Urteil des AG Wuppertal vom 12.05.2004

AG Wuppertal: lebensgemeinschaft, rentenalter, beitragspflicht, gefahr, selbstbehalt, versorgung, aufteilung, rechtskraft, scheidung, aufnehmen

Amtsgericht Wuppertal, 67 F 194/03
Datum:
12.05.2004
Gericht:
Amtsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
Abt. 67 des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
67 F 194/03
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Rechtskraft:
Das Urteil ist rechtskräftig
Tenor:
I. Die am 09. Juni 1997 vor dem Standesbeamten des Standesamtes N
(Heiratsregister-Nr. 67) geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
II. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Parteien sind miteinander verheiratet. Sie tragen vor, sie lebten seit mehr als einem
Jahr voneinander getrennt. Nach der Trennung hätten sie nicht wieder zueinander
gefunden. Sie lehnen übereinstimmend die Fortsetzung der Ehe ab.
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Die Ehefrau beantragt,
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die Ehe zu scheiden.
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Der Ehemann stimmt der Scheidung zu.
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Die Ehe muss antragsgemäß geschieden werden, weil sie gescheitert ist. Eine Ehe ist
gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht erwartet werden
kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen (§ 1565 Abs. 1 BGB). Die
Lebensgemeinschaft der Parteien besteht seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Es kann
auch nicht erwartet werden, dass die Parteien sie wiederherstellen. Aufgrund des
glaubhaft bekundeten Willens beider Parteien, die Ehe nicht fortsetzen zu wollen, sind
keine Umstände dafür ersichtlich, dass sie die Lebensgemeinschaft erfolgreich wieder
aufnehmen könnten.
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II.
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Der Versorgungsausgleich findet gem. § 1587 c Nr. 1 BGB nicht statt, weil die
Inanspruchnahme der Antragstellerin unter Berücksichtigung der
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Vermögensverhältnisse der Parteien sowie der Umstände des Einzelfalles grob unbillig
wäre.
Der Antragsgegner war zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Rentner und hat aus
diesem Grunde während der Ehezeit keine Rentenanwartschaften erworben. Er bezieht
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie einer betrieblichen
Altersversorgung in Höhe von gegenwärtig 2.000,00 €.
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Die am 12.9.1968 geborene Antragstellerin war demgegenüber während der Ehe
durchgehend erwerbstätig. Sie hat in ihrem gesamten Versicherungsverlauf 13,47
Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben; im letzten
Versicherungsjahr wurden ihr 0,9117 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Während der
Ehezeit hat die Antragsgegnerin Rentenanwartschaften in Höhe von 149,67 € (= 5,72
Entgeltpunkte) erlangt.
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Die Hälfte der während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften müssten durch
Rentensplitting auf das Rentenkonto des Antragsgegners übertragen werden. Eine
solche Übertragung wäre als grob unbillig anzusehen, weil sie dem Grundgedanken
des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde.
Grundgedanke des Versorgungsausgleichs ist, beiden Partnern durch die gleichwertige
Aufteilung der in der Ehezeit erwirtschafteten Anwartschaften eine eigenständige
Sicherung zu verschaffen.
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Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner bereits vor der Eheschließung
Rentenanwartschaften in angemessener Höhe erwirtschaftet. Die Ausgleichspflicht der
Antragstellerin beruht nicht auf ihrer höheren wirtschaftlichen Leistung in der Ehezeit,
sondern auf der Tatsache, dass der Antragsgegner altersbedingt und nicht ehebedingt
keine Anwartschaften mehr erworben hat (phasenverschobene Ehe).
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Bei dieser Konstellation würde die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht zur
eigenständigen Sicherung beider Ehegatten führen, sondern die bereits in
angemessener Höhe vorhandenen Anwartschaften des Antragsgegners zu Lasten der
Antragstellerin weiter aufstocken.
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Das ist mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs jedenfalls dann nicht
vereinbar, wenn – wie im vorliegenden Fall – die angemessenen Versorgung des
Ausgleichspflichtigen im Alter durch die Durchführung des Versorgungsausgleichs
zumindest gefährdet werden kann.
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Die Antragstellerin hat bis zum Ende der Ehezeit 13,47 Entgeltpunkte in der
gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Bei durchgehender Beschäftigung und
gleichbleibenden Einkommensniveau bis zum Eintritt ins Rentenalter würde sie eine
Rente in Höhe von ca. 35 Entgeltpunkten - entsprechend einer Monatsrente von
gegenwärtig ca. 930 € - erhalten. Falls die Beitragspflicht der Antragstellerin für längere
Zeit unterbrochen wird, bestünde somit die Gefahr, dass ihre Rente den notwendigen
Selbstbehalt nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs und den hiermit
verbundenen Abzug von 2,86 Entgeltpunkten nicht mehr erreicht.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
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