Urteil des AG Witten vom 28.11.2002

AG Witten: fahrzeug, ausfahrt, betriebsgefahr, sachverständigenkosten, totalschaden, verkehrsunfall, gefährdung, einfahrt, vollstreckbarkeit, entlastung

Amtsgericht Witten, 3 C 375/02
Datum:
28.11.2002
Gericht:
Amtsgericht Witten
Spruchkörper:
Abt. 3 des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 375/02
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt an die Klägerin
3,42 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2002
zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen eine
Sicherheits-leistung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden
Betrages abzuwenden, so-fern nicht die betreibende Partei Sicherheit in
gleicher Höhe leistet
Tatbestand:
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Im 23.05.2002 kam es in Witten auf der T-Straße zu einem, Verkehrsunfall zwischen
dem Pkw der Klägerin, einem Ford Fiesta und den vom Beklagten zu 1) geführten Lkw
der Marke W, welcher zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert war.
Vor dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall hatte die Klägerin ihr Fahrzeug auf der
T-Straße schräg gegenüber der Ausfahrt des Betriebsgeländes eines Unternehmens,
bei welchem sie selbst beschäftigt ist, abgestellt. Ihr Grund dafür lag darin, dass der
Mitarbeiterparkplatz an jenem Tag infolge von Handwerksarbeiten gesperrt war. Als der
Beklagte zu 1) mit dem LKW die vorgenannte Vorfahrt verlassen wollte und nach links,
in seiner Fahrtrichtung gesehen, in die T-Straße einbog, kam es zur Kollision der
Fahrzeuge. Der Beklagte zu 1) stieß an der hinteren rechten Ecke des Sattelaufliegers
gegen den klägerischen PKW. Der Fahrbahnbereich gegenüber der Ausfahrt ist als
unmittelbares Halteverbot gekennzeichnet.
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Das Fahrzeug der Klägerin erlitt Totalschaden. Gegen über der Beklagten zu 2) machte
sie den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert in Höhe von 1900,00 €,
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Sachverständigenkosten in Höhe von 379,55 €, eine Nutzungsausfallentschädigung
von insgesamt 350,84 € sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 25,56 € geltend. Auf
den Gesamtbetrag von 2655,95 € zahlte die Beklagte zu 2) 1724,99 €.
Die Klägerin behauptet, ihr Fahrzeug habe lediglich zu 2/3 in der Halteverbotszone
gegenüber der Ausfahrt gestanden.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 930,96 € nebst 5%
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2002 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, das Fahrzeug habe sich vollständig im Haltsverbotsbereich
befunden.
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Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist lediglich in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klägerin
hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3,42 € gemäß § 7 StVG, 823
BGB, 3 Nr. 1 PflichtVersG infolge des streitgegenständigen Verkehrsunfalles.
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Für die Klägerin stellte der Unfall kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2
StVG dar. Nach dem unstreitigen Sachverhalt befand sich das Fahrzeug der Klägerin
zumindest in einem nicht unerheblichen Teil seines Umfanges im Halteverbotsbereich,
welcher gegenüber der Ausfahrt des Firmengeländes befindlich ist. Insoweit verstieß die
Klägerin gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6 möglicherweise auch gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO.
Infolge dieses nicht verkehrsgerechten Verhaltens hat sich die Klägerin nicht wie ein
idealer Autofahrer verhalten. Dem kann die Klägerin auch nicht entgegenhalten, die
Beklagten träfe deshalb die volle Haftung an dem streitgegenständlichen Unfall, da ein
Überraschungseffekt für den Beklagten zu 1) nicht vorhanden gewesen sei. Insoweit ist
der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht zuzustimmen, als der Beklagte zu 1) nach seiner
eigenen Einlassung eine Sicht von 200 Metern hatte und dem gemäß auch das
Fahrzeug der Klägerin erkennen konnte. In rechtlicher Hinsicht ist allerdings
demgegenüber zu berücksichtigen, dass das Halteverbot, welches sich genau
gegenüber der Ausfahrt zum Betriebsgelände befindet, offensichtlich dem Zweck dient,
aus – bzw. einfahrenden LKW dies zu ermöglichen, ohne das schwierige
Rangiermanöver erforderlich sind oder möglicherweise eine Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer besteht. Ansonsten ist es für das Gericht nicht ersichtlich, warum
über das gesetzliche normierte Verbot des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO hinaus eine
zusätzlich Halteverbotszone auf der T-Straße gegenüber der Einfahrt errichtet worden
sein sollte. Der Schutzzweck dieses Halteverbotes erstreckt sich genau auf den
vorliegenden Fall. Vor diesem Hintergrund ist eine Haftung der Klägerin für die von
ihrem Fahrzeug durch das falsche Abstellen ausgehende Betriebsgefahr in jedem Fall
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gegeben. Die Höhe der Betriebsgefahr nimmt das Gericht hier mit 25%
an. Insoweit schließt sich das Gericht, was die Höhe der Haftung angeht, der
Entscheidung des OLG Köln, NJW 1987, Seite 478, an.
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Demgegenüber kann sich die Klägerin auch nicht zu ihrer Entlastung auf die
Entscheidung des Kammergerichts, VM 1991, Seite 52 berufen. Die der Entscheidung
des Kammergerichts zugrunde liegende Situation war eine völlig andere. Zwar hat das
Kammergericht in der vorgenannten Entscheidung eine Betriebsgefahr des Pkw
abgelehnt, der verbotswidrig im Einmündungsbereich einer Straße im absoluten
Halteverbot stand. Allerdings war hier als Besonderheit zu beachten, dass es sich um
eine,11 Meter breite Straße handelte, der Unfallgegner also ohne weiteres die
Möglichkeit hatte, den Unfall entsprechend abzuwenden.
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Diese Besonderheit ist vorliegend nicht gegeben.
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Nach den vorherigen Ausführungen hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung von
75% der ihr entstandenen Kosten.
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Ersatzfähig sind insoweit 75% des Wiederbeschaffungswertes, der
Sachverständigenkosten sowie der Kostenpauschale, welche das Ge richt mit 25,00
Euro als angemessen schätzt. Dies ergibt 2.304,55 Euro, 75% ergeben 1.728,41 Euro.
Darauf hat die Beklagte zu 2) 1.724,.99 Euro gezahlt. Es verbleibt beim titulierten Betrag
in Höhe von 3,42 Euro.
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Darüber hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der
Nutzungsausfallentschädigung. Unstreitig hat das Fahrzeug der Klägerin einen
Totalschaden erlitten. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie ein Neufahrzeug
angeschafft oder das verunfallte Fahrzeug trotzdem hat reparieren lassen. Ein
Nutzungswille ist nicht dargelegt.
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Schließlich hat die Klägerin noch Anspruch auf Zahlung von 5% Zinsen über dem'
Basiszinssatz auf den titulierten Betrag seit dem 18.06.2002 gemäß § 280 BGB. Die
Zinshöhe folgt aus § 288 BGB, mit Schreiben vom 03.06.02 wurde die Beklagte unter
Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 71.1 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 930,96 € festgesetzt.
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