Urteil des AG Solingen vom 18.04.2008

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Amtsgericht Solingen, 11 C 31/07
Datum:
18.04.2008
Gericht:
Amtsgericht Solingen
Spruchkörper:
Abt. 11
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 C 31/07
Tenor:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € (in Worten: EURO)
nebst Jahreszinsen daraus in Höhe von Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem und €
vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus diesem
Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits
vor der Vollstreckung entsprechend Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin als Versicherungsgesellschaft war mit dem Beklagten als Fahrzeughalter
im Jahre durch einen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag für den Pkw des
Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen verbunden. Mit diesem Fahrzeug wurde
etwa Mitte ein Verkehrsunfall verursacht. Dabei wurde das Fahrzeug eines Herrn mit
dem amtlichen Kennzeichen derart beschädigt, dass die Türe vorne links und der
Außenspiegel erneuert werden mussten. Der Unfall wurde nicht polizeilich
aufgenommen. Der Klägerin wurde das Unfallereignis am durch den Anspruchsteller,
den Geschädigten , fernmündlich gemeldet, wobei dieser mitteilte, dass der Vater des
Beklagten ihm mit dessen Pkw entgegengekommen sei. Dieser habe einem Hindernis
ausweichen müssen und habe an seinem, des Anspruchstellers, Fahrzeug den
Außenspiegel abgefahren. Ferner kündigte der Geschädigte an, am ein Gutachten in
Auftrag zu geben.
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Die Klägerin suchte daher telefonisch Kontakt zum Beklagten, erreichte ihn jedoch nicht.
Sie hinterließ auf seinem Anrufbeantworter eine Nachricht, mit der Aufforderung, eine
Schadensanzeige bis zum einzureichen. Weil diese ausblieb und sich die Klägerin
deswegen an einer Regulierung gehindert sah, forderte sie den Beklagten mit
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deswegen an einer Regulierung gehindert sah, forderte sie den Beklagten mit
Schreiben vom unter Hinweis auf seine Verpflichtungen aus § 7 Abs. 1 Nr. 2 AKB auf,
das Schadensereignis zu melden. Sie setzte ihm eine Frist von sieben Tagen zur
schriftlichen Schadensanzeige unter Hinweis darauf, dass anderenfalls der Verlust des
Versicherungsschutzes drohe. Der Beklagte quittierte den Erhalt dieses Schreibens, das
per Einschreiben/Rückschein übersandt worden war, unter dem persönlich. Am meldete
sich der Beklagte fernmündlich bei der Klägerin und gab an, dass er gerade von einem
dreiwöchigen Urlaub zurückkehre und daher von nichts wisse. Er wolle zunächst seinen
Vater befragen und die Klägerin dann kurzfristig schriftlich informieren. Der Beklagte
reagierte darauf zunächst nicht, so dass die Klägerin den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch ausglich und an den Anspruchsteller € zahlte. Mit Schreiben
vom versagte die Klägerin dem Beklagten den Versicherungsschutz für diesen
Schadenfall und forderte ihn zur Erstattung des verauslagten Betrages auf. Unter dem
übersandte der Beklagte der Klägerin eine ausgefüllte "Schadensanzeige", in der er
mitteilte, dass "beide Fahrzeuge auf einem geraden Straßenverlauf (fuhren) und (sich)
gegenseitig mit dem Außenspiegel berührten ..." Ferner teilte er mit, dass am eigenen
Fahrzeug nur leichte Kratzer am Außenspiegel zu sehen seien. Als Schadenskizze
überliefert diese Anzeige lediglich die Konstellation der Fahrzeuge, allerdings ohne ihre
Position im Straßenraum.
Die Klägerin hielt diese Schadensanzeige für unzureichend, indem nicht einmal das
Schadensdatum mitgeteilt wurde und auch keine näheren Einzelheiten zum
Unfallverlauf und hielt an ihrer Regreßforderung fest.
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Unterdessen anwaltlich vertreten meldete sich der Beklagte unter dem und teilte der
Klägerin mit, er habe vom bis zum bei Bekannten zu Besuch geweilt und sei deswegen
nicht zu Hause gewesen. Daher habe er keine Kenntnis von dem Unfall gehabt.
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Unter Hinweis auf die sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 2 AKB ergebenden Pflichten und die sich
aus deren Missachtung ergebenden Folgen verlangt die Klägerin von dem Beklagten
Ersatz des von ihr zu regulierenden schadensverauslagten Betrages.
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Die Klägerin beantragt,
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zu entscheiden, wie erkannt.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Bewertung seines Verhaltens durch die Klägerin für unangemessen.
Insbesondere habe die Klägerin keine schriftliche Schadensanzeige verlangen können.
Denn in zwei Nachträgen vom und vom heiße es ausdrücklich, dass der Klägerin
entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtschäden sofort anzuzeigen seien. Dort sei von
einer schriftlichen Anzeige keine Rede. Unter den gegebenen Umständen habe der
Beklagte annehmen dürfen, dass auch eine telefonische Mitteilung genüge. Insoweit
sieht der Beklagte eine Diskrepanz zwischen dem Inhalt der Allgemeinen Bedingungen
für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (AKB) und dem Inhalt der Nachträge zum
Versicherungsvertrag. Der Beklagte habe daher sein Schreiben vom per Fax und am
folgenden Tage per Post an die Klägerin geschickt, um auch der Anweisung des
Schreibens vom zu genügen.
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Die Klägerin verstoße mit ihrer Berufung auf die Verspätung der Schadensanzeige
gegen Treu und Glauben, weil die Aufklärung kurz nach dem Fristablauf tatsächlich
erfolgt sei, so dass es jedenfalls an einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen
Verletzung der Obliegenheiten des Beklagten im Versicherungsvertrag fehle.
Abgesehen davon sei die Obliegenheitsverletzung auch folgenlos geblieben, denn der
Anspruchsteller habe unter dem ja schon der Klägerin gegenüber ausgeführt, dass der
Vater des Beklagten ihm mit dessen Pkw entgegengekommen sei und, nachdem dieser
einem Hindernis habe ausweichen müssen, den Außenspiegel des Fahrzeugs des
Geschädigten Koch beschädigt habe. Für den Beklagten komme es deswegen nicht
darauf an, ob diese Ausführungen ausreichend gewesen seien. Es sei nämlich klar,
dass der Vater des Beklagten die rechtliche und tatsächliche Verantwortung für den
Schadenfall trage, so dass eine Mitverantwortung des Geschädigten und ein hieraus
resultierender Regreßanspruch der Versicherung nicht bestehe. Selbst wenn also eine
Obliegenheitsverletzung des Beklagten unterstellt werde, habe diese weder Einfluss auf
die Feststellung des Versicherungsvertrages noch auf die Feststellung oder den
Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen gehabt.
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Schließlich sei es der Klägerin auch zuzumuten gewesen, sich an den den Unfall
verursachenden Vater des Beklagten zu wenden, um sich dort den Schadenfall
bestätigen zu lassen.
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Für den Fall, dass die Klägerin die Angaben des Beklagten für ergänzungsbedürftig
gehalten habe, so sei sie verpflichtet gewesen, durch eine Nachfrage eine weitere
Aufklärung herbeizuführen.
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Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten vorbereitenden
Schriftsätze und deren zu den Akten gelangten Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
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Zu Recht hat die Klägerin dem Beklagten den Versicherungsschutz gemäß § 7 Abs. V
(1) AKB versagt, so dass der Beklagte durch die unstreitig erfolgte Entschädigung des
Anspruchstellers durch die Klägerin auf deren Kosten ohne Rechtsgrund von einer
grundsätzlich ihm, dem Beklagten, obliegenden Verpflichtung dem Unfallgeschädigten
gegenüber befreit worden ist mit der Folge, dass der Klägerin die Zahlung der
Klageforderung aus dem Rechtsgrund ungerechtfertigter Bereicherung schuldet.
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Dass der Beklagte die in § 7 der Allgemeinen Bedingungen für die
Kraftfahrtversicherung (AKB), die versicherungsvertraglich vereinbart sind, aufgestellten
Obliegenheiten im Versicherungsfall nicht beachtet hat, ist zwischen den Parteien
grundsätzlich unstreitig, was das zeitliche Raster von Schadensereignis, Aufforderung
zur Schadensmeldung und Schadensmeldung angeht. Eine schriftliche
Schadensanzeige ist der Klägerin nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs. I (2) AKB
zugegangen, und es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte als
Versicherungsnehmer alles getan hat, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur
Minderung des Schadens dienlich sein konnte.
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Soweit der Beklagte meint, es habe auch eine mündliche Anzeige des Schadenfalles
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akzeptiert werden müssen, und soweit er insoweit mit (vermeintlich) widersprüchlichen
Regelungen in den AKB einerseits und den Nachträgen zu seinem
Versicherungsvertrag andererseits argumentiert, übersieht er, dass der Inhalt der
Nachträge zum Versicherungsvertrag die einmal vereinbarte Schriftform für die
Schadensanzeige keineswegs suspendiert. Dort ist nur erneut betont, dass
entsprechende Schadensmeldungen unverzüglich zu erfolgen haben. Es heißt dort
nicht, dass dies - unter welchen Voraussetzungen auch immer - auch mündlich erfolgen
könne.
Unstreitig ist, dass der Beklagte von der Klägerin erstmals nach der Schadensmeldung
durch den Anspruchsteller fernmündlich kontaktiert worden ist und dass die Klägerin
dabei eine Nachricht für ihn, den Beklagten, auf dessen Anrufbeantworter hinterlassen
hat mit der Aufforderung, die Schadensanzeige bis zum einzureichen. Der Beklagte mag
zu dieser Zeit in Urlaub gewesen sein. Am war er sicherlich nicht in Urlaub, weil der
Rückschein, mit dem die Klägerin dem Beklagten ihr Schreiben vom hatte zukommen
lassen, die auf diesen Tag datierte Quittung des Beklagten überliefert. Unstreitig hat sich
ungeachtet dessen der Beklagte erst am fernmündlich bei der Klägerin gemeldet und er
hat dabei angegeben, dass er gerade von einem dreiwöchigen Urlaub zurückkomme
und daher nichts an Informationen beitragen könne. Dies ist vor dem Hintergrund des
von ihm unter dem bestätigten Empfangs des Schreibens der Klägerin eine unwahre
Angabe des Beklagten gewesen. Von der Klägerin war bereits unter diesen Umständen
nicht die vom Beklagten im Nachhinein reklamierte großzügige Behandlung des Falles
und entsprechende Auslegung ihres Regelwerkes zu erwarten.
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Denn die Schadensanzeige des Beklagten vom - naheliegenderweise eine Reaktion
auf die Versagung des Versicherungsschutzes der Klägerin vom - ist als
Schadensanzeige völlig ungeeignet, denn sie überliefert nichts über den konkreten
Unfallhergang, jedenfalls nichts, anhand dessen die Klägerin die Voraussetzungen ihrer
Eintrittspflicht auch nur annähernd hätte prüfen können. Abgesehen davon überliefert
auch diese Schadensanzeige Ungereimtheiten. Nach seinen Angaben dort will der
Beklagte nämlich wegen Abwesenheit von seinem Wohnort erst am in der Lage
gewesen sein, sich fernmündlich bei der Klägerin zu melden. Unstreitig ist dies bereits
am geschehen.
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Dies steht auch im Widerspruch zu dem Schreiben des Beklagten vom , mit welchem er
hat mitteilen lassen, dass er vom bis zum bei Bekannten zu Besuch geweilt habe und
aus diesem Grunde nicht zu Hause gewesen sei.
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Soweit der Beklagte meint, die Versicherung habe sich an seinen Vater wenden
müssen, übersieht der Beklagte, dass die Pflicht zur Unfallanzeige nicht etwa seinen
Vater traf, der der Klägerin vertraglich nicht verbunden war. Schließlich kann der
Beklagte die Klägerin auch nicht darauf verweisen, dass eine eventuelle
Obliegenheitsverletzung seinerseits auf die Regulierung ohne Einfluss geblieben sei.
Es ist unstreitig, dass die Klägerin bis heute nicht weiß, wie es konkret aus der Sicht des
Beklagten oder des Fahrers seines Fahrzeugs zu dem Unfall gekommen ist, nicht
einmal das Datum des Unfallgeschehens zuverlässig kennt.
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Es muss auch für den Beklagten auf der Hand gelegen haben, dass sich die
Versicherung mit einer eventuellen Unfalldarstellung durch den Anspruchsteller nicht
zufrieden geben durfte, dies sogar in Wahrung ihrer vertraglichen Verpflichtungen ihm,
dem Beklagten, gegenüber nicht. Denn den Obliegenheitsverpflichtungen des
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Versicherungsnehmers gegenüber der Versicherung stehen umgekehrt auch
vertragliche Treuepflichten gegenüber dem Beklagten gegenüber, die darin bestehen,
nicht zu Lasten des Versicherungsvertrages ungeprüft Schadensereignisse zu
regulieren. Die dem Versicherungsnehmer in § 7 der AKB aufgebürdeten
Obliegenheiten haben gerade den Zweck, ihr dies zu ermöglichen.
Schließlich kann der Beklagte der Klägerin nicht entgegenhalten, dass sie mit der
Regulierung des Schadenfalles hätte warten müssen.
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Das Verhalten des Beklagten kann daher nur als vorsätzlicher Verstoß gegen die
vertraglichen Obliegenheitspflichten angesehen werden mit der Folge, dass die
Klägerin dem Beklagten den Versicherungsschutz zu Recht entzogen hat und daher von
ihm den verauslagten Betrag zurückverlangen kann.
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Zinsen darauf schuldet der Beklagte unter Verzugsgesichtspunkten.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.
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Streitwert: bis EURO (Gebührenstufe)
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