Urteil des AG Wetter vom 28.12.2005

AG Wetter: vergütung, tod, wetter, gegenleistung, fürsorge, eigentum, belastung, solidarität, erbe, beendigung

Amtsgericht Wetter, 6 XVII H 175
Datum:
28.12.2005
Gericht:
Amtsgericht Wetter
Spruchkörper:
Betreuungsabteilung
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 XVII H 175
Tenor:
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
1
I.
2
Die Beteiligte zu 1) war zu Lebzeiten der Frau I durch den Beschluss vom 24.07.2002
zur Berufsbetreuerin bestellt mit der Zuständigkeit der Vermögenssorge, der
Aufenthaltsbestimmung, der Gesundheitsfürsorge und der Wahrnehmung von Heim-
und Wohnungsangelegenheiten.
3
Die Betreute war mittellos.
4
Nach dem Tode der Betreuten am 07.10.2005 war die Beteiligte zu 1) weiterhin tätig.
Die nächsten Erben hatten die Erbschaft ausgeschlagen. Entferntere Verwandte waren
unbekannt. Das bei dem Tode vorhandene Sparguthaben wurde dem Ordnungsamt für
die Beisetzungskosten übergeben. Eine Nachlaßpflegschaft war mangels aktiven
Nachlasses nicht angeordnet.
5
Die Beteiligte zu 1) beantragt die Festsetzung der Vergütung auch für die Zeit nach dem
Tod bis zum 08.11.2005.
6
Die Rechtspflegerin hat mit der angefochtenen Entscheidung die Vergütung der
Beteiligten zu 1) für die Zeit vom 01.7.2005 - 08.11.2005 auf Euro 288,10 festgesetzt.
7
Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2) mit seiner sofortigen Erinnerung. Er
beantragt die Festsetzung der Betreuervergütung auf Euro 217,75 und trägt zur
Begründung vor, die Beteiligte zu 1) hätte lediglich bis zum Tode der Betreuten aus der
Landeskasse vergütet werden können. Die gerichtliche Betreuung sei durch den Tod
beendet worden. Mit diesem Zeitpunkt ende auch der Vergütungsanspruch. Gem. § 5
Abs. 4 S. 2 VBVG sei die Vergütung nur bis zu diesem Zeitpunkt zu berechnen.
Sämtliche Tätigkeiten, welche die Beteiligte zu 1) nach der Beendigung der Betreuung
8
erledigt habe, seien durch das pauschalierte Abrechnungssystem mit abgegolten. Für
Billigkeitserwägungen sehe die eindeutige gesetzliche Regelung keinen Raum.
II.
9
Die statthafte und gem. § 11 Abs. 2 RpflG zulässige sofortige Erinnerung hat in der
Sache keinen Erfolg.
10
Der Beteiligten zu 1) steht eine Vergütung auch noch für die Zeit nach dem Tode der
Betreuten zu.
11
Gem. §§ 1908 i, 1836 Abs. 1 BGB, § 1 VBVG ist der Berufsbetreuer für seine Arbeit zu
vergüten, bei Mittellosigkeit aus der Staatskasse. Die Tätigkeit der Beteiligten zu 1) nach
dem Eintritt des Todes der Betreuten war noch Tätigkeit, die das Gesetz dem Betreuer
auferlegt.
12
Gem. §§ 1908 i, 1893, 1698 b BGB hat der Betreuer die Geschäfte, die nicht ohne
Gefahr aufgeschoben werden können, zu besorgen, bis der Erbe anderweitig Fürsorge
treffen kann. Legt der Gesetzgeber dem Betreuer aber eine Tätigkeit auf ("hat zu
besorgen"), so ist er auch verpflichtet, diese Tätigkeit zu vergüten.
13
Dem steht § 5 Abs. 4 S. 2 VBVG nicht entgegen. Danach sind zwar Änderungen in den
Umständen, die sich auf die Vergütung auswirken, wenn sie vor Ablauf eines vollen
Monats eintreten, anteilig zu berücksichtigen. Jedoch ist hier nicht die Änderung der Tod
der Betreuten, sondern der Wegfall der Aufgabe als rechtlicher Betreuer. Diese
Änderung ist erst mit dem Abschluß der Arbeiten der Beteiligten zu 1) eingetreten.
14
Die Argumentation der Beschwerde, die unaufschiebbaren Arbeiten des Betreuers nach
dem Tode des Betreuten seien durch das pauschalierte Abrechnungssystem mit
abgegolten, verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der gebietet Gleiches gleich und
Ungleiches seiner Eigenart verschieden zu behandeln.
15
Zwar mag bei einer über einen sehr langen Zeitraum geführten Betreuung die
Forderung verständlich sein, wenn sie auch keine gesetzliche Grundlage findet, der
Betreuer habe nach dem Tod des Betreuten die gem. § 1698 b BGB unaufschiebbaren
Arbeiten sozusagen als "Draufgabe" vergütungsfrei zu erledigen, weil er mit dem bisher
vergüteten Stundenansatz und Stundensatz ausreichend bezahlt sei.
16
Nicht verständlich ist die Argumentation der Beschwerde aber, wenn die
vorhergegangene Betreuung nur für eine kurze Zeit, wobei auch nur ein Tag möglich
sein kann, geführt wurde und der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit in den
unaufschiebbaren Geschäften liegt. In diesem Fall einer nur kurzen Betreuungszeit, in
dem die Vergütung höchstens Euro 6,60 beträgt, wird der Betreuer ungleich schlechter
behandelt als nach einer über Jahre oder Jahrzehnte geführten Betreuung. Für diese
Ungleichbehandlung besteht kein sachlicher Grund.
17
Er kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß der Berufsbetreuer aus der
Vergütung der von ihm insgesamt geführten rechtlichen Betreuungen das Entgelt für die
unaufschiebbaren Maßnahmen "entnehmen" kann. Dieser Solidaritätsgedanke -
Solidargemeinschaft sind alle von einem Berufsbetreuer Betreuten - verstößt gegen
ranghöheres Recht. Die Argumentation, der Betreuer bekäme seine Vergütung nach
18
den Stundenansätzen auch dann, wenn er für einen bestimmten Betreuten keine
Arbeitsleistungen erbracht habe, und diese Vergütung könne er einsetzen für die
ansonsten nicht vergütete Tätigkeit, verletzt zumindest die nicht mittellosen Betreuten in
ihrem Eigentum. Sie werden zu Geldleistungen herangezogen ohne entsprechende
Gegenleistung. Der Gedanke der Solidarität - die Gemeinschaft aller Betreuten zahlt den
Betreuer - kann deswegen nicht tragen, weil eine solche belastende
Solidargemeinschaft nur auf gesetzlicher Grundlage wie z.B. die Sozialversicherungen
oder auf vertraglicher Grundlage wie z.B. die Privatversicherungen begründet werden
kann. Vertraglich ist aber eine Betreuter in die "Solidargemeinschaft" eingetreten. Eine
gesetzliche Grundlage findet sich nicht.
Ist mithin die Belastung eines nicht mittellosen Betreuten mit der Vergütung für den
Betreuer ohne dessen Gegenleistung wegen Verstoßes gegen ranghöheres Recht
unwirksam, kann diese Vergütung auch nicht herangezogen werden zur Vergütung von
unaufschiebbaren Geschäften gem. § 1698 b BGB.
19
Gegen die sachliche Erforderlichkeit der Tätigkeit der Beteiligten zu 1) und die
Unaufschiebbarkeit der Maßnahmen wendet sich die Beschwerde nicht.
20
Die Rechtspflegerin hat daher zu Recht die Vergütung auch für die Zeit nach dem Tode
der Betreuten festgesetzt.
21
Kaiser
22