Urteil des AG Tiergarten vom 08.07.2009

AG Tiergarten: wohnung, vorläufige festnahme, beweismittel, täterschaft, fahrzeug, base, durchsuchung, verfügung, bier, blutalkoholkonzentration

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Gericht:
AG Tiergarten
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(280) 1 Bra Js
1517/09 Ls (13/09)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 261 StPO, § 2 Abs 1 StrEG
Leitsatz
Anforderungen an die Identifizierung durch Zeugen
Tenor
Die Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen zu
tragen hat,
freigesprochen.
Die Angeklagte ist für die in diesem Verfahren vollzogene Untersuchungshaft zu
entschädigen.
Gründe
A.
I. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat der Angeklagten mit ihrer Anklage vom 8. Juli 2009 –
1 Bra Js 1517/09 – zur Last gelegt, in Berlin am 18. Mai 2009 versucht zu haben, ein
fremdes Kraftfahrzeug in Brand zu setzen, indem sie gegen 0.15 Uhr in der Liebigstraße
in Berlin-Friedrichshain in Höhe der Hausnummer 2 drei Grillkohleanzünder auf den
rechten Vorderreifen des dort geparkten PKW Mazda mit dem Kennzeichen der
Geschädigten legte und diese anzündete, um damit in der Folge den gesamten PKW, der
einen Zeitwert von mindestens 14.000 Euro hat, zum Brennen zu bringen. Bevor das
Feuer auf den Wagen habe übergreifen können, habe der zufällig am Tatort
vorbeifahrende Zeuge PK die brennenden Grillkohleanzünder von dem Reifen entfernen
können.
II. Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 28. August 2009 diese Anklage unter
Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Amtsgericht Tiergarten – Schöffengericht – zur
Hauptverhandlung zugelassen.
B.
Der gegen die Angeklagte erhobene Tatvorwurf hat sich in der Hauptverhandlung nicht
mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit bestätigt. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme und Würdigung sämtlicher in der Hauptverhandlung festgestellten
Umstände ist der Angeklagten die ihr zur Last gelegte versuchte Brandstiftung nicht
nachzuweisen; das Gericht hat danach im Gegenteil durchgreifende Zweifel an der
Täterschaft der Angeklagten.
I. Die Hauptverhandlung führte zu folgenden Feststellungen:
Um wenige Minuten nach Mitternacht am 18. Mai 2009 verließ die Angeklagte ihre
Wohnung in der, die sie zusammen mit dem Zeugen bewohnt. Dem Zeugen, der in der
Wohnung Fernsehen guckte, sagte sie, sie gehe Bier holen. Um etwa 0.14 Uhr befuhren
die Zeugen PM’in und PK mit einem Funkstreifenwagen, dessen Fenster geschlossen
waren, die parallel direkt hinter der Frankfurter Allee verlaufende Liebigstraße in
Schrittgeschwindigkeit. Etwa in Höhe des Hintereinganges der Frankfurter Allee 15 sah
der Zeuge, der das Fahrzeug führte, in der ansonsten menschenleeren Straße hinter
einer parkenden Reihe Autos eine mit dunkler Hose, dunklem Pullover und dunklem
Base-Cap bekleidete Person entlanggehen, die ihm verdächtig vorkam, da sie sich auf
einem schmalen Grünstreifen dicht an den geparkten Autos entlangbewegte. Zu seiner
Kollegin sagte er daraufhin: „He, guck mal, was macht denn der Jugendliche da?“ Beide
Zeugen entschlossen sich, den Streifenwagen zu wenden, wofür sie aufgrund der Enge
der Straße einige Meter weiterfahren mussten. Bei dem Wendevorgang fiel den Zeugen
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der Straße einige Meter weiterfahren mussten. Bei dem Wendevorgang fiel den Zeugen
ein Feuerschein an einem der geparkten Autos auf, und zwar an dem der Zeugin
gehörenden Mazda mit Kennzeichen und einem Verkaufswert von 15.000 Euro. Beide
sprangen aus dem Wagen, und der Zeuge PK schlug mit seinem Schlagstock drei
brennende Grillanzünder von dem rechten Vorderreifen des Wagens herunter, bevor ein
Schaden am Fahrzeug entstehen konnte. Die Zeugin PM’in rannte nun die Liebigstraße
hinauf bis zum Frankfurter Tor in Richtung des von ihr vermuteten Fluchtweges der
dunkel gekleideten Person, wobei sie bis zu ihrer Ankunft am Durchgang zum Frankfurter
Tor niemanden sehen konnte. Der Zeuge PK folgte ihr derweil langsam im
Funkstreifenwagen und hielt dabei Ausschau nach möglichen weiteren Brandherden. Als
er an den Treppenstufen, die hinauf zum Durchgang zum Frankfurter Tor führen,
angekommen war, stieg er aus dem Streifenwagen aus und lief zu seiner Kollegin. Beide
erblickten vor ihnen auf dem Platz am Frankfurter Tor die Angeklagte, die eine dunkle
Hose und ein schwarzes T-Shirt mit weißer Aufschrift trug; außerdem führte sie einen
dunklen Pullover bei sich. Die Zeugin fragte den Zeugen, ob dies die Person sei, die er in
der Liebigstraße gesehen habe, was der Zeuge bejahte. Daraufhin folgten die beiden
Zeugen der Angeklagten, die sich normalen Schrittes in Richtung Petersburger Str.
entfernte und dabei zweimal nach rechts in Richtung der beiden Zeugen umsah. Als die
beiden Zeugen um die Ecke bogen, sahen sie, wie die Angeklagte in einen
Spätverkaufsladen in der Petersburger Str. 97 hineinging. Die beiden Zeugen folgten ihr
in den Laden, wo sie die Angeklagte vor den Kühlschränken mit Getränken feststellten.
Als der Zeuge PK die Angeklagte sah, meinte er in ihr die Person aus der Liebigstraße
wiederzuerkennen. Zugleich bemerkte er zum ersten Mal, dass es sich um eine Frau
handelte. Die beiden Zeugen eröffneten der Angeklagten den Tatvorwurf der versuchten
Brandstiftung und belehrten sie über ihr Schweigerecht. Die Angeklagte, die schwer
atmete, äußerte, sie dürfe ja wohl ein Bier kaufen; dabei hielt sie einen 5-Euro-Schein in
der Hand. Auf Nachfrage, woher sie gekommen sei, gab sie an, an der Frankfurter Allee
entlanggelaufen zu sein. Bei der Durchsuchung der Angeklagten fanden die Zeugen
unter anderem neben einem Feuerzeug und einem Pfefferspray einen grauen
Sprühkopf. An den Händen und der Kleidung der Angeklagten befand sich
Straßenschmutz.
Nachdem die vorläufige Festnahme der Angeklagten erfolgt war, wurden ihr zur
Spurensicherung Papiertüten über die Hände gestreift. Trotz gefesselter Hände und
Bewachung durch polizeiliches Personal, das genau diesen Fall verhindern sollte, riss die
Angeklagte die Tüten einige Stunden später in der Gefangenensammelstelle ab,
woraufhin neue Papiertüten an ihren Händen befestigt wurden. Später wurden sowohl die
Kleidung der Angeklagten als auch die abgerissenen und neuen Papiertüten als mögliche
Spurenträger sichergestellt und die Hände der Angeklagten mit in Alkohol getränkten
Papiertüchern abgewischt, um weitere mögliche Spuren zu sichern. Bei den
Untersuchungen sämtlicher Spurenträger wurden keine Kohlenwasserstoffe, wie sie in
Grillanzündern vorkommen, festgestellt; statt dessen konnten bei einigen Spuren
Alkohole nachgewiesen werden. Eine bei der Angeklagten um 4.35 Uhr entnommene
Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,45 Promille.
Am Tatort wurden neben drei unabgebrannten Grillkohleanzündern, die rechts hinter
einem Pkw Ford ungefähr an der Stelle lagen, wo der Zeuge PK zuerst die dunkel
gekleidete Person wahrgenommen hatte, zwei Sprühdosen etwa drei Meter entfernt von
dem Pkw Mazda auf der Fahrbahn der Liebigstraße aufgefunden, von denen auf einer ein
Sprühkopf steckte, auf der anderen nicht. Die Untersuchung des Sprühkopfes und der
Sprühdosen ergaben, dass der Sprühkopf zu beiden Dosen passt, es sich jedoch nicht
um den Originalsprühkopf einer der Dosen handelt. Für eine einmal bestehende
Verbindung von Dosen und Sprühkopf konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden.
Es wurde ferner festgestellt, dass wegen der Normung der Sprühkopf auch auf alle
anderen handelsüblichen Sprühdosen passen würde. Die daktyloskopischen und DNA-
Untersuchungen sämtlicher am Tatort sichergestellten Beweismittel erbrachten kein
Ergebnis.
Mehrere Beamte einer Einsatzhundertschaft suchten den Tatort und die Umgebung
nach weiteren Spuren ab, wurden aber nicht fündig. Bei einer Durchsuchung der
Wohnung der Angeklagten zwei Tage nach der Tat fanden Polizeikräfte in einem Regal im
Flurbereich der Wohnung eine Packung Grillanzünder sowie eine Plastiktüte, in der sich
Gummihandschuhe, ein Feuerzeug sowie eine Kunststofffolie mit Anhaftungen von
Grillkohleanzünder befanden. Außerdem wurden im Zimmer der Angeklagten
Zeitungsausrisse zu Brandanschlagstaten und aus der linken Szene stammende
Pamphlete sowie auf dem Computer der Angeklagten Fotodateien mit Bezug zu
Demonstrationen der linken Szene sowie weiteren Brandanschlagstaten gefunden.
II. Diese Feststellungen stützen sich auf die Bekundungen der Zeugen PM’in ..., PK ...,
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II. Diese Feststellungen stützen sich auf die Bekundungen der Zeugen PM’in ..., PK ...,
KOK ..., POM ..., PAng ..., sowie der Sachverständigen; ferner auf die
Inaugenscheinnahme der Sprühdosen und des Sprühkopfes, der in der Akte enthaltenen
Fotos vom Tatort und seiner Umgebung, Kopien der in der Wohnung der Angeklagten
aufgefundenen Zeitungsausrisse und Bilddateien und daneben auf die in der
Hauptverhandlung gemäß § 256 Abs. 1 StPO verlesenen Gutachten zum Vorliegen von
daktyloskopischen sowie DNA-Spuren, zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration
sowie zur kriminaltechnischen Untersuchung der Sprühdosen und des Sprühkopfes.
III. Eine Verurteilung der Angeklagten kam deswegen nicht in Betracht, weil das Gericht –
nach Würdigung sämtlicher in der Hauptverhandlung erhobener Beweise sowohl einzeln
als auch in ihrer Zusammenschau mit Rücksicht auf ihre Häufung und gegenseitige
Durchdringung – keine gesicherte Erkenntnis zur Täterschaft der Angeklagten zu
gewinnen vermochte. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass nach gesicherter
höchstrichterlicher Rechtsprechung an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit
keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. nur BGH, Beschluss vom
18. September 2008 – 5 StR 224/08 [juris] m.w.N.) und dass es weder im Hinblick auf
den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu
unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind
(BGH a.a.O. m.w.N.). Das Gericht hielt es nach der gebotenen Gesamtwürdigung der
Beweismittel für eine auf Tatsachen gestützte, nicht lediglich fern liegende Annahme,
dass die Angeklagte möglicherweise Opfer einer Verwechslung geworden ist.
1. Die Angeklagte hat von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht und sich nicht zur
Sache eingelassen.
2. a. Zwar hat der einzige unmittelbare Belastungszeuge, der Zeuge PK, bekundet, die
Angeklagte bei der Festnahme im Spätkauf an der Petersburger Straße an ihrem
Gesicht als diejenige dunkel gekleidete Person identifiziert zu haben, die er in der im
Übrigen menschenleeren Liebigstraße wahrgenommen habe und der er für einen
Augenblick in das Gesicht gesehen habe, ebenso wie sie ihm. Der Zeuge sagte zugleich
jedoch aus, die Beleuchtung in der Liebigstraße sei eher schlecht gewesen. Er könne
nicht sagen, ob sich in unmittelbarer Nähe eine Straßenlaterne befunden habe, gehe
davon aber eher nicht aus. Die Scheinwerfer des Funkstreifenwagens hätten geleuchtet,
etwas Lichtschein hiervon sei auch auf die am Straßenrand hinter den geparkten Autos
befindliche Person gefallen. Die Fenster des Streifenwagens seien geschlossen gewesen.
Er habe an der Person ihre dunkle Kleidung wahrgenommen, nämlich Hose, Pullover und
Base-Cap. Wie herum die Person das Base-Cap auf dem Kopf gehabt habe, könne er
nicht sagen; es könne sein, dass der Schirm nach vorne gezeigt habe. Er habe der
Person in das Gesicht geschaut, und diese habe ihn ebenfalls direkt angeschaut. Dies
habe einen Augenblick gedauert, wenn er die Dauer mit einer Sekunde angebe, so sei
das bereits viel. Es habe sich nicht um ein markantes Gesicht behandelt; Details oder
besondere Merkmale des Gesichts könne er nicht benennen. Ob die Person eine Brille
getragen habe oder nicht, könne er nicht sagen. Er sei zu diesem Zeitpunkt noch davon
ausgegangen, dass es sich um eine junge männliche Person gehandelt habe. Als er
später in dem Durchgang zum Frankfurter Tor auf seine Kollegin, die Zeugin PM’in,
getroffen sei, habe diese auf eine mittig auf dem Platz befindliche Person gezeigt und
ihn gefragt, ob das die Person sei, die er in der Liebigstraße gesehen habe. Diese Frage
habe er bejaht. Er habe zu diesem Zeitpunkt die Person an der Statur und an ihrer
Kleidung wiedererkannt, auch wenn sie den dunklen Pullover nun nicht mehr angehabt
habe und er nicht mehr sagen könne, ob sie ein Base-Cap getragen habe. Ob sie den
Pullover in der Hand gehalten oder über der Brust verknotet getragen habe, könne er
ebenfalls nicht mehr sagen. Auf Nachfrage gab der Zeuge an, die Person eher seitlich
als von hinten gesehen zu haben. Sie habe zweimal zu ihm und seiner Kollegin nach
rechts geschaut. Dies sei aber nicht suchend gewesen; er habe nicht den Eindruck
gehabt, dass die Person sich nach ihnen beiden umschaue. Als er im Spätkauf der
Angeklagten in das Gesicht gesehen habe, sei er sich vollkommen sicher gewesen, dass
sie die Person aus der Liebigstraße gewesen sei. Er habe erst zu diesem Zeitpunkt
festgestellt, dass es sich um eine Frau handele. Warum er in seiner schriftlichen
Zeugenaussage, die er noch in der Tatnacht angefertigt habe, weder angegeben habe,
dass ihn die dunkel gekleidete Person in der Liebigstraße direkt angesehen noch dass er
die Angeklagte am Gesicht wiedererkannt habe, könne er nicht sagen.
b. Nach alldem ist festzustellen, dass die von dem Zeugen geschilderte
Identifikationssituation problematisch und per se sehr irrtumsanfällig war. Die
Zeitspanne, in der der Zeuge das Gesicht der dunkel gekleideten Person sehen konnte,
war ausgesprochen kurz bemessen. Die Beleuchtung in der Liebigstraße war nach den
Angaben des Zeugen schon allgemein schlecht. Die Person hielt sich am Straßenrand
hinter einer Reihe parkender Autos auf, so dass auch die auf die Straße gerichteten
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hinter einer Reihe parkender Autos auf, so dass auch die auf die Straße gerichteten
Scheinwerfer des Funkstreifenwagens sie nicht direkt anstrahlten. Der Zeuge war zudem
nicht in der Lage, plausibel zu begründen, warum er die Angeklagte als die Person
wiedererkannt haben will. Er konnte weder irgendwelche individualisierenden Merkmale
des Gesichts noch sonstige Auffälligkeiten benennen, anhand derer er die Angeklagte zu
identifizieren vermochte. Dies wäre angesichts der übrigen von ihm geschilderten
Umstände, insbesondere der eingeschränkten Licht- und Sichtverhältnisse, aber für eine
Plausibilisierung erforderlich gewesen. Dem Zeugen war insbesondere nicht erinnerlich,
ob die in der Liebigstaße aufhältige Person – wie die Angeklagte bei der Feststellung
sowie während des gesamten Prozesses – eine Brille trug.
Weiter besteht die nicht nur fernliegende Möglichkeit, dass bei dem Zeugen durch die
Fragestellung der Zeugin PM’in beim Anblick der dunkel gekleideten Person am
Frankfurter Tor, ob es sich dabei um die gesuchte Person handele, bereits eine (wenn
auch nur unbewusste) Festlegung stattfand, die dazu führte, dass er diese Person später
auch als diejenige aus der Liebigstraße wiedererkannte. Auffällig ist auch, dass der
Zeuge das Wiedererkennen des Gesichts der Angeklagten in seiner schriftlichen
Zeugenaussage nicht festhielt, sondern erst in seiner Zeugenvernehmung am Tag
darauf erwähnte, obwohl er selbst in der Hauptverhandlung die Auffassung vertrat, dass
es sich hierbei um ein wichtiges Detail handele, und keine überzeugende Erklärung dafür
liefern konnte, warum er dies nicht in die Aussage aufgenommen hatte. Aufgrund dieser
Umstände und der bereits im Allgemeinen erheblichen Fehlerträchtigkeit bei der
Überführung eines Angeklagten aufgrund des Wiedererkennens einer einzelnen
Beweisperson (vgl. dazu etwa BVerfG – Kammer – NJW 2003, 2444; BGH, NStZ-RR 2008,
148) kommt das Gericht nicht umhin, an dem sicheren Wiedererkennen durch den
Zeugen Zweifel zu hegen.
c. Hinzu kommt, dass der Zeuge auch im Übrigen Unsicherheiten in seiner Erinnerung
aufwies. So gab er zunächst an, die Angeklagte habe im Spätkauf von sich aus und
ungefragt betont, sie sei auf dem Gehweg der Hauptstraße Frankfurter Allee gelaufen.
Dies wäre, wenn es zutrifft, sicherlich als belastendes Indiz zu werten, weil die Angeklagte
für diese Angabe, ohne gefragt worden zu sein, keinen Anlass gehabt hätte. Auf Vorhalt
aus seiner polizeilichen Zeugenvernehmung korrigierte sich der Zeuge dahingehend,
dass er die Angeklagte zunächst gefragt habe, woher sie komme. Ferner gab er an,
seine Kollegin, die Zeugin PM’in, habe sich nach Auffinden der brennenden Grillanzünder
und Absetzen des Funkspruchs zunächst wieder in den Funkstreifenwagen gesetzt und
beide seien ein Stück weit gefahren, bevor die Zeugin ausgestiegen und in Richtung
Frankfurter Tor gelaufen sei. Die Zeugin hatte demgegenüber geschildert, sie sei sofort,
als sie festgestellt habe, dass ihr Kollege die Situation an dem angegriffenen Fahrzeug
unter Kontrolle habe, losgelaufen. Auch in seiner eigenen Zeugenvernehmung, die dem
Zeugen wiederum vorgehalten wurde, hatte dieser den Ablauf so angegeben.
2. Die Zweifel an der Aussage des Zeugen PK wurden für das Gericht durch die
gutachterlichen Angaben der Sachverständigen bestärkt. Diese führte aus, dass sich
sowohl an den Papiertüten von den Händen der Angeklagten als auch an den von der
Angeklagten abgerissenen Papiertüten, den Tüchern, mit denen die Hände der
Angeklagten zur Spurensicherung abgewischt wurden, sowie an Teilen der Kleidung der
Angeklagten Alkohole in unterschiedlichen Zusammensetzungen hätten nachweisen
lassen, nicht aber Kohlenwasserstoffe, wie sie in Grillanzündern vorkommen. Die
Sachverständige erklärte weiter, dass diese Kohlenwasserstoffe weniger flüchtig seien
als Alkohole und sie daher im Normalfall davon ausgehe, dass beim Vorhandensein
beider Stoffe und Nachweisbarkeit von Alkoholen auch Kohlenwasserstoffe nachweisbar
sein müssten. Diese Frage sei aber nicht mit Sicherheit zu beantworten. Entsprechende
Versuchsreihen seien ihr nicht bekannt. Einer der abgebrannten Grillanzünder sowie die
drei unabgebrannten Grillanzünder vom Tatort hätten von der chemischen
Zusammensetzung her mit den bei der Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten
aufgefundenen Grillanzündern übereingestimmt, ebenso mit den Resten von
Grillanzünder, die sich auf einer Kunststofffolie in einer Plastiktüte zusammen mit
Gummihandschuhen und einem Feuerzeug in der Wohnung der Angeklagten befunden
hätten. Allerdings habe sie durch Nachfrage bei Grillanzünderherstellern
herausgefunden, dass es sich bei diesen um ein Massenprodukt handele und eine
Charge jeweils aus 60.000 gleichartigen Stücken bestehe, die auf 2.500 Packungen
aufgeteilt würden, eine genaue Zuordnung eines Grillanzünders zu einer verkauften
Packung mithin unmöglich sei.
Aus diesen Angaben der Sachverständigen entnimmt das Gericht, dass dem Auffinden
von in der chemischen Zusammensetzung gleichartigen Grillanzündern in der Wohnung
der Angeklagten kein Beweiswert zukommt. Außerdem ist es jedenfalls wahrscheinlicher,
dass bei der Untersuchung der Papiertüten und der Kleidung der Angeklagten sowie den
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dass bei der Untersuchung der Papiertüten und der Kleidung der Angeklagten sowie den
Spurensicherungstüchern neben Alkoholen auch Kohlenwasserstoffe hätten gefunden
werden müssen, wenn Spuren an den Händen oder auf der Kleidung der Angeklagten
vorhanden gewesen wären, als das Gegenteil. Soweit die Staatsanwaltschaft einwendet,
es könne auch sein, dass die Angeklagte Handschuhe getragen habe, handelt es sich
nach dem vorliegenden Beweismaterial um eine Spekulation, für deren Richtigkeit keine
konkreten Anknüpfungstatsachen vorgetragen wurden oder ansonsten ersichtlich sind.
Weder am Tatort noch auf dem möglichen Fluchtweg der Angeklagten sind Handschuhe
oder andere Hilfsmittel gefunden worden, obwohl das – nicht übermäßig weitläufige –
Areal durch Einsatzkräfte einer Hundertschaft noch in der Tatnacht durchsucht worden
ist. Die Annahme, dass die sich ertappt wähnende und daher schnell flüchtende
Angeklagte in der kurzen ihr zur Verfügung stehenden Zeit auf dem Weg zum
Frankfurter Tor ein so gutes Versteck für derartige Utensilien gefunden haben könnte,
dass dieses von den Einsatzkräften später nicht entdeckt werden konnte, erscheint nicht
plausibel und wäre zudem ebenfalls reine Spekulation.
3. Die restlichen zur Verfügung stehenden Beweismittel reichen zur Annahme eines
dringenden Tatverdachts bei wertender Gesamtbetrachtung ebenfalls nicht aus. Der bei
der Angeklagten aufgefundene Sprühkopf passt zwar zu den am Tatort sichergestellten
Sprühdosen. Dies trifft aber nach dem in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten
des Landeskriminalamtes grundsätzlich auf jeden Sprühkopf zu, da diese normiert sind.
Bei dem Sprühkopf in der Hosentasche der Angeklagten handelt es sich jedenfalls nicht
um den Originalsprühkopf zu einer der beiden Sprühdosen. Auch konnte nicht
nachgewiesen werden, dass dieser Sprühkopf jemals mit einer der Dosen verbunden
war. Die Sprühdosen selbst waren alt, mitgenommen und augenscheinlich leer oder
nahezu leer. Auch stellt sich die Frage, was die Angeklagte mit zwei Sprühdosen hätte
anfangen wollen, wenn es ihr Plan war, ein Auto anzuzünden. Zwar sagte der Zeuge KOK
aus, dass die Farbe aus Sprühdosen grundsätzlich als Brandbeschleuniger genutzt
werden könne. Er fügte aber hinzu, im vorliegenden Fall hätten für einen derartigen
Einsatz keine Anhaltspunkte vorgelegen, insbesondere habe es keine Farbanhaftungen
an dem angegriffenen Fahrzeug gegeben.
Die übereinstimmenden Angaben der Zeugen und, dass die Angeklagte, als sie im
Spätkauf angetroffen wurde, schwer geatmet habe, als wäre sie gerannt, lässt keine
zwingenden Rückschlüsse auf eine Täterschaft zu. Neben der Annahme, die Angeklagte
sei zuvor schnell gelaufen, besteht die ebenfalls nicht fernliegende Möglichkeit, dass die
Angeklagte wegen ihrer nicht unerheblichen Alkoholisierung, die noch zum Zeitpunkt der
Blutentnahme um 4:35 Uhr zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,45 Promille führte,
heftiger atmete als üblich. Ebenso verhält es sich mit dem von der Zeugin an der
Kleidung und an den Händen der Angeklagten beobachteten Straßenschmutz, da völlig
ungeklärt ist, wann und wo dieser aufgenommen wurde. Auch der Umstand, dass die
Angeklagte von den Zeugen nach deren Angaben in knieender oder hockender Haltung
festgestellt wurde, was im Übrigen der Zeuge nicht bestätigen konnte, bedeutet nicht
zwangsläufig, dass sich die Angeklagte etwa vor den Zeugen verstecken wollte, was
durch die Aussage des Zeugen illustriert wird, es habe ausgesehen, als binde sich die
Angeklagte die Schuhe zu. Im Übrigen spricht die bereits wiedergegebene Angabe des
Zeugen, dass er die Angeklagte am Frankfurter Tor eher von der Seite wahrnahm, eher
dafür, dass sie sich auch in seitlicher Richtung bewegte, und damit für die Einlassung der
Angeklagten, sie sei aus der Frankfurter Allee gekommen, als für die Alternative, nämlich
die Herkunft aus der Liebigstraße. Zu der Einlassung der Angeklagten passt daneben
auch die Aussage des Zeugen, die Angeklagte habe ihm gegenüber beim Verlassen der
gemeinsamen Wohnung um etwa fünf Minuten nach Zwölf gesagt, sie gehe Bier holen.
Zu berücksichtigen für die Frage des dringenden Tatverdachts bleibt daneben, dass es
laut der Zeugin und nach dem in Augenschein genommenen Stadtplanausschnitt neben
dem Weg zum Frankfurter Tor noch verschiedene weitere Fluchtwege vom
Feststellungsort in der Liebigstraße gab, unter anderem durch die Rigaer Straße sowie
durch einen Durchgang linker Hand zur Frankfurter Allee, und dass sie bis zu ihrer
Ankunft am Frankfurter Tor niemanden auf der Liebigstraße gesehen habe, obwohl sie
die Straße die gesamte Zeit ab Wenden des Funkstreifenwagens habe einsehen können.
Ferner konnten neben dem Fehlen von Grillanzünderspuren bei der Angeklagten auch im
Übrigen an dem am Tatort aufgefundenen Beweismaterial weder Fingerabdruck- noch
DNA-Spuren gesichert werden.
Die bei der Durchsuchung in der Wohnung der Angeklagten aufgefundenen
Zeitungsausrisse, Pamphlete und auf dem Computer der Angeklagten festgestellten
Fotos von Demonstrationen, Brandanschlägen usw. mögen zwar ein Sympathisieren mit
vergleichbaren Straftaten nahelegen, reichen aber keineswegs als Beweismittel für eine
Täterschaft an der hier angeklagten Tat aus. Auch die an selber Stelle in einer Plastiktüte
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Täterschaft an der hier angeklagten Tat aus. Auch die an selber Stelle in einer Plastiktüte
im Regal gefundene Kunststofffolie nebst Feuerzeug und Gummihandschuhen können
jedenfalls keine Verbindung mit der hiesigen Tat begründen. Die Angeklagte hätte diese
Gegenstände bei der Tatausführung nicht dabei haben können, da sie direkt im
Anschluss festgenommen wurde. Die Möglichkeit, dass sie diese Utensilien am oder in
der Nähe des Tatorts versteckt haben könnte, um sie nach Freilassung wieder in ihre
Wohnung zu bringen, erscheint schon wegen der zwischenzeitlich erfolgten Absuche
durch Beamte der Einsatzhundertschaft ausgesprochen unwahrscheinlich.
4. Eine lückenlose Indizienkette, welche die Täterschaft der Angeklagten belegen könnte,
liegt nach den dargelegten Schwächen der Beweismittel nicht vor. Da weitere
Beweismittel nicht zur Verfügung standen, war die Angeklagte aus tatsächlichen
Gründen freizusprechen.
C.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO. Die
Entscheidung über die dem Grunde nach bestehende Entschädigungspflicht für die von
der Angeklagten im vorliegenden Verfahren erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen
resultiert aus § 2 Abs. 1 StrEG. Ausschluss- und Versagungsgründe im Sinne der §§ 5
und 6 StrEG lagen nicht vor.
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