Urteil des AG Siegen vom 28.09.2005
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Amtsgericht Siegen, 10 M 1039/05
Datum:
28.09.2005
Gericht:
Amtsgericht Siegen
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 M 1039/05
Tenor:
Der Gläubiger hat zur Deckung der Räumungskosten einen
Kostenvorschuss von 3.000,00 Euro zu leisten.
Die Gerichtsvollzieherin Q wird angewiesen, bei der vorzunehmenden
Räumung folgendes zu beachten:
Das gesamte Mobiliar ist auf dem Grundstück zu belassen.
Das Mobiliar ist zu sichern durch Austausch der Schlösser. Etwaige
zerbrochene
Fenster oder ähnliche Einstiegsmöglichkeiten in das Haus, sind zu
verbrettern oder ähnlich zu sichern.
Der Schuldner ist aufgefordert, binnen 2 Monaten nach Beginn der
Räumung das gesamte Mobiliar oder einzelne Mobiliarstücke
wegzuschaffen. Die Gerichtsvollzieherin hat also innerhalb dieser 2
Monate jeden gewünschten zum Mobiliar gehörenden Gegenstand an
den Schuldner herauszugeben.
Die Gerichtsvollzieherin braucht während der ersten 2 Monate nach
Beginn der Räumung im Räumungsprotokoll die einzelnen
Mobiliarstücke nicht aufzuführen. Sie wird allerdings zu Beweiszwecken
Fotos machen.
2 Monate nach der Räumung soll die Gerichtsvollzieherin die nicht vom
Schuldner abgeforderten Sachen sichten und feststellen, ob sich
verwertbare Sachen in dem Mobiliar befinden. Diese sind in einem
Protokoll zu erfassen und es ist nach § 885 Abs. 4 ZPO zu verfahren.Die
Vernichtung (Entsorgung) nicht verwertbarer Sachen soll die
Gerichtsvollzieherin dem Gläubiger überlassen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Gründe:
1
Der Schuldner ist durch Urteil des Landgerichts Siegen vom 03.05.2005 verurteilt
worden, das gesamte Wohnhaus (Bauernhaus) ####, zu räumen und an den Kläger
herauszugeben. Er kommt dieser Verpflichtung trotz Aufforderung nicht nach, sodass
der Gläubiger die Gerichtsvollzieherin mit Antrag vom 08.06.2005 mit der zwangsweisen
Räumung beauftragt hat. Die Gerichtsvollzieherin hat mit einem Mitarbeiter der
Spedition C, die sie mit der Durchführung der Räumung beauftragen wollte, sich am
06.07.2005 an Ort und Stelle begeben. Trotz rechtzeitiger Terminsnachricht war der
Schuldner nicht erschienen, sodass er erneut zur Besichtigung am 13.07.2005 geladen
wurde. Es war wiederum der Schuldner nicht erschienen. Aufgrund einer Schätzung des
Mitarbeiters der Firma C bezifferte die Gerichtsvollzieherin sodann den vom Kläger zu
zahlenden Kostenvorschuss für die Räumung mit
50.000 Euro
der Gläubiger mit seiner Erinnerung vom 03.08.2005.
2
Die Erinnerung ist begründet. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist ein
Räumungskostenvorschuss in Höhe von 3.000,00 Euro ausreichend, wenn die im Tenor
aufgeführten Anweisungen beachtet werden.
3
Die Gerichtsvollzieherin hat das komplette Mobiliar auf dem Grundstück zu belassen . In
§ 885 Abs. 3 ZPO ist geregelt, dass der Gerichtsvollzieher die Sachen auf Kosten des
Schuldners in das Pfandlokal zu schaffen oder anderweitig in Verwahrung zu bringen
hat. Auch § 180 Abs. 5 GVGA regelt, dass der Gerichtsvollzieher die Sachen auf Kosten
des Schuldners in die Pfandkammer zu schaffen hat oder sonst für ihre Verwahrung
Sorge tragen soll. Der Gläubiger hat im Termin dem Gericht eine Reihe von Fotos
vorgelegt, die das Innere des Hauses zeigen. Diese Fotos sind vor einigen Monaten
aufgenommen worden. Auf den Fotos ist zu ersehen, dass in dem Haus Unmengen von
wertlosem Sperrmüll ,Gerümpel und Unrat angesammelt sind. Die Gegenstände sind
keinesfalls geordnet in den Räumlichkeiten abgestellt, sondern liegen wahllos überall
herum. Selbst als Möbelstücke erkennbare Gegenstände sind in einem völlig
heruntergekommenen Zustand. Die Küche und das Badezimmer wirken völlig
verwahrlost. Unter diesen Umständen ist ein Sortieren der Gegenstände und Verbringen
zur Pfandkammer nicht möglich, würde jedenfalls völlig unvertretbaren Aufwand
bedeuten. Dies gilt umsomehr, als vieles dafür spricht, dass keinerlei verwertbares
Mobiliar sich in dem Haus befindet, sodass nach Ablauf von 2 Monaten gemäß § 885
Abs. 4 S. 2 ZPO die nicht verwertbaren Sachen vernichtet (entsorgt) werden müssen. Es
macht schlechterdings keinen Sinn, Dinge, die in 2 Monaten zu entsorgen sind, für
teures Geld zu sichten, zu erfassen und zur Pfandkammer zu bringen. In einem solchen
Fall gilt für den Gerichtsvollzieher eine sogenannte Ermessungsreduktion auf Null. Die
Verbringung zur Pfandkammer verbietet sich und das Angebot des Gläubigers, die
Sachen zunächst in dem Haus zu belassen, ist anzunehmen. Im übrigen ist auch in
Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass das Verwahren nach § 885 Abs. 3 S.1
ZPO durch Belassen in den herauszugebenden Räumen erfolgen kann (vgl.
Thomas/Putzo, ZPO, 26. Auflage, § 885, Randnummer 17).
4
Der Schuldnerschutz erfordert es, dass die Gerichtsvollzieherin das von ihr auf dem
Grundstück des Gläubigers verwahrte Mobiliar sichert. Entsprechende Maßnahmen sind
deshalb zu treffen.
5
Der Schuldner, der schon derzeit verpflichtet ist, unter Mitnahme seines Mobiliars das
Grundstück zu räumen, hat gemäß § 885 Abs. 4 ZPO noch binnen 2 Monaten nach der
Räumung die Möglichkeit, das Mobiliar von der Gerichtsvollzieherin heraus zu
verlangen. Ihm ist dringend angeraten, dies zu tun, da nicht verwertbares Mobiliar nach
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§ 885 Abs. 4 ZPO nach Ablauf der 2 Monate vernichtet wird.
Nach § 180 Abs. 6 GVGA soll der Gerichtsvollzieher die Sachen, die er in Verwahrung
nimmt, in einem Protokoll aufführen. Dies braucht im vorliegenden Fall nicht vor Ablauf
der 2 Monate zu geschehen. Da der Gläubiger dem Schuldner auch während dieser 2
Monate noch erlaubt, jedes Mobiliarstück ohne Kostenzahlung abzufordern, besteht kein
Grund das aller Voraussicht nach wertlose Mobiliar zu sichten, zu sortieren und Stück
für Stück im Protokoll zu vermerken. Der Aufwand ist unvertretbar in Anbetracht der
Fülle der aller Voraussicht nach wertlosen Mobiliarstücke. Es genügt, wenn die
Gerichtsvollzieherin zu Beweiszwecken Fotos macht.
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Es genügt, wenn die Gerichtsvollzieherin 2 Monate nach der Räumung die vom
Schuldner nicht abgeforderten Sachen sichtet und feststellt, ob sich verwertbare Sachen
in dem Mobiliar befinden. Es ist ausreichend, nur diese im Protokoll zu erfassen und
nach § 885 Abs. 4 ZPO zu verfahren. Hinsichtlich der wertlosen Stücke genügen die
gefertigten Fotos als Protokollersatz.
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Der Gläubiger hat angeboten, für die Entsorgung der nicht verwertbaren Mobiliarstücke
und natürlich des auch reichlich vorhandenen Mülls selbst zu sorgen. Zur
Kostenersparnis ist die Gerichtsvollzieherin gehalten, dieses Angebot des Gläubigers
anzunehmen.
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