Urteil des AG Wetter vom 27.04.2004

AG Wetter: programm, software, installation, unverzüglich, rüge, ablieferung, gespräch, widerklage, einweisung, wetter

Amtsgericht Wetter, 3 C 65/03
Datum:
27.04.2004
Gericht:
Amtsgericht Wetter
Spruchkörper:
3. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 65/03
Tenor:
Das Versäumnisurteil vom 08.07.2003 wird aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin und Widerbeklagte verurteilt, an die
Beklagte und Widerklägerin 870,-- EUR nebst 8 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszins seit dem 05.02.2003 zu zahlen.
Die Klägerin und Widerbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits mit
Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten und Widerklägerin
veranlassten Kosten, die diese zu tragen hat, zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweiligen
Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
vollstreckbaren Betrages abzuwen-den, wenn nicht zuvor diese
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstrecken-den Betrages
leistet.
TATBESTAND:
1
Die Klägerin macht die Rückzahlung einer Kaufpreiszahlung an die Beklagte geltend.
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Von dieser erwarb die Beklagte im Dezember 2001 das Software-Programm "ELO-
Professional V.3.0.5 User", bei dem es sich um ein Dokumentenverwaltungs- und
Archivierungsprogramm handelt, einschließlich Installation und Einweisung zum Preise
von insgesamt 4.627,79 EUR.
3
Die Leistungen wurden durch die Beklagte am 18.12.2001 erbracht und der
entsprechende Lieferschein durch die Klägerin unterzeichnet (Bl. 42 d. A.).
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Die Rechnung der Beklagten vom 19.12.2001 über 4.627,79 EUR beglich die Klägerin
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in der Folgezeit.
Mitte Februar 2002 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend, dass bei der
Archivierung von Dateien, die die Klägerin mit einer "Adobe-Frame-Maker"-Software
erstellt hatte, zuvor angebrachte Verweise auf andere Dateien verloren gingen, d.h. die
von der Klägerin verwandte Software durch das von der Beklagten gelieferte Programm
nicht voll unterstützt wurde.
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Am 15.02.2002 fand darauf hin ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagen, dem
Zeugen J, statt, indem diese Problematik erörtert wurde.
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Unter dem 18.02.2002 unterbreitete die Beklagte der Klägerin ein Angebot über die
Durchführung von Projekttagen (Bl. 45 der Akten), deren Durchführung die Parteien am
22.02.2002 vereinbarten. Die Vereinbarung bestätigte die Beklagte mit Auftragsbe-
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stätigung vom 22.02.2002 (wegen des Inhaltes im Einzelnen wird auf Bl. 48 der Akte
Bezug genommen).
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Mitte Mai 2002 wurde sodann ein Projekttag durchgeführt, über deren Dauer die
Parteien streiten.
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Diesen stellte die Beklagte der Klägerin unter dem 03.06.2002 mit insgesamt 870,00
EUR in Rechnung, die sie mit der Widerklage geltend macht, nachdem sie die Klägerin
vergeblich unter Fristsetzung zum 04.02.2003 zur Zahlung aufgefordert hat.
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Die Klägerin ihrerseits macht die Rückgängigmachung des Vertrages geltend unter
Berufung darauf, dass das von der Beklagten gelieferte Programm nicht den
Vereinbarungen entsprochen habe.
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Hierzu behauptet sie, mit der Beklagten sei vereinbart worden, dass eine Einbindung
des von der Beklagten erworbenen Programmes unproblematisch und ohne zusätzliche
Kosten mit der von ihr - der Klägerin - verwendeten Software "Adobe-Frame-Maker"
möglich sei.
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Nach Installation und einfachem Systemcheck am 18.12.2001 habe sie Anfang Januar
2002 mit einem Mitarbeiter der Beklagten telefoniert und ihm Dateien per E-Mail zu
Verfügung gestellt, damit er sich um das sich für sie abzeichnende Problem einer
Funktionsstörung bei der Installation bei der Software kümmern könne.
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In einem Gespräch mit dem Zeugen J Mitte 2/2002 sei festgestellt worden, dass eine
richtige Einweisung und Einsatzoptimierung der Software kostenpflichtige
Einweisungen durch die Beklagte erfordere.
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Diese sei dann in der Folgezeit vereinbart worden und Mitte Mai 2002 durchgeführt
worden, was drei Stunden gedauert habe. Hierbei habe sich herausgestellt, dass die
Software nicht mit dem von ihr verwandten Programm "Adobe-Frame-Maker"
harmoniere und dieses Programm nicht unter "Elo-Office"-Oberfläche laufe.
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Unter dem 08.07.2003 hat die Klägerin gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil
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dahingehend erweckt, dass diese verurteilt worden ist, an sie 4627,79 EUR Zug
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um Zug gegen Rückgabe der Software "ELOprofessionell V.3.05 User" zu zahlen.
Ferner wurde die Widerklage abgewiesen. Gegen das Versäumnisurteil hat die
Beklagte Einspruch erhoben.
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Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 08.07.2003 aufrechtzuerhal-
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ten.
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Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben, die Klage abzuwei-
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sen und die Klägerin wieder klagend zu verurteilen, an sie 870,00 EUR nebst 8
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% Zinsen über den jeweiligen Basiszins seit dem 05.02.2003 zu zahlen.
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Die Beklagte behauptet, die Klägerin, der das Programm bekannt gewesen sei, da es
sich um ein Standardprogramm - unstreitig - handele, habe dieses bei ihr bestellt ohne
dass weitere Abreden über die Eignung und Eigenschaft getroffen seien.
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Erstmals am 15.02.2002 sei über die Möglichkeit der Einbindung der von der Klägerin
verwandten Software gesprochen worden.
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Diese habe zudem schon unmittelbar nach Lieferung des Programms die fehlende
Einbindungsmöglichkeit feststellen können.
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Zu dem Zwecke, die Möglichkeiten und Kosten der Integration des von der Klägerin
verwandten Programmes in das von ihr erworbene Programm zu prüfen, sei die
Durchführung der Beratungstage vereinbart worden.
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Die Einbindung sei durch Erschaffung einer Schnittstelle möglich, was aber Kosten von
5000,00 bis 6.000,00 EUR pro Schnittstelle zu Folge habe, was die Klägerin sich
zunächst habe überlegen wollen, dann aber abgelehnt habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften
Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis womöglich die Vereinbarungen der Parteien sowie den Ablauf
des Beratungstages durch uneidliche Vernehmung der Zeugen C, J und E sowie über
die notwendige Zeit für die Feststellung der fehlenden Einbindungsmöglichkeit des von
der Klägerin zuvor verwandten Programmes in das von der Beklagten erworbene
Programm durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 20.05. und
19.08.2003 sowie das Gutachten der Sachverständigen Schreiber-Ehle vom 12.03.2004
Bezug genommen.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch, der sich allein aus § 459 aF BGB
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ergeben könnte, nicht zu.
Es kann nach dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme hier dahinstehen, ob
zwischen den Parteien eine Vereinbarung konkludent dahingehend getroffen ist, dass
das von der Klägerin bei der Beklagten erworbene Programm zur ordnungsgemäßen
Archivierung von "Frame-Maker-Dateien" geeignet sein sollte, wofür spricht, dass nach
den Bekundungen des Zeugen J erkennbar war, dass die Klägerin derartige Dateien
archivieren wollte und sich nach den weiteren Bekundungen des Zeugen aus dem
Gespräch für den Geschäftsführer der Klägerin der Eindruck ergeben musste, dass
deren Zielvorstellungen mit dem ELO-Programm zu erreichen waren.
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Insoweit steht nämlich dem geltend gemachten Anspruch § 377 Abs. 2 HGB entgegen,
wonach eine Ware als genehmigt gilt, wenn der Käufer diese nicht unverzüglich nach
der Ablieferung durch den Käufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange
tunlich ist, untersucht und wenn sich ein Mangel gezeigt hat, dem Verkäufer
unverzüglich Anzeige gemacht hat.
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Die Bestimmung ist zwischen den Parteien anwendbar, da es sich bei beiden Parteien
um Kaufleute handelt. Es handelt sich auch um einen Kaufvertrag, da es sich bei der
erworbenen Software um eine Standard-Software handelt.
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Das Programm ist durch die Beklagte am 18.12.2002 bei der Klägerin abgeliefert
worden.
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Abgeliefert ist die Kaufsache dann, wenn sie in einer ihre Untersuchung
ermöglichenden Weise in den Machtbereich des Käufers gelangt ist, was bei der
Lieferung von Software auch erfordert, dass das Handbuch mitgeliefert wird (BGH NJW
1993, 2436).
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Insoweit ergibt sich aus den von der Klägerin im Laufe des Rechtsstreits eingereichten
Unterlagen, dass Gegenstand der Lieferung auch die Installation und Nutzerhandbücher
waren.
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Daher liegt insgesamt eine Ablieferung bereits am 18.12.2001 vor mit der Folge, dass
die Klägerin zu unverzüglichen Untersuchung verpflichtet war.
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Die - unstreitige - Rüge Mitte Februar 2002, mithin 60 Tage später, war nicht mehr
unverzüglich.
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Insoweit hat die Sachverständige Schreiber-Ehle für das Gericht nachvollziehbar und
überzeugend dargetan, dass sich die fehlende Unterstützung des von der Klägerin
verwandten Programms "Adobe-Fame-Maker" zum einen aus dem Handbuch
"Serverbase" ergibt, in dem die von dem von der Beklagten gelieferten Programm
unterstützten Dateiformate aufgeführt sind, in dem die Dateiformate "fm" und "book" von
Adobe-Frame-Maker gerade nicht aufgeführt sind. Darüber hinaus hat die
Sachverständige dargetan, dass die fehlende Unterstützung von Frame-Maker auch
dadurch sichtbar ist, dass Schaltflächen, die in anderen Programmen eingefügt werden,
in Frame-Maker nicht eingeführt wurden, dass darüber hinaus auch beim Speichern
unterstützter Anwendungen eine geänderte Dialogführung eintritt, was in dem
Programm Frame-Maker nicht der Fall ist.
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Des weiteren hat die Sachverständige dargetan, dass die von der Beklagte gelieferte
Software sehr leicht zu bedienen ist, sodass als Ursache auftretender Probleme eine
Fehlbedienung als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt wird.
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Nach den weiteren Darlegungen der Sachverständigen ist für die Feststellung, dass die
fehlende Einbindungsmöglichkeit von Adobe-Frame-Dateien in das von der Beklagten
gelieferte Programm in Form des Verlustes von verweisend archivierten Dateien
erkennbar ist, eine Installation der Software und Datenbank nach Anleitung, die
Definition von aussagekräftigen und arbeitsrelevanten Testfällen, die Erstellung von
Dokumenten für diese Testfälle sowie die Durchführung des Tests und Dokumentation
des Tests erforderlich, die auch für einen Nicht-EDV-Fachmann innerhalb von 3
Arbeitstagen möglich ist, da die Handbücher des von der Beklagten gelieferten
Programms sehr ausführlich die Installation und Arbeit mit dem System beschreiben.
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Den erforderlichen Zeitaufwand für die Prüfung, ob die fehlende
Einbindungsmöglichkeit unter Umständen mit auf einen Bedienfehler beruht, hat die
Sachverständige auf einen weiteren Tag geschätzt.
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Insgesamt konnte daher auch für einen Nicht-EDV-Fachmann innerhalb von 4 Tagen
die fehlende Einbindungsmöglichkeit unter Ausschluss eines Bedienfehlers festgestellt
werden.
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In Anbetracht dessen ist die Rüge aus Mitte Februar 2002 60 Tagen nach Ablieferung
nicht mehr unverzüglich, sondern verspätet.
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Soweit die Klägerin - von der Beklagten bestritten - geltend gemacht, sie habe bereits
Anfang Januar 2002 mit einem Mitarbeiter der Beklagten telefoniert und ihm Dateien per
E - Mail zur Verfügung gestellt, damit er sich um das sich abzeichnende Problem einer
Funktionsstörung (zunächst nur) bei der Installation der Software kümmern konnte, stellt
dies keine ausreichende Rüge des hier strittigen Mangels der Software dar, da dieses
kein Problem einer fachgerechten Installation selbst ist.
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Auch die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Installation
durch die Beklagte nicht ordnungsgemäß durchgeführt sein soll. So hat der
Geschäftsführer der Beklagten selbst den Lieferschein vom 18.12.2001 unterzeichnet, in
der diese Dienstleistung als Gegenstand der Lieferung ausgewiesen ist.
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Darüber hinaus hat unstreitig eine Tätigkeit der Beklagten hinsichtlich einer neuen
Installation nicht stattgefunden. Eine solche haben auch weder der Zeuge J, der die
Klägerin Mitte Februar 2002 aufgesucht hat, bekundet, noch der Zeuge E, der den
nächsten Besuch bei der Klägerin Mitte Mai 2002 im Rahmen der Projekttage
durchgeführt hat.
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Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte den
Mangel arglistig verschwiegen habe, da die Beweisaufnahme hierzu nichts ergeben hat.
So hat der Zeuge J, mit dem die Klägerin die Gespräche geführt hat, bekundet, dass ihm
die fehlende Einbindungsmöglichkeit selbst nicht bekannt gewesen sei, sodass eine
Arglist nicht vorgelegen hat, sodass es bei dem Ausschluss des
Gewährleistungsanspruches sein Bewenden hat, da - wie oben dargetan - die Klägerin
diesen nicht rechtzeitig gerügt hat. (Zur Bemessung der Unverzüglichkeit einer Rüge bei
Standardsoftware vergleiche BGHZ 143,307-314, dort 51 Tage nach Ablieferung nicht
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mehr unverzüglich).
Die Widerklage ist hingegen begründet, da der Beklagten der insoweit gemachte
Anspruch gegenüber der Klägerin aus der Durchführung eines der beiden vereinbarten
Beratungstage zusteht.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte die vereinbarte
Beratungsleistung erbracht bzw., soweit diese nicht die vereinbarten 8 Stunden erreicht
haben sollte, jedenfalls aus Gründen nicht erbracht, die allein von der Klägerin zu
vertreten sind.
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Insoweit ist das Gericht davon überzeugt, dass Gegenstand der Projekttage nicht eine
richtige Einweisung der Klägerin in das Programm sein sollte, sondern eine Optimierung
des Archivierungssystemes über das von der Beklagten gelieferte Programm, dort
insbesondere die Anlage von Organisationsstrukturen sowie die Prüfung d Möglichkeit
der Einbindung des bei der Klägerin vorhandenen Frame-Maker-Programms.
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Gegen die Darstellung der Klägerin und für die der Beklagten spricht bereits der Inhalt
des Angebotes vom 18.02 und der Auftragsbestätigung vom 22.02.2002.
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Hinzu kommt, dass nach den Bekundungen des Zeugen J bereits Mitte Februar 2002 im
Gespräch mit der Klägerin festgestellt worden sei, dass eine Einbindung der Frame-
Maker-Dateien in das Programm ELO nicht ohne weiteres möglich sei, sondern wohl die
Entwicklung eines weiteren Programmes erfordere, hinsichtlich dessen der Zeuge J
Informationen habe einholen wollen.
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Dies steht in Übereinstimmung mit den Bekundungen des Zeugen E, wonach noch im
Laufe des Projekttages mit der Firma F. telefonisch Kontakt aufgenommen worden sei
und auch von dort bestätigt worden sei, dass standardmäßig eine Behebung des
Problems nicht möglich sei und er - der Zeuge - sich sodann mit einer Firma in E2 - in
Verbindung gesetzt habe, die eine derartige Programmierung verbunden mit Kosten von
5.000,00 bis 8.000,00 EUR angeboten habe, was sich der Kläger habe überlegen
wollen und woraufhin die Beratung im Laufe des Nachmittages etwa gegen 16.00 Uhr,
anstelle der Beendigung um 17.00 Uhr, beendet worden sei.
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Die Klägerin kann insoweit auch nicht einwenden, dass die Dienstleistung der
Beklagten im Hinblick auf die von ihr erklärte Wandlung des Kaufvertrages nicht mehr
zu vergüten sei, da - wie dargetan - im Zeitpunkt der Beauftragung der Beklagten ein
Anspruch der Klägerin auf Wandlung nicht mehr bestand.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem § 284, 286, 288 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92, 344, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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