Urteil des AG Soest vom 25.09.1992

AG Soest (kläger, unfall, ehefrau, höhe, berechtigung, fahrbahn, gebühr, vollstreckung, höchstgeschwindigkeit, klageschrift)

Amtsgericht Soest, 9 C 248/02
Datum:
25.09.1992
Gericht:
Amtsgericht Soest
Spruchkörper:
9. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 C 248/02
Tenor:
hat das Amtsgericht Soest
auf die mündlichen Verhandlung vom 25. September 1992
durch den Richter am Amtsgericht
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 700,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
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Der Kläger macht Schadensersatzansprüche geltend aus einem Verkehrsunfall, der sich
am 29.11.1991 um 22.10 Uhr auf der L 856 im Einmündungsbereich zur L 857 in Soest-
Bergede ereignet hat. Der Kläger befuhr mit seinem Pkw die bevorrechtigte L 856 in
nördlicher Richtung. Die Beklagte zu 1) wollte mit dem von ihr gesteuerten Kleinbus,
dessen Halter der Beklagte zu 2) ist, und der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert
ist, auf die bevorrechtigte L 856 aus Sicht des Klägers von links kommend abbiegen, um
in nördlicher Richtung weiterzufahren. Im Einmündungsbereich kam es trotz einer vom
Kläger eingeleiteten Vollbremsung zum Zusammenstoß. Beide Fahrzeuge wurden
erheblich beschädigt. Auf den vom Kläger geltend gemachten Schaden gemäß der
Aufstellung Seite 4 der Klageschrift in Höhe von 11.447,76 DM hat die Beklagte zu 3)
8.585,82 DM, also 75 % gezahlt. Der Kläger macht mit der Klage die restlichen 25 % in
Höhe von 2.861,94 DM geltend. Der Kläger ist der Auffassung, der Unfall sei für ihn
unabwendbar gewesen.
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Er verlangt außerdem eine 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO gemäß der
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Abrechnung auf Blatt 6 der Klageschrift in Höhe von 513,91 DM. In diesem
Zusammenhang trägt er vor, seine Prozessbevollmächtigen hätten mit seiner als Zeugin
benannten Ehefrau den Sachverhalt ausführlich erörtert.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
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an den Kläger 3.375,85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
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11.03.1992 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tragen vor, der Kläger sei zu schnell gefahren, ihn treffe deshalb ein Mitverschulden
am Unfall. Der Kläger sei mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h gefahren,
obwohl an der Unfallstelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h bestehe. In
diesem Zusammenhang verweisen die Beklagten auf die von Polizeibeamten ermittelte
Brems- und Blockierspur des Fahrzeugs des Klägers mit einer Länge von 55,3 m. Die
Beklagten wenden sich im übrigen gegen die Berechtigung der geltend gemachten
Anwaltskosten. Sie bestreiten, dass eine Besprechung mit der Ehefrau des Klägers
stattgefunden hat und sind im übrigen der Auffassung, dass die Ehefrau des Klägers
nicht "Dritte" im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO sei. Hinsichtlich des vom Kläger
geltend gemachten Schadens bestreiten die Beklagten im übrigen die Berechtigung
zweifacher Abschleppkosten und der Taxikosten.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Gericht hat die Bußgeldakten des Kreises Soest .#### zu Beweiszwecken
beigezogen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist insgesamt unbegründet.
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Im Rahmen der gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, 18 StVG gebotenen Abwägung der von den
Beteiligten gesetzten Unfallursachen und Gefahrenmomente ist zwar davon
auszugehen, dass die Beklagte zu 1) den Unfall dadurch verursacht hat, dass sie die
Vorfahrt des Klägers verletzt hat.
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Auf der anderen Seite kann dahinstehen, ob der Kläger den Unfall dadurch
mitverschuldet hat, dass er zu schnell fuhr, während er bei einer angepassten
Fahrweise und unter Einhaltung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h
den Unfall hätte vermeiden können. Denn im Rahmen der zu treffenden Abwägung sind
nicht nur Verschuldens- sondern auch Gefahrenmomente zu berücksichtigen. Der
Kläger durfte wegen der an der Unfallstelle vorhandenen
Geschwindigkeitsbeschränkung höchstens 70 km/h fahren. Aus der beigezogenen
Bußgeldakte ergibt sich aber, dass die mit der Unfallaufnahme betrauten
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Polizeibeamten eine Brems-Blockierspur des Fahrzeugs des Klägers von 55,3 m
gemessen haben. In diesem Fall errechnet sich unter Zugrundelegung einer
Verzögerung von 6 – 7 m/s.² bei nasser Fahrbahn bereits eine
Ausgangsgeschwindigkeit des Fahrzeugs des Klägers ohne Berücksichtigung der
offenbar noch vorhandenen erheblichen Restenergie von 93 – 102 km/h. Weiter ist zu
berücksichtigen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur unter optimalen
Bedingungen gefahren werden darf. Hier herrschte zur Unfallzeit Dunkelheit. Die
Fahrbahn war feucht. Ausweislich des Vermerks der unfallaufnehmenden
Polizeibeamten war die Nässe noch nicht überfroren, der Kläger darüber hinaus
ortsunkundig. Diese Umstände zusammengenommen ergeben, dass vom Fahrzeug des
Klägers insgesamt ein so deutlich erhöhtes Gefahrenmoment ausging, dass auch ohne
die Feststellung konkreten Verschuldens am Unfall von einer Mithaftungsquote
mindestens in Höhe von 25 % ausgegangen werden muss. Schadensersatzansprüche
stehen dem Kläger demnach nicht zu.
Der Kläger kann aber auch die geltend gemachte Besprechungsgebühr nicht verlangen.
Die Ehefrau des Klägers ist nicht "Dritte" im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO. Die
Gebühr findet ihre Berechtigung darin, dass der Rechtsanwalt in einer mündlichen
Besprechung über den Bereich des zwischen ihm und dem Mandanten Vertraulichen
hinauswirkt und dabei auf die Interessenwahrung nach außen zu achten hat. (LG Berlin
Der Deutsche Rechtspfleger 1981 S. 34). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor
wenn eine Besprechung mit dem Ehegatten des Mandanten erfolgt der noch dazu zum
Unfallzeitpunkt auf dem Beifahrersitz des Fahrzeugs gesessen hat. Die Beziehungen
von Kläger und Ehefrau zum Unfall sind so eng miteinander verbunden, dass es
gekünstelt wirkte, würde man die Ehefrau zur "Dritten" mache.
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Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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