Urteil des AnwGH Nordrhein-Westfalen vom 20.06.2008

AnwGH NRW: rechtliches gehör, umwandlung, gestaltung, fao, auflösung, konzern, gesellschaftsrecht, schwiegersohn, korrespondenz, abfindung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Anwaltsgerichtshof NRW, 1 AGH 26/08
20.06.2008
Anwaltsgerichtshof NRW
1. Senat des Anwaltsgerichtshofes
Beschluss
1 AGH 26/08
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der
Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Gegenstandswert wird auf 12.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist seit 1996 zur Rechtsanwaltschaft als Rechtsanwalt im Bezirk der
Antragsgegnerin zugelassen.
Mit Schreiben vom 03. 08. 2007, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 06. 08. 2007,
hat der Antragsteller beantragt, ihm zu gestatten, die Bezeichnung "Fachanwalt für
Handels- und Gesellschaftsrecht" zu führen.
Hierzu hat er eine Bescheinigung über den erfolgreichen Besuch eines
Fachanwaltslehrgangs beim Kölner Anwaltverein in der Zeit vom 20. 09. 2006 bis zum 17.
03. 2007 nebst den absolvierten Klausuren und eine Liste mit 169 praktischen Fällen ohne
Gliederung nach Fachgebieten vorgelegt.
Mit Schreiben vom 21. 09. 2007 hat der Berichterstatter des Vorprüfungsausschusses den
Antragsteller darauf hingewiesen, dass mindestens 20 Fälle die Gestaltung von
Gesellschaftsverträgen oder die Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum
Gegenstand haben müssen und den Antragsteller aufgefordert mitzuteilen, welche Fälle
aus der Fallliste diesen Gestaltungscharakter im Sinne von § 5 Abs. 1 Lit. p FAO haben.
Daraufhin hat der Antragsteller mit Schreiben vom 26. 09. 2007 aus der Fallliste 22 Fälle
bezeichnet und zwar die Fälle Nr. 2, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 13, 18, 24, 29, 30, 37, 41, 47, 48, 52,
55, 71, 89, 98 und 128, wobei er darauf hinwies, dass der Fall Nr. 47, bei dem es um einen
kleinen Konzern gegangen sei, 6 Fälle enthalte.
Außerdem hat er verschiedene Arbeitsproben vorgelegt, die angefordert worden waren.
Die Antragsgegnerin hat den Antrag durch Bescheid vom 03. 03. 2008, der dem
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Antragsteller am 07. 03. 2008 zugestellt wurde, zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass den Fällen Nr. 2, 3, 9, 13, 29, 30, 37, 47 und 52
kein Gestaltungscharakter im Sinne von § 5 Abs. 1 Lit. p FAO zukomme, so dass die
danach geforderten 20 Fälle nicht erreicht wären.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung
vom 07. 03. 2008, der am 10. 03. 2008 beim Anwaltsgerichtshof eingegangen ist.
Er macht geltend, die Bewertung der Antragsgegnerin sei unzutreffend, die in Rede
stehenden Fälle hätten sehr wohl die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen oder die
Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum Gegenstand gehabt.
Außerdem beinhalte der Fall Nr. 47, bei dem es um einen kleinen Konzern gegangen sei,
allein 6 Fälle.
Schließlich macht er noch geltend, dass ihn die Kammer nicht darauf hingewiesen habe,
dass sie bestimmte Fälle nicht anerkennen wolle und damit die geforderte Fallzahl nicht
erreicht werde. Es wäre dann für ihn ganz einfach gewesen, seine Fallliste gegebenenfalls
zu ergänzen. Allein wegen dieses Verfahrensfehlers müsse die Entscheidung der Kammer
aufgehoben werden.
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid und vertritt die
Ansicht, dass der Hinweis und die Aufforderung im Schreiben vom 21. 09. 2007
ausreichend gewesen seien.
II.
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet und deshalb
zurückzuweisen.
§ 5 Abs. 1 Lit. p FAO fordert an praktischen Fällen für den "Fachanwalt für Handels- und
Gesellschaftsrecht" mindestens 20 Fälle, die die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen
oder die Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum Gegenstand haben.
Damit ist eine enge, genau beschriebene Festlegung für die in diesem Teilbereich des
Fächerkanons in Betracht kommenden Fälle gegeben.
In negativer Hinsicht lassen sich insoweit bloße Übertragungen von bestehenden
Gesellschaftsanteilen unter Beibehaltung des Gesellschaftsvertrages als solchen oder die
Auflösung einer Gesellschaft als anzuerkennende Fälle ausschließen, da ihnen nicht der
geforderte gesellschaftsrechtliche Gestaltungscharakter zukommt, denn lediglich die
Gründung oder die Umwandlung von Gesellschaften erfüllen nach dem ausdrücklichen
Wortlaut der Norm diese Anforderung.
Ausgehend von diesen Überlegungen hat der Antragsteller nicht die geforderte Anzahl von
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20 gesellschaftsrechtlich gestaltenden Fällen nachgewiesen. Sein Antrag wurde deshalb
zu Recht zurückgewiesen.
Von den zu der streitigen Fallgruppe benannten 22 Fällen, erfüllten allenfalls 14 die
vorgegebenen Anforderungen.
Bei den folgenden Fällen dagegen ist der gesellschaftsrechtliche Gestaltungscharakter zu
verneinen:
Der Fall Nr. 2 enthält mit der bloßen Übertragung von Gesellschaftsanteilen und einer
Nießbrauchseinräumung schon nach der eigenen Beschreibung des Antragstellers keine
Gestaltung eines Gesellschaftsvertrages. Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen kann
auch nicht einer Gründung oder Umwandlung gleichgesetzt werden.
Der Fall Nr. 3 ist nicht anzuerkennen, weil er nach der vorgelegten Arbeitsprobe nur die
Anmeldung der Zweigniederlassung einer polnischen Gesellschaft, die bereits 1996 in
Polen gegründet wurde, betraf ohne einen neuen eigenständigen Gesellschaftsvertrag.
Soweit der Antragsteller noch anmerkt, dass er die Handakte an Kollegen in Berlin
übergeben habe, wäre es in dem formalisierten Verfahren gemäß § 6 Abs. 3 FAO seine
Sache gewesen, sich diese wieder zu verschaffen und der Kammer und dem Senat
vorzulegen, wenn sich daraus weitergehende Erkenntnisse als aus der eingereichten
Arbeitsprobe ergeben sollten, wofür jedoch bisher keine Anhaltspunkte ersichtlich sind.
Nach der vom Antragsteller zu Fall Nr. 9 vorgelegten Arbeitsprobe ging es dabei um einen
per E-Mail vom 01. 04. 2005 erteilten Auftrag zur Prüfung eines Anstellungsvertrages bei
einer Gesellschaft, deren Satzung bereits bestand. Den Nachweis für eine daraus
hervorgegangene Änderung des Gesellschaftsvertrages auf der Basis einer Beratung durch
den Antragsteller hat dieser nicht erbracht.
Nach der zu Fall Nr. 13 vorgelegten Arbeitsprobe wurden in dieser Sache zwei Klagen
gefertigt, eine auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen einer Gesellschaft und eine auf
Auseinandersetzung der Gesellschaft. Beiden kommt aber kein gesellschaftsrechtlicher
Gestaltungscharakter zu.
Im Fall Nr. 29 wurde der Auflösungsbeschluss für eine GmbH & Co KG vorbereitet und
deren Auflösung zum Handelsregister angemeldet. Darin liegt aber kein
gesellschaftsrechtlicher Gestaltungscharakter im Sinne der Gestaltung von
Gesellschaftsverträgen oder der Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften.
Bei dem Fall Nr. 30 enthält die vorgelegte Arbeitsprobe lediglich streitige Korrespondenz
um die Auflösung einer GmbH & Co KG und der GmbH, jedoch keine relevanten
Unterlagen mit gesellschaftsrechtlichem Gestaltungscharakter. Die Auflösung einer
Gesellschaft genügt dazu nach dem eindeutigen Wortlaut von § 5 Abs. 1 Lit. p FAO nicht.
Auch wenn der Fall Nr. 47 einen kleinen Konzern mit 6 Gesellschaften betraf, so war der
Antragsteller dabei nach seiner eigenen Tätigkeitsbeschreibung mit der Übertragung der
Gesellschaftsanteile der X, der X1, der X2, der X3 und der X4 vom Vater auf die Tochter
und den Schwiegersohn incl. Abfindung und Pflichtteilsverzicht der 2. Frau des Vaters und
des ältesten Sohnes befasst. All das hatte aber weder die Gestaltung von
Gesellschaftsverträgen noch die Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum
Gegenstand.
Der Fall Nr. 52 betraf einen Kaufvertrag, auch wenn Kaufgegenstand eine AG war, eine
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Tätigkeit mit gesellschaftsrechtlichem Gestaltungscharakter war danach nicht damit
verbunden.
Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin habe ihm nicht
ausreichend rechtliches Gehör gewährt, ist dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt. Der
Berichterstatter des Vorprüfungsausschusses hat ihn mit Schreiben vom 21. 09. 2007 auf
die Notwendigkeit von mindestens 20 Fällen mit Gestaltungscharakter hingewiesen und
ihn aufgefordert, diese zu benennen. Damit ist die Kammer ihren Verpflichtungen in dem
formalisierten Fachanwaltsverfahren nachgekommen. Es war dann in dem formalisierten
Antragsverfahren allein die eigene Obliegenheit des Antragstellers, genügend Fälle dieses
Teilbereichs nach § 5 Abs. 1 Lit. p FAO, die die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen
oder die Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum Gegenstand haben,
vorzulegen. Lediglich bei einer Abgewichtung von Fällen, die als solche dem geforderten
Teilbereich unterfallen, ist dem Antragsteller gemäß § 24 Abs. 4 FAO Gelegenheit zu
geben, Fälle nachzumelden. Dagegen obliegt es allein dem Antragsteller, ausreichend
Fälle aus dem geforderten Fächerkanon zu melden. Es ist sein Risiko, wenn die
gemeldeten Fälle die notwendigen Anforderungen nicht erfüllen und damit die erforderliche
Anzahl nicht gegeben ist. Diese Aufgabe, geeignete Fälle in ausreichender Zahl sorgfältig
aus seinem Tätigkeitsbereich auszuwählen, der der Antragsteller hier nicht hinreichend
nachgekommen ist, kann er nicht auf die Kammer und deren Vorprüfungsausschuss
verlagern, auch nicht über das Institut des rechtlichen Gehörs.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 201 Abs. 1 BRAO, 13 a FGG.
Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats.