Urteil des AG Solingen vom 26.01.1987

AG Solingen (treu und glauben, nicht aussichtslos, auskunft, trennung, ehefrau, ehegatte, ehemann, wohnung, zusammenleben, zpo)

Amtsgericht Solingen, 16 F 1112/86
Datum:
26.01.1987
Gericht:
Amtsgericht Solingen
Spruchkörper:
Abt. 16
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 F 1112/86
Tenor:
Dem Ehemann wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben,
an seine Ehefrau einen Prozeßkostenvorschuß in Höhe von DM zu
zahlen.
Die Kosten des Verfahrens gelten als Teil der Kosten der Hauptsache.
Gründe:
1
Die seit verheirateten Parteien leben zusammen mit ihren zwei Kindern noch
zusammen. Die Ehefrau will sich indes von ihrem Mann trennen, aus der ehelichen
Wohnung ausziehen und eine Wohnung für sich und die Kinder anmieten.
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Um ihre wirtschaftliche Situation nach der Trennung richtig einschätzen und
dementsprechend disponieren zu können, begehrt die Ehefrau, die nicht berufstätig ist
und kein Einkommen hat, von ihrem Ehemann Auskunft über dessen Einkommen und
Vermögen. Der Ehemann hat ihr lediglich den Einkommenssteuerbescheid für
ausgehändigt und zugesagt, sofort nach Trennung Auskunft zu erteilen. Darüber hinaus
ist er derzeit zur Auskunft nicht bereit.
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Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf einen
Prozeßkostenvorschuß zur Finanzierung der Auskunftsklage, ist zulässig und begründet
nach § 127 a ZPO in Verbindung mit § 1360 a IV S. 1 BGB. Die
Prozeßkostenvorschußpflicht des Ehemannes entspricht der "Billigkeit" im Sinne der
zuletzt zitierten Vorschrift: Das Klagebegehren ist nicht aussichtslos und nicht mutwillig.
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Das Auskunftsverlangen der Ehefrau sit allerdings nicht begründet nach § 1361 IV S. 4,
1605 BGB. Nach dieser Regelung kann ein Ehegatte nur Auskunft verlangen, soweit die
Eheleute voneinander g e t r e n n t leben. Das tuen die Parteien jedoch nicht. Der Wille
der Ehefrau, sich von ihrem Mann zu trennen, reicht allein nicht aus, ein Getrenntleben
zu bejahen. Der Trennungswille muß darüber hinaus durch fehlendes Zusammenleben
objektiv zu erkennen sein. Eine solche Auslegung ist nicht nur bei den auf Trennung
abstellenden Scheidungstatbeständen, sondern auch für § 1361 IV S. 4 BGB, 1605 BGB
geboten.
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§ 1361 IV S. 4 BGB greift somit nicht; eine Anspruchsgrundlage für noch
zusammenlebende Ehegatten ist im BGB nicht normiert. Dies rechtfertigt aber nicht den
Schluß, ein Auskunftsanspruch sei ausgeschlossen, solange die Eheleute noch
zusammenleben. Der Gesetzgeber hat mit dem 1. EheRG nämlich die in
Rechtsprechung und Schrifttum aus § 242 BGB und bei Eheleuten auch aus § 1353
BGB hergeleitete Auskunftspflicht des unterhaltspflichtigen Ehegatten lediglich
festgeschrieben, um insoweit vorhandene Rechtsunsicherheit zu beseitigen und so die
Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu vereinfachen. Er hat nicht die in der
Rechtsprechung entwickelten Auskunftsansprüche der Ehegatten a b s c h l i e ß e n d
regeln wollen, vgl. hierzu eingehend OLG Braunschweig, FamRZ 81 S. 383 mit weiteren
Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte zum 1. EheRG sowie BGH FamRZ 82 S.
1192.
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Nach den aus §§ 242, 1353 BGB hergeleiteten Grundsätzen kann ein
Auskunftsanspruch somit auch nach Inkrafttreten des 1. EheRG begründet sein, vgl.
Soergel-Wolf, 1986, Rdn. 43 zu § 260 BGB.
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Er ist unter anderem dann begründet, wenn einem auskunftsfordernden Ehegatten ein
weiteres Zuwarten auf Auskunft nicht bis zur Trennung zuzumuten ist. Gegen ein
Zuwarten bis zum Trennungszeitpunkt sprechen nachdrücklich praktische Erwägungen:
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Der zur Trennung entschlossene Ehegatte will aus gutem Grund wissen, wie er nach
der Trennung disponieren und vor allem mit welchem Unterhalt er rechnen kann; er will
seinen Unterhaltsanspruch auch der Höhe nach sofort mit der Trennung in gediegener
Weise geltend machen, und er will möglichst keinen Kredit aufnehmen, um
beispielsweise eine Mietvorauszahlung oder eine Kaution zu finanzieren. Es besteht
somit eine Situation, in der umgehende Auskunft für den auskunftsfordernden Ehegatten
geradezu existenzielle Bedeutung hat. Dies aber gebietet, das Unterhaltsbegehren nach
Treu und Glauben zu bejahen. Dies gilt umso mehr, als das Gesetz in vielfältiger Weise
vorsieht, daß der Unterhaltsanspruch schon vor dem eigentlichen Bewilligungszeitraum
geltend gemacht, zugesprochen und durchgesetzt wird. Da ein solcher
Auskunftsanspruch sich aus Treu und Glauben herleitet, kann er bei richtiger Auslegung
auch nicht mißbräuchlich ausufern – zum Beispiel, wenn die Ehefrau, die sich trennen
und aus der Wohnung ausziehen will, wegen §§ 1361 III, 1579 Nr. 2 – 7 BGB aller
Voraussicht nach keinen Unterhaltsanspruch erlangen wird.
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Auch der in diesem Zusammenhang wiederholt zitierte "Ehefrieden" (vgl. zum Beispiel
OLG Hamburg, FamRZ 67 S. 102) steht eine Auskunftserteilung nicht entgegen. Dieser
Ehefrieden ist hier ohnehin gebrochen. Auch ist es fraglich, ob es mehr dem Frieden
dient bzw. eine Eskalation des Unfriedens verhindert, wenn ein Ehegatte beharrlich
Auskunft verweigern, als wenn der auskunftsfordernde Ehegatte vom beharrlich
auskunftsunwilligen Ehegatten prozessual Auskunft verlangen kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 620 g ZPO.
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