Urteil des AG Witten vom 23.08.2007

AG Witten: rückabwicklung, rechtspflicht, vergleich, anerkennung, kostenregelung, beweisverfahren, kaufvertrag, mahnkosten, anwaltskosten, kaufpreis

Amtsgericht Witten, 2 C 553/07
Datum:
23.08.2007
Gericht:
Amtsgericht Witten
Spruchkörper:
2. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 C 553/07
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 814,55 € nebst 5
Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2006
sowie 70,39 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen
eine Sicherheits-leistung in Höhe von 120 % des jeweils
beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Zwischen den Parteien bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag.
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Im Rahmen eines Verfahrens zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein
Kraftfahrzeug erteilte die Klägerin dem Beklagten bzw. dessen damaligen
außergerichtlichen Bevollmächtigten unter dem 01.09.2005 zunächst die
Deckungszusage für die Tragung der außergerichtlichen Kosten zur Wahrung der
rechtlichen Interessen des Beklagten, alsdann unter dem 27.09.2005 die
Deckungskosten für die notwendigen Kosten im Rahmen der Durchführung eines
selbständigen Beweisverfahrens.
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Vorausgegangen war ein Kaufvertragsabschluss über einen gebrauchten PKW unter
dem 29.06.2005 zwischen dem Beklagten und einem Herrn I zum Kaufpreis von
4.800,00 € .
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Nach Übergabe des Fahrzeugs stellte der Beklagte fest, dass neben den im Kaufvertrag
offenbarten Schäden weitere Unfallschäden vorhanden waren. Daraufhin wandte er sich
an seinen damaligen Bevollmächtigten, im Rahmen der Aufnahme ihrer Tätigkeit
gegenüber Herrn I erteilte die Klägerin alsdann die Deckungszusage vom 01.09.2005.
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Als eine Reaktion seitens des Herrn I nicht erfolgte, strengte der Beklagte bzw. seine
Bevollmächtigten ein selbständiges Beweisverfahren an, bezüglich dessen die Klägerin
unter dem 27.09.2005 die vorgenannte Deckungszusage erteilte. Unter dem 11.10.2005
reichten die Bevollmächtigten des Beklagten einen entsprechenden Antrag zur
Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens beim Amtsgericht Witten ein, das
selbständige Beweisverfahren erhielt das Aktenzeichen 2 H 40/05. In der Folgezeit
beauftragte auch Herr I Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen
Interessen. In der Folgezeit einigten sich der Beklagte und Herr I alsdann dahingehend,
dass der Kaufpreis in Höhe von 4.800,00 € abzüglich eines Betrages in Höhe von
400,00 € für die durch die Nutzung des Fahrzeugs gezogenen Vorteile zurückerstattet
werde, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeuges.
Der Vergleichsabschluss erfolgte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, bei der
vergleichsweisen Beilegung der Auseinandersetzung wurde eine Kostenregelung
zwischen dem Beklagten und Herrn I nicht getroffen. Nach dem Vergleichsabschluss
nahm der Beklagte den Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens zurück, ohne
dass die Beweisaufnahme durchgeführt worden wäre.
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Im Rahmen der erteilten Deckungszusagen leistete die Klägerin an die
Bevollmächtigten des Beklagten insgesamt einen Betrag in Höhe von 814,55 €.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 814,55 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
hieraus seit dem 22.11.2006 sowie 70,39 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 814,55 €
gemäß § 812 Abs. I BGB.
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Durch die Zahlung der Klägerin in Höhe von 814,55 € an seine Bevollmächtigten ist der
Beklagte zu Unrecht bereichert. Der Beklagte hatte gemäß § 5 Abs. 3 b ARB 94 keinen
Anspruch auf Kostenübernahme durch die Klägerin. Im vorliegenden Fall hat der
Beklagte durch den außergerichtlichen Vergleich, der keine Kostenregelung zwischen
ihm und Herrn I enthielt , genau das erreicht, was sein ursprüngliches Ziel war, die
vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrages. Damit ist der Tatbestand des § 5 Abs.
3 b ARB 94 erfüllt. Eine Leistungspflicht der Klägerin bestand nicht. Dem kann der
Beklagte entgegenhalten, die Rückabwicklung des Kaufvertrages sei seitens des Herrn
I ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt, noch dass die Rückabwicklung lediglich
gegen einen Abzug in Höhe von 400,00 € zum Ausgleich der gezogenen Nutzung für
die von ihm mit dem Kraftfahrzeug zurückgelegten Kilometer erfolgte.
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Der Grundgedanke des § 5 Abs. 3 b ARB besteht darin, dass der
Rechtsschutzversicherer den Versicherten nach einem Vergleich ohne Rücksicht auf
die ursprüngliche Rechtslage nur von den Rechtskosten freizustellen hat, die ihm das
Gericht gemäß §§ 91, 92 ZPO auferlegt hätte, wenn es ein Urteil mit demselben Inhalt
des Vergleichs erlassen hätte.
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Darüber hinausgehende Kosten muss der Versicherte selbst tragen (Landgericht
Bochum, r + s 2001 Seite 154 , 155).
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Maßgeblich für die Feststellung des Verhältnisses des Obsiegens zum Unterliegen ist
dabei allein das formale Verhältnis, d.h. es ist das objektive Wertverhältnis des
ursprünglichen Anspruchs des Versicherten zu vergleichen mit dem objektiven Wert
dessen, was dem Kläger nach der gütlichen Einigung effektiv zufließt, wobei die
materielle Rechtslage unerheblich ist (Amtsgericht Nürnberg , r + s 2006, Seite 452,
453).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Nachdem der Beklagte, wie er
meinte, weitergehende Vorschäden an dem PKW festgestellt hatte, begehrte er die
vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrages.
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Mit dem außergerichtlichen Vergleich hat der Beklagte genau dieses Ziel erreicht.
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Der Kaufvertrag wurde unter Berücksichtung der von ihm mit dem Fahrzeug gezogenen
Nutzungen komplett rückabgewickelt. Dass dies seitens des Herrn I ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht erfolgte, steht dem nicht entgegen, da das ursprünglich vom
Beklagten verfolgte Ziel vollständig erreicht wurde. Auch der Umstand, dass im Rahmen
des Vergleiches, anders als vom Beklagten ursprünglich gefordert, die zurückgelegten
Kilometer zu seinen Lasten berücksichtigt wurden, ändert daran nichts. Wäre der Inhalt
des zwischen dem Beklagten und Herrn I geschlossenen außergerichtlichen
Vergleiches in eine gerichtlichen Entscheidung inform eines Urteils eingeflossen, wären
Herrn I die Kosten des Rechtsstreites im Rahmen des § 92 Abs. 2 ZPO vollständig
auferlegt worden. Genau dies zeigt, dass der Beklagte mit dem Vergleichsabschluss
genau das erreicht hat, was er ursprünglich erreichen wollte.
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Letztlich kann der Beklagte dem klägerischen Anspruch auch nicht entgegenhalten,
dass eine Beweisaufnahme im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens gerade
nicht stattgefunden habe, so dass der Ausgang eines möglichen Rechtsstreites völlig
offen war. Auf diese Umstände, mithin die materielle Rechtslage, kommt es gerade nicht
an.
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Die Klägerin hat zudem noch Anspruch auf Zahlung von 5 Prozentpunkten Zinsen über
dem jeweiligen Basiszinssatz auf dem titulierten Betrag seit dem 22.11.2006 gemäß §§
280 Abs. 1, 286 BGB. Die Zinshöhe folgt aus § 288 Abs. 1 BGB, infolge des Schreibens
vom 07.11.2006 unter Fristsetzung zum 21.11.2006 befindet sich der Beklagte seit dem
22.11.2006 in Verzug.
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Letztlich hat die Klägerin noch Anspruch auf Zahlung von 70,39 € außergerichtlicher
Anwaltskosten. Ausgehend von einem Streitwert von 814,55 € hat die Klägerin die
außergerichtlichen Anwaltskosten unter Zugrundelegung einer 0,65- Geschäftsgebühr
nebst Auslagen in Höhe von 16,90 € sowie Mehrwertsteuer zutreffend berechnet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 814,55 € festgesetzt.
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