Urteil des AG Siegburg vom 23.03.2009

AG Siegburg: schutzwürdiges interesse, firma, angemessenheit, vollkaskoversicherung, zustellung, abholung, nebenkosten, verfügung, vollstreckbarkeit, anwaltskosten

Amtsgericht Siegburg, 106 C 297/08
Datum:
23.03.2009
Gericht:
Amtsgericht Siegburg
Spruchkörper:
106. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
106 C 297/08
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 979,37 € zuzüglich
Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2008 zu
zahlen. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 12 % und die
Beklagte zu 88 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die
Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils
andere Seite
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit
leistet.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Ersatz restlicher
Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
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Die Klägerin betreibt eine Autovermietung. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls
mietete vom 27.05.2008 bis 10.06.2008 bei ihr ein Ersatzfahrzeug an. Zur Sicherung der
Ansprüche der Klägerin hat der Geschädigte seinen Anspruch gegen den Schädiger in
Höhe der Mietwagenkosten an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin berechnete für den
Mietwagen Kosten in Höhe von 1.830,22 €. Auf die Einzelheiten der Rechnung vom
10.06.2008 wird Bezug genommen. Gezahlt wurde von der Beklagten als Versicherer
lediglich ein Betrag in Höhe von 850,85 €.
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Mit der eingereichten Klage begehrt die Klägerin den Ersatz der restlichen
Mietwagenkosten.
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Die Klägerin behauptet, der in Rechnung gestellte Tarif sei ortsüblich und angemessen.
Sie ist der Ansicht, die Schwacke- Liste 2006 stelle eine geeignete
Schätzungsgrundlage für die Bemessung des "Normaltarifes" dar. Der von ihr
abgerechnete Betrag unterschreite den "Normaltarif" der Schwacke- Liste 2006 sogar
um 400,00 €, so dass der vollständige Rechnungsbetrag zu erstatten sei. Zudem seien
Zusatzkosten gerechtfertigt, weil einem zweiten berechtigten Fahrer die Nutzung habe
gestattet werden müssen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 979,37 € sowie vorgerichtliche
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Rechtsanwaltskosten in Höhe von 130,50 € zuzüglich jeweils Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2008 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte wendet sich mit grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendung der
Schwacke-Liste. Diese weise methodische Mängel auf. Zudem zeige sich im konkreten
Einzelfall, dass sich diese Mängel auswirken. Sowohl die Erhebung von Dr. Y als auch
die Erhebung Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008 weisen
wesentlich geringere Tarife aus. Zudem zeige ein Internetangebot der Firma B, dass ein
vergleichbares Fahrzeug wesentlich günstiger hätte angemietet werden können.
Schließlich ist die Beklagte der Auffassung, der Geschädigte habe sich nach
günstigeren Mietfahrzeugen umsehen müssen. Auch müsse sich der Geschädigte
ersparte Aufwendungen anrechnen lassen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der
Partein nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugens E2. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 02.03.2009 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
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1.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer
Mietwagenkosten in Höhe von 979,37 € aus abgetretenem Recht i.V.m. §§ 7, 17 StVG, 3
Nr. 1 PflVG.
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Das Gericht ist entgegen der Auffassung der Beklagten zu der Überzeugung gelangt,
dass die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten in voller Höhe
ersatzfähig sind.
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Das Gericht sieht sich nicht veranlasst, auf Grundlage der von der Beklagten
vorgelegten Tabellen die ersatzfähigen Mietwagenkosten zu berechnen. Im Rahmen
seines tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO hat das Gericht die Erforderlichkeit
eines von dem Mietwagenunternehmen berechneten Tarifs anhand der auf dem örtlich
relevanten Markt verlangten "Normaltarife" zu schätzen (BGH, Urteil vom 24.06.2008 –
VI ZR 234/07). Bei der Schätzung des ersatzfähigen Normaltarifs können geeignete
Listen oder Tabellen herangezogen werden (BGH, aaO). Die Schwacke- Liste 2006
stellt hierbei eine hinreichende Anknüpfungsgrundlage für eine Schätzung gemäß § 287
ZPO dar. Auch wenn die von der Beklagtenseite benannten Markterhebungen teilweise
durch andere Gerichte im Wege der freien Schätzung nach § 287 ZPO herangezogen
werden, ist das Gericht bei der Schadensschätzung nicht an eine bestimmte
Markterhebung gebunden. Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass die Beklagte
Einwendungen gegen die Schwacke-Liste erhebt und aufführt, dass sich diese auch im
konkreten Fall auswirken. Gleichwohl ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt,
dass die von der Beklagten benannten Markterhebungen geeigneter zur Ermittlung der
Normaltarife sind als die Schwacke- Liste 2006.
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Insbesondere erscheint es fraglich, ob die Zusammenstellung von Holger Y "Der Stand
der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007" eine geeignete
Schätzungsgrundlage darstellt. Zum einen sind die dort erfolgten Preisabfragen nur auf
ein sehr kurzes Zeitintervall bezogen und zum anderen ist die Einteilung Deutschland in
Großräume sehr grobmaschig (siehe auch OLG Köln, Urteil vom 10.10.2008, Az.: 6 U
115/08).
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Es bestehen allerdings auch Bedenken, ob die Erhebung Fraunhofer Marktpreisspiegel
Mietwagen Deutschland als Schätzungsgrundlage geeigneter ist als die Schwacke-
Liste 2006. Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass die Untersuchung methodisch
gesehen möglicherweise Vorteile gegenüber der Erhebung von Schwacke aufweist,
weil die Recherchen bei den Autovermietern ohne Offenlegung des Zwecks der
Umfrage erfolgt sind. Allerdings weist auch der Marktpreisspiegel Mietwagen
Deutschland gewisse Schwachstellen auf. Die Preiserhebungsregionen werden nur
nach zweistelligen Postleitzahlen, bei Schwacke hingegen nach dreistelligen
Postleitzahlen eingeteilt. Zudem wurde der "Normaltarif" mit einer Vorbuchungsfrist von
einer Woche ermittelt und ein Grossteil der Daten stammen aus Internetbuchungen.
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Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände besteht zumindest im vorliegenden Fall
keine Veranlassung, die in Rechnung gestellten Mietwagenkosten zu kürzen, weil keine
Bedenken an der Ortsüblichkeit und Angemessenheit der berechneten
Mietwagenkosten bestehen. Zu berücksichtigen ist vorliegend nämlich, dass die von der
Klägerin in Rechnung gestellten Mietwagenkosten sogar um 400 Euro niedriger sind als
der "Normaltarif" der Schwackeliste 2006. Das Gericht hat sich aus diesen Gründen
auch nicht veranlasst gesehen, ein Sachverständigengutachten über die Frage der
Ortsüblichkeit und Angemessenheit einzuholen, zumal ein darauf gerichteter
Beweisantritt nicht erfolgt ist.
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Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des
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Einwandes der Beklagten, der Mietwagen habe bei der Firma B günstiger angemietet
werden könne. Das von der Beklagten vorgelegte Angebot bezieht sich nämlich auf den
13.10.2008. Es sagt jedoch nichts dazu aus, ob dieses Angebot auch am 27.05.2008 zur
Verfügung gestanden hätte.
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die Frage der Erforderlichkeit des Tarifes
offen bleiben kann, wenn feststeht, dass ihm die kostengünstigere Anmietung eines
entsprechenden Fahrzeuges zugemutet werden kann, ist dieser Vortrag ebenfalls
unerheblich. Zu berücksichtigen ist, dass der Pkw ohnehin nach einem Normaltarif
angemietet wurde.
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2.
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Die Klägerin muss sich entgegen der Ansicht der Beklagten keine ersparten
Aufwendungen anrechnen lassen, weil ein klassentieferes Fahrzeug angemietet wurde.
Dies wurde von der Klägerin substantiiert dargelegt. Das einfache Bestreiten der
Beklagten war hierbei unbeachtlich.
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3.
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Schließlich sind die sogenannten Nebenkosten erstattungsfähig.
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Die Kosten für eine Teil- bzw. Vollkaskoversicherung sind grundsätzlich zu
berücksichtigen. Der Kunde der Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse, für die
Kosten einer möglichen Beschädigung des Mietwagens nicht selber aufkommen zu
müssen.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Zustellung und
Abholung des Mietwagens. Hierbei handelt es sich ebenfalls um erstattungsfähige
Zusatzleistungen.
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Sowohl die Kosten der Vollkaskoversicherung als auch der Zustellung/Abholung sind
im vorliegenden Fall ausweislich der Rechnung der Klägerin tatsächlich angefallen.
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Zuletzt können auch die Kosten für einen zweiten Fahrer ersetzt verlangt werden. Diese
sind ebenfalls tatsächlich angefallen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht
zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Mietwagen nicht nur von dem Eigentümer
des beschädigten Pkws, sondern auch von dessen Ehefrau genutzt wurde. Dies hat der
Zeuge E2 glaubhaft bekundet.
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3.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Ein Anspruch auf Erstattung
der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht nicht gemäß § 286 BGB. Die Klägerin hat
nicht dargelegt, dass die Beklagte bereits vor Einschaltung des Rechtsanwaltes
wirksam in Verzug gesetzt worden ist.
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II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit
aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 979,37 €
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