Urteil des AG Wedding vom 15.01.2007

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Gericht:
AG Wedding
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 C 430/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558 BGB
Berliner Mietspiegel: Wohnwertminderung durch unzureichende
Elektroinstallationen und ein uneffektives Heizungssystem;
Wohnwerterhöhung auf Grund des Merkmals „villenähnliches
Mehrfamilienhaus“
Tenor
1. Das am 15. Januar 2007 verkündete Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wedding – 18
C 430/06 – wird aufrechterhalten.
2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
nach diesem Urteil beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor
der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Auf Grund schriftlichen Mietvertrages vom 28.09.1981, wegen dessen Einzelheiten auf
Bl. 5 bis 8 der Akte verwiesen wird, sind die Klägerin Vermieterin, die Beklagten Mieter
einer im Hause, gelegenen Wohnung.
Die Klägerin begehrt auf Grund einer Mieterhöhung vom 20.04.2006 (vgl. Blatt 9, 10 der
Akte) die Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung einer monatlichen
Nettokaltmiete von 258,92 Euro um 51,78 Euro auf 310,70 Euro, und zwar mit Wirkung
ab dem Juli 2006.
Der Klägerin behauptet, der geforderte Betrag (Quadratmeterpreis: 4,36 Euro/qm)
übersteige die ortsübliche Vergleichsmiete nicht. Sie behauptet für die
Merkmalsgruppen 3 - 5 des Berliner Mietspiegels 2005 das Vorliegen von
wohnwerterhöhenden Merkmalen, derentwegen auf Seite 3 und 4 der Klageschrift sowie
3 bis 6 des Schriftsatzes vom 02.01.2007, Blatt 37 bis 40 der Akte, Bezug genommen
wird.
Das Gericht hat die Klage – auf den dahingehenden Beklagtenantrag – im Termin am
15.01.2007 durch Versäumnisurteil abgewiesen, nachdem die Klägerin keinen Antrag
gestellt hat.
Gegen dieses, ihr am 26.01.2007 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin mit am
09.02.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten unter Aufhebung des Versäumnisurteils zu verurteilen, einer Erhöhung
der Nettokaltmiete für die (näher bezeichnete) Wohnung von 258,92 Euro auf 310,70
Euro zuzustimmen, und zwar mit Wirkung ab dem 01.07.2006.
Die Beklagten beantragen,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Sie vertreten unter Bezugnahme auf § 3 des Mietvertrages die Auffassung, zwischen den
Parteien sei – unverändert – eine Bruttokaltmiete vereinbart. Eine Änderung der
Mietstruktur stellen sie in Abrede.
Sie behaupten das Vorliegen von wohnwertmindernden Merkmalen. Wegen
diesbezüglicher Einzelheiten wird auf Seite 2 bis 5 des Schriftsatzes vom 04.12.2006
sowie den Schriftsatz vom 19.03.2007 (Blatt 71 bis 73 der Akte) verwiesen. Sie
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sowie den Schriftsatz vom 19.03.2007 (Blatt 71 bis 73 der Akte) verwiesen. Sie
behaupten zudem, ein Teil der in der Wohnung befindlichen Ausstattung sei von ihnen im
Laufe der Jahre nachgerüstet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von
den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch der Klägerin ist zulässig, insbesondere rechtzeitig innerhalb der Frist des §
331 Abs. 1 ZPO bei Gericht eingegangen. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, so
dass das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten war, § 343 Satz 1 ZPO.
Die Klage ist zulässig, da die Klägerin den Beklagten mit dem Schreiben vom 20.04.2006
ein ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen hat zukommen lassen, §§ 535, 557 III,
558 BGB.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in diesem Schreiben – wie auch in der Klage
– die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete verlangt hat. Denn es ist davon
auszugehen, dass sich die zwischen den Parteien maßgebliche Mietstruktur so darstellt,
dass die Beklagten eine Nettokaltmiete zuzüglich Vorauszahlungen auf die Heiz- und
Betriebskosten zu entrichten haben. Das von den Beklagten erfolgte Bestreiten einer
Umstellung der Mietstruktur von einer Bruttokaltmiete auf eine Nettokaltmiete
(zuzüglich auch auf die Betriebskosten zu entrichtender Vorschüsse) ist jedenfalls
unwirksam, § 138 Abs. 1 ZPO.
Das Gericht hat an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob – wofür angesichts der
eindeutigen Umstände allerdings einiges spricht – dieser Vortrag bewusst
wahrheitswidrig erfolgt ist. Denn die Beklagten selbst waren es, die zu klägerischen
Abrechnungen bezüglich in den Jahren 1998, 1999 und 2000 geleisteter
Vorauszahlungen auf die Betriebskosten mit Schreiben vom 24.11.1999, 04.05.2000 und
12.07.2001 (vgl. Blatt 60 bis 62 der Akte) ausdrücklich inhaltlich Stellung bezogen
haben, ohne die Berechtigung zu einer solchen Abrechnung über die Betriebskosten
generell in Abrede zu stellen. Mit Schreiben vom 19.01.2004 (vgl. Blatt 63 der Akte)
haben die Beklagten zudem selbst die Klägerin zu einer Erstellung einer Betriebs- und
Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2002 aufgefordert und mit Schreiben vom
02.02.2004 (vgl. Blatt 64 der Akte) ausdrücklich eine Anpassung der monatlichen Heiz-
und Betriebskostenvorauszahlung erbeten (!).
In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung zur begehrten
Mieterhöhung auf 310,70 Euro, was einer Quadratmetermiete von 4,36 Euro entspricht,
nicht zu, §§ 535, 557 III, 558 I, 558 b ff BGB.
Es ist davon auszugehen, dass bereits die von den Beklagten aktuell entrichtete
Nettokaltmiete von 3,64 Euro/qm über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.
Diese war unter Heranziehung des Berliner Mietspiegels 2005 zu bestimmen. Für die
streitbefangene Wohnung weist der Mietspiegel in dem nach dem übereinstimmenden
Parteienvortrag maßgeblichen Mietspiegelfeld G 6 einen Oberwert von 5,05 Euro, einen
Unterwert von 3,24 Euro und einen Mittelwert von 4,06 Euro, jeweils pro qm, aus.
Zur Bestimmung, auf welchen Betrag innerhalb der Spanne sich die ortsübliche Miete
von der konkreten Beklagtenwohnung vergleichbaren Wohnungen beläuft, war
ergänzend die Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung heranzuziehen (LG Berlin,
Mietermagazin 2003, 337 (ZK 65)).
Abweichungen vom Mittelwert des Mietspiegels waren danach von derjenigen
Vertragspartei näher darzulegen und zu beweisen, die sich auf sie berief (LG Berlin GE
2003, 1082 (Mietspiegel 2003); Schach, GE 2003, 1057; LG Berlin GE 1994, 1055
(Mietspiegel 1994)). Hierbei reichte die bloße Wiederholung des Wortlautes jedenfalls bei
dem Vortrag unbestimmter Begriffe wie "gut belichtet oder besonnt", "besonders ruhige
Straße", "großer, geräumiger Balkon" etc. nicht aus (vgl. LG Berlin, GE 1994, 1055).
Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich ein Überwiegen wohnwertmindernder
Merkmale in zwei Merkmalsgruppen.
Bereits nach dem eigenen klägerischen Vortrag lagen wohnwerterhöhende Merkmale in
den Merkmalsgruppen 1 und 2 nicht vor.
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In der Merkmalsgruppe 3 ist davon auszugehen, dass die Klägerin eine überwiegende
gute Belichtung/Besoldung nicht hinreichend dargetan hat, § 138 Abs. 1 ZPO. Ihren
ursprünglichen Vortrag, dass die Fenster aller Wohnräume nach Süden ausgerichtet
sind, hat sie zuletzt nicht aufrecht erhalten. Nachdem sie eingeräumt hat, dass
Wohnräume und Terrasse nach Westen ausgerichtet sind, hätte es, um eine bessere
Belichtung/Besonnung darzutun, des Vortrags von Einzelheiten zu der Anzahl und Größe
der Fenster oder auch zu der in den Räumen konkret herrschenden Helligkeit bedurft.
Auch ein weiteres wohnwerterhöhendes Merkmal in Gestalt einer großen Terrasse ist
nicht dargetan. Eine 4 Quadratmeter große Terrasse stellt mit ihren potenziellen
rechnerischen Seitenmaßen zwischen 1 x 4 Metern und 2 x 2 Metern keine große
Terrasse dar. Sie ermöglicht gerade einmal das Aufstellen eines Balkontisches nebst
zwei Sitzgelegenheiten. Es kann dahinstehen, ob der klägerseits vorgetragene
rückkanalfällige Breitbandkabelanschluss zu berücksichtigen ist, wogegen Bedenken
bestehen, weil die Beklagten einen eigenen Kabelvertrag geschlossen haben. Denn
diesem einen positiven Merkmal stehen jedenfalls zwei mindernde Merkmale gegenüber,
die die Merkmalsgruppe 3 insgesamt negativ erscheinen lassen. Unstreitig stammt die
Elektroinstallation aus dem Jahre 1959 und ist im sog. Zwei-Leiter-System ausgestaltet,
in dem Masse und Erde verbunden sind, was oft zu Kurzschlüssen führt. Ferner ist
(unstreitig) bauseitig durchweg lediglich eine Steckdose pro Zimmer installiert, also
insgesamt fünf Steckdosen in der gesamten Wohnung.
Den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten hat die Klägerin – auch zuletzt – nicht
hinreichend bestritten. Um ein dahingehendes Bestreiten wirksam erscheinen zu lassen,
hätte die Klägerin darlegen müssen, welches denn der bei Übernahme der Wohnung
vorhandene bauliche Anfangszustand gewesen ist. Wenn die Klägerin zu diesem
Zeitpunkt nicht Vermieterin war, hatte sie sich, da sie in die Stellung als Vermieterin
eingerückt ist, das erforderliche Kennenmüssen des Voreigentümers zurechnen zu
lassen, § 138 ZPO.
Der danach festzustellende Zustand begründet eine unzureichende Elektroinstallation,
da in jedem der Zimmer ohne die Verwendung von beweglichen
Mehrfachsteckdosenleisten lediglich ein einziges Gerät (!) angeschlossen werden kann.
Dass dies dem heutigen Standard nicht mehr entspricht, liegt auf der Hand.
Als weiteres wohnwertminderndes Merkmal in der Gruppe 3 ist festzustellen, dass die
gesamte Be- und Entwässerungsinstallation (in Küche und Bad) unstreitig auf Putz
verlegt ist. Dem steht nicht entgegen, dass eine derartige Installation nicht durchweg in
allen Räumen der Wohnung vorliegt. Denn naturgemäß können bei der Beurteilung
dieses Merkmals nur solche Installationen berücksichtigt werden, die überhaupt
bauseitig vorhanden sind und können die hierdurch begründeten Nachteile nicht dadurch
aufgefangen werden, dass andere, nicht vorhandene Rohre weder innerhalb noch auf
den Wänden befindlich sind.
Auch in der Merkmalsgruppen 4 überwiegen die wohnwertmindernden Merkmale.
Einen überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand des (gesamten) Gebäudes hat die
Klägerin lediglich mit dem Vortrag eines angeblich im Jahre 2002 erfolgten Neuanstrichs
des Treppenhauses nicht dargetan. Ein solcher überdurchschnittlicher Zustand des
Gebäudes liegt nach der Definition der Orientierungshilfe etwa dann vor, wenn eine
erneuerte Fassade, ein erneutes Dach oder eine Sanierung der (Versorgungs-) Stränge
festzustellen wäre. Hieraus folgt, dass die bloße, ohnehin von Zeit zu Zeit
vorzunehmende malermäßige Instandsetzung eines Treppenhauses eine solche
geforderte nachhaltige Verbesserung des Gesamtzustandes des Hauses nicht bewirkt.
Soweit die Klägerin eine Erneuerung der Hausfassade behauptet hat, fehlt jeglicher
Vortrag zu Einzelheiten der Maßnahmen. Was im Einzelnen gegenüber der alten Fassade
verändert worden ist (Anstrich?, Dämmung?, sonstige Maßnahmen?), hat die Klägerin in
keiner Weise vorgetragen, § 138 ZPO.
Demgegenüber liegen in Merkmalsgruppe 4 negative Merkmale vor. So fehlt, wie die
Klägerin zuletzt (vgl. Schriftsatz vom 05.04.2007) eingeräumt hat, eine
Gegensprechanlage und das, obwohl die Wohnung der Beklagten, zuletzt ebenfalls
zugestanden, sehr wohl nur über das Treppenhaus (und nicht unmittelbar vom Garten
aus) erreicht werden. Es kommt als zweites wohnwertminderndes Merkmal in dieser
Gruppe hinzu, dass die Heizung als so genanntes Einrohrsystem ausgestaltet ist, bei
dem das Wasser nacheinander durch sämtliche Heizkörper der Räumlichkeiten fließt.
Dass dies uneffektiv ist und das Merkmal einer Heizanlage mit ungünstigem
Wirkungsgrad auch dann bedeutet, wenn Heizkessel und Brenner im Jahre 1993
beziehungsweise 1995 erneuert wurden, liegt auf der Hand.
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In der Merkmalsgruppe 5 ist jedenfalls von einem Überwiegen wohnwerterhöhender
Merkmale nicht auszugehen, so dass diese Gruppe allenfalls neutral zu bewerten ist.
Das klägerseits behauptete positive Merkmal eines villenartigen Mehrfamilienhauses ist
– wie auch aus dem beklagtenseits eingereichten Luftaufnahmen Anlage B 3, Blatt 26
der Akte, ersichtlich ist – nicht gegeben. Bei dem Haus, in dem sich die Wohnung der
Beklagten befindet, handelt es sich nicht um einen alleinstehenden singuläre Baukörper,
der den Eindruck einer Villa vermitteln, sondern um eines von mehreren in größerer Zahl
siedlungsartig angelegten Miet(-reihen-) häusern , die keinerlei erhabenen Eindruck
vermitteln. Der daneben behaupteten großen Grünanlage steht jedenfalls das
wohnwertmindernde Merkmal einer offen und frei zugänglichen Müllstandfläche
entgegen, die die Klägerin unstreitig gelassen hat.
Unter Berücksichtigung zweier wohnwertmindernder Merkmalsgruppen und des
Umstandes, dass die Räumlichkeiten im Erdgeschoss liegen, ergibt sich hinsichtlich der
ortsüblichen Vergleichsmiete ein Betrag von nicht mehr als 3,57 Euro (4,06 Euro
(Mittelwert) -0,16 Euro (Sondermerkmal) - 0,164 - 0,164). Dieser Betrag liegt unter der
aktuell entrichtete Nettokaltmiete von 3,64 Euro und rechtfertigt eine Anhebung des
Mietzinses nicht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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