Urteil des AG Witten vom 05.11.2009

AG Witten (hecke, kläger, treu und glauben, neues tatsächliches vorbringen, ablauf der frist, grundstück, terrasse, höhe, zpo, erwerb)

Amtsgericht Witten, 2 C 805/09
Datum:
05.11.2009
Gericht:
Amtsgericht Witten
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 C 805/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen,
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn
nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
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Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten steht im
Abstand von 0 bis 40 cm zur Grundstücksgrenze der Kläger eine Koniferenhecke. Diese
Hecke war bei Erwerb des Eigentums an dem Grundstück durch die Kläger etwa 3,00 m
hoch. Heute hat die Hecke in etwa eine Höhe von 4,30 m. Direkt hinter der Hecke
befindet sich auf dem Grundstück der Kläger deren Terrasse.
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Die Kläger sind der Ansicht, sie hätten einen Anspruch auf Rückschnitt der Hecke aus
dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Durch eine über 2,50 m hohe Hecke sei
ihre Terrasse und ihr Wohnzimmer ab Herbst bis zum Frühjahr vollkommen verschattet.
Auch im Sommer erreiche die Sonneneinstrahlung ihre Terrasse erst ab 12:00 Uhr.
Zudem führe die mangelnde Sonneneinstrahlung zu einem vermehrten Algenwachstum
auf dem Terrassenbelag. Durch eine auf 2,50 m zurückgeschnittene Hecke hingegen
sei ihr Grundstück nicht vollständig von Licht und Luft abgeschnitten und die Beklagten
hinreichend vor Einblicken auf ihr Grundstück geschützt.
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Die Kläger beantragen,
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die auf dem Grundstück der Beklagten am T 4 in X entlang der Grenze zum
Grundstück der Kläger, B in X gewachsene Koniferenhecke auf eine Höhe von
2,50 m herunter zu schneiden und die Höhe durch regelmäßiges Schneiden auf
dieser Höhe zu halten.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sind der Ansicht, ein Anspruch der Kläger bestünde nicht. Die Auswirkungen der
Hecke auf das Grundstück der Kläger seien gering. Eine Kürzung der Hecke auf 2,50 m
sei ihnen auch nicht zumutbar. Zum Einen würde die Hecke dann einzugehen drohen.
Zum Anderen wäre ihr Grundstück dann insbesondere von den Fenstern im ersten
Stock des klägerischen Hauses aus einsehbar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückschnitt der streitgegenständlichen Hecke
auf 2,50 m.
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Ein Beseitigungsanspruch aus § 42 NachbG NW wegen des nicht eingehaltenen
Grenzabstandes der Hecke scheitert an der unstreitig abgelaufenen Ausschlussfrist des
§ 47 Abs. 1NachbG. Nach Ablauf der Frist kann grundsätzlich auch ein Rückschnitt der
Hecke als ein Weniger zur Beseitigung nicht mehr verlangt werden.
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Ein Anspruch ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem nachbarlichen
Gemeinschaftsverhältnis.
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Die Rechte und Pflichten von Nachbarn richten sich insbesondere nach den
Vorschriften der §§ 905 ff BGB und den Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der
Länder. Hierauf ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242
BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen
Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden (BGH NZM 2005,
318). Eine solche Pflicht kann allerdings wegen der bestehenden nachbarrechtlichen
Sonderregeln nur ausnahmsweise und nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein
über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden
Interessen dringend geboten erscheint (BGH aaO.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
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Das wäre nämlich nur dann der Fall, wenn die Kläger ungewöhnlich schweren und nicht
mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wären, die einen Rückschnitt der
Hecke als eine auch den Beklagten zumutbare Maßnahme erscheinen ließen.
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Die von der Hecke ausgehenden Beeinträchtigungen des Grundstücks der Kläger sind
jedoch nicht als ungewöhnlich schwer und nicht mehr hinnehmbar zu bezeichnen.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass lediglich ein Teil des Grundstücks,
nämlich die Terrasse, überhaupt betroffen ist. Desweiteren erscheinen die
Beeinträchtigungen der Terrasse auch nicht als so schwerwiegend, dass ein
Rückschnitt der Hecke dringend geboten erscheint. Die Nutzung der Terrasse ist für die
Kläger nicht vollständig ausgeschlossen durch die an der Grundstücksgrenze
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gewachsene Hecke. Sofern sie die Verschattung der Terrasse beklagen, wird die
Nutzung durch die Hecke insbesondere in den Sommermonaten beeinträchtigt sein.
Jedenfalls ab 12:00 Uhr erreicht die Sonneneinstrahlung nach dem Vortrag der Kläger
in den Sommermonaten die Terrasse aber, sodass sie nicht vollständig von der
Sonneneinstrahlung abschirmt sind. Auch das angeführte Algenwachstum auf dem
Terrassenbelag, so es nach der Behauptung der Kläger auf mangelnder
Sonneneinstrahlung beruht, stellt keine ungewöhnlich schwere Beeinträchtigung dar, da
die hiervon ausgehende optische Beeinträchtigung relativ leicht durch Reinigung des
Belags zu beseitigen ist. Weitere Beeinträchtigungen durch das Algenwachstum sind
nicht vorgetragen.
Schließlich kommt hinzu, dass die Hecke bei Erwerb des Eigentums an dem
Grundstück der Kläger bereits eine Höhe von ca. 3,00 m aufwies und damit bereits die
nun begehrte Höhe von 2,50 m überschritt. Bereits bei Eigentumserwerb mussten die
Kläger folglich mit den von der Hecke ausgehenden Beeinträchtigungen rechnen und
sich hierauf einstellen. Sie haben das Eigentum an ihrem Grundstück bereits mit der an
der Grundstücksgrenze vorgefundenen 3,00 m hohen Hecke erworben, sodass die
Beeinträchtigung durch die nunmehr ca. 4,30 m hohe Hecke jedenfalls nicht als
ungewöhnlich schwer qualifiziert werden kann.
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Die Gewährung einer Schriftsatzfrist war dabei für die Beklagten nicht erforderlich, da
der im Termin übergebene Schriftsatz lediglich eine Erwiderung auf den
Klageerwiderungsschriftsatz der Beklagten ohne neues tatsächliches Vorbringen
enthielt.
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Auch den Klägern war auf den Hinweis des Gerichts keine Schriftsatzfrist zu gewähren,
da es sich nicht um einen Hinweis im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO handelte. Das
Gericht hat lediglich seine Rechtsansicht dargelegt und dabei auch keinen Standpunkt
eingenommen, den beide Parteien anders beurteilt haben. Vielmehr haben beide
Parteien die Frage der Unzumutbarkeit der von der streitgegenständlichen Hecke
ausgehenden Beeinträchtigung bereits schriftsätzlich ausführlich erörtert.
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Letztlich war auch die Durchführung einer Beweisaufnahme durch
Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Hecke nicht erforderlich, da die für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen entweder unstreitig waren oder zugunsten der
Kläger unterstellt werden konnten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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