Urteil des AG Tiergarten vom 29.03.2017

AG Tiergarten: versuch, beruf, glaubhaftmachung, auskunft, zustellung, link, quelle, sammlung, anstalten, pflichtverteidiger

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Gericht:
AG Tiergarten
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(290 OWi) 3023 PLs
9014/07 (684/07),
290 OWi 684/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 73 OWiG
Wiederseinsetzung im Bußgeldverfahren: Nichterscheinen eines
Rechtsanwalts in der Hauptverhandlung einer eigenen Sache
wegen der Verteidigung in einem anderen Termin
Leitsatz
Der Grundsatz, daß berufliche Belange hinter der Verpflichtung eines Betroffenen, seiner
Terminsladung Folge zu leisten, zurückzustehen haben, gilt auch für berufliche
Verpflichtungen eines Rechtsanwaltes, der selbst Betroffener in einem Bußgeldverfahren ist.
Hat er in der Zeit, in der die Bußgeldsache vor dem Amtsgericht stattfinden soll, einen
Angeklagten in anderer Sache zu verteidigen, ist es dem Betroffenen zuzumuten, sich dort z.
B. darum zu bemühen, daß der Vorsitzende die Mittagspause so legt, daß es ihm möglich ist,
seiner Ladung als Betroffener Folge zu leisten, um somit an der -zeitlich überschaubaren-
Hauptverhandlung in der eigenen Bußgeldsache teilnehmen zu können.
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom
Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
Der Antrag des Betroffenen vom 18. September 2007, ihn gegen das seinen Einspruch
vom 08. Juni 2007 gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 05.
Juni 2007 verwerfende Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 11. September
2007 in den vorigen Stand einzusetzen, wird als unzulässig verworfen.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages macht der Betroffene, von Beruf
Rechtsanwalt, wie sich aus dem Rubrum dieses Beschlusses ergibt, geltend, er habe als
Rechtsanwalt „im Rahmen einer Beiordnung“ einen von dem Landgericht Berlin auf den
11. September um 09.00 Uhr anberaumten Hauptverhandlungstermin wahrnehmen
müssen. Zur Glaubhaftmachung fügte er seinem Wiedereinsetzungsantrag eine
Ablichtung der Terminsladung vom 29. Juni 2007 bei, aus der sich allerdings nicht ergibt,
dass er als Pflichtverteidiger von dem Landgericht Berlin zu jener Hauptverhandlung
geladen worden ist. Der Termin wurde von dem Landgericht Berlin auf 09.00 Uhr im Saal
701 festgesetzt.
Dem beschließenden Gericht ist es schlicht und einfach nicht verständlich, warum der
Betroffene, der die Terminsladung zum 11. September 2007 in vorliegender Sache
ausweislich der Zustellungsurkunde seit dem 09. August 2007 in Händen hält, nicht
schon zu einem früheren Zeitpunkt mit Rücksicht auf die von dem Landgericht Berlin
erhaltene Terminsladung die Verlegung des amtsgerichtlichen Termins beantragt hat.
Darauf kommt es allerdings nicht entscheidend an.
Grundsätzlich haben private, aber auch berufliche Belange hinter der Verpflichtung eines
Betroffenen, seiner Terminsladung Folge zu leisten, zurückzustehen. Dies gilt nach
Auffassung des beschließenden Gerichts auch für die beruflichen Verpflichtungen eines
Rechtsanwaltes, wenn dieser Betroffener in einem Bußgeldverfahren ist. Der Betroffene
hat mithin nichts dazu vorgetragen, warum er nicht wenigstens das Landgericht Berlin
um eine Verlegung des Fortsetzungstermines am 11. September 2007 gebeten hat.
Mit einem Wiedereinsetzungsantrag müssen grundsätzlich Angaben zur versäumten
Frist, zum Hinderungsgrund sowie zum Zeitpunkt und zum Grund des Wegfalles des
Hindernisses verbunden werden. All diese Angaben sind glaubhaft zu machen (§ 45 Abs.
2 StPO). Es muss ein Sachverhalt vorgetragen werden, der ein der Gewährung der
Wiedereinsetzung entgegenstehendes Hindernis als ausgeschlossen erscheinen lässt.
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Diesen Zulässigkeitsvoraussetzungen wird der Wiedereinsetzungsantrag des
Betroffenen nicht gerecht. Der Fortsetzungstermin vor dem Landgericht Berlin ist, wie
bereits ausgeführt, auf 09.00 Uhr morgens anberaumt worden. Der
erst
um 12.15 Uhr an
Es wäre nach Auffassung des beschließenden Gerichts also durchaus möglich gewesen,
seitens des Betroffenen den Vorsitzenden der Kammer des Landgerichts Berlin von
seinem eigenen Termin um 12.15 Uhr vor dem Amtsgericht Tiergarten in Kenntnis zu
setzen und dort zu bitten, die Mittagspause, die üblicherweise allen
Verfahrensbeteiligten eingeräumt wird, gerade in diesem Zeitraum stattfinden zu
lassen. Der Betroffene wäre dann in der Lage gewesen, schnell die kurze Wegstrecke in
die Kirchstraße 6 zu Fuß zurückzulegen, um seiner eigenen Terminsladung als
Betroffener ordnungsgemäß Folge zu leisten. Dafür, dass all dies nicht möglich gewesen
sein könnte, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht der geringste Anhaltspunkt;
Dahingehendes ist zudem von dem Betroffenen selbst zur Begründung seines
Wiedereinsetzungsantrages auch nichts vorgetragen worden.
Es ist allgemein bekannt – einem mit Bußgeldsachen befassten Rechtsanwalt erst recht
-, dass Bußgeldsachen in der Regel nur für die Dauer von etwa 10 bis 20 Minuten von
dem Amtsgericht Tiergarten anberaumt werden. So stand am 11. September 2007 auch
bereits um 12.30 Uhr die nächste Sache an. Der Betroffene wusste mithin, dass für
seine eigene Anwesenheit in seiner eigenen Bußgeldsache vor dem Amtsgericht
Tiergarten allenfalls ein geringfügiger, jedenfalls gut überschaubarer Zeitraum von
vielleicht 30 Minuten zu veranschlagen war. Offensichtlich hat er keinerlei Anstalten
unternommen, die Mittagspause in der Sache vor dem Landgericht Berlin zum Zwecke
der Wahrnehmung seines eigenen Termins zu nutzen, bzw. den Kammervorsitzenden zu
bitten, die Mittagspause etwa in dem genannten zeitlichen Rahmen stattfinden zu
lassen. Dies wirft ihm das beschließende Gericht vor, und zwar mit der Folge, dass sein
Wiedereinsetzungsantrag unzulässig ist.
Zwar hat der Betroffene behauptet, der Termin vor dem Landgericht habe „um 15.30
Uhr“ geendet. Darauf kommt es mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen zu
einer denkbaren und ohne weiteres möglichen – und sicher auch stattgefundenen –
Mittagspause jedoch überhaupt nicht an.
Abgesehen davon hat der Betroffene seine Behauptung, der Termin vor dem
Landgericht habe erst um 15.30 Uhr geendet, nicht glaubhaft gemacht. Noch nicht
einmal eine eigene eidesstattliche Versicherung des Betroffenen selbst reicht für eine
hinreichende Glaubhaftmachung aus. Nichts anderes gilt für die eigene Behauptung des
Betroffenen, die er mit seinem Wiedereinsetzungsantrag verbunden hat.
Der Behauptung des Betroffenen, der von Beruf Rechtsanwalt ist, er habe seinen
Verteidiger gefragt, ob vorsorglich „ein Terminsverlegungsantrag gestellt werden
müsse“, was dieser verneint habe, weil er „davon ausgegangen sei“, das Gericht werde
dem Entbindungsantrag stattgeben, entnimmt das beschließende Gericht den Versuch
des Betroffenen, sein Vertrauen in eine Auskunft seines Verteidigers ins Feld zu führen.
Auch dieser Versuch scheitert :
Das Vertrauen auf Auskünfte des Verteidigers kann das Ausbleiben eines Betroffenen
nur in Ausnahmefällen entschuldigen (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 18.4.05 – 526 Qs
74/05 -), im vorliegenden Falle jedoch nicht.
Der Betroffene wusste als Rechtsanwalt, dass kein Antrag auf Entbindung von der
Erscheinungspflicht automatisch zur Entbindung führt, sondern dass das Gericht die
Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OwiG zunächst gewissenhaft prüfen wird. Der Betr.
hätte sich mithin vor dem Termin selbst vergewissern können und müssen, ob sein
Erscheinen in der Hauptverhandlung erforderlich ist oder nicht. Er hätte ebenso gut
seinen Verteidiger dazu befragen können, der aufgrund einer entsprechenden E-Mail des
Vorsitzenden bereits am 10.9.07 um 12.53 Uhr davon in Kenntnis gesetzt worden ist,
dass der Antrag vom 8.9.07 auf Entbindung von der Erscheinungspflicht zurückgewiesen
worden ist (s. Bl. 62 d.A.).
Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde zulässig, die binnen einer Woche
nach Zustellung schriftlich in deutscher Sprache oder zu Protokoll der Geschäftsstelle
bei dem erkennenden Gericht eingelegt werden kann.
Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb dieser Frist bei dem Gericht
16 Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb dieser Frist bei dem Gericht
eingegangen ist.
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