Urteil des AG Solingen vom 02.03.2000

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Amtsgericht Solingen, 10 C 515/99
Datum:
02.03.2000
Gericht:
Amtsgericht Solingen
Spruchkörper:
Abt. 10
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 515/99
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den auf dem
Grundstück Grundbuch von , Blatt , Flur , Flurstück , befindlichen
zeltartigen Vorbau vor der dort befindlichen Garage zu entfernen.
Der Beklagte zu 3. wird verurteilt, die neben der Grundstücksgrenze auf
dem Grundbesitz der Kläger lagernden Materialien (Leitern) zu entfernen
und es zu unterlassen, das Grundstück der Kläger zu be-treten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner zu
3/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/5 zu tragen. Der
Beklagte zu 3. hat darüber hinaus von den Kosten des Rechtssreits 1/5
zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die vorläufige Vollstreckung der Beklagten durch
Leistung einer Sicherheit in Höhe von DM abwenden, wenn nicht zuvor
die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Beklagten können die vorläufige Vollstreckung der Kläger durch
Leistung einer Sicherheit in Höhe von abwenden, wenn nicht zuvor die
Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
1
Die Kläger haben den Grundbesitz, eingetragen im Grundbuch von Blatt , Flur ,
Flurstücke , durch Kaufvertrag vom erworben. Die Beklagten sind Miteigentümer der
benachbarten Flurstücke .
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Zugunsten des Flurstückes ist mit notarieller Urkunde vom , Urkundenrolle des Notars ,
UR-Nr.
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dem jeweiligen Eigentümer des Grundstückes Gemarkung , Flur , Flurstück das
dauernde Recht eingeräumt worden, denjenigen Teil des Flurstückes (heute
Flurstück ), der in dem dieser Urkunde als Anlage beigefügten Lageplan mit den
Buchstaben bezeichnet ist, als Zufahrt zum Flurstück zu benutzen. Die Kosten für
die Instandhaltung der Zufahrt trägt der Eigentümer des herrschenden
Grundstückes.
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Eine entsprechende Grunddienstbarkeit ist in das Grundbuch eingetragen worden.
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Auf der mit bezeichneten Fläche befindet sich eine in den Jahren errichtete Garage. Vor
der Garage haben die Beklagten einen zeltartigen Vorbau errichtet. Rechts von der
streitgegenständlichen Garage auf dem Grundstück der Kläger befindet sich eine kleine
Hoffläche, die über die Garagenzufahrt auf dem Beklagtengrundstück erreichbar ist.
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Der Beklagte zu 3. lagert auf der neben der Garage befindlichen Restfläche Leitern und
sonstige Arbeitsmaterialien, und zwar nicht nur auf dem Grundstück der Beklagten,
sondern auch über dieses hinaus auf dem Grundstück der Kläger. Um zu diesen
Materialien zu gelangen hat er in der Vergangenheit mehrfach das Grundstück der
Kläger betreten. Mit Schreiben der Klägervertreter vom wurden die Beklagten
aufgefordert, das Vordach zu entfernen sowie die Garage abzureißen. Darüber hinaus
wurde der Beklagte zu 3. aufgefordert, die Arbeitsmaterialien, soweit sie sich auf dem
Grundstück der Kläger befinden, zu entfernen und es zu unterlassen, das Grundstück
der Kläger zu betreten.
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Das Grundstück der Kläger grenzt nicht unmittelbar an die Zufahrtsstraße. Vor dem
Grundstück der Kläger befindet sich das Flurstück , das im Eigentum der Stadt steht. Für
dieses Grundstück ist zugunsten des Flurstückes eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung
eingetragen, den Bereich vor der Hoffläche der Kläger freizuhalten. Zudem ist auf dieser
Fläche die Zufahrt und der Zugang zum Flurstück in Form eines Geh- und Fahrrechtes
eingeräumt worden.
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Die Kläger beantragen,
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1. die Beklagten als Miteigentümer der Flurstücke , eingetragen im Grundbuch von ,
Blatt zur Beseitigung der auf der im anliegenden Lageplan gekennzeichneten
Fläche aufstehenden Garage sowie des vor die Garage gesetzten zeltartigen
Vorbaus zu verurteilen,
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2. den Beklagten zu 3. zu verurteilen, die neben der Grundstücksgrenze auf dem
Grundbesitz der Kläger lagernden Materialien (Leitern) zu entfernen und es zu
unterlassen, das Grundstück der Kläger zu betreten, wenn er sich in den neben
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der Garage befindlichen Grundstücksteil begibt.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitend
gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
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Den Klägern steht gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern ein Anspruch auf
Entfernung des zeltartigen Vorbaus aus §§ 1027, 1004 BGB zu. Unstreitig besteht
zugunsten des klägerischen Grundstückes auf dem Nachbargrundstück der Beklagten
im Bereich der Fläche eine Grunddienstbarkeit im Sinne eines Zufahrtsrechtes. Diese
Grunddienstbarkeit ist auch im Grundbuch eingetragen. Gemäß § 1027 BGB kann der
Berechtigte bei einer Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit regelmäßig Unterlassung
bzw. Beseitigung nach § 1004 BGB von dem Störer verlangen. Durch das Aufstellen
des zeltartigen Vorbaues vor der Garage wird das Zufahrtsrecht der Kläger
beeinträchtigt. Unter einer Beeinträchtigung im Sinne von § 1027 BGB ist jede
Behinderung der zu duldenden Benutzung des belasteten Grundstückes zu verstehen.
Selbst wenn es den Klägern noch möglich ist, vor dem zeltartigen Vorbau auf ihr
Grundstück zu gelangen, so stellt die Errichtung des Vorbaues doch eine erhebliche
Beeinträchtigung des Zufahrtsrechtes dar, da hierdurch eindeutig die Zufahrt zu dem
Grundstück erschwert wird. Der zeltartige Vorbau steht zum Teil auf aufgeschichteten
Steinen bzw. Betonstützen, die das Passieren des Bereiches für die Kläger zumindest
erheblich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.
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Der Anspruch auf Beseitigung des zeltartigen Vorbaues steht auch nicht im Widerspruch
zu dem Gebot der schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit nach § 1020 BGB. Bei
der Beeinträchtigung durch die Beklagten handelt es sich um eine Beeinträchtigung des
Zufahrtsrechtes in dessen Kernbereich. Zwar hat es grundsätzlich der Berechtigte
hinzunehmen, wenn das Zufahrtsrecht durch begründete Maßnahmen des
Verpflichteten, wie etwa die Anbringung eines Hoftores, erschwert wird. Er hat es jedoch
nicht hinzunehmen, dass das ihm durch Grundbucheintragung zugesprochene
Wegerecht, wie vorliegend, dem Grunde nach vereitelt oder erheblich erschwert wird.
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Der Anspruch richtet sich an die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Beklagten sind als
Grundstücksmiteigentümer für den Zustand ihres Grundstückes und für die Gewährung
der Grunddienstbarkeit verantwortlich und somit Störer im Sinne von § 1004 BGB. Störer
ist grundsätzlich, wer die Beeinträchtigung durch positives Tun oder pflichtwidriges
Unterlassen in adäquat kausaler Weise herbeigeführt hat oder die Beeinträchtigung
pflichtwidrig aufrecht erhält, obwohl er rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hat, den
beeinträchtigenden Zustand aufzuheben. Die Störeigenschaft für den Beklagten zu 3.
ergibt sich bereits daraus, dass er den zeltartigen Vorbau – wie unstreitig – errichtet hat
und somit unmittelbar durch sein Verhalten die Störung der Ausübung des Wegerechtes
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veranlasst hat. Die Beklagten zu 1. und 2. sind jedoch ebenfalls als Miteigentümer des
Grundstückes als Störer in Anspruch zu nehmen, da sie die durch den Beklagten zu 3.
geschaffene Beeinträchtigung geduldet haben, obwohl sie rechtlich und tatsächlich die
Möglichkeit hatten, den beeinträchtigenden Zustand aufzuheben.
Der Beklagte zu 3. war darüber hinaus, wie geschehen, zu verurteilen, es zu
unterlassen, Leitern auf dem Grundstück der Kläger zu lagern und das Grundstück der
Kläger zu betreten. Der Anspruch ergibt sich aus § 1004 BGB. Unstreitig hat der
Beklagte seine Leitern neben der Garage in der Form gelagert, dass sie in das
Grundstück der Kläger hineinragen. Um zu diesen Leitern zu gelangen hat der Beklagte
mehrfach in der Vergangenheit das Grundstück der Kläger unstreitig betreten. Der
Beklagte wurde von den Klägern aufgefordert dies zu unterlassen, hieran hat er sich
offensichtlich nicht gehalten. Ein Anspruch auf Unterlassung ergibt sich aus § 1004
BGB. Die Kläger als Eigentümer des Grundstückes sind berechtigt, von dem Beklagten
Beseitigung der Leitern, die sich auf dem Grundstück der Kläger befinden, zu verlangen.
Darüber hinaus müssen sie nicht dulden, dass der Beklagte ihr Grundstück zum
Erreichen der Leitern betritt.
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Die Klage war jedoch im übrigen abzuweisen. Soweit die Kläger von den Beklagten
Beseitigung der auf der mit der Grunddienstbarkeit belasteten Fläche stehenden Garage
zu verlangen, so steht einem Beseitigungsanspruch nach §§ 1027, 1004 BGB eine
Duldungspflicht aus § 912 Abs. 1 BGB analog entgegen. Zwar stellt auch das
Vorhandensein der Garage eine Erschwerung des Zufahrtsrechtes der Kläger dar, die
Kläger sind jedoch nach § 912 Abs. 1 BGB analog verpflichtet, diese Beeinträchtigung
zu dulden. Zwar bezieht sich § 912 Abs. 1 BGB nach seinem Wortlaut nur auf den
Überbau eines Gebäudes auf ein benachbartes Grundstück. Es ist jedoch in der
Rechtsprechung klargestellt worden und inzwischen herrschende Meinung, dass § 912
Abs. 1 BGB analog auch auf den Fall anzuwenden ist, dass ein Gebäude auf dem
Grundstück des Eigentümers in der Weise errichtet wurde, dass durch einen Überbau
eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wurde (vgl. BGHZ 39, S. 5 = NJW 1963 S. 807 ff;
BGH MDR 66, S. 749).
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Unstreitig wurde die Garage in den Jahren 1970/71, mithin vor Eintragung der
Grunddienstbarkeit errichtet. Die Grunddienstbarkeit wurde somit in Kenntnis des
Bestehens der Garage eingetragen. Ein Widerspruch ist weder aus der Zeit der
Eintragung, noch beim Erwerb des Grundstückes durch die Kläger vorgetragen worden.
Somit verdient der Bestandsschutz des errichteten Gebäudes Vorrang vor dem
beeinträchtigten Wegerecht der Kläger. Dies gilt um so mehr, als das Zufahrtsrecht der
Kläger auch bei dem Nichtabriß der Garage weiterhin ausgeübt werden kann.
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Die Klage war aus den dargestellten Gründen in diesem Punkt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich
aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert:
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Klageantrag zu 1.:
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- Antrag auf Beseitigung der Garage: 3.000,00 DM
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- Antrag auf Beseitigung des Zeltvorbaues: 1.000,00 DM
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Antrag zu 2.: 1.000,00 DM
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Gesamt: 5.000,00 DM
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