Urteil des AnwGH Berlin vom 22.06.2017

AnwGH Berlin: gefahr, rechtsanwaltschaft, vermögensverfall, widerruf, link, quelle, absicht, sammlung, rente, einkünfte

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Gericht:
Anwaltsgerichtshof
Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
I AGH 24/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 14 Abs 2 Nr 7 BRAO, § 16 Abs
5 BRAO, § 37 Abs 1 BRAO, § 37
Abs 2 BRAO, § 37 Abs 3 BRAO
Anwaltgerichtliches Verfahren in Zulassungssachen: Zulässigkeit
eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach
Zulassungswiderruf; Wegfall eines Vermögensverfalls durch
Vergleichsgespräche; Geschäftswertbemessung
Leitsatz
1) Die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 16 Abs. 5, 37 Abs. 1 – 3
BRAO setzt weder voraus, daß ein konkreter Antrag formuliert, noch daß der Antrag
begründet wird. Ausreichend ist insofern, daß die Antragsschrift das Rechtsschutzziel des
Antragstellers hinreichend klar erkennen läßt.
2) Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der Rechtsanwaltszulassung gemäß
§ 14 Abs. 2 Nr. 7 ZPO (wegen Vermögensverfall) ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil
Vergleichsgespräche zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Gläubiger stattgefunden haben
oder weil der Rechtsanwalt beabsichtigt, auf seine Rechte aus der Zulassung demnächst
ohnehin zu verzichten.
3) Der Geschäftswert in Zulassungssachen beträgt ausnahmsweise nur 25.000,- €, wenn die
anwaltliche Tätigkeit des Antrag-stellers schon seit einigen Jahren einen nur noch geringen
Umfang hat und die Einkünfte des Rechtsanwalts hieraus gering sind.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und seit 1991 Mitglied der
Antragsgegnerin. Am 21. Juli 2003 vereinnahmte er in der Nachlasssache A. M.
Fremdgelder in Höhe von 10.057,15 EUR; ferner vereinnahmte er vor dem 27. Februar
2007 in den Nachlasssachen M. E. R. und E. R. Fremdgelder in Höhe von 23.756,66 EUR.
Diese Gelder verbrauchte er zu eigenen, privaten Zwecken. Nachdem er mehrere Jahre
keine kostendeckenden Einnahmen mehr aus seiner anwaltlichen Tätigkeit erzielte und
alle vorhandenen Reserven verbraucht waren, stellte er zum Ende des Jahres 2004 die
anwaltliche Tätigkeit im Wesentlichen ein und gab seine Kanzleiräume auf. Am Ende des
Jahres 2007 führte er noch zwei familienrechtliche Mandate. Er bezieht eine Rente von
monatlich 700 EUR. Zur Rückzahlung der genannten Fremdgelder ist er wirtschaftlich
nicht in der Lage. Diesen Sachverhalt hat der Antragsteller gegenüber der
Antragsgegnerin eingeräumt. Ihr gegenüber machte er lediglich geltend, dass es im Juli
2007 zwei Vergleichsvorschläge in der Nachlasssache A. M. gegeben habe; er
beabsichtige, nach dem Abschluss der familienrechtlichen Mandate auf seine Rechte aus
der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu verzichten.
Die Antragsgegnerin drohte dem Antragsteller mit Schreiben vom 23. Juli 2007, diesem
zugestellt am 24. Juli 2007, den Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls an
und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Bescheid vom 31. Oktober 2007, dem
Antragsteller zugestellt am 1. November 2007, widerrief sie dessen Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO.
Gegen den Bescheid hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt,
der am 28. November 2007 beim Anwaltsgerichtshof eingegangen ist. Eine Begründung
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der am 28. November 2007 beim Anwaltsgerichtshof eingegangen ist. Eine Begründung
ist – trotz gerichtlicher Aufforderung – nicht erfolgt.
Der Antragsteller
hat einen konkret formulierten Antrag nicht gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung haben beide Parteien verzichtet.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere ist der Antrag gemäß §§ 16 Abs. 5 und 37 Abs. 1 bis 3 BRAO formgerecht
und fristwahrend eingelegt. Dabei ist unschädlich, dass der Antragsteller keinen konkret
formulierten Antrag gestellt hat. Denn es genügt, dass die Antragschrift das Ziel des
Antragsteller, den Bescheid vom 31. Oktober 2007 aufzuheben, hinreichend klar
erkennen lässt ( , BRAO, 7. Aufl. 2008, § 37 Rdnr. 23), was vorliegend
der Fall ist. Ebenso ist unschädlich, das der Antragsteller seinen Antrag nicht begründet
hat ( , BRAO, 7. Aufl. 2008, § 37 Rdnr. 24).
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Denn der Antragsteller ist in Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO geraten,
da er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann. Der Umstand, dass
seine mutmaßlich hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt schon lange nicht mehr
kostendeckend war und vor gut 3 Jahren sogar weitgehend eingestellt wurde, bestätigt
dieses Bild; dasselbe gilt für den Umstand, dass er seitdem im Wesentlichen aus
Renteneinkünften in Höhe von 700 EUR lebt. Im Übrigen ist der Umstand, dass
Vergleichsgespräche zwischen dem Antragsteller und einem seiner Gläubiger
stattgefunden haben, nicht von Belang. Von Bedeutung wäre allenfalls der Abschluss
einer Stundungsvereinbarung; dies hat der Antragsteller jedoch nicht behauptet.
Der Vermögensverfall gefährdet die Interessen der Rechtsuchenden. Dabei ist davon
auszugehen, dass einen solche Gefahr im Falle des Vermögensverfalles regelmäßig
besteht ( , BRAO, 7. Aufl. 2008, § 14 Rdnr. 61). Denn ein Rechtsanwalt
ist bei Fortbestand der Zulassung jederzeit befugt, Mandate anzunehmen bzw. weiter zu
bearbeiten, bei denen ihm u.a. fremdes Vermögen anvertraut wird. Es sind keine
Umstände ersichtlich, dass diese Möglichkeit im Falle des Antragstellers ausgeschlossen
wäre. Der Umstand, dass der Antragsteller trotz der Aufgabe seiner Kanzleiräume
weiterhin zwei familienrechtliche Mandate führt, spricht eher für als gegen das Bestehen
einer solchen Gefahr. Im Übrigen ist die bloße Absicht des Antragstellers, auf seine
Rechte aus der Zulassung zu verzichten, nicht von Belang. Denn bis zur Erklärung des
Verzichts bleibt es unvermindert bei der o.g. Gefahr.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 1 BRAO.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 202 Abs. 2 BRAO i.V.m. § 30 KostO. Vor dem
Hintergrund, dass sich die Wertfestsetzung in Zulassungssachen im Regelfall an der
Höhe der Einkünften des Rechtsanwaltes aus seiner anwaltlichen Tätigkeit orientiert (
, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 202 Rdnr. 4) und vorliegend die anwaltliche
Tätigkeit des Antragstellers schon seit einigen Jahren einen nur noch geringen Umfang
hat, ist es sachgerecht, den Geschäftswert auf die Hälfte des ansonsten üblichen
Betrages von 50.000 EUR festzusetzen (vgl. , BRAO, 7. Aufl. 2008, §
202 Rdnr. 5 ff., m.w.N.).
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