Urteil des AG Witten vom 25.11.2004

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Amtsgericht Witten, 2 C 995/04
Datum:
25.11.2004
Gericht:
Amtsgericht Witten
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 C 995/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
der
Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200,00 € abwenden,
wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leisten.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Die Beklagten waren Mieter der Klägerin. Sie bewohnten in der Zeit von Mitte März
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1987 bis zum 30.04.2002 eine 68,02 qm große Wohnung im Haus Sprockhöveler
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I-Straße in Witten.
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Die Klägerin begehrt die Nachzahlung aus einer Heizkostenabrechnung vom
10.04.2003 für den Abrechnungszeitraum vom 01.12.2000 bis zum 30.11.2001.
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Nachdem die Klägerin für diesen Zeitraum zunächst unter dem 06.11.2002 eine
Heizkostenabrechnung ( BI. 45,46 d.A.) vornahm, die mit einem Nachzahlungsbetrag
von 442,81 € für die Beklagten abschloss, korrigierte sie diese Abrechnung unter dem
10.04.2003 zugunsten der Beklagten. In dieser neuen Abrechnung vom 10.04.2003 -
wegen des genauen Inhalts wird auf BI. 17, 18 d.A. Bezug genommen - verringerte sich
der Nachzahlungsbetrag für die Beklagten auf 412,05 €.
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Die Klägerin mahnte bei den Beklagten mit Schreiben vom 11.08.2003 die Bezahlung
der Heizkostenabrechnung erfolglos an. Sie berechnet für dieses Mahnschreiben
Mahnkosten in Höhe von 2,50 €.
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Die Klägerin hält die Heizkostenabrechnung vom 10.04.2003 für nachvollziehbar und
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nicht weiter erläuterungsbedürftig. Da der Abrechnungszeitraum des Versorgungsun-
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ternehmens vom 01.12.2000 bis zum 31.12.2001 gedauert habe, andererseits der
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Abrechnungszeitraum für die Heizkostenabrechnung nur die Zeit vom 01.12.2000
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bis zum 30.11.2001 erfasse, sei der überschießende Betrag nach Heizgradtagen
ausgegrenzt worden.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass die nachträgliche Korrektur einer ursprünglich frist-
und ordnungsgemäß erstellten Betriebskostenabrechnung nicht zwingend innerhalb der
Jahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB erfolgen müsse.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 414,55 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit ( Zustellung
Mahnbescheid 07.11.2003) zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sind der Auffassung, die Klägerin habe die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz
2 BGB nicht eingehalten. Im Übrigen sei die Abrechnung nicht nachvollziehbar und
unübersichtlich. Ein juristisch- und betriebswirtschaftlich nicht geschulter
Durchschnittsmieter könne diese Abrechnung und die darin verwendeten
Rechenschritte nicht nachvollziehen. Auch sei nicht erkennbar, woher die jeweiligen
Bezugsgrößen in der Abrechnung kämen und was die nicht erläuterte Abkürzung UE in
der Abrechnung bedeute. Schließlich stelle das verwendete Gradtagszahlverfahren
keine Methode der Kostenverteilung für den Normalfall dar, sondern könne nur in
besonderen Situationen - etwa beim Mieterwechsel während des
Abrechnungszeitraums - zur Anwendung gelangen.
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Wegen des Weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
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Entscheidunqsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht der mit der Klage verfolgte Nachzahlungsanspruch aus der
Heizkostenabrechnung vom 10.04.2003 in Höhe von 412,05 € nicht zu.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz
2 BGB eingehalten worden. Die ursprüngliche Abrechnung ist unstreitig innerhalb der
bis zum 30.11.2002 laufenden Abrechnungsfrist erfolgt. Diese Abrechnung ist aufgrund
eines Rechenfehlers korrigiert worden. Bei verständiger Würdigung der Vorschrift des §
556 Abs. 3 Satz 3 BGB bezieht sich der Ausschluss der Nachforderungen nicht starr auf
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das Abrechnungsergebnis als solches, d.h auf den ausgeworfenen Endbetrag. Vielmehr
geht darum, den Mieter nicht mit mehr Kosten zu belasten, als in den
Ausgangspositionen angesetzt worden sind. Haben sich bei deren Umrechnung auf das
einzelne Mietverhältnis Rechenfehler oder Zahlendreher eingeschlichen, die bei der
Kontrolle der Abrechnung zutrage treten, würde der Schutzzweck der Norm überdehnt,
wenn sie der Vermieter nicht korrigieren dürfte ( vgl. Langenberg, Betriebskostenrecht
der Wohn- und Gewerberaummiete, 3. Auflage, Teil G Rdnr. 78, Seite 245).
Die vorgelegte Heizkostenabrechnung vom 10.04.2003 ist jedoch formell nicht
ordnungsgemäß. Sie kann daher keinen fälligen Nachzahlungsanspruch zugunsten der
Klägerin begründen.
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Das erkennende Gericht schließt sich insoweit ausdrücklich der Auffassung des AG
Dortmund in dem Urteil vom 10.08.2004 ( NZM 2004, 782) an.
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Ausgangspunkt für die Frage, ob eine Abrechnung ordnungsgemäß ist, ist die
Überlegung, dass eine Betriebskostenabrechnung eine geordnete Zusammenstellung
der Einnahmen und der Ausgaben enthalten muss ( BGH NJW 1982, 573, 574). Eine
Abrechnung muss den Mieter in die Lage versetzen, den Anspruch des Vermieters
nachprüfen zu können. Der Mieter muss die Abrechnung gedanklich und rechnerisch
nachvollziehen können. Diese Funktion wird nur erfüllt, wenn sowohl die
Einzelangaben als auch die Abrechnung insgesamt klar, übersichtlich und aus sich
heraus verständlich ist. Abzustellen ist dabei auf das durchschnittliche
Verständnisvermögen eines juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten
Mieters ( BGH NJW 1982, 573, 574). Hierzu ist eine übersichtliche Gliederung und klare
Abfolge der einzelnen Rechenschritte erforderlich (Langenberg, WuM 2003, 670, 672).
Diesen Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung
wird die Abrechnung der Klägerin vom 10.04.2003 nicht gerecht.
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Die Wahl von zum Teil willkürlichen Abkürzungen stiftet Verwirrung. Die einzelnen
Rechenschritte der Abrechnung sind nicht vollständig nachvollziehbar. Woher die
Klägerin die eingestellten Werte entnommen hat, bleibt unklar. Es ist nicht aus der
Abrechnung heraus verständlich, welcher eingesetzte Wert die
Gesamtverbrauchseinheit im I-Straße darstellt und welcher Wert den
wohnungsbezogenen Verbrauch der ehemaligen Wohnung der Beklagten.
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Zudem hat auf die Aufteilung zwischen Heiz- und Warmwasserkosten zwingend nach §
9 Heizkostenverordnung zu erfolgen. Dabei ist alternativ nach Abs. 2 oder Abs. 3 zu
verfahren. Nur wenn dies nicht möglich ist, können 18 % angesetzt werden. Diesen Wert
hat die Klägerin jedoch ohne weitere Begründung ihrer Abrechnung als fixe Pauschale
zugrundegelegt. Weder in der Abrechnung, wo dies nach Ansicht des Gerichts hätte
erfolgen müssen, noch im Laufe des Verfahrens hat die Klägerin erklärt, warum sie die
Warmwasserkosten nicht nach § 9 Abs. 2 oder § 9 Abs. 3 Heizkostenverordnung
abgerechnet hat. Das Fehlen dieser Angaben in der Abrechnung stellt gleichfalls einen
formellen Fehler dar.
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Diese formell fehlerhafte Abrechnung kann keine Fälligkeit des Abrechnungssaldos
auslösen. Da mittlerweile die Ausschlussfrist zur Vorlage einer ordnungsgemäßen
Abrechnung unstreitig abgelaufen ist, ist die Klage endgültig abzuweisen ( vgl.
Langenberg WuM 2003, 670, 673). Sie ist - entgegen der Auffassung des AG Dortmund
NZM 2004, 782, 783 - nicht nur als z.Zt. nicht fällig abzuweisen. Der vom AG Dortmund
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insoweit bemühte Schutzzweck der Norm erfordert eine derartige
Nachbesserungsmöglichkeit für den Vermieter nach Ablauf der Abrechnungsfrist nicht (
vgl. dazu näher Derckx NZM 2004, Heft 21 Seite V, VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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Die Berufung gegen dieses Urteil wird gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen.
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Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist für eine einheitliche Rechtsprechung über
den Einzelfall hinaus von Bedeutung. Die Klägerin hat als großes
Wohnungsunternehmen zahlreiche Wohnungen in Witten. Allein im Dezernat des
erkennenden Richters sind derzeit mindestens zwei weitere Klagen auf Nachzahlung
aus gleichgelagerten Heizkostenabrechnungen anhängig. Zudem betrifft auch die
zitierte Entscheidung AG Dortmund NZM 2004, 782 eine Heizkostenabrechnung der
Klägerin, die vom Druckbild her genau so aufgebaut ist, wie die Heizkostenabrechnung
im streitgegenständlichen Fall.
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Der Streitwert beträgt 414,55 .
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