Urteil des AG Solingen vom 26.03.2010

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Amtsgericht Solingen, 10 C 491/09
Datum:
26.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Solingen
Spruchkörper:
Abt. 10
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 491/09
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
EUR zuzüglich Zinsen daraus in Höhe von %-Punkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die
jeweilige Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatz- und
Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.
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Am kam es zwischen dem Pkw der Klägerin der Marke mit dem amtlichen Kennzeichen
und dem Pkw der Marke mit dem amtlichen Kennzeichen , dessen Halter der Beklagte
zu 2) ist, auf der Straße in zu einem Verkehrsunfall. Im Zeitpunkt des Unfalls hat der
Beklagte zu 1) den Pkw gefahren. Der Pkw ist bei der Beklagten zu 3)
haftpflichtversichert.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten für die Folgen des
Verkehrsunfalls in vollem Umfang einzustehen haben. Das Fahrzeug der Klägerin
wurde bei diesem Unfall beschädigt. Die Klägerin ließ die Kosten für die Reparatur ihres
Fahrzeugs durch einen Sachverständigen schätzen. Der Sachverständige legte seiner
Begutachtung die Preise der einzigen Fachwerkstatt in zugrunde. Nach dem Gutachten
des vom betragen die Nettoreparaturkosten €. Von diesem Betrag entfallen € auf
Verbringungskosten. Zudem wurden die Ersatzteilpreise mit einem UPE-Aufschlag von
10 % versehen und Lohnkosten wurden in Höhe von EUR als erforderlich festgestellt.
Wegen der Einzelheiten über den Inhalt des Gutachtens wird auf die zur Akte gereichte
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Kopie Bezug genommen, Bl. ff. d. A.
Am begab sich die Klägerin in ärztliche Behandlung. Der behandelnde Arzt
diagnostizierte ein HWS-Schleudertrauma. Auf Bl. ff. dA wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom forderte die Klägerin, vertreten durch ihre jetzigen
Prozessbevollmächtigten, die Beklagten zur Regulierung der ihr entstandenen Schäden
auf, wobei sie ihren Schaden wie folgt berechnete:
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Reparaturkosten €
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Sachverständigenkosten €
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Wertminderung €
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Kostenpauschale €
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Schmerzensgeld €
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Summe €.
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Mit Schreiben vom teilte die Beklagte zu 3) mit, lediglich einen Betrag in Höhe von € zu
regulieren. Von diesem Betrag zahlte sie auf:
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Reparaturkosten €
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Sachverständigenkosten €
15
Wertminderung €
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Kostenpauschale __ €
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Summe €.
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Die Beklagte zu 3) legte ihrer Berechnung eine Stellungnahme der Firma zugrunde. In
dieser Stellungnahme werden insgesamt vier freie Werkstätten unter km-Angabe der
Entfernung zum Wohnsitz der Klägerin benannt, die die erforderliche Reparatur
preiswerter durchführen würden. Wegen der Einzelheiten der Stellungnahme wird auf
die zu den Akten gereichte Kopie, Bl. dA, Bezug genommen.
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Die Klägerin verfolgt mit der Klage nunmehr zum einen die Erstattung des
Differenzbetrages in Höhe von insgesamt €, wovon € auf Reparaturkosten und € auf die
Kostenpauschale entfallen. Zum anderen macht sie einen Schmerzensgeldanspruch
geltend.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1) sei mit einer Geschwindigkeit von
mindestens 30 km/h auf ihren Pkw aufgefahren. Aufgrund dessen habe sie ein HWS-
Schleudertrauma erlitten. Ihre Bewegungsfähigkeit im Bereich der Halswirbelsäule sei
schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Sie habe überdies Kopfschmerzen, starke
Nackenschmerzen und Schwindelgefühle erlitten. Sie habe Schlafstörungen gehabt und
hätte deswegen Beruhigungsmittel eingenommen. Die Schmerzen hätten mehrere
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Wochen angedauert. Ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € sei angemessen.
Die Klägerin ist der Ansicht, einen Anspruch auf Erstattung der restlichen
Reparaturkosten in Höhe von € zu haben. Sie ist der Ansicht, sie könne auf Grundlage
des Gutachtens des Sachverständigen unter Zugrundelegung der Reparaturkosten in
Höhe von € abrechnen, die in der einzigen Werkstatt in Solingen anfallen würden. Sie
müsse sich nicht auf eine der von der Firma benannten freien Werkstätten verweisen
lassen. Dies sei ihr nicht zumutbar. Denn zwischen den Orten und würden Welten und
für sie keinerlei Veranlassung bestehen, ihr Fahrzeug in eine ihr nicht bekannte
Werkstatt auf der anderen Seite der zu bringen.
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Auch die Verbringungskosten und die Aufschläge auf die Ersatzteilpreise seien
erstattungsfähig. Die Werkstatt in verfüge nicht über eine eigene Lackiererei.
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Außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren seien in Höhe von € unter Zugrundelegung
eines Gegenstandswertes von € entstanden.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld,
dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches allerdings
einen Betrag in Höhe von € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus in
Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen,
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ferner
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € nebst
Zinsen hieraus in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit sowie
zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) sei allenfalls mit einer Geschwindigkeit
von bis km/h auf das Kfz der Klägerin aufgefahren. Aufgrund dieser sehr geringen
Geschwindigkeit sei ausgeschlossen, dass Verletzungen an der Halswirbelsäule
unfallbedingt aufgetreten seien. Dies hätten wissenschaftliche Untersuchungen
ergeben. Verletzungen der Halswirbelsäule würden bei einer
Geschwindigkeitsänderung von bis zu km/h nicht auftreten.
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Die Erstattung der Auslagenpauschale in Höhe von € sei angemessen.
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Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Ersatz weitergehender
Nettoreparaturkosten in Höhe von €. Sie müsse sich im Rahmen einer fiktiven
Abrechnung auf die günstigere, gleichwertige und mühelos erreichbare
Reparaturmöglichkeit bei der Firma in oder andere in dem Gutachten der Firma
genannten Firmen verweisen lassen. Lohnkosten würden bei der Firma lediglich in
Höhe von EUR anfallen. Verbringungskosten und Ersatzteilzuschläge seien bei fiktiver
Abrechnung nicht erstattungsfähig. Bei Verbringungskosten handele es sich nicht um
einen unmittelbaren Schaden an der Fahrzeugsubstanz, sondern lediglich um einen
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mittelbaren Begleitschaden. Hinsichtlich der UPE-Zuschläge sei zu beachten, dass
diese nur erstattungsfähig seien, wenn diese tatsächlich anfallen. Sie stellen keinen
generell zur Wiederherstellung erforderlichen Aufwand dar, da diese keineswegs
durchgängig üblich und daher nicht erforderlich seien. Die von der Klägerin geltend
gemachten Schadenspositionen würden nicht dem Grundsatz der Erforderlichkeit des §
249 BGB entsprechen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von zwei Sachverständigengutachten
gemäß Beweisbeschluss vom , Bl. ff. d. A. Auf das schriftliche Gutachten des
Sachverständigen vom , Bl. ff d. A. und auf das schriftliche Gutachten des
Sachverständigen vom , Bl. ff. d. A. wird Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von € gemäß den §§
7 Abs. 1, 18 StVG, 115 VVG in Verbindung mit § 249 BGB.
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Der Beklagte zu 1) hat als Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen den Unfall
allein verursacht und ist gemäß § 18 StVG gegenüber der Klägerin zum Ersatz aller
unfallbedingt entstandenen Schäden verpflichtet. Der Beklagte zu 2) ist Halter des Pkw
und ist gegenüber der Klägerin gem. § 7 StVG zum Ersatz der unfallbedingt
entstandenen Schäden verpflichtet. Für diesen gilt insoweit die gleiche Haftungsquote
von 100 % aufgrund des Alleinverschuldens des Fahrers des Pkw. Die Ersatzpflicht der
Beklagten zu 3) ergibt sich aus § 7 StVG in Verbindung mit § 115 VVG.
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Die Klägerin kann gem. § 249 BGB die Herstellung des Zustandes verlangen, der ohne
den Verkehrsunfall vom bestehen würde. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der
Geschädigte gegen den Schädiger einen Anspruch auf Erstattung einer
Kostenpauschale hat. Eine Kostenpauschale in Höhe von EUR ist angemessen.
Abzüglich der von den Beklagten gezahlten EUR verbleibt ein Restzahlungsanspruch in
Höhe von EUR .
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Die Zinsentscheidung beruht auf Verzugsgesichtspunkten.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagten hingegen keinen Anspruch auf Zahlung von
weiteren über den regulierten Betrag von EUR hinausgehenden Betrag in Höhe von
EUR für die Erstattung von Reparaturkosten. Denn diese weiteren Kosten sind nicht zur
Schadenserhebung erforderlich im Sinne des § 249 BGB. Die Klägerin legt ihrer Klage
die in einer markengebundenen Werkstatt anfallenden Reparaturkosten zugrunde. Der
Sachverständige hat in seinem Gutachten festgestellt, dass Reparaturkosten auf der
Basis der markengebundenen Werkstatt in inklusive Ersatzteilzuschlag und
Verbringungskosten in Höhe von € erforderlich sind.
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Die Klägerin muss sich auf eine freie Werkstatt verweisen lassen. Der
Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20. Oktober 2009, Az.: VI ZR 1
53/09, entschieden, dass sich der Geschädigte bei der technischen Gleichwertigkeit
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einer Reparatur auf eine freie Fachwerkstatt verweisen lassen muss, wenn sein Auto
älter als 3 Jahre ist und sich die Unzumutbarkeit nicht aus anderen Umständen ergibt.
Vorliegend haben die Beklagten substantiiert dargelegt, dass die von der von ihr
benannten Firma vorgenommene Reparatur, ebenso wie die der Firma , Firma , Firma ,
dem Qualitätsstandard der Werkstatt in entspricht. Die Beklagten haben insoweit
ausgeführt, dass es sich bei diesen Firmen um qualifizierte Fachbetriebe handelt, die
unter Verwendung moderner Spezialwerkzeuge Reparaturen aller Marken nach den
Vorgaben der Hersteller durchführen, keine UPE-Aufschläge auf Ersatzteile berechnen
und Garantie auf die durchgeführten Arbeiten gewähren.
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Die Klägerin hat diese Behauptungen der Beklagten nicht hinreichend substantiiert
bestritten. Zweifel an der technischen Gleichwertigkeit der Reparatur hat sie nicht
dargelegt. Vielmehr machte sie lediglich geltend, einen Anspruch auf eine Reparatur in
einer markengebundenen Werkstatt zu haben.
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Zudem sind auch alle Werkstätten für die Klägerin erreichbar. Sie befinden sich im
Durchschnitt 15 km von dem Wohnort der Klägerin entfernt. Eine Werkstatt befindet sich
nur 5 km entfernt. Dass die Werkstätten auf der anderen Seite der liegen, ist
unerheblich.
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Weitere Umstände aus denen sich die Unzumutbarkeit einer Reparatur in einer freien
Werkstatt ergeben könnte, legt die Klägerin nicht dar.
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Demnach hat die Klägerin weder einen Anspruch auf weitere € für Lohnkosten. Insoweit
haben die Beklagten dargelegt, dass in einer freien Werkstatt Lohnkosten in Höhe von
lediglich insgesamt € anfallen.
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Die Klägerin hat im Weiteren auch keinen Anspruch auf die Verbringungskosten in
Höhe von €. Insoweit haben die Beklagten dargelegt, dass die von ihr benannten
Reparaturwerkstätten über eine eigene Lackiererei verfügen. Verbringungskosten
würden demnach nicht anfallen.
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Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung von dem Aufschlag in Höhe von
10 % auf die Ersatzteile. Auch insoweit haben die Beklagten dargelegt, dass dieser
Aufschlag in einer freien Werkstatt nicht anfallen würde.
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Die Klägerin hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Erstattung von Schmerzensgeld in
Höhe von € gem. § 253 BGB. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Klägerin
unfallbedingte Verletzungen und Schmerzen erlitten hat. Die Klägerin hat den
erforderlichen Beweis nicht erbracht.
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Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom festgestellt, dass die
Kollisionsdifferenzgeschwindigkeit des zwischen 6,4 km/h und 9,1 km/h betragen habe.
Das Gericht schließt sich diesen Feststellungen an und macht das Gutachten zur
Grundlage seiner Entscheidung. Es enthält keine Widersprüche und ist in sich
schlüssig.
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Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom ausgeführt, dass erhebliche
Bedenken dagegen bestehen, dass nennenswerte Verletzungen durch den Unfall
verursacht worden seien. Das ergebe sich aus der ermittelten Differenzgeschwindigkeit,
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denn bei dieser Differenzgeschwindigkeit könnten Verletzungen an Fahrzeuginsassen
regelmäßig nicht beobachtet werden. Auch seine weiteren Feststellungen betreffend
den Krankheits- und Heilungsverlauf der Klägerin lassen erhebliche Zweifel am Eintritt
unfallbedingter Verletzungen aufkommen. Betreffend die Diagnose des Arztes für
Allgemeinmedizin Dr. vom des HWS-Syndroms führt der Sachverständige aus, dass es
sich hierbei regelmäßig nicht um eine Diagnose im medizinisch-
naturwissenschaftlichen Sinne, sondern vielmehr um eine Worthülse handele, die einen
Verletzungsmechanismus mit dem betroffenen Zielorgan und dem Begriff des Traumas
verbindet ohne dass damit ein verletzungsbedingter Körperschaden konkretisiert wäre.
Auch, so führt der Sachverständige aus, sei der weitere Krankheitsverlauf der Klägerin
untypisch. Dies führe er u. a. darauf zurück, dass die Klägerin lediglich einmalig eine
ärztliche Behandlung in Anspruch nahm.
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Die Diagnose durch den erstbehandelnden Arzt bietet keine ausreichende
Entscheidungsgrundlage für das Gericht. Denn allein mit der Diagnose HWS-Syndrom
sind Ursachen für dieses noch nicht benannt worden.
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Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Erstattung der weiteren
außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € gem. §§ 823 BGB, 7, 18
StVG, 115 VVG in Verbindung mit § 249 BGB.
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Maßgeblich ist ein Gegenstandswert von €. Dies entspricht dem
Gesamtzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten aufgrund des Unfalls.
Diesen Gegenstandswert zugrunde gelegt, fallen Rechtsanwaltsgebühren bei einer 1,3
Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV-RVG zuzüglich der Pauschale für Post und
Telekommunikation gem. Nr. 7002 VV-RVG zuzüglich der Mehrwertsteuer gem. Nr.
7008 VV-RVG in Höhe von € an. Diesen Anspruch haben die Beklagten durch Zahlung
erfüllt.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2 BGB, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Streitwert: €
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