Urteil des AnwGH Nordrhein-Westfalen vom 21.11.2008

AnwGH NRW: finanzielle verhältnisse, vermögensverfall, erlass, zahlungsaufschub, rechtsanwaltschaft, bezirk, konsolidierung, gefährdung, sanierung, präsident

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Anwaltsgerichtshof NRW, 1 AGH 103/08
21.11.2008
Anwaltsgerichtshof NRW
1. Senat
Beschluss
1 AGH 103/08
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der
Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
I
Der Antragsteller ist 60 Jahre alt und seit 1978 als Rechtsanwalt im Bezirk der
Antragsgegnerin zugelassen.
Im Januar 1983 wurde er daneben zum Notar bestellt. Mit Verfügung vom 06.09.2007 hat
ihn der Präsident des OLG Hamm dieses Amtes endgültig enthoben, weil die Art seiner
Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährde.
Diese Entscheidung hat der BGH durch Beschluss vom 28. 07. 2008 bestätigt. Zur
Begründung hat der BGH darin ausgeführt, dass die finanzielle Situation des Antragstellers
unverändert schlecht sei und verweist dabei auf
- 313.982,10 € Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der C eG,
- 100.444,84 € Verbindlichkeiten gegenüber I2 N,
- 91.100,40 € Negativsaldo auf dem Geschäftskonto bei der T1 N2 mit
Überziehungszinsen von 16 – 18 %.
Mit Bescheid vom 20. 10. 2008, zugestellt am 22. 10. 2008, hat die Antragsgegnerin seine
Zulassung als Rechtsanwalt aus den Gründen von § 14 Abs. 2, Nr. 7 BRAO widerrufen,
nachdem sie ihm zuvor mit Schreiben vom 16. 09. 2008 unter Androhung des Widerrufs der
Zulassung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte.
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Zur Begründung verweist sie dabei auf eine beigefügte Aufstellung über Verbindlichkeiten
und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller unter den laufenden Nummern 38
– 48.
Nr. 38 108.262,64 € Forderung des Gläubigers I2 N aus einem
Schuldanerkenntnis v. 20. 01. 2006,
Nr. 39 91.100,40 € negativ Saldo auf dem Geschäftskonto bei der T1 N2,
Nr. 40-47 52.458,94 € Summe aus 8 auf Antrag des Finanzamtes J am
21. 08. 2008 eingetragene Sicherungshypotheken auf einen Grundbesitz
des Antragstellers und seiner Frau in M1,
Nr. 48 7.529,04 € Zwangsvollstreckungsauftrag des Gläubigers V T
vom 13. 09. 2008 gegen den Antragsteller
(durch Zahlung erledigt am 29. 10. 2008).
Gegen den Widerrufsbescheid wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf
gerichtliche Entscheidung vom 21. 11. 2008, der am selben Tag beim AGH eingegangen
ist.
Nach dem Erlass des Bescheides ist es noch zu folgenden
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen.
1.390,60 € 20. 11. 2008 Vollstreckungsauftrag der M2
L2/Q1,
(durch Zahlung erledigt am 28. 11. 2008),
789,21 € 25. 11. 2008 Vollstreckungsauftrag der D M,
(durch Zahlung erledigt am 02. 03. 2009)
238,00 € 01. 12. 2008 Vollstreckungsauftrag der P I3,
(durch Zahlung erledigt am15. 12. 2008),
108.262,64 € 28. 12. 2008 Vollstreckungsauftrag des I2 N,
1.116,50 € 06. 02. 2009 Vollstreckungsauftrag der M3
B2,
589,93 € 09. 02. 2009 Vollstreckungsauftrag der Q2 W1,
(durch Zahlung erledigt am 12. 02. 2009),
Der Antragsteller macht geltend, Vermögensverfall liege bei ihm nicht vor, die Interessen
Rechtsuchender seien nicht gefährdet. Die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt
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seien nach einer Betriebsprüfung im Mai 2008 entstanden, er habe darauf bereits
Zahlungen erbracht, zur Zeit sei laut Bescheinigung des Finazamtes vom 13. 03. 2009
noch ein Betrag von 10.731,15 € offen.
Die Forderung der M3 B sei am 19. 03. 2009 durch Überweisung erledigt worden. Hierzu
hat der Antragsteller einen Kontoauszug vorgelegt.
Der Kontokorrentkredit auf dem Geschäftskonto werde nur im vereinbarten Rahmen in
Anspruch genommen.
Hinsichtlich der Darlehensforderungen der C über 345.316,78 € und 43.285,99 € verhandle
er über eine Umfinanzierung durch die W2 T2 im O1 L1, falls diese nicht zustande kommen
sollte, sei auch die C zu einer Prolongation bereit.
Auf die Forderung des Gläubigers N habe er zwar noch nichts gezahlt, Herr N habe ihm
aber laut Schreiben des Rechtsanwalts I einen Zahlungsaufschub bis zum 30. 06. 2009
gewährt.
Der Antragsteller beantragt, den Bescheid aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung
zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den erlassenen Bescheid und verweist darauf, dass
es auch noch nach dessen Erlass zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den
Antragsteller gekommen sei. Es beständen weiterhin erhebliche Verbindlichkeiten. Von
einer zweifelsfreien Sanierung des Antragstellers könne nicht ausgegangen werden.
II
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet und deshalb
zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu Recht widerrufen.
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO hat dies zu geschehen, wenn der Rechtsanwalt in
Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der
Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
Ein Vermögensverfall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist,
die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Verpflichtungen
nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von
Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn.
Diese Voraussetzungen waren bezüglich des Antragstellers bei Erlass des
Widerrufsbescheids im Hinblick auf die offenen Forderungen des Finanzamtes, des Herrn
N, des Herrn T und der C gegeben, wobei die ersten drei Gläubiger auch
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller eingeleitet hatten.
Nach dem Erlass des Bescheides sind weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
hinzugekommen, wie dem vorstehenden Sachverhalt zu entnehmen ist. Sie wurden zum
Teil sogar wegen geringer Beträge unter 800,- € erforderlich.
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Wenn der Antragsteller diese auch zum Teil bis zur mündlichen Verhandlung vor dem
Senat noch ausgleichen konnte, kann aber bei immer wieder anfallenden
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht von einer zweifelsfreien Konsolidierung seiner
Vermögensverhältnisse ausgegangen werden.
Dagegen spricht auch die seit Januar 2006 noch in voller Höhe offene Forderung des Herrn
N, der dem Antragsteller nur einen Zahlungsaufschub gewährt hat, weil die wirtschaftliche
Lage des Antragstellers derzeit keine Zahlungen gestattet, wie aus dem Schreiben des
Rechtsanwalts I vom 12.03.2009 deutlich hervorgeht. Gegenüber dem Finanzamt bestehen
noch Steuerschulden von 10.731,15 €. Ebenfalls ist das weitere Schicksal der
Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der C ungewiss, da der Antragsteller die
Verhandlungen darüber bisher nicht zum Abschluss bringen konnte.
Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer möglichen Gefährdung der Interessen der
Rechtsuchenden, Anhaltspunkte dafür, dass das hier ausnahmsweise nicht der Fall ist
bestehen nicht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 201 Abs. 1 BRAO, 13 a FGG.
Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats.