Urteil des AG Stuttgart vom 16.02.2006

AG Stuttgart (öffentliche ordnung, fahrverbot, rechtskraft, aug, verwahrung, literatur, antrag, reihenfolge, meinung, baden)

AG Stuttgart Beschluß vom 16.2.2006, 13 OWi 346/06
Verkehrsordnungswidrigkeit: Nacheinandervollstreckung mehrerer Fahrverbote
Tenor
wird der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen die Anordnung der Landeshauptstadt
Stuttgart – Amt für öffentliche Ordnung – vom 23 1 2006 (...), das rechtskräftig gewordene Fahrverbot im Anschluß
an ein zu vollstreckendes Fahrverbot in der Bußgeldsache mit dem Aktenzeichen ... zu vollstrecken, kosten- und
auslagenpflichtig als unbegründet.
abgelehnt.
Gründe
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Mit Bußgeldbescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 14 9 2005 (...) wurde gegen den Betroffenen wegen
einer am 2 7 2005 um 3 25 Uhr begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h außerorts eine Geldbuße von 100 EUR und einmonatiges Fahrverbot
verhängt Gegen den Bußgeldbescheid ließ der Betroffene rechtzeitig Einspruch einlegen, den er, nachdem das
Bußgeldverfahren an das Amtsgericht Stuttgart (...) abgegeben worden war, am 9 1 2006 zurücknahm
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Mit Bußgeldbescheid vom 10 10 2005 wurde gegen den Betroffenen von der Landeshauptstadt Stuttgart ...
wegen einer am 2 7 2005 um 14 49 Uhr begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit des Überschreitens der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 29 km/h eine Geldbuße von 150 EUR und ein einmonatiges
Fahrverbot verhängt Den auch hiergegen eingelegten Einspruch ließ der Betroffene in dem an das Amtsgericht
Stuttgart (...) abgegeben Verfahren ebenfalls am 9 1 2006 zurücknehmen
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In beiden Bußgeldbescheiden war dem Betroffenen die 4-Monatsfrist des § 25 II a StVG nicht eingeräumt
worden, da innerhalb der letzten 2 Jahre vor der Bußgeldentscheidung gegen den Betroffenen mit Bescheid
vom 15 7 2005 wegen einer am 23 5 2005 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung ein einmonatiges
Fahrverbot verhängt worden war
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Am 13 1 2006 gab der Betroffene seinen Führerschein beim Amtsgericht Stuttgart in Verwahrung Mit Schreiben
des Amts für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 23 1 2006 wurde dem Betroffenen
mitgeteilt, dass das im Verfahren der Bußgeldbehörde unter dem Aktenzeichen ... rechtskräftig gewordene
Fahrverbot im Anschluß an das zu vollstreckende Fahrverbot zum Aktenzeichen ... vollstreckt wird Dagegen
richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung
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Nach Ansicht des Gerichts hat es die Landeshauptstadt Stuttgart zu Recht abgelehnt, eine gleichzeitige
Vollstreckung der beiden Fahrverbote vorzunehmen
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Ob mehrere Fahrverbote nacheinander in voller Dauer zu vollstrecken sind, war bereits vor Einführung des § 25
II a StVG umstritten. Während ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur die Ansicht vertrat, dass die
Verbotsfristen grundsätzlich in der Weise nebeneinander laufen, dass die Verbotsfrist des zweiten Fahrverbots,
wenn der Führerschein wegen des ersten amtlich verwahrt wird, mit Rechtskraft des zweiten beginnt (vgl
Henschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage 2005, § 25 StVG Rd Nr 28 m w N; diese Meinung wird als
überwiegende Ansicht bezeichnet) sollen nach anderer in Rechtsprechung und Literatur vertretener Ansicht
mehrere Fahrverbote in der Reihenfolge des Eintritts der Rechtskraft nacheinander vollstreckt werden (vgl
Karlsruher Kommentar-Boujong ; OWiG 2 Aufl 2000, § 90 Rd.Nr 46 m w N; Henschel a a O § 25 StVG Rd Nr
28 n w N)
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Auch nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 26 1 1998 (Bundestagsdrucksache 13/8655 S 13)
besteht für die Fälle des § 25 II StVG keine einheitliche Spruchpraxis. § 25 II a StVG sieht zwar vor, dass die
Fahrverbotsfristen nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung zu berechnen
sind, wenn gegen den Betroffenen ein weiteres Fahrverbot rechtskräftig verhängt wurde Die in § 25 II a S 2
StVG enthaltene Regelung ist nach der gesetzlichen Stellung allerdings ausschließlich auf die in § 25 II a
StVG geregelten Fälle bezogen; auf die in § 25 II StVG geregelten Fahrverbote, die mit Rechtskraft der
Entscheidung wirksam werden, ist diese Regelung damit nicht direkt anwendbar Die Vollstreckungsreihenfolge
bei Zusammentreffen mehrerer Fahrverbote hat das Gesetz deshalb immer noch nicht abschließend bestimmt
(vgl OLG Karlsruhe NZV 2005, 211)
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Nach Ansicht des Gerichts verbleibt es deshalb trotz der gesetzgeberischen Änderung in § 25 II a StVG bei
der weiterhin streitigen Rechtslage in Fällen der in § 25 II StVG geregelten Fahrverbote Das Gericht schließt
sich insoweit der in Rechtsprechung und in der Literatur vertretenen Ansicht an, dass mehrere Fahrverbote
nacheinander zu vollstrecken sind Für diese Meinung spricht zunächst die gesetzliche Regelung des § 25 V
StVG, die nicht irgendeine amtliche Verwahrung meint, sondern die gemäß § 25 II S 2 StVG auf das jeweilige
konkrete Fahrverbot bezogene Verwahrung ansieht; außerdem läuft eine gleichzeitige Vollstreckung mehrerer
Fahrverbote dem von § 25 StVG angestrebten Zweck des Fahrverbots als Denkzettel – bzw
Besinnungsmaßnahme zuwider Beim gleichzeitigen Ablaufen mehrerer Fahrverbote würde dies zu einer
unangebrachten Schonung des Betroffenen führen, wenn letztlich nur eine der zur Einwirkung auf den
Verurteilten für notwendig erachteten Nebenfolgen ihre Wirkung entfalten könnte Auch wäre es mit dem
Gleichheitsgebot nicht zu vereinbaren, wenn der bisher nicht durch ein Fahrverbot Vorgewarnte die gegen ihn
verhängten Fahrverbote hintereinander zu absolvieren hätte, während der schon zumindest einmal erheblich
einschlägig in Erscheinung Getretene die Fahrverbote gleichzeitig verbüßen könnte
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Da die angefochtene Verwaltungsentscheidung nicht zu beanstanden ist, war der Antrag des Betroffenen auf
gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen
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10 Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 46 I OWiG i V m § 473 I S 1 StPO
11 Die Entscheidung ist gemäß § 104 III letzter Satz OWiG nicht anfechtbar.