Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 02.04.2017

AG Tempelhof-Kreuzberg: name, anschrift, vermieter, vollmacht, bekanntgabe, vollstreckung, nebenpflicht, duldungspflicht, regress, eigentumsgarantie

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Gericht:
AG Tempelhof-
Kreuzberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 C 418/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 535 BGB
Besichtigungsrecht für eine Mietwohnung: Anspruch des Mieters
auf Vorabmitteilung der Namen von Kaufinteressenten
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die
Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem
Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages.
Tatbestand
Der Beklagte ist auf der Grundlage des am 28.02.1994 mit Herrn G. geschlossenen
Vertrages Mieter einer Wohnung im Hause W.-Str. 13 in 10965 Berlin. Der Kläger wurde
mit Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 05.07.04 zum
Zwangsverwalter bestellt, was dem Beklagten angezeigt wurde. Der Kläger bemüht sich
um den freihändigen Verkauf der Immobilie und hat hiermit das Maklerbüro S.
beauftragt. Dieses beabsichtigt, bis zu zwei Besichtigungstermine wöchentlich in der
Wohnung des Beklagten durchzuführen. § 17 II des Mietvertrages sieht bei der Absicht
des Verkaufs ein Zutrittsrecht zwischen 9.00 Uhr und 19.00 Uhr vor. Zwei
Besichtigungstermine wurden nicht durchgeführt, weil der Beklagte Personen, die ihm
zuvor seinen Namen nicht mitgeteilt hatten, nicht in die Wohnung gelassen hatte.
Der Kläger vertritt die Ansicht, zwei Besichtigungstermine wöchentlich seien zumutbar,
auch an Feiertagen und am Wochenende. Dem Interesse des Mieters, keine ihm
unbekannten Menschen in seine Wohnung zu lassen, werde durch die Begleitung eines
Repräsentanten des Verkäufers Rechnung getragen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im
Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu verurteilen, es zu dulden, das der
Kläger zweimal wöchentlich in der Zeit von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr, zu 48 Stunden vorher
angekündigten Terminen, die Mieträume des Beklagten durch mit schriftlicher Vollmacht
versehene Mietarbeiter oder Beauftragte des Klägers betritt, um diese mit bis zu drei
Kaufinteressenten samt Begleitung von je 2 Personen pro Besichtigungstermin zu
besichtigen, ohne dass die Kaufinteressenten oder deren Begleiter dem Beklagten
Name und Anschrift anzugeben haben und ohne dass der Kläger oder dessen
Mitarbeiter oder Beauftragte vor oder bei der Besichtigung Name und Anschrift der
Kaufinteressenten oder deren Begleiter dem Beklagten gegenüber anzugeben haben,
mit der Maßgabe, dass die Besichtigungen hintereinander und nicht gleichzeitig
stattfinden sollen.
hilfsweise,
den Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im
Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu verurteilen, es zu dulden, das der
Kläger einmal wöchentlich in der Zeit von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr, zu 48 Stunden vorher
angekündigten Terminen, die Mieträume des Beklagten durch mit schriftlicher Vollmacht
versehene Mietarbeiter oder Beauftragte des Klägers betritt, um diese mit bis zu drei
Kaufinteressenten samt Begleitung von je 2 Personen pro Besichtigungstermin zu
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Kaufinteressenten samt Begleitung von je 2 Personen pro Besichtigungstermin zu
besichtigen, ohne dass die Kaufinteressenten oder deren Begleiter dem Beklagten
Name und Anschrift anzugeben haben und ohne dass der Kläger oder dessen
Mitarbeiter oder Beauftragte vor oder bei der Besichtigung Name und Anschrift der
Kaufinteressenten oder deren Begleiter dem Beklagten gegenüber anzugeben haben,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, er sei ohne vorherige Mitteilung der Namen der Kaufinteressenten
nicht verpflichtet, die Besichtigung seiner Wohnung zu dulden. Darüber hinaus seien im
Hinblick auf seine Berufstätigkeit Termine vor 17.00 Uhr nicht zumutbar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet.
Ein Anspruch auf Duldung der Wohnungsbesichtigung durch Kaufinteressenten und
Begleitpersonen, die dem Beklagten namentlich nicht bekannt sind, besteht nicht. Dies
hat die Klageabweisung zur Folge, weil das Betreten ohne Namensnennung kein
“Weniger” gegenüber dem Betreten nach vorheriger Bekanntgabe der Namen ist,
sondern ein sog. aliud.
Der Kläger hat gegen den Beklagten weder aus § 17 II des Mietvertrages, noch aus einer
mietvertraglichen Nebenpflicht i.V.m. § 242 BGB einen Anspruch auf Duldung der
Besichtigung ohne vorherige Bekanntgabe der Namen.
§ 17 II des Mietvertrages ist aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung des
Mieters nach § 307 I BGB i.V.m. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB unwirksam. Die Regelung sieht
Besichtigungen ohne vorherige Ankündigungen vor und beeinträchtigt daher das Recht
des Mieters auf Privatsphäre aus Art. 2 I GG (LG Berlin, Urteil vom 24.11.03 zu Az. 67 S
254/03). Eine ergänzende Auslegung unter Berücksichtigung der Ankündigungspflicht in
§ 17 I des Mietvertrages ist nicht möglich. Dies liefe auf eine geltungserhaltende
Reduktion der Klausel in § 17 II des Vertrages hinaus, die mit dem Schutzzweck der §§
307 ff. BGB unvereinbar ist (Heinrichs in Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage,
Vorb. § 307, Rn. 8; LG Berlin a.a.O.).
Auch die Duldungspflicht des Beklagten als Nebenpflicht des Beklagten aus dem
Mietverhältnis (BVerfG Beschluss vom 16.01.04 zu 1 BvR 2285/03, abgedruckt in GE 04,
610) verpflichtet nicht zur Duldung des Betretens der Wohnung ohne vorherige
Namensnennung. Der Mieter ist in engem Rahmen und zu vertretbaren Zeiten
verpflichtet, Besichtigungstermine mit Kaufinteressenten zu dulden. Bei der Beurteilung
des Umfangs des Duldungsanspruchs sind die beiderseitigen grundrechtlich geschützten
Positionen der Parteien in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Auf Seiten des
Klägers ist die Eigentumsgarantie aus Art. 14 I GG zu berücksichtigen, auf Seiten des
Beklagten dessen Besitzrecht an der Wohnung aus Art. 14 I GG und das Recht auf
ungestörtes Wohnen aus Art. 13 I GG. Bei dieser Abwägung sind die Dauer des
Mietverhältnisses und das Ausmaß der von den Besichtigungen ausgehenden
Beeinträchtigungen für den Mieter zu berücksichtigen (BVerfG a.a.O). Auf der anderen
Seite ist das Interesse des Vermieters, den Verkauf der Wohnung nicht mehr als
erforderlich zu beeinträchtigen, zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte besteht nach Ansicht des Gerichts keine
Duldungspflicht bezüglich dem Mieter namentlich nicht bekannter Personen. Der
Beklagte verlangt lediglich die Nennung von Namen vor der Besichtigung, nicht die
Mitteilung von Anschriften und die Vorlage von Ausweisen. Hierdurch ist keine ernsthafte
Beeinträchtigung des Verkaufsinteresses gegeben. Die Nennung von Namen beinhaltet
keinen so schwerwiegenden Einschnitt für Kaufinteressenten, so dass hiervon ein
spürbarer Rückgang des Kaufinteresses ausgehen könnte.
Andererseits benötigt der Beklagte die Namen der Besichtigenden, um im Schadensfall
Regress nehmen zu können. Er benötigt den Namen, um gegenüber dem Vermieter
seinen Anspruch auf Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des betreffenden
Besichtigenden verfolgen zu können. Müsste der Name erst im Schadensfall mitgeteilt
werden, müsste der Beklagte sich im Streitfall mit einer Personenbeschreibung an den
Vermieter wenden. Sein Auskunftsverlangen wäre auf Mitteilung von Name und Anschrift
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Vermieter wenden. Sein Auskunftsverlangen wäre auf Mitteilung von Name und Anschrift
beispielsweise der ca. 30 bis 40 Jahre alten Dame mittlerer Größe mit braunen Haaren
im beigen Mantel gerichtet. Dieser würde es im Streitfall nicht weiter schwer fallen,
fehlende Passivlegitimation einzuwenden. Ist dem Beklagten der Name vor der
Besichtigung bekannt, kann er seinen Auskunftsanspruch gegen den Vermieter gezielt
mit der Bitte um Mitteilung der Anschrift der namentlich benannten Frau verfolgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 1113,30 EUR (dreifacher Nettomietzins - LG Stuttgart Urteil vom 24.04.91 zu
Az. 13 S 130/91).
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