Urteil des AG Stuttgart vom 02.02.2007

AG Stuttgart: internationale zuständigkeit, gerichtsstand, zweigniederlassung, verfügung, anschrift, hauptniederlassung, auskunft, dokumentation, abgrenzung, handelsregister

1
2
3
4
Gericht:
OLG Frankfurt 14.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 UH 5/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 60 Abs 1 EGV 44/2001, §
21 ZPO, § 36 ZPO, § 703d
ZPO
(Bestimmung des zuständigen Gerichts: Erlass eines
Mahnbescheides gegen eine englische Limited;
allgemeiner Gerichtsstand im Inland)
Leitsatz
Zum allgemeinen Gerichtsstand einer englischen Limited im Inland
Tenor
Die Sache wird zur weiteren Bearbeitung dem Amtsgericht Stuttgart übertragen.
Gründe
1. Am 02.08.2006 ging bei dem Amtsgericht Hünfeld ein Antrag des in R.
ansässigen Antragstellers auf Erlass eines Mahnbescheides gegen eine als Ltd.
bezeichnete Gesellschaft mit postalischer Anschrift in D. ein. Als Gegenstand des
Verfahrens ist eine Rechnung über insgesamt 3.046,16 EUR bezeichnet, als
Prozessgericht für den Fall der Durchführung des streitigen Verfahrens das
Amtsgericht Rastatt. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts wies den Antragsteller
mit Verfügung vom 17.08.2006 darauf hin, dass die Antragsgegnerin nach dem
Inhalt des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides keinen allgemeinen
Gerichtsstand im Inland habe. Solchenfalls sei zunächst die internationale
Zuständigkeit zu prüfen; im übrigen gelte § 703 d ZPO. Der Antragsteller trug
daraufhin vor, die Antragsgegnerin habe keinen allgemeinen Gerichtsstand im
Inland. Sie betreibe in D. eine Niederlassung, weswegen die Verweisung an das für
diesen Ort zuständige Mahngericht beantragt werde.
Daraufhin erklärte sich das Amtsgericht Hünfeld für örtlich unzuständig und gab
die Sache an das Amtsgericht Stuttgart ab. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts
Stuttgart forderte den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit
Verfügung vom 04.12.2006 auf, die Anschrift des Sitzes der Antragsgegnerin im
Ausland mitzuteilen. Nach einer telefonischen Rücksprache vermerkte sie in der
Akte, nach der Auskunft des Verfahrensbevollmächtigten gebe es keinen Hinweis
auf eine ausländische Niederlassung. Das Amtsgericht Stuttgart lehnte danach
mit Beschluss vom 14.12.2006 die Übernahme des Verfahrens ab und verwies die
Sache an das Amtsgericht Hünfeld zurück. Es hat dann die Sache dem
Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
2. Der Senat ist zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes zwischen
dem zuerst mit der Sache befassten Amtsgericht Hünfeld und dem Amtsgericht
Stuttgart berufen, § 36 I Nr. 6, II ZPO. Diese Bestimmung findet nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats auch im Mahnverfahren Anwendung, um
die Prozessparteien belastende Zuständigkeitsstreite verschiedener Gerichte einer
raschen Klärung zuzuführen.
3. Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Das gilt unabhängig von
der Frage, ob die Antragsgegnerin einen Wohnsitz im Inland oder als englische
Limited in dem Vereinigten Königsreich hat. Ist ein allgemeiner Gerichtsstand der
Antragsgegnerin im Inland nach § 17 ZPO begründet, folgt die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 2 I EUGVVO. Fehlt es hingegen an
5
6
7
8
9
Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 2 I EUGVVO. Fehlt es hingegen an
einem inländischen Wohnsitz, ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus Art.
3, 5 Nr. 5 EUGVVO. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn
es sich um einen Streit aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur
oder einer sonstigen Niederlassung handelt. Der Begriff der Niederlassung ist
dabei weit auszulegen. Als Indizien gelten einschlägige Adressen auf Briefbögen,
das Unterhalten eines Geschäftslokals, das dem Besucherverkehr zur Verfügung
steht (Zöller / Geimer, ZPO, 26. Aufl., Art. 5 EUGVVO, Rdn. 44 m.w.N.). Nach dem
Vorbringen des Antragstellers betreibt die Antragsgegnerin in D. eine
Niederlassung. Das wird durch die vorgelegten Kopien über deren Internetauftritt
hinreichend bestätigt.
4. Nach § 689 II Satz 1 ZPO ist für das Mahnverfahren ausschließlich dasjenige
Amtsgericht zuständig, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen
Gerichtsstand hat. Das wäre im Streitfall das Amtsgericht Hünfeld. Hat der
Antragsgegner aber keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, ist für das
Mahnverfahren ist dasjenige Gericht zuständig, welches für das streitige Verfahren
zuständig sein würde, wenn die Amtsgerichte im ersten Rechtszug sachlich
unbeschränkt zuständig wären, § 703 d I, II ZPO. Landesrechtliche Konzentrationen
der Mahnsachen bei einem Gericht sind dabei zu beachten, § 703 d II ZPO i.V.m. §
689 III ZPO.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Stuttgart ist davon auszugehen, dass
die Antragsgegnerin keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, weswegen §
703 d II ZPO anzuwenden ist.
Eine nach englischem Recht gegründete Limited hat nur in Ausnahmefällen einen
allgemeinen Gerichtsstand im Inland. Nach Art. 60 I lit.a – c EUGVVO haben
Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz an dem Ort, an sich ihr
satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung
befindet. Keine dieser Alternativen greift nach dem Akteninhalt ein. Ein
satzungsmäßiger Sitz der Antragsgegnerin im Inland kommt nicht in Betracht (vgl.
dazu Klose – Mokroß DStR 2005, 971 ff). Die Eintragung einer Haupt- oder
Zweigniederlassung im Handelsregister ist ebenfalls nicht feststellbar. Für das
Vorhandensein einer Hauptverwaltung im Inland gibt es ebenfalls keine
zureichenden Anhaltspunkte. Allein der Umstand, dass eine Auslandsgesellschaft
unter einer inländischen Anschrift Geschäfte betreibt und offenbar über ein
inländisches Geschäftslokal verfügt, erlaubt keine hinreichend sichere Abgrenzung,
ob es sich um eine inländische Hauptniederlassung oder -verwaltung einerseits
oder eine bloße Zweigniederlassung andererseits handelt (BayObLG NJW – RR
2006, 206; Senat Beschluss vom 19.01.2007 – 14 UH 1 / 07). Unerheblich ist auch
die kaum aussagekräftige Auskunft der Verfahrensbevollmächtigten der
Antragstellerin, es gebe keinen Hinweis auf eine ausländische Niederlassung.
Daraus ist schon nicht ersichtlich, ob und wie geprüft worden ist, ob die
Antragsgegnerin im Vereinigten Königreich über einen Sitz verfügt, Art. 60 II
EUGVVO.
Zuständig für das Mahnverfahren ist hiernach das Amtsgericht Stuttgart.
Eine Zuständigkeit für das streitige Verfahren ist nämlich an dem besonderen
Gerichtsstand der Niederlassung der Antragsgegnerin in D. begründet, § 21 ZPO.
Insoweit betreibt die Antragsgegnerin entsprechend ihrem Internetauftritt
jedenfalls dort eine inländische Zweigniederlassung, was für die Anwendung dieser
Vorschrift ausreicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.