Urteil des AG Tiergarten vom 15.03.2017

AG Tiergarten: beute, vergleich, geständnis, urkunde, strafurteil, widerklage, raub, inhaber, datum, erfüllung

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Gericht:
KG Berlin 11.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 15/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 139 BGB, § 185 BGB, § 372 S 2
BGB, § 362 Abs 1 BGB, § 14 Abs
2 Nr 1 ZPOEG
Forderung: Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit
einer privaten Urkunde, Freigabepflicht
Leitsatz
1. Hinterlegt ein Schuldner den geschuldeten Betrag zu Gunsten streitender
Forderungsprätendenten, ist für die Frage der Freigabepflicht entscheidend, wer im Verhältnis
zum Schuldner Inhaber der Vorderung ist, zu deren Erfüllung der hinterlegte Betrag bestimmt
ist.
2. Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit erfasst alle Bestandteile einer privaten
Urkunde.
3. Zustandekommen und Inhalt einer Urkunde (hier: das Datum einer vertraglichen Abrede)
unterliegen freier Beweiswürdigung.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. März 2004 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin - 11 O 170/03 - abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Freigabe des bei dem Amtsgericht Tiergarten,
Hinterlegungsstelle, Geschäftszeichen 87 HL 127/03, hinterlegten Betrages von
125.000,00 EUR nebst gesetzlichen Zinsen gem. § 8 Nr. 2 HinterlO seit dem 1. Juni 2003
an den Kläger zu bewilligen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 EUR vorläufig
vollstreckbar.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 21. April 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit bei Gericht am 3.
Mai 2004 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und mit gleichem Schriftsatz
begründet.
Mit der Berufung ergänzen und vertiefen die Parteien ihren jeweiligen erstinstanzlichen
Vortrag.
Der Kläger beantragt unter Rücknahme seines weiteren Zinsantrages,
die Beklagte zu verurteilen, die Freigabe des bei dem Amtsgericht Tiergarten,
Hinterlegungsstelle, Geschäftszeichen 87 HL 127/03, hinterlegten Betrages von
125.000,00 EUR nebst gesetzliche Zinsen gem. § 8 Nr. 2 HinterlO seit dem 1. Juni 2003
an ihn zu bewilligen
sowie die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Akten der Staatsanwaltschaft Berlin zum Aktenzeichen 68 Js 254/00 lagen vor.
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II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch
auf Zustimmung gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Tiergarten.
Grundlage des mit Klage und Widerklage wechselseitig erhobenen Anspruches auf
Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages ist § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Var.
BGB (siehe allgemein BGH ZMR 1997, 170, 171; BGHZ 109, 240, 244; 35, 165, 170).
1) Hinterlegt der Schuldner - wie hier - den geschuldeten Betrag zu Gunsten streitender
Forderungsprätendenten (§ 372 Satz 2 BGB), ist für die Frage der Freigabepflicht
entscheidend, wer im Verhältnis zum Schuldner Inhaber der Forderung ist, zu deren
Erfüllung der hinterlegte Betrag bestimmt ist (BGH ZMR 1997, 170, 171; NJW-RR 1987,
495; BGHZ 109, 240, 244 m.w.N.). Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der
Kläger Inhaber der hinterlegten Forderung ist. Das Gericht geht nach einer
Gesamtwürdigung aller bekannt gewordenen und ihm vorliegenden Hilfstatsachen davon
aus, dass der Schuldner (B... K...) dem Abtretenden (D... N...) am 19. Mai 2000
insgesamt 975.000,00 DM geraubt hat (a). Die Abtretung zwischen dem Kläger als
Abtretungsempfänger und D... N... als Abtretenden ging nicht ins Leere (b). Die
abgetretene und die hinterlegte Forderung sind identisch (c). Die Forderung ist auch
nicht erloschen (d).
a) Das Gericht muss davon ausgehen, dass D... N... am 19. Mai 2000 jedenfalls
975.000,00 DM geraubt worden sind.
aa) Die Beklagte bestreitet diese Tatsache schon nicht erheblich. Denn der Kläger legt
dar, dass D... N... beraubt worden ist und wie hoch die Beute war. Die Beklagte wendet
sich hiergegen auch nicht und räumt den Raub selbst ein. Sie bestreitet lediglich die
Höhe der Beute. Dieser Vortrag ist ungeachtet mehrerer Hinweise des Gerichts aber
unsubstanziiert. Es ist der Beklagten prozessual ohne weiteres zumutbar, insoweit eine
eigene, einlassungsfähige Höhe der Beute wenigstens darzulegen. Ihr unvollständiger
Vortrag lässt ein weiteres Vorbringen des Klägers und eine gerichtliche Beweisaufnahme
über eine andere und konkrete Tatsache nicht zu.
bb) Hierauf stützt sich das Urteil freilich nicht. Denn jedenfalls ist den Feststellungen des
Landgerichts Berlin im Strafverfahren, Aktenzeichen (520) 68 Js 254/Kls (3/01), Urteil
vom 8. Februar 2001, zu folgen. Auch der Senat geht davon aus, dass dem Abtretenden
am 19. Mai 2000 insgesamt 975.000,00 DM geraubt worden sind. Ein strafgerichtliches
Urteil entfaltet zwar für den Zivilprozess keine Bindungswirkung (§ 14 Abs. 2 Nr. 1
EGZPO). Gleichwohl können die in einem Strafurteil getroffenen tatsächlichen
Feststellungen im Zivilprozess als Beweismittel verwertet werden (OLG Koblenz NJW-RR
1995, 727). Bereits das Reichsgericht hat die Verwertung von Feststellungen in einem
vorausgegangenen Strafurteil in mehreren Entscheidungen für zulässig erachtet (RG JW
1885, 182; RG Gruchot 52, 446, 448). Die spätere Rechtsprechung hat sich dieser
Auffassung angeschlossen (BGH WM 1973, 561; BayObLGZ 1959, 115; LG Essen MDR
1947, 68, 69). Angesichts der Teilidentität des den Gegenstand dieses Rechtsstreits und
des Strafverfahrens bildenden Sachverhalts darf daher einerseits das rechtskräftige
Strafurteil und dürfen andererseits die urkundlich zu verwertenden Aussagen des
Tatopfers N... und die des Täters K... nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar hat sich der
Zivilrichter seine Überzeugung grundsätzlich selbst zu bilden und ist daher an die
Tatsachenfeststellungen eines Strafurteils nicht gebunden. Das enthebt ihn jedoch nicht
der Pflicht, sich jedenfalls mit den im Strafurteil getroffenen Feststellungen gründlich
auseinander zu setzen, soweit diese für die eigene Beweiswürdigung relevant sind (BGH
BGHR EGZPO § 14 Abs. 2 Nr. 1 Strafurteil 1; OLG Koblenz AnwBl 1990, 215). Dabei wird
in der Regel den strafgerichtlichen Feststellungen zu folgen sein, sofern nicht gewichtige
Gründe für deren Unrichtigkeit von den Parteien vorgebracht werden (OLG Köln FamRZ
1991, 580 ff. m.w.N.). Die Zivilgerichte müssen sich daher hier mit den - auch wegen der
Höhe des N... entwendeten Geldes - auf dem Geständnis des Schuldners beruhenden
Feststellungen des Strafurteils auseinander setzen. Nach diesen hat der Schuldner dem
Abtretenden 975.000,00 DM geraubt. Überzeugende Gründe dafür, dass die
Feststellungen des Strafurteils - vor allem zur Höhe der Beute - falsch sind, legt die
Beklagte nicht dar. Sie sind auch im Übrigen nicht zu erkennen.
cc) Die Beklagte bestreitet nicht, dass D... N... beraubt worden, ihm also Geld entwendet
worden ist. Sie bestreitet allein und auch nach Hinweis des Gerichts ohne nähere
Darlegung, dass D... N... jedenfalls 925.000,00 EUR geraubt worden sind. Sie beruft sich
für ihre Behauptung darauf, dass der Schuldner (der Täter B... K...) während der
Tatausführung unstreitig nicht erfuhr, welcher Betrag genau dem Abtretenden (dem
Opfer D... N...) geraubt worden war. Diese Tatsache ist für sich genommen aber kein
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Opfer D... N...) geraubt worden war. Diese Tatsache ist für sich genommen aber kein
Hinweis darauf, dass das Geständnis des Schuldners falsch ist. Nach dem natürlichen
Lauf der Dinge ist davon auszugehen, dass der Schuldner jedenfalls später über den
Umfang des D... N... geraubten Geldes Kenntnis erlangte. Es ist mehr als lebensfremd
anzunehmen, dass zwischen den Mittätern zu keinem Zeitpunkt die Höhe der Beute
erörtert worden sein soll. Und es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der Schuldner,
dem wegen des Raubes eine empfindliche Strafe drohte und den im Hinblick auf das ihm
drohende Strafmaß nicht unberührt lassen konnte, was dem Abtretenden geraubt
worden war, keine Erkundigungen über die Höhe der Beute eingeholt haben soll. Dafür,
dass die Beute beträchtlich war, sprach bereits, dass die „Gläubiger“ vom „Schuldner“
im folgenden abließen und keine weiteren Forderungen stellten. Für diese Annahme
spricht aber vor allem, dass der Schuldner gegenüber dem Strafgericht die Tat und auch
die Höhe des dem Tatopfer und Abtretenden geraubten Geldes (975.000,00 DM)
eingestanden hat. Es ist nicht zu erkennen, warum der Schuldner zu diesem Geständnis
bereit gewesen sein soll und welcher Vorteil ihm hieraus erwachsen konnte, wenn ihm
auch zu diesem Zeitpunkt die Höhe der Beute, die sich zwingend auf das ihm drohende
Strafmaß auswirken musste, unbekannt geblieben war. In seinem gem. §§ 415, 417 ZPO
urkundlich zu verwertenden Geständnis gegenüber dem Strafgericht heißt es
ausdrücklich, dass die Angaben des Opfers - also auch die zur Höhe der Beute -
zutreffend seien. Auf diesem Geständnis beruhen die Feststellungen des Strafurteils. Für
ein strafmilderndes Geständnis hätte es allein ausgereicht, dass der Schuldner die Teile
der Tat einräumte, die ihm ausdrücklich bekannt waren. Sein Geständnis wäre auch
glaubhaft gewesen, wenn er zur Höhe keine Aussagen getroffen hätte. Anlass dafür,
über die genaue Höhe der Beute zu spekulieren, gab es für den Schuldner also nicht.
Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Schuldner in dem vor dem Landgericht Berlin
gegen ihn zum Aktenzeichen 19 O 246/01 wegen der Raubtat geführten Zivilverfahren
die Höhe der Beute erstmals in Abrede gestellt und dort mit Nichtwissen bestritten hat.
Allerdings hat er dort auch eingeräumt, dass die Angaben D... N... richtig sein könnten.
Dieses Verhalten war freilich prozessual unzulässig und ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1
ZPO. Der Schuldner war nämlich verpflichtet, sich zu erkundigen, wie hoch die Beute war
(vgl. z. B. BGH NJW-RR 2002, 612, 613; BGHZ 109, 205, 209). Denn dass dem
Abtretenden Geld entwendet worden war, stellte auch der Schuldner nicht in Abrede.
Über die genaue Höhe konnte er sich aber unschwer erkundigen.
dd) Einen Hinweis darauf, dass die Angaben des Abtretenden, das Geständnis des
Schuldners und somit die Feststellungen des Strafurteils richtig sind, ist ferner der
außergerichtliche Vergleich zwischen dem Schuldner und dem Abtretenden vom 14./22.
November 2002. Die Beklagte trägt keine überzeugenden und nachvollziehbaren
Tatsachen für die Annahme vor, dass der Schuldner dem Abtretenden nur aus einem
anderen Grunde Geld schuldete. Im Gegenteil. Auch die Beklagte ließ im Dezember
2002 zunächst allein die Ansprüche des Opfers aus der Tat vom 19. Mai 2000 pfänden.
Die weitere Pfändung vom Oktober 2003 belegt nichts anderes. Denn auch für diese
erläutert die Beklagte nicht einleuchtend, welche Forderungen Gegenstand des
Vergleichs gewesen sein, welche Forderungen also gepfändet sein sollen.
ee) Für die Richtigkeit der klägerischen Angaben streiten hingegen die Umstände des
Vergleichs vom 14. November 2002. In dessen Folge nahm der Abtretende die Berufung
gegen den Schuldner zurück. Eine Rücknahme entbehrte einer Grundlage, wenn
Gegenstand des Vergleichs nicht wenigstens auch die Ansprüche des Abtretenden aus
der Tat vom 19. Mai 2000 gewesen waren: Für eine Berufungsrücknahme bestand
ansonsten kein vorgetragener Anlass. Dafür, dass die Angaben des Abtretenden richtig
sind, sind schließlich die Zahlungen des Verurteilten M... aus dem Vergleich vom 12./16.
März 2002 ein starkes Indiz - warum sollten diese Zahlungen in dem unstreitigen
Umfang von über 487.000,00 DM erfolgen, wenn der Abtretende nicht wenigstens in
dieser Höhe beraubt worden war - sowie die Erklärungen des Rechtsanwaltes Dr. S...
vom 8. Mai 2003 an die Staatsanwaltschaft Berlin und vom 5. Januar 2004 an den Kläger.
Dr. S... erklärte dort im Wesentlichen, dass sich die Vereinbarung vom 14. November
2002 allein auf den Raub vom 19. Mai 2000 bezogen hatte. Insbesondere aber im
Schreiben vom 8. Mai 2003 heißt es, dass sich der Schuldner verpflichtet hatte „die
Hälfte des von ihm angerichteten Schadens zu ersetzen“. Zu dem Vergleich zwischen
Täter und Opfer wäre es aber ebenso wie zu den Zahlungen des Verurteilten M... aus
dem Vergleich vom 12./16. März 2002 nicht gekommen, wenn die Angaben des Opfers
falsch waren.
b) Das Gericht muss ferner davon ausgehen, dass D... N... dem Kläger seine ihm gegen
B... K... aus dem Raub zustehende Ansprüche jedenfalls vor Zustellung des auf dem
Pfändungsbeschluss beruhenden Zahlungsverbotes am 2. Januar 2003 abtrat.
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aa) Die Beklagte hat sich über die Echtheit dieser Privaturkunde entgegen § 439 Abs. 1,
Abs. 2 ZPO weder ausdrücklich noch schlüssig erklärt. Ausdrückliche Erklärungen zur
Echtheit der Unterschrift sind von ihr nicht abgegeben worden. Eine Absicht, die Echtheit
bestreiten zu wollen, ist auch aus den übrigen Erklärungen der Beklagten nicht
hervorgegangen. In der Klageerwiderung trug die Beklagte nur vor, dass die Abtretung
am 13. November 2001 nicht zustande gekommen sei, weil die Forderung nicht bestehe.
Im Schriftsatz vom 3. November 2003 und in dem vom 1. Dezember 2003 legte die
Beklagte hingegen dar, die Abtretungsanzeige könne nicht vor Zustellung des
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgeschlossen worden sein.
bb) Die Beklagte geht damit nur davon aus, dass die Abtretungsanzeige ein falsches
Datum trägt, nicht aber, dass die Unterschriften falsch sind. Eine solche Fälschung des
Abtretungsdatums vermag der Senat aber nicht zu erkennen.
(1) Der Senat geht bereits nach der richterrechtlich entwickelten Vermutung der
Vollständigkeit und Richtigkeit einer öffentlichen oder privaten Urkunde (BGH NJW 2002,
3164; NJW 1999, 1702; NJW 1980, 1680, 1681; MDR 1978, 567; NJW 1970, 1182; VersR
1960, 812) davon aus, dass nicht der Kläger, sondern die Beklagte die Tatsache eines
anderen als den beurkundeten Abtretungszeitpunkt darlegen und also einen
Abtretungsvertrag nach dem 2. Januar 2003 beweisen muss. Nach Ansicht des Gerichts
erfasst bereits die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde
sämtliche Abreden sowie alle Bestandteile einer öffentlichen oder privaten Urkunde und
also auch das Datum, wann eine Verabredung getroffen wurde (a. A. BGH NJW 1990,
737, 738).
(b) Wann die Abtretung genau stattfand, kann freilich in diesem Zusammenhang und im
Ergebnis dahingestellt bleiben. Das Gericht stützt seine Überzeugung letztlich nicht auf
die Richtigkeitsvermutung. Denn das Zustandekommen und der Inhalt einer Urkunde
unterliegen jedenfalls freier tatrichterlicher Beweiswürdigung (BGH NJW-RR 1989, 1323,
1324; NJW 1980, 1047; RGZ 31, 337, 339; 16, 436, 438). Nach einer Würdigung aller
Umstände kommt der Senat zu der Überzeugung, dass eine Abtretung jedenfalls vor
der Pfändung am 19. Dezember 2002 erfolgt sein muss. Für diese Annahme spricht vor
allem die unstreitige Tatsache, dass D... N... und B... K... in dem außergerichtlichen
Vergleich vom 14./22. November 2002 dem Kläger 125.000,00 EUR „zugewiesen“
hatten. Aus dieser Zahlungsanweisung folgt ganz zwanglos, dass der Schuldner dem
Kläger am 13. November 2001 oder zwischen diesem Tag und dem Tag des Vergleichs
einen entsprechenden Betrag auch abgetreten haben muss. Der Vergleich setzt die
vorher erfolgte Abtretung gleichsam um und ist seine wirtschaftliche und rechtliche
Voraussetzung. Die von den jeweiligen Prozessbevollmächtigten ausgearbeitete
Verabredung, einen Teil der Vergleichssumme direkt an Dritte und auch an den Kläger
zu zahlen, ist rechtlich nur nachvollziehbar und ökonomisch sinnvoll, wenn jedenfalls
dem Kläger eine entsprechende Forderung auch zustand. Dass der Vergleich nach dem
14./22. November 2002 geschlossen worden ist, behauptet auch die Beklagte nicht.
Ihrem Beweisangebot, das Datum der Abtretungsurkunde sei gefälscht, ist aus diesem
Grunde nicht nachzugehen: Es ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich.
cc) Das Gericht muss schließlich davon ausgehen, dass die Abtretung nicht unwirksam
war, weil D... N... dem Kläger kein Geld schuldete. Denn die insoweit nach den
allgemeinen Regelungen beweisbelastete Beklagte hat für diese Behauptung keinen
Beweis angeboten.
c) aa) Die abgetretene und die hinterlegte Forderung sind identisch. Soweit die
Abtretungsurkunde einen Anspruch „aus einem Strafurteil des Landgerichts Berlin“
nennt, ist diese Formulierung gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen. Der Senat folgt
insoweit der überzeugenden Auslegung des Landgerichts. Nach Würdigung aller
Umstände waren Gegenstand der Abtretung die dem Abtretenden von dem Schuldner
und seinen Mittätern am 19. Mai 2000 geraubten 975.000,00 DM. Dass die
Abtretungsanzeige von einem Anspruch „aus einem Strafurteil“ spricht, ist nach einer
nicht dem bloßen Wortlaut verhafteten Auslegung offensichtlich untechnisch gemeint.
Gemeint waren - und das sehen die Parteien nicht anders - der Schadensersatzanspruch
bzw. die Schadensersatzansprüche, die der Abtretende gegen den Schuldner aus der
Straftat erworben hatte.
bb) Der Klage steht auch nicht entgegen, dass der Täter B... K... allerdings keinen Anteil
des geraubten Geldes, sondern einen Teil der Vergleichssumme vom 14. November
2002 hinterlegte. Die hinterlegte Forderung ist durch dieses Verfahren zur
Klageforderung geworden. Zum Zeitpunkt der Hinterlegung waren die abgetretene und
die hinterlegte Forderung allerdings noch nicht identisch: Die hinterlegte Forderung hatte
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die hinterlegte Forderung allerdings noch nicht identisch: Die hinterlegte Forderung hatte
ihren Grund im Vergleich, die abgetretene Forderung hatte ihren Anspruch hingegen im
Deliktsrecht.
(1) Weil der Abtretende über eine ihm nicht (mehr) zustehende Forderung verfügte, war
der Vergleich vom 14./22. November 2002 zunächst insgesamt (§ 139 BGB) schwebend
unwirksam. Denn nachdem der Abtretende seine Forderungen gegenüber dem
Schuldner in Höhe der Darlehenssumme und im Umfang der weiteren aufgelaufenen
Darlehensverpflichtungen an den Kläger abgetreten hatte, konnte der Abtretende nicht
mehr wirksam über seine „gesamten Ansprüche“ - und also auch die Forderungen aus
dem Raub - gegenüber dem Schuldner verfügen. Inhaber jedenfalls eines Teils der
Ansprüche war nach der Abtretung allein der Kläger. Dass er dem Abtretenden insoweit
eine Einwilligung im Sinne von § 185 Abs. 1 BGB erteilt hat, über seine Forderungen zu
verfügen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
(2) Darauf kommt es aber auch nicht an. Denn der Vergleich wurde jedenfalls durch eine
Genehmigung des Klägers wirksam, § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Genehmigung der
Verfügung des D... N... ist jedenfalls schlüssig in der Erhebung dieser Klage zu erblicken.
Der Kläger war danach einverstanden, dass sich seine Ansprüche aus der Abtretung auf
den ihm im Vergleich zugewiesenen und später hinterlegten Betrag in Höhe von
125.000,00 EUR verengten.
d) Die Forderung ist nicht gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Beklagte ist für die ihr
günstige Behauptung, D... N... habe das ihm vom Kläger gewährte Darlehen
zurückgezahlt, beweisfällig geblieben. Durch eine etwaige Rückzahlung hätte der
Schuldner im Übrigen auch nur einen Rückgewähranspruch wegen der abgetretenen
Ansprüche erworben. Erfüllung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB wäre durch eine Zahlung
nicht eingetreten.
2) a) Die Widerklage ist zulässig. Entscheidender Zeitpunkt für das Vorliegen sämtlicher
Sachurteilsvoraussetzungen ist nicht - wie das Landgericht erwog - die „Einreichung“ der
Widerklage. Entscheidender Zeitpunkt ist vielmehr der Schluss der mündlichen
Verhandlung (Greger in: Zöller, 25. Aufl. 2005, Vor § 253 ZPO Rz. 8). Zu diesem
Zeitpunkt aber war die vom Kläger erhobene Bedingung für seine Zustimmung, nämlich
die rechtskräftige Abweisung seiner Klage, noch nicht eingetreten und die Widerklage
also zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten war noch nicht entfallen - und
konnte im Prozess auch nicht entfallen.
b) Die Widerklage ist aber unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch, vom Kläger
Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages verlangen. Denn - wie dargelegt
- ging die Abtretung am 13. November 2001 nicht ins Leere.
3) Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen beruht auf § 8 HinterlO.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO. Die
Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung
noch bedarf es einer Überprüfung durch das Revisionsgericht im Hinblick auf die
Rechtsfortbildung oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, § 543 Abs. 2
ZPO.
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