Urteil des AG Wuppertal vom 18.02.2010

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Amtsgericht Wuppertal, 44 M 1723/10
Datum:
18.02.2010
Gericht:
Amtsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
Abteilung 44 des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
44 M 1723/10
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Obergerichtsvollzieher A, X, wird angewiesen, den Vollstre-
ckungsauftrag der Gläubigerin vom 1.12.2009 fortzusetzen und nicht
deshalb zu verweigern, weil in der zu räumenden Immobilie angeblich
auch eine – nicht vom Titel erfasste - Frau L wohne. Dies gilt jedenfalls
solange, wie der Ge-richtsvollzieher angeblichen eigenständigen
Drittbesitz nicht mit zureichender Sicherheit feststellen kann.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurück gewiesen.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt.
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Räumungsvergleich,
welcher vor dem hiesigen Amtsgericht unter dem 26.8.2009 (Az. 94 C 174/09)
geschlossen worden war. Beklagte des damaligen Verfahrens und des angesprochenen
Vergleiches waren vier Mitglieder der Schuldnerfamilie, wozu die Mutter des
Schuldnermannes (mit dem Vornamen C) allerdings nicht gehörte.
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Zwischen Gläubiger- und Schuldnerseite war bereits im damaligen Rechtsstreit
umstritten, ob diese Mutter in der hier zu räumenden Immobilie nun tatsächlich wohnte.
Die Beklagtenseite hatte dies im oben bezeichneten Rechtsstreit damals mit zwei
Schriftsätzen (insbesondere vom 13.8.2009, dort Seite 3, Bl. 59 d. dortigen Gerichtsakte)
behauptet. Von beiden dieser Schriftsätze hatte die Gläubigerin bereits vor
Vergleichsabschluss (siehe oben: 26.8.2009) Kenntnis erhalten. Eine Räumungsklage
gegen die Mutter wurde von der Gläubigerin indessen nicht erhoben.
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Die vorerwähnte Mutter wandte sich offenbar in zwei weiteren Gerichtsverfahren (Az. 94
C 17/10 und 18/10) sowohl mit einer Vollstreckungsgegenklage als auch mit einem
Antrag auf Vollstreckungsschutz an das hiesige Gericht und wollte sich gegen die von
ihr befürchtete Räumung zur Wehr setzen. Beide Verfahren wurden durch Rücknahme
beendet, einem Hinweis des Gerichtes folgend, dass gegen die Mutter ja weder ein Titel
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bestehe noch eine Räumung angekündigt sei.
Die Gläubigerin beauftragte unter dem 1.12.2009 den zuständigen
Obergerichtsvollzieher A, X, mit der Räumungsvollstreckung.
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Der Gerichtsvollzieher erhielt – offenbar von Seiten der Schuldner-Vertreter übersandt -
Kenntnis von dem oben genannten Vollstreckungsschutzantrag der Mutter, inklusive der
zugehörigen eidesstattlichen Versicherung des Schuldnermannes, in welcher die
Aufnahme seiner Mutter in die Immobilie seit Juno 2009 wegen ihres Krankheits- und
Pflegezustandes bestätigt wird.
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Der Gerichtsvollzieher lehnte daraufhin die weitere Vollstreckung ab.
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Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer Erinnerung. Sie stellt bereits in Abrede,
dass die Mutter der Schuldnerseite dort überhaupt Besitz an den Räumlichkeiten hätte.
Doch selbst wenn man dies als zutreffend unterstellen würde, vertritt die Klägerin auch
die Rechtsauffassung, dass ein gesonderter Titel gegen die Mutter nicht erforderlich sei.
Denn die Mutter hätte den Besitz dann ohne Berechtigung erlangt. Wenn dies aber –
wie hier unterstellt – erst im Zuge eines gegen den ursprünglichen Besitzer gerichteten
Räumungsverfahrens geschehe, handele es sich um ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten. Auf Besitz der Mutter dürfte man sich gegenüber der Gläubigerin daher
ohnehin nicht berufen.
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Die Gläubigerin beantragt,
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den Gerichtsvollzieher A anzuweisen, den Räumungsantrag der Gläubigerin vom
1.12.2009 gegen alle Besitzer des Anwesens […] fortzusetzen und auszuführen.
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Der Gerichtsvollzieher hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
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II.
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Die Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO ist zulässig und zurzeit auch
begründet.
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1.
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Der Gerichtsvollzieher hätte nicht ohne jede Nachforschung annehmen dürfen, dass der
Vortrag der Schuldnerfamilie zutreffend und deren Mutter C dort tatsächlich auf längere
Zeit wohnhaft ist.
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Es wäre grundsätzlich Aufgabe der Mutter selbst, ihren angeblichen Aufenthalt an den
dortigen Räumlichkeiten gegenüber dem Gerichtsvollzieher nachzuweisen. Dies ist
bislang nur in gänzlich ungeeigneter Weise versucht worden. Dabei braucht nicht
einmal darauf eingegangen zu werden, dass die dem Schutzantrag beigefügte
eidesstattliche Versicherung des Schuldnermannes nicht einmal unterschrieben worden
ist, sich mithin als völlig bedeutungslos darstellt. Vor allem aber wäre es
selbstverständlich Pflicht und Aufgabe des Gerichtsvollziehers, sich vor Ort ein eigenes
Bild zu machen und sich von den Behauptungen zu überzeugen oder eben – falls der
Schuldnerseite dies nicht genügend gelingt – die Räumung vorzunehmen.
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2.
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Sofern der Gerichtsvollzieher nach ausreichenden eigenen Feststellungen und
Bemühungen feststellen würde, dass die Mutter dort auf längere Zeit wohnhaft sein
sollte, wäre eine berechtigte Ablehnung der weiteren Durchführung des
Räumungsauftrags nicht undenkbar. Dies hinge von den näheren Umständen des
Einzelfalles ab, welche das Vollstreckungsorgan (hier der Gerichtsvollzieher)
überprüfen bzw. sich von der Schuldnerseite nachweisen lassen muss.
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Bei aller Unterschiedlichkeit der zu diesem Thema veröffentlichten Rechtsprechung und
Literatur entspricht es insoweit wohl allgemeiner Ansicht, dass vom Grundsatze her
gegenüber erwachsenen dritten Personen dann ein selbstständiger Räumungstitel
geschaffen werden muss, wenn diese
eigenständigen Mitbesitz
Räumlichkeiten haben und sie die Mitbenutzung der Wohnung
nicht lediglich allein
von dem Besitzrecht des Mieters ableiten und abhängig machen
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Ob und inwieweit ein solches selbstständiges Besitzrecht anzunehmen sein wird, wenn
ein Mieter Angehörige (wie etwa hier die Mutter) mit in die Wohnung aufnimmt, wird
unterschiedlich beurteilt und hängt vor allem auch von dem Umständen des Einzelfalles
ab.
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Grundsätzlich wird man bei der Aufnahme von Angehörigen in die Wohnung des
Mieters von deren eigenständigem Mitbesitz dann ausgehen können, wenn der
Vermieter mit dieser Aufnahme früher einmal sein Einverständnis erklärt hatte (hier
derzeit nicht ersichtlich). Wenn die Aufnahme von Angehörigen hingegen ganz ohne die
Erlaubnis des Vermieters geschieht, darf eigenständiger Mitbesitz nicht ohne weiteres
bejaht werden. Denn dann geht regelmäßig auch der Angehörige davon aus, dass sein
Aufenthalt in der Wohnung ausschließlich durch die Bereitschaft des Mieters ermöglicht
wurde und mit dieser steht und fällt. Eine Übertragung von selbstständigen
Besitzerrechten (vom Mieter auf seinen Angehörigen) an der Wohnung wird man in
solchen Fällen wohl hauptsächlich dann annehmen können, wenn sich eine solche
Übertragung
nach außen hin in irgendeiner Weise erkennbar manifestiert
Anhaltspunkte hierfür vermag das Gericht jedenfalls nach Aktenlage noch nicht zu
erblicken.
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3.
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Eines Eingehens auf die über die dargestellten Grundsätze hinausgehenden
Rechtsansichten der Gläubigerin bedarf es derzeit nicht.
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III.
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Im vorliegenden einseitigen Verfahren ist eine Kostenentscheidung nicht denkbar.
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