Urteil des AnwGH Nordrhein-Westfalen vom 18.09.2009

AnwGH NRW: finanzielle verhältnisse, vermögensverfall, zwangsversteigerung, verkehrswert, darlehen, gefährdung, bezirk, grundstück, zwangsverwaltung, konsolidierung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Anwaltsgerichtshof NRW, 1 AGH 51/09
18.09.2009
Anwaltsgerichtshof NRW
1. Senat
Beschluss
1 AGH 51/09
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der
Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist 56 Jahre alt und seit 1984 als Rechtsanwalt im Bezirk der
Antragsgegnerin zugelassen.
Mit Bescheid vom 24. 06. 2009, zugestellt am 26. 06. 2009, hat die Antragsgegnerin seine
Zulassung aus den Gründen von § 14 Abs. 2, Nr. 7 BRAO widerrufen, nachdem sie ihm
zuvor mit Schreiben vom 19. 03. 2008 und vom 04. 03. 2009, zugestellt am 06. 03. 2009,
unter Androhung des Widerrufs der Zulassung nach einer erneuten Fristverlängerung am
08. 05. 2009 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte.
Gestützt hat die Antragsgegnerin den Widerruf darauf, dass der Antragsteller aus einem
privaten Kredit dem Kreditgeber, Herrn Y, etwa 483 TS € schuldet und hieraus seit Juni
2008 die Zwangsversteigerung und die Zwangsvollstreckung in ein ländliches Anwesen
des Antragstellers in L, L1, betrieben werden.
Daneben hat es im November 2008 einen Vollstreckungsauftrag der E1 über
78,30 € gegen den Antragsteller aus einem Vollstreckungsbescheid vom 27.08.2008
gegeben.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung
vom 27. 07. 2009, der am selben Tag beim AGH eingegangen ist.
Der Antragsteller macht unter Vorlage des in dem Zwangsversteigerungsverfahren
eingeholten Verkehrswert-Gutachtens geltend, dass das Anwesen einen Verkehrswert von
mindestens 1,5 Mil. € habe, so dass damit die Schulden gegenüber Herrn Y in jedem Fall
abgedeckt seien. Das Darlehen des Herrn Y sei zur Finanzierung des Ausbaus einer
Scheune auf seinem Anwesen mit Wohnungen verwandt worden. Daraus ließen sich
Mieteinnahmen von 5.665,- € monatlich erzielen, wie eine Aufstellung des
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Zwangsverwalters zeige.
Außerdem verhandle er etwa seit Anfang April 2009 mit der T1 über ein
Darlehen zur Ablösung der Ansprüche des Herrn Y, diese aber habe noch keine
Entscheidung getroffen und verlange immer wieder neue Unterlagen, sei aber
grundsätzlich an einer Kreditvergabe interessiert.
Daneben habe er aus früheren Baufinanzierungen für das von ihm privat genutzte Gebäude
auf dem Grundstück noch 5 Darlehen bei der E2, die er ord-
nungsgemäß jährlich mit etwa 21.000,- € bediene, das erste werde im März 2010 getilgt
sein, die übrigen liefen bis 2012, insgesamt valutierten sie noch in Höhe von etwa 88.000,-
€ und sind ebenfalls durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesichert.
Aus der Kanzlei erwarte er für das laufende Jahr einen Überschuss zwischen
80.000 € und 90.000 €, im Jahr 2008 seien es 64.763,36 € gewesen, aus einer C1 für
Januar – April 2009 ergebe sich ein Überschuss von 27.746,12 €.
Vermögensverfall liege unter diesen Umständen bei ihm nicht vor. Darüber hinaus bestehe
auch keine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender. Er nehme seit Jahren keine
Fremdgelder mehr entgegen.
Der Antragsteller beantragt, den Bescheid aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung
zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf ihren Bescheid. Eine zweifelsfreie
Sanierung sei seitdem noch nicht feststellbar.
II
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet und deshalb
zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu Recht widerrufen.
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO hat dies zu geschehen, wenn der Rechtsanwalt in
Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der
Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
Ein Vermögensverfall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist,
die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Verpflichtungen
nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von
Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn.
Diese Voraussetzungen sind bezüglich des Antragstellers bei Erlass des
Widerrufsbescheids gegeben gewesen. Der Antragsteller ist nicht mehr in der Lage
gewesen, die Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger Y in geordneter Weise
zurückzuführen, so dass es zur Anordnung der Zwangsversteigerung und der
Zwangsverwaltung gekommen ist.
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Allein der Hinweis auf den Verkehrswert seines Anwesens reicht nicht aus, um einen
Vermögensverfall zu verneinen, da keine gesicherten Vorhersagen darüber gemacht
werden können, welcher Erlös sich daraus bei einer Zwangsversteigerung tatsächlich
erzielen lassen wird.
Die angekündigte Umschuldung über die T1 ist bisher nicht zustande ge-
kommen. Trotz monatelanger Verhandlungen mit der Bank dazu vermochte der
Antragsteller nicht anzugeben, wann damit gerechnet werden kann. Die
Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung werden daher weiter betrieben.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass neben den Schulden gegenüber Herrn Y noch 5
Kredite in einer nicht unerheblichen Gesamthöhe bei der E2
aus einer früheren Baufinanzierung bestehen, selbst wenn diese bisher vom Antragsteller
bedient werden, wie er angibt.
Damit kann derzeit noch nicht von einer zweifelsfreien Konsolidierung der
Vermögensverhältnisse des Antragstellers ausgegangen werden.
Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer möglichen Gefährdung der Interessen der
Rechtsuchenden. Anhaltspunkte dafür, dass das hier ausnahmsweise nicht der Fall ist,
bestehen nicht. Allein der Hinweis des Antragstellers er nehme keine Fremdgelder
entgegen, reicht dazu nicht aus. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass der
Antragsteller noch im Jahr 2006 eine Geldbuße von 4.000,- € an die Antragsgegnerin
gezahlt hat (Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer E3 – ######) , da er
Fremdgelder von 16.600,- €, die er im September 2001 eingenommen hatte, auch nach
einem rechtskräftigen Versäumnisurteil vom 30. 11. 2002 (LG Düsseldorf ###########)
erst im August 2003 auskehrte.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 201 Abs. 1 BRAO, 13 a FGG.
Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats.