Urteil des AG Warendorf vom 16.07.2002

AG Warendorf: getrennt leben, ehevertrag, unterhalt, anhörung, ausschluss, bilanz, bruttoeinkünfte, schwangerschaft, reisekosten, kapitalvermögen

Amtsgericht Warendorf, 9 F 244/01
Datum:
16.07.2002
Gericht:
Amtsgericht Warendorf
Spruchkörper:
Familiengericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 F 244/01
Tenor:
I. Die am 00.00.0000 vor dem Standesbeamten des Standesamtes N 2
zu
Heiratseintrag-Nr. 0 geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
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1.
Ehescheidung
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Die Parteien haben 00.00.0000 die im Tenor näher bezeichnete Ehe geschlossen. Sie
leben seit Januar 2000 getrennt. Damals ist die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung
ausgezogen.
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Der Antragsteller beantragt,
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die am 00.00.0000 vor dem Standesbeamten des Standesamts N 3 zu
Heiratseintrag-Nr. 0 geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die am 00.00.0000 vor dem Standesbeamten des Standesamts N 4 zu
Heiratseintrag-Nr. 0 geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
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Die Scheidung war gem. § 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB zu scheiden. Da die
Ehegatten - wie beide bei ihrer persönlichen Anhörung glaubhaft versicherten - seit
mehr als einem Jahr getrennt leben und beide die Scheidung beantragen, wird ihre
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Zerrüttung unwiderleglich vermutet.
II. Versorgungsausgleich:
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Auf die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs haben die
Parteien durch familiengerichtlich genehmigten Vergleich vom 0 verzichtet.
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III. Auskunftsklage Zugewinn/Scheidungsunterhalt
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Die Antragsgegnerin siedelte im Jahre 0 von Polen nach Deutschland über. Dort setzte
sie ihre Schulausbildung fort. Im Jahre 0 lernte sie im Rahmen eines Praktikums der
Fachoberschule den Antragsteller in dem von ihm betriebenen Künstlerbedarfladen
kennen. Bereits im Herbst 0 zogen die beiden zusammen. Ebenfalls Ende 0 nahm die
Antragsgegnerin ihr Fachhochschulstudium im Bereich der Innenarchitektur auf.
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Da die Antragsgegnerin schwanger wurde, beschlossen die Parteien, zu heiraten. Auf
Veranlassung des Antragsgegners schlossen sie jedoch am 00.00.0000 einen
Ehevertrag, bevor die Ehe am 00.00.0000 geschlossen wurde.
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In dem Vertrag wurde der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft
ausgeschlossen und ein Ausschluss des nachehelichen Unterhalts vereinbart, über den
Versorgungsausgleich wurde keine Vereinbarung getroffen. Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf den notarielle beglaubigten Vertrag (UR.-Nr. 0 des Notars B) Bl.
98 f. d. A. Bezug genommen. Am 00.00.0000 wurde dann die gemeinsame Tochter der
Parteien K W geboren. Zu dieser Zeit lebte in dem gemeinsamen Haushalt auch die 0
geborene Tochter U 2 des Beklagten aus erster Ehe. In der Zeit um die Geburt Ihrer
eigenen Tochter herum hatte die Antragsgegnerin ihr Studium für etwa ein halbes Jahr
unterbrochen und anschließend fortgesetzt.
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In den Jahren 0 bis 0 absolvierte die Antragsgegnerin eine Schreinerlehre, die sie mit
der Gesellenprüfung abschloss.
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Die Antragsgegnerin behauptet, der Antragsteller habe sie zur Unterzeichnung des für
sie nachteiligen Ehevertrages durch Täuschung bestimmt. Sie ist der Ansicht, der
Vertrag sei sittenwidrig mit der Folge, dass sich der Antragsteller nicht auf ihn berufen
könne. Der Ausschluss des Zugewinnausgleichs und des Scheidungsunterhalts seien
daher unbeachtlich und der Antragsteller zur Auskunft verpflichtet.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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1. Der Antragsteller wird verurteilt, zum Stichtag
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00.00.0000 Auskunft zu erteilen über sein Endvermögen mit Ausnahme
der gemeinsamen Gegenstände durch Vorlage eines vollständigen und
geordneten Bestandsverzeichnisses über die zu diesem Zeitpunkt
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vorhandenen aktiven und passiven Vermögenswerte,
1. die Auskunft zu belegen durch
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a) Kontoauszüge zum Stichtag zum Beleg der zu diesem
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Zeitpunkt bestehenden Haben- und Sollsalden,
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b) Vorlage der Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrech-
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nung seines Geschäftes,
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c) Vorlage der Rückkaufwertbescheinigungen und Ge-
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winnbeteiligungen bei den Lebensversicherungen,
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1. der Antragsteller wird verurteilt, der Antrags-
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gegnerin
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a) Auskunft zu erteilen durch Vorlage einer geordne-
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ten Zusammenstellung über
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aa) seine sämtlichen Bruttoeinkünfte einschließ-
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lich Sonderzuwendungen und Trennungsentschädigungen aus
unselbständiger Tätigkeit in der Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000
und die in diesem Zeitraum vorgenommenen gesetzlichen Abzüge,
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bb) seine Einkünfte aus Kapitalvermögen in den
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Jahren 2001, 2000 und 1999,
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b) die erteilten Auskünfte zu belegen
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aa) durch Vorlage der von seinem Arbeitgeber
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ausgestellten und sämtlichen Bruttoeinkünfte und gesetzlichen
Abzüge nach Art und Höhe enthaltenen Verdienstbescheinigung für
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die Zeit vom 01. April 2001 bis 31. März 2002,
bb) durch Vorlage entsprechender Bankbescheini-
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gungen für 2001, 2000 und 1999.
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Daneben wird der Antragsteller verurteilt, die letzte
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Einkommenssteuererklärung und den Steuerbescheid vorzulegen.
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1. Der Antragsteller wird verurteilt, der Antrags-
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gegnerin über seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit für die
Kalenderjahre 2001, 2000 und 1999 Auskunft zu erteilen durch:
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a) eine systematische Aufstellung der Einkünfte, ge-
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trennt für die Kalenderjahre 2001, 2000 und 1999,
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1. Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Ka-
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lenderjahre 2001, 2000 und 1999 nebst den
Einkommensteuerbescheiden zugrundeliegenden
Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001, 2000 und 1999 und
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aa) Anlage KSO (Kapitaleinkünfte) für die Kalen-
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derjahre 2001, 2000 und 1999
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bb) Anlage N (Einkünfte aus nichtselbständiger
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Arbeit) für die Kalenderjahre 2001, 2000 und 1999,
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cc) Anlage GSE (Gewerbetreibende und Selbständi-
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ge) für die Kalenderjahre 2001, 2000 und 1999 nebst den
zugrundeliegenden Einnahmeüberschussrechnungen für die
Kalenderjahre 2001, 2000 und 1999 (für den Fall, dass der Beklagte
§ 4 Abs. III EStG-Rechner ist) oder Jahresabschlüsse, bestehend
aus Bilanz, nebst Gewinn- und Verlustrechnung und
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Bilanzerläuterung für die Kalenderjahre 2001, 2000 und 1999 nebst
(1) der der Einnahmeüberschußrechnung oder Bi-
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lanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung zugrundeliegenden
Summen- und Saldenlisten für die Kalenderjahre 2001, 2000 und
1999,
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(2) Vorlage eines Auszuges über das Sachkonto
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- Bewirtungskosten
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- Reisekosten
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- Raummiete
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- Löhne/Gehälter
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für die Kalenderjahre 2001, 2000 und 1999.
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der Antragsteller beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, der Ehevertrag sei im frei erklärten Einverständnis der Antragsgegnerin
zustande gekommen. Er habe keineswegs versucht, sie zu übervorteilen oder zu
beeinflussen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze verwiesen, insbesondere jedoch auf die mündliche Anhörung der Parteien
in der Sitzungsniederschrift vom 00.00.0000.
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Die Klage ist unbegründet.
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Zwar steht der Antragsgegnerin nach dem Gesetz zunächst ein Auskunftsanspruch zu (§
1379 BGB - Zugewinn, § 1580 BGB - Unterhalt). Die Auskunftspflicht besteht in diesem
Falle aber nicht, da ein Anspruch auf Zugewinnausgleich und Unterhalt durch den
Ehevertrag vom 00.00.0000 wirksam ausgeschlossen wurde.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Ehevertrag nicht nichtig und
bedarf auch keiner Korrektur.
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Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG gebieten für Eheverträge, dass bei einer
besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblichen
ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner es zur Wahrung der
Grundrechtspositionen beider Vertragsparteien aus Art. 2 Abs. 1 GG Aufgabe der
Gerichte ist, durch vertragliche Inhaltskontrolle und ggf. durch Korrektur mit Hilfe der
zivilrechtlichen Generalklauseln zu verhindern, dass sie für einen Vertragsteil die
Selbstbestimmung in eine Fremdstimmung verkehrt. Eheverträgen sind dort Grenzen zu
setzen, wo jene nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft
sind, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige
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Dominanz eines Ehepartners wiederspiegeln. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt
keine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung. Ist ein Ehevertrag von der Ehe und im
Zusammenhang mit einer Schwangerschaft geschlossen worden, gebietet es auch Art.
4 GG, die Schwangere davor zu schützen, dass sie durch ihre Situation zu
Vereinbarungen gedrängt wird, die ihren Interessen massiv zu wider laufen. (BVerfG,
FamRZ 2001, 343 ff.; BVerfG, FamRZ 2001, 985)
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der zwischen den Parteien geschlossene
Ehevertrag der Antragsgegnerin einseitig vertragliche Lasten aufbürdet und auf einer zu
ihren Lasten ungleichen Verhandlungsposition beruht.
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Durch den Vertrag wurde zwischen den Eheleuten in rechtliche zulässiger Weise ein
Zugewinnausgleich und der nacheheliche Unterhalt ausgeschlossen (§ 1408 BGB -
Zugewinn; § 1585 c BGB - Unterhalt). Dieser Ausschluss wirkt zu Gunsten und zu
Lasten beider Vertragsparteien, so dass auch die Antragsgegnerin dem Antragsteller
diese Vereinbarung entgegen halten könnte. Zwar wird in diesem Falle lediglich der
Antragsteller geschützt. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Vertrag nur geschlossen
wurde, um den Antragsteller zu begünstigen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
studierte die Antragsgegnerin Innenarchitektur an der Fachhochschule, später schloss
sie eine Schreinerlehre ab. Das bedeutet, dass es für sie zumindest im Bereich des
Möglichen lag, einmal eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Da der Antragsteller
durch den Betrieb seines Künstlerbedarfsladens ebenfalls selbständig ist, lag also eine
Zukunft der Eheleute, die durch gemeinsame Selbständigkeit geprägt war, durchaus im
Bereich des Möglichen. Die Vereinbarung von Gütertrennung und Unterhaltsausschluss
ist zwischen Selbständigen aber keineswegs ungewöhnlich und kann nicht als einseitig
belastend oder vorteilhaft angesehen werden.
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Ferner konnte nicht festgestellt werden, dass der Inhalt des Vertrages das Ergebnis von
ungleichen Verhandlungspositionen bzw. der einseitigen Dominanz des Antragstellers
war.
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Es spricht für eine Überlegenheit des Antragstellers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses,
dass die Antragsgegnerin noch recht jung war (19 Jahre) und 14 Jahre jünger als der
Antragsteller. Darüber hinaus verfügte letzterer aus seiner Scheidung von seiner ersten
Frau, die ebenfalls selbständig war, über einen gewissen Wissensvorsprung, was
rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten angeht. Schließlich ist auch zu berücksichtigen,
dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwanger war.
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Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Antragsteller diese Situation zu seinem eigenen
Vorteil ausgenutzt hat. Schon nach dem Vortrag der Antragsgegnerin hat der
Antragsteller die Eheschließung nicht ausdrücklich von einem vorherigen Abschluss
des Ehevertrages abhängig gemacht. Es ist auch nicht bewiesen, dass der Antragsteller
die Antragsgegnerin durch subtiles kaum merkliches Verhalten zum Vertragsschluss
bestimmt hat. Demgegenüber hat der Antragsteller nämlich vorgetragen, es habe
mehrere Gespräche zu diesem Thema gegeben. Seine Motivation, den Ehevertrag zu
schließen, habe auf den Erfahrungen mit seiner ersten Scheidung beruht. Auch sei es
ihm darum gegangen, Klarheit für den Fall zu schaffen, dass sich die Parteien einmal zu
einem Zeitpunkt trennten, zu dem sie beide selbständig sind. Dies sei auch zum Schutz
der Antragsgegnerin so gedacht gewesen. Auch habe er ihr seine Motivation in
mehreren Gesprächen dargelegt. Dies habe sie eingesehen und der Regelung aus
freien Stücken zugestimmt. Eine einseitige Ausnutzung seitens des Antragstellers kann
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die Antragsgegnerin somit nicht beweisen. Sie liegt auch nicht nahe, denn die
Antragstellerin war nach dem Erwerb der Fachhochschulreife und der Aufnahme eines
Innenarchitekturstudiums intellektuell sicherlich in der Lage, die Tragweite derartiger
Vereinbarungen zu erfassen. Auch bei der persönlichen Anhörung hinterließen die
Parteien nicht den Eindruck, als sei der Antragsteller der deutlich dominantere der
beiden gewesen, dem es immer gelungen sei, seiner Ehefrau seinen Willen
aufzuzwingen. Alleine die Schwangerschaft reicht nicht aus, um eine schwächere
Verhandlungsposition der Frau zu begründen, (siehe auf BVerfG, FamRZ 2001, 985).
Dies gilt insbesondere in diesem Falle, da die Antragstellerin nach Abschluss des
Ehevertrages rechtlich gar nicht schlechter steht als sie ohne Eheschließung stünde
(BGH, NJW 1997, 193).
IV. Nebenentscheidungen
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, im Hinblick auf die Scheidung wegen §
704 Abs. 2 ZPO, im Hinblick auf die Entscheidung über die Auskunftsklage, weil keine
Seite wegen der Kostenaufhebung vollstrecken kann.
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