Urteil des AG Siegburg vom 13.03.2008

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Amtsgericht Siegburg, 104 C 331/07
Datum:
13.03.2008
Gericht:
Amtsgericht Siegburg
Spruchkörper:
104. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
104 C 331/07
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.096,73 Euro nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
21.07.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über die Zahlung von Heimentgelt. Die Klägerin betreibt in T ein
Pflegeheim. Für die Beklagte besteht eine gesetzliche Betreuung durch Frau N, welche
gemäß Bestellungsurkunde vom 20.01.2006 für die Aufgabenkreise
Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Behördenangelegenheiten zuständig
ist.
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Die Beklagte ist seit einem Schlafanfall halbseitig gelähmt und bettlägerig, allerdings
bewusstseinsklar und voll orientiert. Sie hat nach einem erlittenen Schlaganfall mit
schweren Folgen teilweise Vorstellungen und Wünsche, die für einen außen stehenden,
gesunden Menschen nicht immer nachvollziehbar sind. Sie befand sich Ende
April/Anfang Mai 2007 wegen einer Brustoperation im Krankenhaus und sollte auf Rat
der dortigen Ärzte im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt nicht mehr nach Hause
kommen, sondern einen Platz in einem Pflegeheim einnehmen.
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Die Betreuerin der Beklagten erkundigte sich am 14.05.2007 bei der Klägerin nach
einem vollstationären Pflegeplatz. Die Klägerin bot der Beklagten über ihre Betreuerin
einen freien Heimplatz in einem Doppelzimmer an. Es fand ein Gespräch zwischen
einer Mitarbeiterin der Klägerin und der Betreuerin der Beklagten statt, dessen Inhalt im
einzelnen streitig ist. Im Anschluss unterzeichnete die Betreuerin der Beklagten am
14.05.2007 die Anmeldung zur Heimaufnahme, Anlage K 2, Bl. 17 ff d.A.. Der
Heimvertrag selbst wurde nicht unterzeichnet.
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Am 24.05.2007 bezog die Beklagte absprachegemäß das reservierte Zimmer B 213. Am
26.05.2007 zog die Beklagte ohne Vorankündigung oder Kündigung des Heimvertrags
aus der Einrichtung der Klägerin wieder aus. Der Heimvertrag wurde mit Kurzmitteilung
vom 30.05.2007 an die Betreuerin der Beklagten übersandt mit der Bitte um weitere
Veranlassung. Mit Schreiben vom 31.05.2007 kündigte die Beklagte durch ihre
Betreuerin den Heimvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Unter dem 06.06.2007
stellte die Klägerin die Abrechnung an die Beklagte in zwei Rechnungen für den Monate
Mai und den Monate Juni 2007 zu einem Gesamtbetrag von 3.096,73 Euro.
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Die Klägerin behauptet, in dem Gespräch am 14.05.2007 sei der Heimvertrag im
einzelnen besprochen worden. Die Betreuerin der Beklagten habe die
Inanspruchnahme des Pflegplatzes zugesagt. Eine Mitarbeiterin der Klägerin habe am
Einzugstag der Beklagten, dem 24.07.2007 mehrfach versucht, die Betreuerin der
Beklagten zu erreichen. Diese sei am Nachmittag erschienen und habe zugesichert,
den Heimvertrag am 25.07.2007 zu unterzeichnen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.096,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, dass alle Formalitäten der Heimaufnahme im Gespräch am 14.05.2007
geregelt worden seien, nicht jedoch der Heimvertrag als solcher abgeschlossen worden
sei. Die Betreuerin der Beklagten habe die Mitarbeiterin der Klägerin darauf
hingewiesen, dass aufgrund der Persönlichkeit der Beklagten, die sehr eigene, nicht
immer für außenstehende nachvollziehbare Vorstellungen und wünsche habe, der
Vertrag nur mit der Beklagten selbst abgeschlossen werden könne. Dies schon allein,
damit die Beklagte später nicht sagen könne, sie habe von Leistungen, Kosten,
Kündigungsfristen u.ä. nichts gewusst. Man habe vereinbart, dass der Heimvertrag am
Tag ihres Einzugs mit der Beklagten besprochen werden sollte und dann von dieser
unterschrieben werden sollte. Es sei die ersten 1,5 Tage, die die Beklagte in dem Heim
verbrachte, kein Mitglied der Heimverwaltung zu dieser gekommen um die Vertrag zu
besprechen oder sich sonst um sie zu kümmern. Die Beklagte sei von Anfang an
unzufrieden mit dem Heim gewesen.
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Die Klägerin hat zunächst ein Mahnverfahren betrieben. Der Mahnbescheid ist der
Beklagten am 20.07.2007 zugestellt worden.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist begründet.
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I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die zugesprochene Summe aus dem mit der
Beklagten abgeschlossenen Heimvertrag für den Zeitraum vom 24.05.2007 bis zum
30.06.2007.
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Den Vertrag schlossen die Parteien zur Überzeugung des Gerichts durch mündliche
Vereinbarung am 14.05.2007, wobei die Betreuerin der Beklagten die entsprechende
Willenserklärung für die Beklagte abgab und die Mitarbeiterin der Klägerin für diese
handelte. Die Betreuerin der Beklagten vertrat diese wirksam beim Vertragsabschluss.
Sie war nämlich für den Aufgabenbereich "Aufenthaltsbestimmung" zur Betreuerin
bestellt worden. Dass sie insoweit einen Vertrag abschloss, der auch die
Vermögensverhältnisse der Beklagten betraf, für deren Bereich sie gerade nicht als
Betreuerin bestellt war, führt nicht dazu, dass sie den Vertrag nicht abschließen konnte.
Vielmehr beinhaltet die Übertragung einzelner Aufgaben der Personenfürsorge
gewissermaßen im Rahmen einer Annexkompetenz auch die Möglichkeit, die hierfür
notwendigen Rechtsgeschäfte abzuschließen, worunter im Bereich
"Aufenthaltsbestimmung" nach ganz herrschender Meinung auch der Abschluss von
Heimverträgen fällt (Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1896 Rn. 24, Palandt, § 1896
Rn. 20, BayOLG, Beschluss vom 05.08.1998, Az: 3 Z BR 96/98 recherchiert nach juris).
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Zur Überzeugung des Gerichts wurde am 14.05.2007 vereinbart, dass die Beklagte in
das Pflegeheim der Klägerin einziehen sollte zu den im Vertrag Bl. 28 ff d.A. genannten
Bedingungen. Die Zeugin N2 hat insofern im Termin überzeugend ausgeführt, dass
sämtliche wichtige Punkte des Vertrags besprochen worden waren. An der Richtigkeit
dieser Aussage hat das Gericht keine Zweifel. Die Schilderung war lebensnah und ist
auch in Einklang damit zu bringen, dass sowohl das Anmeldeformular ausgefüllt wurde,
als auch bereits andere Einzelheiten schriftlich fixiert wurden, etwa Einzelheiten zu den
Medikamenten.
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Der Vertrag scheiterte auch nicht daran, dass im Zeitpunkt seines Abschlusses noch
keine Regelung über den Einzugszeitpunkt getroffen worden war und die Frage, ob die
Beklagte einen Zuschuss zur stationären Pflege nach der Pflegestufe II bekommen
würde. Selbst wenn man davon ausgeht, dass nach den Wünschen zumindest einer
Partei über diese beiden Punkte eine Regelung getroffen werden sollte, ist der Vertrag
nicht unwirksam, weil diese nicht getroffen wurde. Das ist nämlich gem. § 154 I BGB nur
"im Zweifel" der Fall. Für Zweifel bleibt hier allerdings kein Raum. Die Parteien wollten
sich erkennbar vertraglich binden, auch ohne abschließende Einigkeit über den
genauen Einzugszeitpunkt und die Zusage zur Pflegestufe II erhalten zu haben.
Anderenfalls wäre die Beklagte nicht in das Pflegeheim der Klägerin eingezogen,
sondern hätte zunächst die Zusage zur Pflegestufe II abgewartet.
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Die Tatsache, dass die Vertragsurkunde nicht unterschrieben wurde, bedeutet nicht,
dass ein Vertrag nicht bestand. Die Unterschrift sollte nämlich keine
Wirksamkeitsvoraussetzung für das Zustandekommen des Vertrags sein. Zwar hatten
die Parteien – vermittelt durch die jeweiligen Vertreter – zur Überzeugung des Gerichts
vereinbart, dass der Vertrag beurkundet werden sollte, in dem er am Einzugstag
unterschrieben werden sollte. Dies haben sowohl die Zeugin N2, als auch die
Betreuerin der Beklagten vorgetragen. Ob dies eine Wirksamkeitsvoraussetzung sein
sollte oder nur eine nachträgliche Bestätigung, war durch Auslegung zu ermitteln.
Lediglich wenn eine Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, greift die
Vermutungsregelung des § 154 II BGB und es ist davon auszugehen, dass der Vertrag
nur mit der Unterschrift wirksam sein soll. Vorliegend bleibt aber bei einer Würdigung
aller Umstände die Auslegung der Erklärungen der Parteien nicht unklar. Die Parteien
hatten keinen übereinstimmenden Willen dahingehend, dass der Vertrag erst nach der
Unterschriftenleistung wirksam sein sollte, sondern er sollte sofort wirksam sein. Die
Zeugin N2 gab an, dass bereits am 14.05.2007 keinerlei Zweifel mehr daran bestand,
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dass die Beklagte einziehen würde und der Vertrag durchgeführt würde. Den Vortrag
der Beklagten, dass ausdrücklich vereinbart worden war, dass der Vertrag nur bei
Unterschriftenleistung durch die Beklagte selbst abgeschlossen sein sollte, hat sie
gerade nicht bestätigt. Ein gegenteiliges Beweisangebot hat die Beklagte nicht erbracht.
Darüber hinaus führt aber auch das nach dem Gespräch vom 14.05.2007 gezeigte
Verhalten der Parteien zu dem Schluss, dass der Vertrag schon durch die mündliche
Absprache wirksam geschlossen wurde. So ließ sowohl die Klägerin als auch die
Betreuerin der Beklagten zu, dass die Beklagte nahezu drei Tage im Pflegeheim der
Klägerin wohnte, ohne dass der Vertrag unterschrieben wurde. Insbesondere aus Sicht
der Betreuerin der Beklagten hätte, schon um der Beklagten einen rechtswirksamen
Anspruch auf ordnungsgemäße Versorgung zu verschaffen, bei bzw. nach Einzug der
Vertrag schnellstmöglich unterzeichnet werden müssen. Zwar hat die Beklagte
vorgetragen, dass ihrer Betreuerin am Einzugstag zweimal gesagt worden sei, dass
man keine Zeit für sie bzw. die Vertragsunterschrift habe. Dass die Betreuerin der
Beklagten allerdings danach von sich aus weitere Maßnahmen eingeleitet hätte, um
einen Vertragsschluss zu ermöglichen, ist gerade nicht vorgetragen worden.
Schließlich führt auch die Tatsache, dass eine schriftliche Vorabinformation über den
Vertragsinhalt nicht stattgefunden hatte nicht dazu, dass der Vertrag unwirksam wäre.
Ein Verstoß gegen § 5 II HeimG führt allenfalls zu einem Recht auf Vertragsanpassung
aus cic oder ggf. Anfechtungsrechten (vgl. auch Dahlem, HeimG, § 5 Rn 33).
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Aus dem Vorbringen der Parteien in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom
29.02.2008 und 07.03.2008 ergibt sich kein neuer Sachvortrag oder sonstige neue
Aspekte, die zu einer anderweitigen Bewertung führen könnten und die Wiederöffnung
der mündlichen Verhandlung gebieten würden.
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Der Vertrag bestand bis zum 30.06.2007. Die Beklagte Kündigte den Vertrag mit
Schreiben vom 31.05.2007 zum nächstmöglichen Zeitpunkt, der gem. § 10 des Vertrags,
§ 8 HeimG das Ende des Monats Juni 2007 war.
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Der von der Klägerin beanspruchte Betrag wurde so wie er sich aus den Rechnungen,
Bl. 95 und 96 d.A. ergibt, richtig berechnet, was auch die Beklagte nicht in Frage gestellt
hat. Insbesondere berücksichtigte die Klägerin, dass gem. § 9 des Vertrags bei einer
Abwesenheit von mehr als 3 Tagen für den Zeitraum bis 28 Tage im Jahr ein reduziertes
Entgelt von 75 % zu berechnen war.
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II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB, § 696 III ZPO.
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III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 704, 709 ZPO.
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Streitwert: 3096,73 Euro
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