Urteil des AG Wuppertal vom 17.11.2008

AG Wuppertal: gesetzliche vermutung, im bewusstsein, örtliche zuständigkeit, schweres verschulden, versicherungsnehmer, fahrzeug, kaskoversicherung, versicherer, entschädigung, hauptsache

Amtsgericht Wuppertal, 39 C 241/08
Datum:
17.11.2008
Gericht:
Amtsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
Abteilung 39 des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
39 C 241/08
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil ergeht ohne Tatbestand gemäß §§ 313a, 511 ZPO
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht X örtlich zuständig. Die örtliche
Zuständigkeit ergibt sich aus § 48 VVG a.F.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 437,16 EUR aus §
1 Abs. 1 S. 1 VVG a.F..
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Die Beklagte ist nicht verpflichtet dem Kläger Versicherungsschutz für das
Schadensereignis vom 18.06.2007 zu gewähren. Sie ist gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 2, Abs.
5 Ziffer 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a.F. von ihrer Leistung frei geworden.
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Gemäß § 7 Abs. 5 Ziffer 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a. F. wird die Kaskoversicherung
von ihrer Leistungsverpflichtung frei, wenn der Versicherungsnehmer die ihn treffenden
Aufklärungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt und dieser Verstoß
generell geeignet ist, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Nach § 7
Abs. 1 Ziffer 2 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur
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Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens erforderlich ist. Dazu
gehört auf entsprechende Nachfrage auch die Mitteilung von Vorschäden.
Diese Aufklärungspflicht hat der Kläger verletzt. Denn er hat die in der
Schadensanzeige vom 22.06.2007 gestellten Fragen nach Vorschäden objektiv falsch
beantwortet. Auf die Frage nach den zum Diebstahlszeitpunkt am Fahrzeug
vorhandenen Mängeln und
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unreparierten Schäden (auch Kleinstschäden) hat er mit "Keine" geantwortet.
Tatsächlich hatte das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt Rissverletzungen an der Unterseite
der links- und rechtsseitig angebrachten Seitenverkleidung. Dies ist zwischen den
Parteien auch unstreitig.
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Die Fragen im Anzeigenformular sind auch nicht unklar formuliert gewesen, sondern
eindeutig und unmissverständlich. Danach sind insbesondere vorhandene Mängel und
Schäden jeglicher Art abgefragt worden, von denen das Fahrzeug in der Vergangenheit
betroffen gewesen ist. Auch sind ausdrücklich Angaben zu unreparierten
Kleinstschäden verlangt worden.
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Wenn der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung objektiv feststeht, wird in der
Kaskoversicherung nach § 6 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. vermutet, dass die Falschangabe
vorsätzlich erfolgt ist. Der Versicherungsnehmer hat diese gesetzliche Vermutung zu
widerlegen (BGH NVZ 2002, 118, OLG Stuttgart RuS 2006, 64).
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Dieser Beweis ist dem Kläger bezüglich des Vorschadens an der Seitenverkleidung
jedoch nicht gelungen. Der Kläger bestreitet nämlich nicht, die Vorschäden gekannt zu
haben sondern trägt lediglich vor, diese seien ihm im Zeitpunkt der Schadensanzeige
nicht mehr im Bewusstsein gewesen. Daraus ergibt sich allerdings zunächst nur, dass
dem Kläger das Vorhandensein eines Vorschadens dem Grunde nach durchaus
bekannt gewesen ist - was der Kläger auch selber einräumt - , er lediglich im Zeitpunkt
der Schadensanzeige nicht daran gedacht haben will. Dies erscheint allerdings wenig
glaubhaft, da der Vater des Klägers noch vier Tage zuvor im Rahmen einer für den
Kläger erstatteten Strafanzeige angegeben hat, dass die streitgegenständlichen
Vorschäden vorhanden seien (Bl. 34 d.A.). Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar,
warum sich ein Dritter an diesem Tag an die besagten Schäden erinnert hat, obwohl der
eigentliche Eigentümer und Nutzer des Kraftfahrzeuges sich zu dieser Zeit gerade nicht
an diese erinnert haben will. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag des Klägers nicht
geeignet, die Vorsatzvermutung zu widerlegen.
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Auch die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung stehen einer Leistungsfreiheit nicht
entgegen. Danach tritt Leistungsfreiheit bei vorsätzlichen folgenlosen
Obliegenheitsverletzungen nur ein, wenn die Falschangabe generell geeignet ist, die
Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, den Versicherungsnehmer
schweres Verschulden
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trifft und er außerdem ausdrücklich darüber belehrt worden ist, dass Leistungsfreiheit
auch dann eintritt, wenn dem Versicherer aus der Falschangabe kein Nachteil
entstanden ist (BGH VersR 1984, 228, OLG Köln VersR 2000, 224).
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Vorliegend ist die Obliegenheitsverletzung des Klägers zwar folgenlos geblieben, da
das Kraftfahrzeug wieder aufgefunden wurde und es daher nicht zu einer Regulierung
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des ursprünglichen Diebstahls gekommen ist, gleichwohl liegen die übrigen
Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung vor. So sind falsche Angaben zu
Vorschäden generell geeignet die Interessen des Versicherers zu beeinträchtigen. Denn
diese können dazu führen, dass eine den Wert des Fahrzeugs übersteigende
Entschädigung bezahlt wird (BGH NVZ 2002, 118, OLG Stuttgart RuS 2006, 64). Ferner
ist, bedingt durch die nicht widerlegte Vorsatzvermutung, ein erhebliches Verschulden
des Klägers gegeben. Zwar hat es sich bei den Rissen nur um Bagatellschäden
gehandelt. Jedoch ist auch nach diesen Kleinstschäden im Formular der Beklagten
gefragt worden. Im übrigen hat die Falschangabe des Klägers gerade den
ursprünglichen Regulierungsumfang des angezeigten Versicherungsfalls betroffen.
Schließlich ist der Kläger in dem Formular zur Schadensanzeige auch über die Folgen
einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung ordnungsgemäß belehrt worden.
Mangels Anspruch in der Hauptsache besteht ein Anspruch auf die geltend gemachten
Zinsen ebenfalls nicht.
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Danach war wie tenoriert zu entscheiden und die Klage abzuweisen.
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Die Berufung wird nicht zugelassen, da Gründe für eine solche Zulassung nicht
ersichtlich sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch kommt vorliegend
die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in
Betracht, § 511 Abs. 4 ZPO.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Streitwert: bis 600,00 EUR
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