Urteil des AG Wesel vom 01.12.2003

AG Wesel: gesetzliche vermutung, krankheit, tod, käufer, behandlung, fahrtkosten, obhut, telefon, kaufpreis, kaufvertrag

Amtsgericht Wesel, 27 C 190/03
Datum:
01.12.2003
Gericht:
Amtsgericht Wesel
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 C 190/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.196,50 EUR nebst 5
Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2003
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 2.196,50 EUR
T a t b e s t a n d:
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Die Klägerin schloss mit der Beklagten, die seit dem Jahre 2000 eine Hundezucht
betreibt, am 02. Oktober 2002 einen Kaufvertrag über einen am
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14. August 2002 geborenen Yorkshire-Terrier zum Kaufpreis von 1.500 EUR. Die
Klägerin macht mit ihrer Klage gegen die Beklagte einen Anspruch aus diesem
Kaufvertrag auf Rückerstattung des Kaufpreises in Höhe von
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1.500 EUR und Ersatz ihrer Aufwendungen, die zur Erhaltung des Hundes und der
Feststellung der Todesursache notwendig waren, in Höhe von 641,65 EUR sowie einen
sonstigen Aufwendungsersatzanspruch (Pauschale für Telefon, Fahrtkosten und
entstandene Portokosten) in Höhe von 54,85 EUR geltend.
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Die Übergabe des Hundes erfolgte am 26. Oktober 2002.
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Am 28. Oktober rief die Klägerin, da der Stuhl des Hundes sehr weich war und er nicht
fressen wollte, die Beklagte an, um sie um Rat zu fragen. Hierbei wurde die Klägerin
von der Beklagten, Humana Heilnahrung empfohlen.
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Am 09. und 10. November 2002 gab sie den streitgegenständlichen Hund in die
notärztliche Obhut von der Tierklinik Dr. B2, F. Diese behandelte den Hund zunächst auf
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eine hämorrhagischen Enteritis (blutige Magen- Darment-zündung). Nach der letzten
Behandlung am 20. November 2002 erhielt der Hund noch zehn Tage lang Antibiotika.
Der Hund wurde am 02. Dezember und am 15. Januar geimpft und sein
Allgemeinbefinden erschien normal.
Nach einem zuvor geführten Telefonat begab sich die Klägerin am 03. Februar in
Begleitung der Frau Y der Beklagten. Dort übergab die Klägerin den
streitgegenständlichen Hund an die Beklagte. Diese gab den Hund in die Obhut ihres "
Haus-Tierarztes" Dr. E, Tierklinik D in E2. In den folgenden Tagen meldete sich die
Klägerin jeden Tag bei der Beklagten, um sich nach dem Befinden des Hundes zu
erkundigen. Am 18. Februar 2003 erfuhr sie von der Beklagten, dass der
streitgegenständliche Hund einen Tag zuvor gestorben war.
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Die Klägerin fuhr mit Frau Y Dr. E um den Hund abzuholen. Hierbei erfuhr sie, dass die
Todesursache im Kopf gelegen habe und dass es sich um Wasser oder ein Gerinnsel
gehandelt haben könnte. Um genaueres herauszufinden, müsse der Hund speziell
untersucht werden.
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Eine Wurfschwester des streitgegenständlichen Hundes ist innerhalb des gleichen
Zeitraums mit den gleichen Symptomen verstorben. Die Symptome der Krankheit
brachen bei beiden Tieren am 01. Februar aus. Die Wurfschwester verstarb am 18.
Februar 2003.
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Unter dem 11. Mai 2003 übermittelte Dr. E der Klägerin auf ihren Wunsch einen
Ausdruck der Patientenkarte. Diesen Arztbericht ließ die Klägerin, da er auf holländisch
verfasst war, am 18. Juli 2003 übersetzen.
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Mit Schreiben vom 23. Mai 2003, welcher der Beklagten am gleichen Tag zuging,
unterrichtete die Klägerin die Beklagte, dass sie von ihrem Rücktritts-recht Gebrauch
mache und kaufrechtliche Mängelansprüche auf Rückerstat- tung des Kaufpreises und
Ersatz der Tierarztkosten in Höhe von insgesamt 2.034,00 EUR geltend machen würde.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Forderung der Klägerin ab.
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Die Klägerin behauptet, dass der streitgegenständliche Hund bei Übergabe am 26.
Oktober 2002 eine Krankheit in sich trug.
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Des weiteren behauptet sie, dass der streitgegenständliche Hund immer wieder mal an
Schwächeanfällen litt, nicht fraß und gefüttert werden musste.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.196,50 EUR nebst
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5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2003
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zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klag abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, dass der Hund bei Übergabe gesund gewesen war und zum
damaligen Zeitpunkt keine Beschwerden gehabt hatte.
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Sie ist der Ansicht, die Beweislastregel des § 476 BGB würde hier nicht gelten, da die
Ausnahmeregelung des § 476 2. HS BGB Anwendung finden müsste.
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Weiterhin vertritt sie die Ansicht, dass es wegen der Erstattungspflicht bezüglich der
Arztkosten an einer Fristsetzung fehle und dass auch die anderen von der Klägerin
geltend gemachten Positionen nicht erstattungsfähig wären.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen
und das Protokoll Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückerstattung des
Kaufpreises in Höhe von 1500 EUR sowie einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§
433 I S. 2, 437 Nr. 2, 346 I, 323 I, 326 V BGB in Verbindung mit
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474 I S. 1, 476 BGB.
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Der verkaufte Hund ist mangelhaft. Er war nämlich nicht frei von Sachmängeln im Sinne
von § 434 Abs. 01 Satz 2 Nr. 2 BGB. Da der Hund aufgrund Krankheit sogar verstarb,
eignete er sich in keiner Weise für die gewöhnliche Verwendung und wies auch keine
Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art
der Sache erwarten kann.
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Diese Mangelbeschaffenheit lag bereits bei Gefahrübergang vor, was gem.
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§ 476 BGB vermutet wird, da sich der Mangel und selbst der Eintritt des Todes innerhalb
von 6 Monaten seit Gefahrübergang zeigten.
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Es handelt sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 mit der Folge, dass
sich die Beweislast bezüglich des Vorhandenseins eines Sachmangels zu Lasten des
Veräußerers grundsätzlich umkehrt.
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Die Beklagte züchtet und veräußert zumindest seit dem Jahr 2000 in erheblichem
Umfang Hunde. Sie übt daher eine planmäßige, dauerhafte Tätigkeit gegen Entgelt aus
und ist somit als Unternehmerin i. S. d. §§ 474,
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14 I BGB anzusehen. Die Klägerin ist zweifelsfrei Verbraucher im Sinne der
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§§ 474, 13 BGB.
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Die Ausnahmeregelung nach § 476 BGB zugunsten des Verkäufers greift nicht ein. Die
Beklagte kann nicht darlegen, dass die grundsätzliche Vermutungs-regel nach § 476
BGB mit der Art der Sache und des Mangels unvereinbar wäre. Dabei reicht nicht die
Darstellung unwahrscheinlicher Kausalverläufe oder die ungewisse vorgetragene
Möglichkeit, dass ein Hund auch auf sonstige Weise verenden kann. Mangels
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nachvollziehbarem Vortrag erübrigt sich dazu auch die Einholung eines
Sachverständigengutachtens.
Die gesetzliche Vermutung wird hier noch durch den Umstand untermauert, dass die
Wurfschwester des streitgegenständlichen Hundes innerhalb des gleichen Zeitraums
mit den gleichen Symptomen verstorben ist. Die Symptome der Krankheit brachen bei
beiden Tieren am 01. Februar aus. Die Wurf-schwester verstarb am 18. Februar
2003,der Hund der Klägerin einen Tag zuvor.
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Der Hundezuchtbetrieb der Beklagten kommt, die Wurf- und Welpenzahlen der Jahre
2000 bis 2002 zugrunde gelegt, auf durchschnittlich 3,76 Hunde pro Wurf. Von dem
Wurf, woraus der streitgegenständliche Hund stammt, sind somit mehr als 50 % der
Hunde gestorben. Dies spricht eher dafür, dass es sich bei dem Tod der Tiere nicht um
einen Ausnahmefall (der aber von § 476 2. HS BGB vorausgesetzt wird), sondern eher
um die Regel handelt. Somit spricht ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit für die
Annahme, dass die zum Tode des Hundes führende Krankheit schon bei Übergabe
vorlag, so dass zu vernünftigen Zweifeln kein Anlass besteht, dass der
streitgegenständliche Hund schon bei Übergabe am 26. Oktober 2002 mangelhaft war.
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Einer Fristsetzung vor dem Rücktritt bedürfte es nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben,
ob das zweite Andienungsrecht des Verkäufers zur Erbringung einer mangelfreien Ware
bei Tieren überhaupt angebracht ist oder etwa im Sinne von § 440 BGB unzumutbar für
den Käufer ist.
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Hier ist die Fristsetzung gem. § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich, da die Leistung durch den
Tod des Hundes nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist.
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Nach ausgeübter Rücktrittserklärung ist die Beklagte gem. § 346 BGB verpflichtet, die
empfangene Leistung Kaufpreis zurückzuzahlen.
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Die Kosten der Tierklinik B2 in Höhe von 376,57 EUR für die Behandlung des
streitgegenständlichen Hundes sowie die Kosten der Tierklinik D in Höhe von 190,55
EUR muss die Beklagte de Klägerin gem. §§ 433 I S. 2, 434,
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437 Nr. 2, 347 II i. V. m. 346 III Nr. 2 BGB ersetzen. Der Tod des Tieres wäre auch bei
der Beklagten eingetreten, weshalb die Klägerin gem. § 346 III Nr. 2 BGB vom
Wertersatz für das tote Tier befreit ist. Ihr steht demnach Ersatz ihrer notwendigen
Verwendungen gem. § 347 II BGB zu. Die von der Klägerin geltend gemachten
Ansprüche stellen derartige ersatzfähige notwendige Verwendungen dar. Einer
Fristsetzung seitens der Klägerin bedurfte es nicht.
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Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten der Übersetzung des Tierarztberichtes in Höhe
von 74,53 EUR, Telefon- und Fahrtkosten in Höhe von 50,00 EUR sowie die
Portokosten in Höhe von 4,85 EUR gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB zu ersetzen.
Hier ist die Verpflichtung der Beklagten zur Nacherfüllung nach Vertragsschluss – da sie
wegen Untergang der mangelhaften Sache unmöglich geworden ist- gem. § 275 I BGB
weggefallen. Die Pflichtverletzung der Beklagten liegt in der Lieferung des
mangelhaften Hundes. Das Vertreten-müssen der Beklagten wird nach § 280 I S. 2 BGB
vermutet und wurde von der Beklagten nicht widerlegt. Demnach muss die Beklagte die
Klägerin so stellen, wie sie stehen würde, wenn die Beklagte den Vertrag
ordnungsgemäß erfüllt hätte, ihr somit also die Schäden ersetzen.
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Der Gesamtanspruch der Klägerin beläuft sich demgemäß auf 2.196,50 EUR.
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Hält man die der Klägerin entstandenen tierärztlichen Kosten von 366,57 EUR und
190,55 EUR nicht für freiwillige Vermögensaufwendungen im Sinne § 347 BGB, so
ergibt sich die Pflicht zum Ausgleich als Schadenersatz gem. den oben stehenden
Ausführungen.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 I, II, 286 I, 288 I BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I S. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
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Hirt
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