Urteil des AG Wesel vom 27.03.2008

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Amtsgericht Wesel, 5 C 417/07
Datum:
27.03.2008
Gericht:
Amtsgericht Wesel
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 C 417/07
Schlagworte:
Mietwagenkosten
Tenor:
für R e c h t erkannt:
Unter Abweisung der weitergehenden Klage werden die Beklagten
verurteilt, als Gesamtschuldner den Kläger von der Forderung des
Autohauses U in Höhe von 554,12 EUR freizustellen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 14% und die
Beklagten als Gesamtschuldner 86%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000 EUR abwenden, wenn nicht der
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist Eigentümer eines PKW Opel Frontera. Bei diesem Fahrzeug handelt es
sich um einen allradgetriebenen Geländewagen. Dieses Fahrzeug wurde erheblich
beschädigt, als der Beklagte zu 1) infolge von Unaufmerksamkeit mit dem bei der
Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten PKW des Beklagten zu 2) am 19.05.2007 in I mit
dem Fahrzeug des Klägers kollidierte. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist
unstreitig. Die Parteien streiten nur noch um die Höhe der erstattungsfähigen
Mietwagenkosten.
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Das Autohaus U, das der Kläger mit der Reparatur des seines Fahrzeuges beauftragte,
stellte ihm für die Dauer der Reparatur einen allradgetriebenen Geländewagen vom Typ
Kia Sorento zur Verfügung, der vom Autohaus U anderweitig besorgt werden musste,
weil es selbst keinen allradgetriebenen Geländewagen als Mietfahrzeug vorrätig hatte.
Mit Rechnung vom 31.05.2007 rechnete das Autohaus U gegenüber dem Kläger für die
Zeit vom 22.05.2007 bis 29.05.2007 unter Einschluss von Versicherungskosten und
eines Zuschlags für unfallbedingte Mehrleistungen einen Betrag von insgesamt
1.126,43 EUR ab. Die Beklagte zu 3) zahlte hierauf vorgerichtlich einen Betrag von
481,95 EUR. Mit seiner Klage beansprucht der Kläger von den Beklagten wegen des
Differenzbetrages Forderungsfreistellung.
3
Der Kläger behauptet, er benötige einen allradgetriebenen Geländewagen, um
Viehanhänger zu ziehen. Zudem sei er als Jäger auf ein solches Fahrzeug mit
entsprechender Bodenfreiheit angewiesen. Er habe das Mietfahrzeug für einen seit
langem geplanten Jagdausflug über Pfingsten gebraucht. Ein günstigerer als der ihm
vom Autohaus U berechnete Tarif sei ihm an seinem Wohnort S nicht zugänglich
gewesen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von der Forderung
des Autohauses U in Höhe von 644,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 08.08.2007
freizustellen.
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Die Beklagten beantragten,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten sind der Ansicht, bei dem Rechnungsbetrag von 1.126,43 EUR handele
es sich um einen unangemessen hohen Unfallersatztarif. Sie machen in diesem
Zusammenhang insbesondere geltend, dass in der Schwacke- Liste 2007 neben dem
unfallgeschädigten PKW des Klägers auch andere Fahrzeuge, wie beispielsweise
Fahrzeuge der 3-er Reihe von BMW und Mercedes C Klasse Fahrzeuge der
Fahrzeuggruppe F zugeordnet sind, die am Mietmarkt für die hier streitgegenständliche
Mietdauer von einer Woche und einem Tag für Mietpreise zwischen 427 EUR und
488,99 EUR zu haben seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
und insbesondere auf die mit Beschluss vom 15.01.2008 und in der mündlichen
Verhandlung erteilten Hinweise verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat überwiegend Erfolg.
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Der Kläger kann von den Beklagten gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 BGB, 3 PflVG in
Verbindung mit §§ 249 Abs. 1, 257 Satz 1 BGB noch eine Forderungsfreistellung in
Höhe von 554,12 EUR beanspruchen. Die weitergehende Klage ist unbegründet.
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Hierzu im Einzelnen:
14
I.
15
Die alleinige Haftung der Beklagten für die Unfallschäden infolge der unfallursächlichen
Unaufmerksamkeit des Beklagten zu 1) gemäß §§ 7, 18, StVG, 823 BGB, 3 PflVG ist
unstreitig.
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II.
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1. Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen
würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs.
1 BGB). Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen
bestimmten Zweck macht, kann, wenn er zu diesem Zweck eine Verbindlichkeit eingeht,
Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen (§ 257 Satz 1 BGB). Zwar ist nur eine
solche Verbindlichkeit erstattungspflichtig, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender
Mensch in der M des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzuges seines
Fahrzeuges für erforderlich halten durfte; dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der
Geschädigte grundsätzlich ersatzweise denselben oder einen gleichwertigen Wagentyp
mieten darf (BGH, Urteil vom 02.03.1982, VI ZR 35/80, = NJW 1982,1519ff.; Heinrichs,
in: Palandt, BGB, 64. Auflage, § 249 Rn. 30).
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Der Kläger hat für seinen unfallgeschädigten allradgetriebenen Geländewagen PKW
Opel Frontera einen allradgetriebenen Geländewagen vom Typ Kia Sorento als
Mietfahrzeug in Anspruch genommen. Damit hat er von seinem Recht Gebrauch
gemacht, einen gleichwerten Wagentyp mieten zu dürfen. Auf die Behauptungen des
Klägers, er benötige einen allradgetriebenen Geländewagen, um Viehanhänger zu
ziehen, er sei zudem als Jäger auf ein solches Fahrzeug mit entsprechender
Bodenfreiheit angewiesen und habe das Mietfahrzeug für einen seit langem geplanten
Jagdausflug über Pfingsten gebraucht, kommt es vor diesem Hintergrund nicht
entscheidend an.
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2. Zwar mag der unfallgeschädigte PKW Opel Frontera des Klägers in der Schwacke-
Liste 2007 der Fahrzeuggruppe F zugeordnet sein, in die auch andere PKW, wie
beispielsweise der PKW BMW der 3-er Reihe und der PKW Mercedes C Klasse,
eingruppiert sein mögen; dies führt indes nicht dazu, dass der Kläger gehalten war, ein
solches Fahrzeug anzumieten. Denn es handelt sich bei den genannten Fahrzeugen
nicht um mit dem unfallgeschädigten allradgetriebenen Geländewagen des Klägers
gleichwertige Wagentypen. Vielmehr bestehen in Bauart und Antriebsart wesentliche
Unterschiede, die gerade auch in der Bezeichnung des Unfallfahrzeuges des Klägers
als "Geländewagen" ihren Ausdruck finden.
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3. Dass dem Kläger auf dem in seiner M zeitlich und örtlich relevanten Markt in S oder
Umgebung ein wesentlich günstigerer als der ihm vom Autohaus U berechnete Tarif für
einen allradgetriebenen Geländewagen zugänglich war, ist von den Beklagten nicht
substantiiert vorgetragen worden. Dies geht zu ihren Lasten. Auf den Hinweis des
Gerichts, dass die Beklagten nicht substantiiert dargelegt haben könnten, dass dem
Kläger in S oder Umgebung am Mietmarkt ein passendes allradgetriebenes
Mietfahrzeug zu dem von ihnen behaupteten Normaltarif in Höhe von 397 EUR netto
bzw. 472,43 EUR brutto zugänglich gewesen wäre, haben die Beklagten nur auf
Mietpreise für die oben genannten BMW und Mercedes Fahrzeuge zwischen 427 EUR
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und 488,99 EUR verwiesen. Auf diese Preise kann indes nicht abgestellt werden, weil
es sich insoweit nicht um mit dem unfallgeschädigten Geländewagen des Klägers
gleichwertige Wagentypen handelt.
Da der Kläger einen Anspruch auf einen gleichwertigen Wagentyp hatte und die
Beklagten es versäumt haben, substantiiert darzulegen, dass dem Kläger in S oder
Umgebung am Mietmarkt ein passendes allradgetriebenes Mietfahrzeug zu einem
niedrigeren Mietpreis zur Verfügung stand, kommt dem Umstand, dass es sich bei dem
unfallgeschädigten allradgetriebenen Geländewagen des Klägers nach dem
Schadensgutachten um ein älteres und deshalb nach den Erläuterungen zur Schwacke
Liste zur Nutzungsausfallentschädigung um eine Fahrzeuggruppe herabzustufendes
Fahrzeug aus dem Jahre 1999 mit einer Kilometerleistung von 73.643 km und einem
Wiederbeschaffungswert von 8.100 EUR handelte, das nicht ohne weiteres in die
dieselbe Fahrzeuggruppe der Schwacke-Liste 2007 eingruppiert werden kann, wie das
allradgetriebene Mietfahrzeug mit einer Kilometerleistung bei Anmietung laut
Mietvertrag von lediglich 4.610 km, vorliegend keine entscheidende Bedeutung zu.
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4. Auf die vom Autohaus U als Normaltarif abgerechneten Mietkosten für eine Woche
und einen Tag in Höhe von 531,51 EUR und 75,93 EUR muss sich der Kläger im Wege
der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen für die Dauer der Mietzeit
anrechnen lassen, die mit 10% der Mietkosten angesetzt werden können (LG E, Urteil
vom 14.06.2007, 4 S 129/06, = NZV 2008, 93, 95). Dies ist bei Nettomietkosten für eine
Woche und einen Tag in Höhe von 531,51 EUR und 75,93 EUR ein Betrag von 60,74
EUR.
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5. Die abgerechneten Versicherungskosten von 131,09 EUR und 18,73 EUR sind
gesondert erstattungsfähig und zwar unabhängig davon, ob und inwieweit das bei dem
Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug des Klägers versichert war (LG E, Urteil vom
14.06.2007, 4 S 129/06, = NZV 2008, 93ff.).
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6. Der abgerechnete Zuschlag von 25% für unfallbedingte Mehrleistung ist deshalb
gerechtfertigt, weil das Autohaus U das Mietfahrzeug selbst nicht vorrätig hatte, sondern
anderweitig besorgen musste und das Autohaus U zudem die Vorfinanzierung des
Mietzinses übernahm. Der Zuschlag ist mit einem Betrag von 174,13 EUR zu bemessen
(= 25% von 531,51 EUR + 75,93 EUR – 60,74 EUR + 131,09 EUR + 18,73 EUR).
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7. Insgesamt berechnet sich nach alledem ein Erstattungsbetrag von netto 870,65 EUR
(531,51 EUR + 75,93 EUR – 60,74 EUR + 131,09 EUR + 18,73 EUR + 174,13 EUR).
Zuzüglich 19% Mehrwertsteuer ergibt sich ein Forderungsbetrag von 1.036,07 EUR.
Abzüglich der vorgerichtlichen Zahlung von 481,95 EUR verbleibt eine
Freistellungsforderung von 554,12 EUR.
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8. Eine Verzinsung kann der Kläger nicht beanspruchen, weil es sich bei der von ihm
beanspruchten Forderungsfreistellung nicht um eine auf Zahlung an den Kläger
gerichtete Geldschuld im Sinne von § 288 BGB handelt. Zudem ist weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sich gegenüber dem Autohaus U seit dem
08.08.2007 in Zahlungsverzug mit dem Rechnungsausgleich befindet. Bei der
Zahlungsaufforderung vom 25.07.2007 unter Fristsetzung zum 07.08.2007 handelt es
sich nicht um eine solche des Autohauses U gegenüber dem Kläger, sondern um eine
solche des Klägers gegenüber der Beklagten zu 3).
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
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IV.
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Das Gericht hat gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO die Berufung zugelassen, weil die
Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichtes zur Frage, ob und
inwieweit sich ein Unfallgeschädigter auf andere in der Schwacke- Liste zu einer
bestimmten Fahrzeugklasse aufgeführten Wagentypen verweisen lassen muss oder
nicht, erfordert.
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V.
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Streitwert: 644,48 EUR
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Terhorst
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