Urteil des AG Stuttgart vom 31.01.2005

AG Stuttgart: wahrung der frist, verfügung, fristverlängerung, rechtssicherheit, verwirkung, ermessen, anschrift, anfechtungsfrist, verwaltung, zustellung

AG Stuttgart Beschluß vom 31.1.2005, 32 GR 2266/04
Beschlußanfechtung im Wohnungseigentumsverfahren: Verwirkung des Anfechtungsrechts
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Geschäftswert: EUR 34.767,- (DM 68.000)
Gründe
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I. Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft W.straße ... in S..
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Der Antragsteller ist Eigentümer der Wohnung Nr. ...
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Der Antragsteller wendet sich gegen die Beschlüsse TOP 2 bis TOP 4 der Eigentümerversammlung vom 26.04.2001.
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Der Antrag des Antragstellers (Blatt 1 der Akte) ist dahingehend auszulegen,
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die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 26.04.2001 zu TOP 2 bis 4 für ungültig zu erklären.
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Die Antragsgegner haben keinen Antrag gestellt.
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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 26.05.2001, der bei Gericht am selben Tag eingegangen ist, " Einspruch " gegen die
Beschlussfassungen der Eigentümerversammlung vom 26.04.2001 (TOP 2 bis TOP 4) eingelegt. Die Beschlussanfechtung sollte also formalen
Gründen zur Wahrung der Frist erfolgen (Blatt 1 der Akte). Eine Begründung des Antrags erfolgte nicht.
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Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 32 GR 2121/01 geführt .
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Nachdem der Antragsteller das Verfahren nicht weiterbetrieb, wurde gem. § 7 Abs. 3 Aktenordnung die Weglegung der Akten angeordnet (Blatt 6
der Akte).
10 Erst am 26.02.2003, eingegangen bei Gericht am 28.02.2003, legitimierte sich der ehemalige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers und
beantragte Akteneinsicht, die diesem auch gewährt wurde (Blatt 7 der Akte). Eine weitergehende Reaktion erfolgte nicht, insbesondere blieb eine
Begründung des Antrags aus.
11 Erst mit Schriftsatz vom 14.07.2004, eingegangen bei der Landesoberkasse Baden-Württemberg in Metzingen am 19.07.2004, bat der
Antragsteller die Angelegenheit zügig zu bearbeiten (Blatt 11 der Akte). Eine Begründung des Antrags blieb weiterhin aus.
12 Das Verfahren wurde unter dem jetzigen Aktenzeichen wieder aufgenommen und die Antragschrift (Bl. 1 und 11 der Akte) mit Verfügung vom
13.9.2004 dem Verwalter förmlich zugestellt. Weiterhin wurde dem Antragsteller aufgegeben, den geltendgemachten Anspruch bis zum
30.09.2004 zu begründen. Der Antragsteller wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sein Antrag zurückgewiesen werden kann, wenn er
die Frist nicht einhält (Blatt 12 der Akte).
13 Die Verfügung vom 13.09.2004 wurde zunächst dem ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt, der diese am
24.09.2004 dem Gericht zurücksandte, dabei mitteilte, den Antragsteller nicht mehr zu vertreten und bat die Verfügung dem Antragsteller direkt
zuzusenden (Blatt 14 der Akte).
14 Nachdem die Zustellung fehlgeschlagen war, meldete sich der Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.12.2004 und fragte nach dem Sachstand (Blatt
27 der Akte). Daraufhin wurde ihm die Verfügung vom 13.09.2004 unter der von ihm angegebenen Anschrift am 27.12.2004 persönlich zugestellt
(Blatt 33 der Akte) und ihm hierbei eine Frist zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Erhalt der Verfügung gewährt.
15 Mit Schriftsatz vom 06.01.2005 bat der Antragsteller um Fristverlängerung. Daraufhin wurde ihm eine Fristverlängerung bis zum 24.01.2005
gewährt (Blatt 34 der Akte).
16 Eine Begründung des Antrags ist aber bis heute bei Gericht nicht eingegangen.
17 II. 1. Der Antrag ist zulässig. Bei der Anfechtungsfrist handelt es sich nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern um eine materielle
Ausschlussfrist (Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 23 Rdnr. 20).
18 2. Der Antrag die unter TOP 2 bis 4 gefassten Beschlüsse vom 26.04.2001 für ungültig zu erklären, ist jedoch nicht begründet.
19 Der Antragsteller hat sein ursprünglich gegebenes Anfechtungsrecht verwirkt, da er die Antragsbegründung nicht rechtzeitig bei Gericht
eingereicht hat.
20 Trotz gerichtlichen Hinweises und gewährter Fristverlängerung hat der Antragsteller bis zum heutigen Tage keine Antragsbegründung
eingereicht. Bei fehlender Antragsbegründung kann jedoch insbesondere bei Nichtbeachtung gerichtlicher Auflagen das ursprünglich gegebene
Beschlussanfechtungsrecht verwirkt werden (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdnr. 174b; v. Rechenberg/Riecke, MDR 1997, 518,
519; Amtsgericht Hamburg-Blankenese, Beschluss vom 30.06.1986, Az. 506 II 14/85).
21 Der Antragsteller hat hier Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 26.04.2001 angefochten. Zwischenzeitlich sind knapp vier Jahre
vergangen, ohne dass der Antragsteller das Verfahren in irgendeiner Weise weiterbetrieben hat. Die Gründe für das Nichtbetreiben des
Verfahrens liegen ausschließlich im Verhalten des Antragstellers.
22 Schon aus Gründen der Rechtssicherheit musste hier eine formelle Entscheidung des Gerichts ergehen. Der Wohnungseigentümergemeinschaft
kann nicht weiter zugemutet werden, nach knapp vier Jahren keine Rechtssicherheit hinsichtlich der Beschlüsse der Eigentümerversammlung
vom 26.04.2001 zu haben. Dies würde einer zeitnahen und damit ordnungsgemäßen Verwaltung widersprechen.
23 Der Antragsteller hat hier gegen eine prozessuale Förderungspflicht eklatant verstoßen, was zu einer Verwirkung seines
Beschlussanfechtungsrechts führt.
24 Ein Ruhen des Verfahrens gemäß den §§ 43 WEG, 12 FGG, 251 ZPO kommt somit hier nicht in Betracht.
25 3. Die unter TOP 2 bis 4 gefassten Beschlüsse sind auch nicht nichtig. Nichtigkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
26 Der Antrag war folglich abzuweisen.
27 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG.
28 Dabei entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsteller als dem Unterlegenen die Gerichtskosten aufzuerlegen.
29 Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 47 Satz 2 WEG. Eine Abweichung von diesem Grundsatz war hier nicht
geboten.
30 Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.