Urteil des AG Wiesbaden vom 09.09.2008

AG Wiesbaden: internationale zuständigkeit, örtliche zuständigkeit, abänderungsklage, zwangsvollstreckung, befristung, spanien, volljährigkeit, vergleich, zukunft, abgrenzung

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
537 F 146/08 UE,
537 F 146/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 323 ZPO, § 767 ZPO, § 1570
BGB, § 1573 Abs 2 BGB, §
1578b BGB
Familiensache: Internationale Zuständigkeit für die
Vollstreckungsabwehrklage; Abgrenzung zwischen
Abänderungsklage und Vollstreckungsabwehrklage bei
einem Titel über nachehelichen Unterhalt
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 02.09.1988 miteinander die Ehe. Aus dieser Ehe ist der
am geborene Sohn hervorgegangen. Die Parteien trennten sich am 10.09.1990.
Ihre Ehe ist seit dem 10.09.1992 rechtskräftig geschieden. Die Beklagte wanderte
im Jahr 1999 nach Spanien aus und lebt seither dort.
Der Kläger verpflichtete sich in dem gerichtlichen Vergleich vom 25.09.1996,
Aktenzeichen 53 F 6/96-21 des Amtsgerichts – Familiengerichts – Wiesbaden, an
die Beklagte eine monatliche Geschiedenenunterhaltsrente von 565,00 DM
(umgerechnet = 288,88 Euro) zu zahlen. Wegen des Inhalts des Vergleichs wird
auf die Kopien Blatt 7 und 8 d.A. Bezug genommen. Kindesunterhalt zahlt der
Kläger für den gemeinsamen Sohn nicht mehr.
Die Beklagte betreibt in Spanien seit 1999 eine Kosmetik- und Massagepraxis.
Mit Schriftsatz vom 10.08.2007 wurde die Beklagte aufgefordert, auf ihre Rechte
aus dem Titel vom 25.09.1996 zu verzichten.
Der Kläger hat mit am 23.04.2008 zugestelltem Schriftsatz vom 15.04.2008 gegen
die Beklagte Vollstreckungsabwehrklage erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, ein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Beklagten
bestehe vor dem Hintergrund der Eigenverantwortlichkeit und im Hinblick auf den
Wegfall der Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes nicht mehr.
Der Kläger beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem am 25.09.1996 zu Aktenzeichen 53 F
6/96-21 des Amtsgerichts – Familiengerichts – Wiesbaden abgeschlossenen
gerichtlichen Vergleich für unzulässig zu erklären, soweit darin ein monatlicher
Geschiedenenunterhaltsanspruch von umgerechnet 288,88 Euro tituliert ist.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Vollstreckungsabwehrklage sei unbegründet,
weil mit dieser nur rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen
geltend gemacht werden könnten.
Hinsichtlich des sonstigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Vollstreckungsabwehrklage kann vor den deutschen Gerichten erhoben
werden. Die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO des Gerichts am Ort des
Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsgläubigers gilt nicht für
eine Vollstreckungsabwehrklage (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO,
66. Aufl. 2008, Art. 5 EuGVVO, Rdn. 19 a.E.). Insoweit gilt für die Zuständigkeit Art.
22 Nr. 5 EuGVVO (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., Art. 22
EuGVVO, Rdn. 5), also die Zuständigkeit der Gerichte desjenigen Staates, in dem
die Zwangsvollstreckung aus dem Titel durchzuführen wäre, hier also
Deutschlands.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts – Familiengerichts – Wiesbaden ist
begründet (§ 767 I ZPO).
Die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) des Klägers ist unbegründet.
Zwar können auch Gesetzesänderungen im Wege der Vollstreckungsabwehrklage
gegen einen Unterhaltstitel geltend gemacht werden (BGH, Urt. v. 15.04.1977 – IV
ZR 125/76 – FamRZ 1977, 461 f.). Das Abgrenzungskriterium zwischen
Abänderungsklage und Vollstreckungsabwehrklage ist darin zu sehen, ob
ausgeschlossen werden kann, dass der Titel künftig wegen des titulierten
streitgegenständlichen Anspruchs erneut gebraucht wird (dann Klage nach § 767
ZPO) oder ob es möglich ist, dass die derzeit vorliegenden Gegengründe die
titulierten künftigen Unterhaltsansprüche nicht für immer entkräften, weil sie selbst
wieder entfallen oder eine geminderte Gegenwirkung auf künftige
Unterhaltsansprüche haben können (Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln,
1996, Rdn. 157).
Im vorliegenden Fall macht der Kläger einen Wegfall des titulierten
Geschiedenenunterhalts für die Zukunft dem Grunde nach geltend, und zwar
einerseits wegen Wegfalls der Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes
der Parteien aufgrund Eintritts der Volljährigkeit und andererseits wegen der
nunmehr eingetretenen Eigenverantwortlichkeit der Beklagten, was nach
Auffassung des Gerichts im Wege der Vollstreckungsabwehrklage zu
berücksichtigen ist.
Der Anspruch der Beklagten aufgrund des § 1570 BGB wegen Betreuung eines
gemeinschaftlichen Kindes besteht nicht mehr.
Soweit der titulierte Geschiedenenunterhaltsanspruch der Beklagten ein
Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II BGB ist, fehlt es an einer substanziierten
Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien durch den
Kläger. Im übrigen wäre eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach den
obigen Grundsätzen im Wege der Abänderungsklage, nicht der
Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen, weil diese Umstände variabel sind
und nicht notwendigerweise zu einem Wegfall des Unterhaltsanspruchs dem
Grunde nach für alle Zukunft führen müssen.
Hinsichtlich der Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs
nach § 1587 b BGB ist nach obigen Grundsätzen im Wege der
Vollstreckungsabwehrklage zu entscheiden (anderer Ansicht aber BGH, FamRZ
2001, 905 und 1364; Palandt/Brudermüller, BGB, Nachtrag zur 67. Aufl. 2008, §
1578 b BGB , Rdn. 20). Das Gericht gibt hier gleichwohl der
Vollstreckungsabwehrklage den Vorzug, weil jedenfalls bei Ausspruch einer
Befristung der endgültige Wegfall des titulierten Geschiedenenunterhaltsanspruchs
ohne die Möglichkeit des Wiederauflebens in Betracht kommt.
Der Kläger hat indes für die Unbilligkeit der Fortdauer der Verpflichtung zur
Zahlung des titulierten Geschiedenenunterhalts in der bisherigen Höhe bzw. für
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Zahlung des titulierten Geschiedenenunterhalts in der bisherigen Höhe bzw. für
das Erfordernis der zeitlichen Befristung des Unterhaltsanspruchs bis zum
Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage nichts substanziiert vorgetragen. Die
Darlegungs- und Beweislast trägt der Kläger (Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rd. 19).
Die bloße Dauer der Geschiedenenunterhaltszahlungen im Verhältnis zur Ehezeit
der Parteien sagt über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Befristung
nichts aus, denn die Zeiten der Betreuung des gemeinsamen Kindes der Parteien
durch die Beklagte (von der Zeit des Vergleichsschlusses am 25.09.1996 bis zur
Volljährigkeit am 21.08. 2007 knapp 11 Jahre) sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Die Vollstreckungsabwehrklage konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und des
Vollstreckungsschutzes beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.