiden Bereichen vorzunehmen.
Hinsichtlich des Falles 42 hat der angefochtene Bescheid auf seiner Seite 6 eine
Bewertung sowohl mit 0,5 als auch mit 1,0 vorgenommen. Dies ist unzutreffend, weil die
Antragsgegnerin auf Seite 5 ihres Bescheides selbst ausführt, dass dieser Fall – weil er in
zwei Instanzen verhandelt wurde – mit 1,5 zu bewerten sei. Letzteres ist auch zutreffend.
Hinsichtlich des Falles 85 zeigt die Liste der Antragstellerin, dass dieser Fall zwar durch
Anbringung eines Mahnbescheids gerichtlich eingeleitet worden ist; abgeschlossen
worden ist er jedoch durch Urteil, so dass es sich um ein streitiges gerichtliches Verfahren
gehandelt hat, das mit einem Fallgewicht von 1,0 zu bewerten ist.
Bei dem Fall 100 handelt es sich nach dem Inhalt der seitens der Antragstellerin erstellten
Beschreibung ihrer Tätigkeit nicht allein um die Titulierung zweier Forderungen im
Mahnbescheidwege, sondern um eine umfassende Beitreibungssache, die bereits seit Mai
2006 andauert und auch derzeit nicht abgeschlossen ist. Eine Veranlassung einer
Mindergewichtung auf 0,5 besteht nicht; die Berücksichtigung eines Gewichtes von 1,0
erscheint angemessen.
3.2.
Hinsichtlich des Einwands der Antragstellerin, die Beratungsfälle seien zu Unrecht mit 0,5
bewertet worden, gilt folgendes:
Es entspricht allgemeinem Erfahrungswissen, dass in Fällen außergerichtlicher Tätigkeit
allein ein unterdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und ein unterdurchschnittlicher
Tätigkeitsumfang gegeben ist, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf eine
mündliche oder telefonische Beratung beschränkt und keine Vertretung nach Außen erfolgt.
Es ist deshalb typischerweise für den Regelfall die Annahme gerechtfertigt, dass die allein
durch eine Beratung erledigten außergerichtlichen Fälle von geringerer Bedeutung,
geringerem Umfang und geringerer Schwierigkeit waren, die auch nur ein geringeres Maß
der anwaltlichen Befassung erfordert haben. Deshalb ist gerechtfertigt, Fälle einer bloßen
Beratungstätigkeit im Allgemeinen gegenüber Fällen, in denen neben einer Beratung auch
eine Vertretung erfolgt ist, abzugewichten. Es erscheint auch sachgerecht und ist deshalb
nicht ermessensfehlerhaft, typischerweise für den Regelfall eine Abgewichtung auf 0,5 in
solchen bloßen Beratungsfällen vorzunehmen. Unbenommen bleibt die Möglichkeit, unter
Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles von einer
Mindergewichtigkeit abzusehen und ggf. sogar eine Höhergewichtung vorzunehmen.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.04.2007 die Antragstellerin auf
die Möglichkeit einer solchen Abgewichtung hingewiesen und zugleich darauf
hingewiesen, dass anderes gelte, wenn besondere Umstände vorlägen, was jedoch näher
begründet werden müsse. Hierauf ist die Antragstellerin sodann erneut mit Schreiben der
Antragsgegnerin vom 05.07.2007 hingewiesen worden. Im Schreiben vom 30.09.2007 an
die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin sodann zu einigen Beratungsfällen ergänzend
Stellung genommen, wobei diese Ergänzungen in die Bewertung der Antragsgegnerin
eingeflossen sind. Deshalb hatte die Antragsgegnerin auch keine Veranlassung,
diesbezüglich Arbeitsproben bei der Antragstellerin anzufordern. Im gerichtlichen Verfahren
trägt die Antragstellerin keine weiteren individuellen Besonderheiten vor, die in den
verbliebenen mindergewichteten Beratungsfällen – mit den noch zu erörternden
Ausnahmen - eine höhere Gewichtung als mit 0,5 rechtfertigen könnten.
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Danach gilt folgendes:
Nicht zu beanstanden ist auf der Grundlage der Angaben der Antragstellerin die
Abgewichtung auf 0,5 in folgenden Fällen :
Fall 68: Beratung wegen Kündigung und Zahlungsrückstands
Fall 75: Beratung wegen Kautionsrückzahlungsanspruchs
Fall 76: Beratung wegen Betriebskosten
Fall 83: Beratung wegen Nebenkostenabrechnung
Fall 87: Beratung wegen Ansprüche gegen WEG-Verwalter
Fall 90: Beratung über Kündigungsmöglichkeit
Fall 107: Beratung über Abtretbarkeit von Ansprüchen
Fall 109: Beratung wegen Nebenkostenabrechnung
Fall 110: Beratung wegen Belegeinsichtsrecht Eigentümer
Fall 111: Beratung wegen fehlerhafter Fußbodenrenovierung durch Mieter
Fall 112: Beratung wegen Minderung
Fall 113: Beratung wegen Minderzahlung des Mieters
Fall 114: Beratung wegen Vollmachtserteilung
Fall 116: Beratung wegen Betriebskostenpauschale
Fall 122: Beratung wegen Mietminderung
Fall 124: Beratung wegen Mietminderung
Fall 132: Beratung wegen Mietminderung
Im Fall 115 ist es nicht bei einer Beratung geblieben; vielmehr hat die Antragstellerin auch
eine Ortsbesichtigung im gewerblichen Mietobjekt durchgeführt. Typischerweise erfolgen
solche Ortsbesichtigungen dann, wenn es auf spezifische Einzelheiten des Objekts
ankommt, so dass eine Abgewichtung nicht gerechtfertigt ist. Hier hat es bei einer
Gewichtung von 1,0 zu verbleiben.
Im Fall 125 ging es neben der Beratung über die Beendigung eines gewerblichen
Mietverhältnisses auch um die Möglichkeit einer Untervermietung sowie um die
Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Angesichts eines erweiterten Beratungsumfangs
besteht keine Veranlassung für eine Mindergewichtung; vielmehr hat es bei einer
Gewichtung von 1,0 zu verbleiben.
3.3.
Hinsichtlich des Einwandes der Antragstellerin, dass Höhergewichtungen zu Unrecht nicht
vorgenommen worden seien, gilt folgendes:
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Im Fall 1 besteht die Besonderheit, dass in dem seitens der Antragsgegnerin
zugrundegelegten Referenzzeittraum allein die mündliche Verhandlung in der zweiten
Instanz fällt. Hiervon ausgehend ist der Ansatz einer Gewichtung von 1,0 nicht zu
beanstanden; für eine Höhergewichtung ist kein Raum. Dies gilt auch dann, wenn es sich,
wie die Antragstellerin geltend macht, um ein "sehr kompliziertes und umfangreiches"
Verfahren gehandelt hat.
Hinsichtlich des Falles 10 folgt aus der Zusammenfassung auf Seite 6 des angefochtenen
Bescheides, dass die Antragsgegnerin diesen Fall einmal mit 1,0 und einmal mit 0,5
bewertet hat; auf Seite 5 ihres Bescheides hat sie eine Höhergewichtung auf 1,5
vorgenommen. Hier hat es sich nach den Angaben der Antragstellerin um eine "offene
Beratungsakte" gehandelt, wobei insgesamt eine Vertretung in drei Angelegenheiten
erfolgt sei. Hier ließe sich zwar für den Standpunkt der Antragsgegnerin anführen, dass hier
eine Bewertung mit jeweils 1,0 nicht gerechtfertigt sei, weil die Antragstellerin grundsätzlich
mit der Materie vertraut gewesen war; ausreichend und angemessen erschiene deshalb ein
Ansatz von jeweils 0,75, so dass der Fall 10 mit insgesamt 2,25 anzusetzen wäre.
Allerdings hat der BGH in seiner Entscheidung vom 06.03.2006 (AnwZ(B) 36/05; Leitsatz c
und Tz 28) eine Mindergewichtung für nicht gerechtfertigt erklärt, wenn ein Rechtsanwalt
jährlich Steuererklärungen für denselben Mandanten bearbeitet hat, so dass es konsequent
erscheint – abgesehen von dem Bereich der echten Serienfälle, die sich inhaltlich
überschneiden - , vorliegend dem Gesichtspunkt der "Vorbefassung" allein kein zur
Abgewichtung führendes Gewicht beizumessen. Deshalb ist angesichts des Umstands,
dass eine inhaltliche Überlappung hier nicht gegeben ist, von drei Fällen auszugehen, die
jeweils mit 1,0 zu gewichten sind. Deshalb ist Fall 10 insgesamt mit 3,0 zu gewichten.
Hinsichtlich des seitens der Antragstellerin in diesem Zusammenhang ebenfalls
angeführten Fall 100 kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
3.4.
Der Einwand der Antragstellerin, der Fall 31 sei zu Unrecht nicht gewertet worden, ist
berechtigt. Soweit die Antragsgegnerin hierzu auf Seite 5 ihres angefochtenen Bescheides
ausführt, dieser Fall könne nicht gewertet werden, weil die zeitlichen Angaben – Beginn
und Ende am selben Tag – nicht nachvollziehbar seien, bestehen diese Bedenken nicht.
Denn bereits aus der Liste der Antragstellerin geht hervor, dass Bearbeitungsbeginn der
25.03.2004 war und dass die Bearbeitung am 21.10.2004 abgeschlossen wurde. Soweit
die Antragsgegnerin auf Seite 6 des angefochtenen Bescheides diesen Fall mit 0,5 als
"Wohnraummietrecht außergerichtlich" bewertet, ist dies zwar nicht deswegen zu
beanstanden, weil es zu einem Vergleich vor dem LG Köln gekommen ist. Denn die hier in
Rede stehende Kündigung ist in Berufungsverfahren mitverglichen worden. Allerdings
kann die Mindergewichtung von 0,5 nicht darauf gestützt werden, weil es zu diesem
vorerwähnten Vergleich gekommen ist. Denn weder für Bedeutung, Umfang und
Schwierigkeit einer Sache noch für die Intensität der Bearbeitung durch den Rechtsanwalt
ist es von Bedeutung, wie der Konflikt der Parteien gelöst worden ist. Soweit nicht andere
Gesichtspunkte eine Mindergewichtung rechtfertigen, hat es bei der Gewichtung von 1,0 zu
verbleiben. Ein solcher Gesichtspunkt liegt hier auch nicht darin, dass die hier in Rede
stehende Kündigung bereits den zweiten Kündigungsausspruch darstellte, die
Antragstellerin bereits vorbefasst gewesen war und wohl auch von dem Vorliegen einer
inhaltlichen Überlappung auszugehen ist. Denn es handelte sich nach der Beschreibung
der Antragstellerin um eine "komplizierte, umfangreiche und sehr streitige" Sache, bei der
es zweifelhaft war, ob die Kündigungsmöglichkeit durch einen vorangegangenen Vergleich
ausgeschlossen war. Eine Mindergewichtung unter dem Gesichtspunkt einer bereits
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erfolgten Vorbefassung seitens der Antragstellerin mit inhaltlicher Überlappung erscheint
deshalb hier nicht gerechtfertigt.
3.5.
Der Einwand der Antragstellerin, dass der Fall 10 mit 3,0 zu gewichten sei, ist - wie oben
bereits ausgeführt – berechtigt; es erscheint eine Gewichtung dieser drei Angelegenheiten
mit insgesamt 3,0 angemessen.
3.6.
Hinsichtlich des Falles 40 ist der Standpunkt der Antragstellerin, dass dieser zu Unrecht
nur mit 0,5 gewichtet worden ist, zutreffend. Denn zutreffend macht die Antragstellerin
geltend, dass für eine Abgewichtung des Falles 40 keine Veranlassung bestanden hat. Für
die Annahme der Antragsgegnerin, dass es sich hier um eine weitere Kündigung im selben
Mandatsverhältnis wie im Fall 5 handeln könnte, spricht nichts; der angefochtene Bescheid
führt auf seiner Seite 5 hierzu auch keine Gesichtspunkte an. Überdies zeigt der
angefochtene Bescheid auf seiner Seite 6, dass die Antragsgegnerin den Fall 40 als "ein
Fall Wohnraummietrecht außergerichtlich" gewertet hat.
3.7.
Auch der Einwand der Antragstellerin, dass der Fall 98 zu Unrecht mit 0,5 gewichtet
worden sei, ist berechtigt. Wie die Beschreibung ihrer Tätigkeit durch die Antragstellerin
zeigt, hat es sich hier nicht etwa um ein lediglich auf eine Beratung beschränktes Mandat
gehandelt; vielmehr ist es auch zu außergerichtlichem Schriftverkehr gekommen, in dem
die Antragstellerin die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses ausgesprochen hat.
Da anderweitige Gesichtspunkte für eine abweichende Gewichtung nicht ersichtlich sind,
hat es bei dem Ansatz einer Gewichtung von 1,0 zu verbleiben.
3.8.
Ebenfalls mit Erfolg macht die Antragstellerin geltend, dass der Fall 61 mit 2,0 Fällen
gerichtlicher Tätigkeit zu bewerten sei. Denn die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin,
dass es sich nicht um zwei gerichtliche Verfahren in derselben Sache gehandelt habe, wie
es die Antragsgegnerin im angefochtenen Beschluss angenommen hat. Denn nach der
Beschreibung der Antragstellerin hat es sich zum einen um ein Beweissicherungsverfahren
wegen eines Schimmelschadens im Rahmen einer Mietzinsminderung gehandelt und zum
anderen um eine Kautionsrückforderung nach Beendigung des Mietverhältnisses. Da es
sich somit um zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte handelt und zum anderen
unterschiedliche Verfahrensgestaltung vorliegen, besteht trotz einer gewissen
Vorbefassung für eine Mindergewichtung kein durchgreifender Anlass, so dass hier eine
Bewertung mit insgesamt 2,0 vorzunehmen ist. Der angefochtene Bescheid ist zu Fall 61
insgesamt widersprüchlich: Auf Seite 6 wird er mit 0,5 bewertet, während er auf Seite 5 mit
1,5 beurteilt wird, weil es sich um ein und dieselbe Sache handele.
3.9.
Hinsichtlich des Einwandes der Antragstellerin, dass weitere 17 Fälle zu berücksichtigen
sei, in denen vor Erhebung der Räumungsklagen Kündigungen auszusprechen gewesen
seien, gilt folgendes:
Wie oben bereits ausgeführt zählt eine Sache, die ein Rechtsanwalt sowohl
außergerichtlich als auch gerichtlich bearbeitet hat, nur als ein Fall (Vossebürger in
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Feuerich/Weyland § 5 FAO Rz 4; AGH Celle BRAK-Mitt. 2002, 142, 144; BGH NVwZ 1999,
1256, 1257). Zu den Fällen 2 a, 5, 12, 14, 15, 18, 38, 48, 52, 54, 55, 62, 63, 69, 92, 97, 119
macht die Antragstellerin geltend, dass sie vor Erhebung der Räumungsklagen zunächst
außergerichtlich Kündigungen der jeweiligen Mietverhältnisse ausgesprochen hat. Die
Auswertung der genannten Fälle zeigt das Erfordernis einer genauen Differenzierung:
Grundsätzlich ist in der seitens der Antragstellerin zugrunde gelegten Konstellation nur
jeweils ein gerichtlicher Fall anzunehmen. Da die Kündigung des Mietvertrages der
Durchsetzung des Räumungsverlangens dient und das Räumungsverlangen ohne den
Ausspruch einer Kündigung unbegründet ist, ist davon auszugehen, dass außergerichtliche
und gerichtliche Tätigkeit jeweils den gleichen Gegenstand hatten. Deshalb kann in
derartigen Fällen entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht noch zusätzlich jeweils
ein außergerichtlicher Fall angesetzt werden.
Folgende Fälle sind jedoch gesondert gelagert:
Bei Fall 18 hat die Antragsgegnerin sowohl einen gerichtlichen wie auch einen
außergerichtlichen Fall anerkannt, obwohl die Antragstellerin außergerichtlich gekündigt
und gerichtlich die Räumung verlangt hat. Es ist widersprüchlich, in Fall 18 insgesamt 2
Fälle anzuerkennen, es aber in den Fällen 2 a, 12, 38, 52, 55, 62, 63, 69, 92, 97 und 119
nicht zu tun, obwohl diese gleichgelagert sind. Deshalb kann auch in Fall 18 nur ein
gerichtlicher Fall anerkannt werden.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang Fall 5 anführt, lag dieser von
vornherein anders, weil die außergerichtliche Tätigkeit bereits im Jahr 2003 erfolgt ist.
Die Fälle 14 und 15 hat die Antragsgegnerin jeweils als gerichtliche Fälle mit einem
Fallgewicht von je 1,0 gewertet. Nach der Beschreibung in der Liste der Antragstellerin ist
es jedoch nicht nur zu einem gerichtlichen Zahlungsverlangen gekommen. Vielmehr ist
zudem außergerichtlich jeweils eine Kündigung ausgesprochen worden. Deshalb ist in den
Fällen 14 und 15 jeweils ein weiterer außergerichtlicher Fall mit 1,0 anzuerkennen.
3.10.
Der angefochtene Beschluss der Antragsgegnerin ist darüber hinaus in folgenden Fällen
zu korrigieren:
Der Fall 61 ist auf Seite 6 des angefochtenen Bescheides doppelt gezählt worden; einmal
mit gerichtlich 1,0 und einmal mit gerichtlich 0,5: Zutreffend ist die Bewertung als
gerichtlicher Fall mit einem Fallgewicht von 1,5.
Der Fall 23 ist auf Seite 6 des angefochtenen Bescheides seitens der Antragsgegnerin als
außergerichtlicher Fall bewertet worden. Die Beschreibung der Antragstellerin zeigt jedoch,
dass es um eine Tätigkeit innerhalb eines Berufungsverfahrens vor dem LG Köln ging.
Deshalb handelt es sich um einen gerichtlichen Fall. Der angefochtene Bescheid ist
widersprüchlich, weil zum einen auf Seite 4 dargelegt wird, dass kein Fall vorliegt, und zum
anderen auf Seite 6 eine Gewichtung mit 1,0 vorgenommen wird.
Widersprüchlich ist der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich Fall 6: Auf Seite 3 f wird
zunächst eine wesentliche Tätigkeit innerhalb des Dreijahreszeitraums verneint, so dass
der Fall nicht gewertet werden könne. Auf Seite 7 wird der Fall 6 sodann als gerichtlicher
Fall mit 0,5 bewertet. Jedoch ist es unerheblich (vgl. BGH Beschluss vom 06.03.2006
AnwZ(B) 36/05 Leitsatz a Satz 2), ob ein Schwerpunkt der Bearbeitung im
Dreijahreszeitraum liegt; deshalb ist dieser Fall zu berücksichtigen. Eine Mindergewichtung
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darf nicht damit gerechtfertigt werden (vgl. BGH Beschluss vom 06.03.2006 AnwZ(B) 36/05
Leitsatz a Satz 3), dass der Fall bereits vor dem Beginn des Dreijahreszeitraums bearbeitet
wurde. Wie die Beschreibung der Antragstellerin in der Liste zeigt, war das hier der Fall.
Deshalb scheidet eine Mindergewichtung aus; der Fall ist folglich mit 1,0 zu bewerten.
Die Fälle 19 und 20 sind (Seite 4 des angefochtenen Beschlusses) zunächst nicht als Fall
gewertet worden, weil nicht klar sei, ob wesentliche Tätigkeiten in den Dreijahreszeitraum
gefallen seien; im weiteren Verlauf des angefochtenen Beschlusses dann ist das Vorliegen
eines Falles unterstellt worden (ebenfalls Seite 4), weil der Vorprüfungsausschuss die
Vorlage von Arbeitsproben nicht verlangt habe. Da es (vgl. BGH Beschluss vom
06.03.2006 AnwZ(B) 36/05 Leitsatz a Satz 2) nicht darauf ankommt, ob ein Schwerpunkt
der Bearbeitung innerhalb des Dreijahreszeitraums liegt, kann die Abwertung auf Null nicht
gerechtfertigt werden. Diese Fälle sind im Ausgangspunkt als außergerichtliche Fälle mit
jeweils 1,0 zu gewichten. Allerdings kommt bei Fall 19 die Besonderheit hinzu, dass – wie
die Antragstellerin in der Senatsverhandlung dargelegt und belegt hat – es hier bei einer
außergerichtlichen Tätigkeit nicht geblieben ist, sondern sich vielmehr ein Mahnverfahren
angeschlossen hat. Entsprechend zu den obigen Darlegungen zu Fall 91 ist deshalb bei
Fall 19 die Berücksichtigung dergestalt vorzunehmen, dass er sowohl als gerichtlicher als
auch als außergerichtlicher Fall mit je 0,5 anzusetzen ist.
Der Fall 32 ist gänzlich unberücksichtigt geblieben. Nach der Beschreibung der
Antragstellerin in ihrer Liste handelt es sich um eine außergerichtliche Vertretung, die mit
1,0 zu gewichten ist.
Ebenfalls unberücksichtigt geblieben ist der Fall 131. Nach der Beschreibung der
Antragstellerin in der Liste handelt es sich um eine außergerichtliche Vertretung, die mit 1,0
zu gewichten ist.
Der Fall 12 ist auf Seite 3 des angefochtenen Bescheids zu Unrecht als "klar außerhalb der
Frist" liegend bewertet worden. Die Beschreibung der Antragstellerin zeigt, dass am
08.04.2004, also innerhalb des seitens der Antragsgegnerin zugrunde gelegten
Dreijahreszeitraums, eine mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht stattgefunden hat.
Es handelt sich somit um einen gerichtlichen Fall, der mit 1,0 zu bewerten ist.
Bei dem Fall 44 handelt es sich um eine außergerichtliche Vertretung, die entsprechend
den Darlegungen zu Fall 31 mit einem Fallgewicht von 1,0 zu bewerten ist.
Wie die Beschreibung der Antragstellerin zu Fall 117 zeigt, geht es hier um die
Durchsetzung von Maklerlohn im Mahnverfahren; damit liegt entgegen der Seite 6 des
angefochtenen Beschlusses kein außer-, sondern ein gerichtlicher Fall vor.
Zu Unrecht hat die Antragsgegnerin den Fall 4 nicht gezählt, weil in den Dreijahreszeitraum
allein die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz falle, zu
der der Gegner als Berufungsführer nicht erschienen sei, so dass ein Versäumnisurteil
gegen ihn ergangen sei; deshalb fehle es an der entscheidenden mietrechtlichen
Bearbeitung im Dreijahreszeitraum. Diese Begründung der Antragsgegnerin trägt nicht,
weil es nicht auf das Datum der entscheidenden mietrechtlichen Bearbeitung ankommt
(BGH Beschluss vom 06.03.2006 AnwZ(B) 36/05 Leitsatz a Satz 2). Entscheidend ist
vielmehr, ob der Fall im Dreijahreszeitraum "auf dem rechtlichen Spezialgebiet bearbeitet"
worden ist (a.a.O. Leitsatz a Satz 1). Nach den mündlichen Erläuterungen, die die
Antragstellerin vor dem Senat im Einklang mit ihren Angaben in der Liste gemacht hat,
wusste die Antragstellerin zum Zeitpunkt ihrer Vorbereitung auf den Berufungstermin nicht,
dass der Gegner zu dieser nicht erscheinen und ein Versäumnisurteil gegen diesen
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ergehen würde. Da der Termin der Berufungsverhandlung in den Dreijahreszeitraum fällt,
ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass die Vorbereitung der
Antragstellerin auf diesen Termin ebenfalls in den Referenzzeitraum gefallen ist. Deshalb
ist Fall 4 mit einem Fallgewicht von 1,0 als gerichtlicher Fall einzubeziehen.
Bei dem ebenfalls im Senatstermin erörterten Fall 21 hat die mündliche Verhandlung am
12.03.2004 und damit außerhalb des seitens der Antragsgegnerin zugrunde gelegten
Dreijahreszeitraums stattgefunden. Zwar war dem Gegner ein Schriftsatznachlass bis zum
09.04.2004 eingeräumt worden; ein Verkündungstermin war für den Fall des Widerrufs
eines Vergleiches auf den 16.04.2004 angesetzt worden. Zwar ragen diese Daten in den
Dreijahreszeitraum hinein. Nach der Beschreibung der Antragstellerin, die die
Antragstellerin in der Senatsverhandlung nicht ergänzen konnte, ist jedoch nicht erkennbar,
dass sie nach dem 15.03.2004 noch eine mietrechtliche Tätigkeit entfaltet hätte.
Zwar hat die Antragsgegnerin den Fall 78 auf Seite 4 angefochtenen Bescheides zunächst
nicht mitgezählt, jedoch sodann einen außergerichtlichen Fall unterstellt. Letzteres ist
zutreffend, weil der Fall 78 eine andere interne Registraturbezeichnung trägt als der Fall
10, der als identischer Fall in Betracht kommt. Deshalb ist Fall 78 als ein außergerichtlicher
Fall mit einem Fallgewicht von 1,0 zu berücksichtigen.
3.11.
Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ergibt sich ausgehend von dem seitens
der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Dreijahreszeitraums folgendes Gesamtbild über
die von der Antragstellerin nachgewiesenen Fälle:
Fall-Nr.
gerichtlich
außerger.
1
1
2
1
2b
1
3
1
4
1
4a
4b
1
5
1
6
1
7
1
8
1
9
1
10
3
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1
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1
.12 a
13
1
13 a
13 b
14
1
1
14 a
14 b
14 c
15
1
1
15 a
16
1
16 a
17
1
18
1
18 a
18 b
19
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0,5
20
1
21
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1
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1
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0,5
26
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1
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1
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1
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1
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1
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0,5
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1
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1
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1
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1
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1
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0,5
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0,5
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1
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1
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0,5
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0,5
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0,5
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0,5
113
0,5
114
0,5
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118
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115
1
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0,5
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0,5
118
1
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1
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1
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1
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0,5
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1
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0,5
125
1
126
127
1
128
129
130
131
1
132
0,5
133
1
134
1
Summen
58
63
insgesamt
121
Danach ergibt sich, dass die Antragstellerin bei Zugrundelegung des seitens der
Antragsgegnerin angenommenen Referenzzeitraums vom 15.03.2004 bis zum 15.03.2007
zwar die erforderliche Gesamtfallzahl (121 bei erforderlichen 120) und die erforderliche
Zahl außergerichtlicher Fälle (63 bei erforderlichen 60) erreicht hat; allerdings für diesen
Zeitraum nicht in ausreichender Zahl gerichtliche Fälle nachgewiesen hat (58 statt 60).
3.
Vom Rechtsstandpunkt der Antragsgegnerin hätte diese Veranlassung gehabt, die
Durchführung eines Fachgesprächs in ihre Erwägungen einzubeziehen.
Allerdings hatte nach der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung
vorliegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.04.2007 (BRAK-Mitt. 2007,
166) hierzu keine Veranlassung bestanden. Denn in diesem Beschluss hatte der BGH
entschieden, dass durch ein Fachgespräch nur noch Unklarheiten und Zweifel an den
vorgelegten Unterlagen geklärt, nicht aber fehlende Nachweise ersetzt werden dürfen.
121
122
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124
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127
128
129
Diese Einschränkungen hat der Bundesgerichtshof jedoch nunmehr in seinem Beschluss
vom 25.02.2008 (BRAK-Mitt. 2008, 133) aufgegeben. Der dortige Antragsteller hatte die
erforderlichen praktischen Erfahrungen nicht nachgewiesen, weil seine Fallliste nicht
ausreichend Fälle aufwies, um die Quoren zu erfüllen. Gleichwohl hatte die Kammer den
Antragsteller zum Fachgespräch geladen, was die Anwaltskammer nach Auffassung des
BGH auch "gedurft" habe. Die Anwaltskammer sei berechtigt gewesen, dem Antragsteller
die Möglichkeit zu geben, die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen in einem
Fachgespräch nachzuweisen. Der Senat geht mit Scharmer in dessen Anmerkung in
BRAK-Mitt. 2008, 135 davon aus, dass der BGH an der durch Beschluss vom 16.04.2007
vollzogenen Restriktionen nicht mehr festhält und dass auf der Grundlage des Beschlusses
vom 25.02.2008 die Möglichkeit besteht, ein Fachgespräch bei Nachweislücken in den
schriftlichen Unterlagen zu füllen, wobei der Bundesgerichtshof zugleich eine ganz
erhebliche Ausweitung des Themenkreises des Fachgesprächs vorgenommen hat, in dem
er das Abfragen von praktischem Grundlagenwissen zugelassen hat, ohne dass das
Fachgespräch einen Bezug zu den Fällen oder zu den schriftlichen Unterlagen haben
muss.
Gleichwohl besteht keine Veranlassung, allein die angefochtene Entscheidung aufzuheben
und der Antragsgegnerin aufzugeben, die Antragstellerin unter Beachtung der
Rechtsaufassung des Senats nach Durchführung eines Fachgesprächs neu zu
bescheiden.
Vielmehr ist die Sache zur Entscheidung reif, weil es bei der Zugrundelegung eines sich
vom 15.03.2004 bis zum 15.03.2007 erstreckenden Dreijahreszeitraums nicht sein
Bewenden haben kann.
4.
Denn der an sich nach § 5 Satz 1 FAO maßgebende Dreijahreszeitraum vom 15.03.2004
bis zum 15.03.2007 ist vorliegend um 14 Wochen zu erweitern, also bis zum 08.12.2003,
weil sich dieser Dreijahreszeittraum im Hinblick auf die Geburt des zweiten Kindes der
Antragstellerin am 23.11.2005 um die Zeitspannen von sechs Wochen vor und acht
Wochen nach der Geburt entsprechend den Zeiten des Beschäftigungsverbotes nach den
§§ 3, 9 MuSchG erweitert hat.
Deshalb sind die von der Antragstellerin in dem Zeitraum vom 08.12.2003 bis zum
15.03.2007 bearbeiteten Fälle ebenfalls mit einzubeziehen.
13,5 Fälle, davon 2 gerichtliche und 11,5 außergerichtliche Fälle, hinzu.
Antragstellerin anzuerkennende 134,5 Fälle auf dem Fachgebiet, davon 60 gerichtliche
und 74,5 außergerichtliche Fälle, nachgewiesen; die erforderlichen Quoren sind nach
altem und neuem Recht erfüllt.
4.1.
Zwar muss der Rechtsanwalt nach § 5 Satz 1 FAO die nachzuweisenden Fälle "innerhalb
der letzten drei Jahre vor der Antragstellung" bearbeitet haben. Danach könnten die
vorgenannten weiteren Fälle (insgesamt 13,5, davon 2 gerichtliche und 11,5
außergerichtliche Fälle) keine Berücksichtigung finden, weil in ihnen nach dem 15.03.2004
keine Bearbeitung im Fachgebiet stattgefunden hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschluss vom 18.04.2005 Anw(Z) B 31/04 =
NJW 2005, 1943) ist das Erfordernis, dass die nachzuweisenden besonderen praktischen
Erfahrungen innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gesammelt sein
130
131
132
133
müssen, mit höherrangigem Recht vereinbar. Nach den Gründen dieser Entscheidung, der
zugrunde lag, dass ein Rechtsanwalt Fälle berücksichtigt wissen wollte, die er außerhalb
des Dreijahreszeitraums als Rechtssekretär einer Gewerkschaft bearbeitet hatte, bestehen
gegen die ausschließliche Beachtlichkeit der Fallbearbeitung innerhalb des
Dreijahreszeitraums keine Bedenken, insbesondere keine verfassungsrechtlicher Art. Denn
die Festlegung eines bestimmten Zeitraums ermögliche eine eindeutige Überprüfung der
Voraussetzungen; mit drei Jahren sei die Beurteilungszeit relativ lang bemessen. Eine
andere Sichtweise würde dem Bedürfnis nicht gerecht, über den Antrag auf Grund
zeitnaher Erkenntnisse zu entscheiden. Im Interesse des rechtsuchenden Publikums dürfe
davon nicht abgewichen werden. Denn praktische Erfahrungen könnten nicht nur mit der
Intensität und Dauer der Berufsausübung wachsen; sie können, falls sie zu lange
zurückliegen, auch "altern". Das rechtsuchende Publikum dürfe jedoch mit Recht erwarten,
dass ein Rechtsanwalt, dem die Befugnis verliehen wird, sich als Fachanwalt auf einem
bestimmten Gebiet zu bezeichnen, sich auch mit seinen Erfahrungen auf der Höhe der Zeit
befinde. Wenn die Dreijahresfrist nicht strikt beachtet werden würde, könnte die
Beurteilungsgrundlage nicht mehr verlässlich eingegrenzt werden. Müssten auch
praktische Erfahrungen aus dem vierten Jahr vor Antragstellung berücksichtigt werden,
ließe sich nicht überzeugend begründen, warum dies nicht auch für solche aus dem fünften
usw. gelte.
Allerdings ist nach Auffassung des Senates, der ausdrücklich der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zur Verfassungsgemässheit der Anordnung des Dreijahreszeitraums folgt,
§ 5 Satz 1 FAO zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Normen des Grundgesetzes dahin
auszulegen, dass sich der Dreijahreszeitraum um den Zeitraum des
Beschäftigungsverbotes der §§ 3, 6 MuSchG – das ebenso wenig wie das ebenfalls seitens
der Antragstellerin in Bezug genommene AGG vorliegend Anwendung findet, denn weder
hat es sich bei der Antragstellerin um eine angestellte Rechtsanwältin gehandelt noch hätte
das Arbeitsverhältnis in Beziehung zur Antragsgegnerin bestanden - verlängert. Angesichts
einer Geburt am 23.11.2005 begann vorliegend die Sechswochenfrist am 12.10.2005; die
Achtwochenfrist endete am 18.01.2006. Die Übersicht der Antragstellerin zeigt, dass sie in
dieser Zeitspanne keine Fälle bearbeitet hat.
Nach § 3 Abs. 2 MuSchG dürfen werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der
Entbindung nicht beschäftigt werden, es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung
ausdrücklich bereit erklären; die Erklärung kann jederzeit widerrufen werden. Nach § 6
Abs. 1 MuSchG dürfen Mütter bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht
beschäftigt werden.
Diesem Schutzanliegen sowie dem verfassungsrechtlichen Schutzgedanken aus Art. 6
Abs. 4 GG ("Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft")
ist durch verfassungskonforme Auslegung von § 5 Satz 1 FAO Rechnung zu tragen.
Art 6 Abs. 4 GG enthält ein echtes Grundrecht im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts
auf Schutz und Fürsorge; die Vorschrift soll die besonderen Belastungen im
Zusammenhang mit der Schwangerschaft und der biologischen Mutterschaft ausgleichen:
Diese Norm rechtfertigt die Ungleichbehandlung von Mann und Frau; sie wirkt als
spezielles Diskriminierungsverbot und verbietet die Benachteiligung von Müttern
gegenüber Nichtmüttern (vgl. Jarass/Pieroth, 9. Aufl., Art. 6 GG Rz 44 m.w.N.). Als
geschützte Situation ist auch erfasst, wenn die Mutter wirtschaftliche oder berufliche
Nachteile erleidet, die auf die biologische Mutterschaft, insbesondere die Inanspruchnahme
von Mutterschutzzeiten zurückzuführen sind (a.a.O. Rz 45). Der Anspruch auf Schutz und
Fürsorge steht auch nicht etwa nur Arbeitnehmerinnen zu, sondern auch selbständig
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139
erwerbstätigen Müttern (Mangoldt/Klein/Robbers, 5. Aufl., Art. 6 GG Rz 291).
Eine in den Dreijahreszeitraum fallende Geburt hat zur Folge, dass der betroffenen
Rechtsanwältin nicht der volle Dreijahreszeitraum für anwaltliche Tätigkeit zur Erlangung
der erforderlichen Fallzahlen zur Verfügung steht, sondern ein um die durch
Schwangerschaft und Geburt einhergehenden Einschränkungen verminderter Zeitraum.
Dieser Zeitraum kann in Orientierung an die §§ 3, 6 MuschG generalisierend mit den dort
genannten Zeiträumen bemessen werden. Denn diesen Zeiträumen liegt die Annahme des
Gesetzgebers zugrunde, dass Schwangere bzw. Mütter typischerweise in den dort
genannten Zeiträumen der Schonung bedürfen; die hohe Bedeutung der dabei betroffenen
Rechtsgüter wird dadurch belegt, dass Verstöße gegen die Beschäftigungsverbote nach §
21 MuSchG Straftaten und Ordnungswidrigkeiten darstellen können.
Rechtsanwältinnen in der Situation der Antragstellerin erleiden durch die Geburt ihres
Kindes in der anwaltlichen Tätigkeit besondere Nachteile, mit denen männliche
Rechtsanwälte ebenso wie Rechtsanwältinnen, die nicht innerhalb des
Dreijahreszeittraums des § 5 Satz 1 FAO Mütter werden, nicht belastet sind. Diese
besondere Belastung gegenüber männlichen Fachanwaltsbewerbern und solchen
Bewerberinnen, die nicht innerhalb des Dreijahreszeitraums Mutter werden, bedarf des
angemessenen Ausgleichs, um die Chancengleichheit aller Bewerber und Bewerberinnen
wieder herzustellen.
Zeitliche und inhaltliche Abgrenzungsschwierigkeiten, auf die der Bundesgerichtshof in
seinem vorgenannten Beschluss für den dortigen Entscheidungsfall hingewiesen hat,
stellen sich bei einer Heranziehung der Fristen der §§ 3, 6 MuSchG nicht. Denn die Fristen
betragen stets jeweils sechs bzw. acht Wochen und sind durch den Geburtstermin zeitlich
fixiert. Die Verhinderung der Rechtsanwältin ist in diesem Zeitraum vollständig und erfasst
die volle Tätigkeit. Die Kürze der Summe der Zeiträume von 14 Wochen berührt den
maßgeblichen Gesichtspunkt der Sicherung der Aktualität der Erfahrungen des
Rechtsanwalts nicht substantiell.
Die Gefahr einer weiteren Aufweichung der Dreijahresfrist ist mit der Berücksichtigung der
Zeiten des Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG nicht verbunden. Denn diese
Zeiten sind etwa mit Zeiten einer Krankheit, die im Hinblick auf die Bestimmung ihrer
Tragweite und ihrer zeitlichen Dauer zu nicht handhabbaren Abgrenzungsschwierigkeiten
führt und die ohnehin Männer und Frauen in gleicher Weise treffen kann, nicht vergleichbar.
Ebenso wenig sind die Zeiten des Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG mit der
Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zu vergleichen, die
für 36 Monate in Anspruch genommen werden kann und die deshalb dazu führen kann,
dass sich der jeweilige Antragsteller mit seinen praktischen Erfahrungen nicht mehr auf der
Höhe der Zeit befindet und die ohnehin Vätern und Müttern gleichermaßen zur Verfügung
steht.
Deshalb ist § 5 FAO verfassungskonform dahin auszulegen, dass sich der dort genannte
Dreijahreszeitraum um eine solche Dauer verlängert, die der Dauer der in Anspruch
genommenen Zeiten des Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG entspricht. § 5 FAO ist
einer solchen verfassungskonformen Auslegung zugänglich und muss nicht etwa als
verfassungswidrig betrachtet werden.
Denn diese Auslegung steht nicht zu einem erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen
des Normgebers in Widerspruch. Anders als im Zusammenhang mit dem in § 3 FAO
angesprochenen Dreijahreszeitraum – Erfordernis einer dreijährigen Zulassung bei
Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre - , bei dessen Festlegung auch Gesichtspunkte
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einer Tätigkeitsunterbrechung wegen einer "Babypause" von Bedeutung gewesen sind
(vgl. Vossebürger in Feuerich/Weyland, 7. Aufl., § 3 FAO Rz 3) - fehlt auch nach dem
Ergebnis der Erörterung in der Senatsverhandlung jeder Anhaltspunkt dafür, dass sich der
Satzungsgeber mit der hier in Rede stehenden Fragestellung im Sinne einer eindeutig
entgegenstehenden Willensbildung befasst hätte.
Zwar besteht keine Verpflichtung, dem Förderungsgebot des Art 6 Abs. 4 GG ohne
Rücksicht auf sonstige öffentliche Belange nachzukommen, insbesondere jede mit der
Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen; widerstreitende
grundrechtliche Schutzgüter sind deshalb abwägend zu berücksichtigen. Vorliegend ist das
berechtigte Interesse des rechtsuchenden Publikums, davon ausgehen zu können, dass
ein Rechtsanwalt, dem die Befugnis verliehen wird, sich als Fachanwalt auf einem
bestimmten Gebiet zu bezeichnen, sich auch mit seinen Erfahrungen auf der Höhe der Zeit
befindet, durch die Verlängerung des Dreijahreszeitraums von 14 Wochen wegen der
Kürze dieses Zeitraums nicht derart berührt, dass eine Nichtbeachtung des Schutz- und
Fürsorgeanspruchs der Mutter damit zu rechtfertigen wäre.
4.2.
Die in dem Erweiterungszeitraum vom 08.12.2003 bis zum 14.03.2004 bearbeiteten Fälle
sind wie folgt zu berücksichtigen:
Fall 4 a
gerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 12 a
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 13 b (wohl gemeint Fall 13 a)
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 14 a
Außergerichtlicher Fall mit 0,5
Fall 14 b
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 14 c
Außergerichtlicher Fall mit 0,5
Fall 15 a
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 16 a
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 18 a
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165
166
167
168
169
170
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176
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179
180
181
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 18 b
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 21
Gerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 26
Außergerichtlicher Fall mit 0,5
Fall 126
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 128
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Fall 130
Außergerichtlicher Fall mit 1,0
Hinzukommen sind somit im Erweiterungszeitraum 13,5 Fälle, davon 2 gerichtliche und
11,5 außergerichtliche Fälle.
Insgesamt liegen deshalb 134,5 Fälle vor, davon 60 gerichtliche und 74,5 außergerichtliche
Fälle. Damit hat die Antragstellerin die nach § 5 lit j FAO an den Erwerb der besonderen
praktischen Erfahrungen zu stellenden Anforderungen in vollem Umfang erfüllt. Da auch im
Übrigen sämtliche Erfordernisse erfüllt sind, ist die Antragsgegnerin verpflichtet, der
Antragstellerin die Führung der Bezeichnung als "Fachanwältin für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht" zu gestatten.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 223 Abs. 4, 201 Abs. 2 BRAO. Die
Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen fußt auf den §§ 223 Abs. 4,
40 Abs. 4 BRAO, 13 a FGG.
Die sofortige Beschwerde war nach § 223 Abs. 3 BRAO zuzulassen, weil der Senat über
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden hat.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den § 223 Abs. 4, 202 Abs. 2 BRAO i.V.m.
§ 30 Abs. 2 KostO und berücksichtigt das Interesse der Beteiligten und die Bedeutung der
Sache.
1 AGH 39/08
In dem Verfahren
hat der 1. Senat des Anwaltsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen im
schriftlichen Verfahren am 12. Dezember 2008 durch
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b e s c h l o s s e n :
Der Tenor der Senatsentscheidung vom 22. August 2008 wird in seinem zweiten
Absatz dahin berichtigt, dass es dort nunmehr wie folgt heißt:
Die notwendigen Auslagen der Antragstellerin trägt die Antragsgegnerin.
G r ü n d e :
Der Beschluss des Senates vom 22. August 2008 war im zweiten Absatz seines Tenors
wegen eines offenbaren Schreibversehens dahin zu berichtigen, dass der Ausspruch, dass
die Kosten des Verfahrens seitens der Antragsgegnerin zu tragen seien, entfällt. Denn wie
die Senatsentscheidung unter 5. (Seite 30 des Beschlusses) zeigt, hat der Senat die
Entscheidung hinsichtlich der gerichtlichen Gebühren und Auslagen auf § 201 Abs. 2
BRAO gestützt, wonach Gerichtskosten (gerichtliche Gebühren und Auslagen) nicht
erhoben werden, wenn – wie hier – einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung
stattgegeben wird. Deshalb war der Tenor zu berichtigen.
Die Pflicht der Antragsgegnerin, der Antragstellerin deren notwendige Auslagen zu
erstatten, bleibt unberührt.