Urteil des AG Wedding vom 29.03.2017

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Gericht:
AG Wedding
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21a C 354/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 307 Abs 1 S 1 BGB
Abrechnung eines Leasingvertrages nach ordnungsgemäßer
Kündigung: Berücksichtigung des Gewinnanteils für die Zeit
nach der Kündigung und einer Sonderzahlung zu
Vertragsbeginn zugunsten des Leasingnehmers
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden,
sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Der am 14. Januar 2005 verstorbene Erblasser, der von den Beklagten beerbt wurde,
schloss mit der Klägerin am 22. Oktober 2004 einen Leasingvertrag über ein Fahrzeug
Mercedes Benz, Typ E 200 Kompressor, ab. Der Vertragsbeginn war 24. November 2004
bei einer 36-monatigen Laufzeit, einem Kaufpreis von 37.300,– Euro, einem Restwert von
22.193,50 Euro und einer Leasingsonderzahlung von 4.525,20 Euro sowie einer
monatlichen Leasingrate von 340,– Euro. Mit Schreiben vom 18. Januar 2005 wurde der
Leasingvertrag gekündigt. Das Fahrzeug wurde am 18. Januar 2005 zurückgegeben. Mit
Schreiben vom 03. Juni 2005 rechnete die Klägerin den Vertrag unter Berücksichtigung
eines Veräußerungserlöses von 25.000,– Euro ab und forderte die Beklagten zur
Zahlung von 6.623,59 Euro auf. Hierauf zahlten die Beklagten 1.811,79 Euro.
Mit der Klage begehrt die Klägerin den Differenzbetrag. Sie ist der Auffassung, dass die
Sonderzahlung nicht auf die gesamte vertragliche vorgesehene Laufzeit zu verteilen ist.
Im Laufe des Rechtsstreits hat die Klägerin unter Berücksichtigung eines
Refinanzierungssatzes von 3,62 % die Abrechnung korrigiert und den Rechnungsbetrag
um 85,17 Euro auf 6.538,42 Euro verringert.
Nachdem die Klägerin zunächst einen Mahnbescheid mit einer Hauptforderung von
4.831,80 Euro nebst 20,– Euro Mahnkosten und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2005 begehrt hat, beantragt sie
nunmehr unter Zurücknahme der Klage,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 4.746,63 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Juni 2005 sowie
vorgerichtliche Mahnauslagen in Höhe von 20,– Euro zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Leasingsonderzahlung sei auf den gesamten Zeitraum zu berechnen, so dass bei
einer monatlichen Vertragslaufzeit von 36 Monaten ein unverbrauchter Anteil der
Leasingsonderzahlung von netto 4.148,10 Euro bestehe. Darüber hinaus seien die
abstrakten Abrechnungsregelungen in Ziffer XV der AGB's unwirksam und der Klägerin
stehe ein Gewinnanteil für die Zeit nach der Kündigung nicht zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Abrechnungsanspruch nach Ziffer XV, Ziffer 1,
3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu, weil diese Bestimmung unwirksam
ist. Soweit man eine konkrete Schadensberechnung durchführt, hat die Klägerin nicht
dargelegt, dass dieser in der mit der Klageforderung geltend gemachten Höhe
entstanden ist.
1. Die Klägerin kann den Vertrag nicht pauschal gemäß XV Nr. 1, 3 ihrer Allgemeinen
Geschäftsbedingungen abrechnen, weil diese Bestimmung den Leasingnehmer
entgegen den Geboten von Treu und Glauben gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
unangemessen benachteiligt.
Zutreffend weisen die Beklagten darauf hin, dass der Erblasser nicht durch schuldhaftes
Handeln eine fristlose Kündigung des Leasingvertrages hervorgerufen hat, wie etwa
durch Nichtzahlung der Leasingraten, sondern die Beendigung des Vertrages durch den
Tod des Leasingnehmers verursacht worden ist. Der Vertrag ist auch nicht fristlos
gekündigt worden, vielmehr haben die Beklagten den Leasingvertrag durch das von der
Klägerin eingeräumte vertragsgemäße Kündigungsrecht nach IV Ziffer 3 der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen beendet. Danach können die Erben bei Tod des Leasingnehmers
das Vertragsverhältnis zum Ende eines Vertragsmonats kündigen. Steht dem Erben für
den Fall des Todes ein Recht zur Kündigung des Leasingvertrages zu, so gebührt bei der
Vertragsabrechnung der vom Leasinggeber darzulegende kalkulierte Gewinnanteil aus
dem Vertrag für die Zeit nach der Kündigung dem Leasingnehmer bzw. seinen Erben
(Landgericht Wuppertal NJW RR 1999, 493, Reinking – Eggert "Der Autokauf", 9. Auflage,
Randnummer 1063). Mit der pauschalierten Schadensberechnung in Ziffer XIV der AGB's
der Klägerin erhalten aber nicht der Leasingnehmer bzw. der Erbe den in den
abgezinsten restlichen Raten und abgezinsten kalkulierten Restwert enthaltenen
Gewinnanteil, sondern die Klägerin als Leasinggeber. Damit werden die
vertragstypischen Verpflichtungen einseitig und unangemessen verletzt und sind
unwirksam (Reinking a. a. O., Randnummer 1025).
Grundsätzlich ist das Risiko des teilweisen Ausfalls der Amortisation zwischen
Leasinggeber und Leasingnehmer angemessen aufzuteilen. Dabei ist eine Regelung
angemessen, die dem Leasingnehmer den noch nicht amortisierten
Anschaffungsaufwand nebst angemessenem Gewinn abzüglich des erzielten
Verwertungserlöses auferlegt, wobei dem Leasinggeber ein Gewinn für die Zeit nach der
Kündigung nicht mehr zusteht, da er diesen durch Veräußerung oder Neuverleasing
realisiert (vgl. BGH NJW 1991, 221). Dieser Entscheidung lag ein Fall der ordentlichen
Kündigung zugrunde, die mit dem hier eingeräumten vertragsgemäßen Kündigungsrecht
vergleichbar ist. In Folge der vertraglich vorgesehenen Kündigung der Beklagten als
Erben ist eine Situation eingetreten, die mit der Kündigung vergleichbar ist, die bei der
Kündigung eines kündbaren Teilamortisationsvertrages eintritt (vgl. BGH NJW 1986,
1746). In beiden Fällen ist ein besonderes Kündigungsrecht auf der Leasingnehmerseite
ausdrücklich vereinbart und durch den Berechtigten ausgeübt worden. Wenngleich der
Tod des Leasingnehmers naturgemäß im weitesten Sinne in dessen Sphäre liegt, so
handelt es sich – anders als etwa bei Zahlungsverzug des Leasingnehmers – gerade
nicht um eine schuldhafte Verletzung von Vertragspflichten des Leasingnehmers, die die
Klägerin als Leasinggeberin zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen würde.
Würde man der Klägerin als Leasinggeberin nicht nur den vorgenannten Ausgleich
zubilligen, sondern ein Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens geben, so
führte dies zu einer unangemessenen Benachteiligung des Leasingnehmers, der letztlich
durch das vertraglich vorgesehene Kündigungsrecht nicht besser steht, als er stehen
würde, wenn ein solches nicht vereinbart wäre (vgl. Landgericht Wuppertal a. a. O.).
2. Grundsätzlich ist es wegen der unwirksamen pauschalierten Schadensberechnung
konkret und nachvollziehbar der Schaden darzulegen (vgl. hierzu Reinking a. a. O., §
1026 f.). Einen solchen Schaden hat die Klägerin aber nicht erläutert. Zum einen muss
sie die Sonderzahlung für den Zeitraum nach Vertragsbeendigung zugunsten des
Leasingnehmers bzw. der Beklagten berücksichtigen, zum anderen hat sie keinerlei
Angaben hinsichtlich des Gewinnanteils für die Zeit nach Beendigung des
Leasingvertrages gemacht und den Anspruch nicht dargelegt.
Die Sonderzahlung von 4.525,– Euro bei Vertragsbeginn ist Teil des
Amortisationsanspruches des Leasinggebers und folglich bei der konkreten
Schadenberechnung nach Kündigung des Leasingvertrages in vollem Umfange
zugunsten des Leasingnehmers zu berücksichtigen. Durch die am Vertragsanfang zu
leistende Sonderzahlung wird sowohl das Kreditrisiko des Leasinggebers als auch die
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leistende Sonderzahlung wird sowohl das Kreditrisiko des Leasinggebers als auch die
Kreditverbindlichkeiten des Leasingnehmers reduziert. Die Sonderzahlung wirkt sich
günstig auf die Höhe des insgesamt vom Leasingnehmer zu zahlende Leasingentgelte
aus. Je höher die dem Kunden abverlangte Leasingsonderzahlung ist, um so niedriger
sind die Leasingraten. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise handelt es sich unabhängig
von der Bezeichnung durch die Vertragsparteien um eine Mietvorauszahlung (vgl.
Reinking a. a. O., Randnummer 926). Fehlt, wie im vorliegenden Sachverhalt, ein
eindeutiger Hinweis darauf, ob die Sonderzahlung als zusätzliches Entgelt auf die
Leasingraten anzurechnen ist oder nicht, so ist davon auszugehen, dass der
Leasinggeber die Sonderzahlung für die Anschaffung des Fahrzeuges verwendet und
sich seinen Finanzierungsaufwand entsprechend verringert. Dementsprechend ist die
Sonderzahlung bei der konkreten Schadensberechnung nach einer vom Leasingnehmer
veranlassten fristlosen Kündigung des Leasingvertrages in vollem Umfange zugunsten
des Leasingnehmers zu berücksichtigen (Reinking – Eggert a. a. O., Randnummer 1027),
erst recht bei vertragsgemäßer Kündigung, wie im vorliegenden Sachverhalt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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