Urteil des AG Siegburg vom 15.04.2010

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Amtsgericht Siegburg, 37 M 68/10
Datum:
15.04.2010
Gericht:
Amtsgericht Siegburg
Spruchkörper:
37. Zwangsvollstreckungsabteilung
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
37 M 68/10
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Erinnerung der Gläubiger vom 16.03.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden den Gläubigern
auferlegt.
Die Gläubiger betreiben aus einem rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss nach einem
Zwangsversteigerungsverfahren über das Hausgrundstück L-Straße in ####1 N die
Räumungsvollstreckung gegen die Schuldner.
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Die Gläubiger erteilten dem Obergerichtsvollzieher zunächst mit Schreiben vom
18.02.2010 einen Auftrag zur Herausgabe- und Räumungsvollstreckung. Der
Obergerichtsvollzieher forderte die Gläubiger daraufhin mit Schreiben vom 26.02.2010
auf, für diese Räumung einen Kostenvorschuss in Höhe von 12.000,00 € einzuzahlen.
Infolgedessen machten die Gläubiger, nunmehr vertreten durch ihre
Verfahrensbevollmächtigten, mit Schreiben 05.03.2010 ein Vermieterpfandrecht an
sämtlichen Inventarstücken der Liegenschaft geltend und beschränkten den
Vollstreckungsauftrag auf die Herausgabe des Hausgrundstückes (Berliner Räumung).
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Der Obergerichtsvollzieher weigert sich, den beschränkten Vollstreckungsauftrag
durchzuführen; mit Schreiben vom 05.03.2010 teilte er den Gläubigervertretern mit, dass
es bei der Vorschussanforderung bleibe, weil die Geltendmachung eines
Vermieterpfandrechts daran scheitere, dass die Räumung nicht aufgrund eines
bestehenden Mietverhältnisses erfolge. Mit Schreiben vom 09.03.2010 teilte der
Obergerichtsvollzieher erneut mit, dass er die Vollstreckung von der Einzahlung des
geforderten Kostenvorschusses abhängig mache.
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Die Gläubiger sind der Auffassung, dass es nicht der Prüfungskompetenz des
Gerichtsvollziehers unterfalle, festzustellen, ob ein Vermieterpfandrecht bestehe oder
nicht. Zudem werde beabsichtigt, die Räumung dergestalt durchzuführen, dass nach der
Entsetzung der Schuldner aus dem Besitz der Liegenschaft der Schlüssel für sämtliche
Räumlichkeiten einem Spediteur übergeben werden und dieser sämtliche Gegenstände
inventarisiere, räume und einlagere. Dieser werde in ihrem Auftrag den Schuldner
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jederzeit anbieten, sämtliche Gegenstände freizugeben. Schließlich sei zu
berücksichtigen, dass seit dem Zuschlag keine Nutzungsentschädigung für die weitere
Nutzung des Grundstücks gezahlt worden sei. In diesem Falle müsse ein
Vermieterpfandrecht analog angenommen werden.
Jedenfalls aber sei der vom Gerichtsvollzieher angeforderte Vorschuss überhöht und
unangemessen. Zur Begründung wird auf den Kostenvoranschlag der Möbelspedition H
vom 02.03.2010 Bezug genommen, der sich auf insgesamt 5.854,80 € beläuft.
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Die Gläubiger beantragen,
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den zuständigen Gerichtsvollzieher anzuweisen, das Hausgrundstück L-Straße
in ####1 N dergestalt zu räumen, als dass die Schuldner lediglich aus dem
Besitz an dem Grundstück respektive den aufstehenden Gebäuden gesetzt
werden (Berliner Räumung),
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hilfsweise,
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den Gerichtsvollzieher anzuweisen, für eine Räumung nach § 885 Abs. 2 bis
Abs. 4 ZPO lediglich einen angemessenen Vorschuss zu fordern, der 6.054,80
€ nicht übersteigt.
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II.
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Die Erinnerung gemäß § 766 ZPO ist statthaft in der Sache indes unbegründet.
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1.
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Der Hauptantrag der Gläubiger ist mangels Begründetheit zurückzuweisen. Die
Weigerung des Gerichtsvollziehers, vorliegend eine Berliner Räumung durchzuführen,
ist berechtigt.
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Dabei verkennt das hiesige Gericht nicht, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat,
dass die Gläubiger die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe der
Wohnung beschränken können, wenn sie an sämtlichen in den Räumen befindlichen
Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend machen (BGH, Beschluss vom
17.11.2005 – I ZB 45/05 = NJW 2006, 848; BGH, Beschluss vom 10.08.2006 – I ZB
135/05 = NJW 2006, 3273; BGH Beschluss vom 16.07.2009 – I ZB 80/05 = NZM 2009,
660).
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Es wird auch nicht verkannt, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass der
Gerichtsvollzieher nicht zu prüfen hat, ob ein Vermieterpfandrecht gegeben ist. Es ist
allgemein anerkannt, dass der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan nicht für die
Klärung materiell-rechtlicher Ansprüche der Parteien im Rahmen der
Zwangsvollstreckung zuständig ist und dies auch für die Frage gilt, ob Gegenstände
wegen Unpfändbarkeit nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieterpfandrecht
unterliegen oder nicht.
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Indes ist im vorliegenden Falle aufgrund des der Räumung zugrundeliegenden Titels –
dem Zuschlagsbeschluss – offensichtlich, dass die Gläubiger nicht Inhaber eines
Vermieterpfandrechts sind. In diesem Falle des offensichtlichen Rechtsmissbrauches
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darf der Gerichtsvollzieher eine Berliner Räumung ablehnen und muss nicht "sehenden
Auges" von den gesetzlichen Regelungen in § 885 ZPO abweichen.
Dabei ist – wie schon angedeutet – zu berücksichtigen, dass es seitens der Gläubiger
rechtsmissbräuchlich ist, sich im Falle eines Zuschlagsbeschlusses (aus
Kostengründen) auf das Bestehen eines Vermieterpfandrechts zu berufen. Ein solches
kann denklogisch nicht entstanden sein.
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Die Gläubiger können sich im vorliegenden Falle der Räumung aus einem
Zuschlagbeschluss auch nicht erfolgreich auf eine Analogie zum Vermieterpfandrecht
stützen. Zwar ist zutreffend, dass den Gläubigern für die Zeit der fortdauernden
Inbesitznahme des Grundstückes durch die Schuldner eine Nutzungsentschädigung
zusteht. Eine Vergleichbarkeit ist indes dennoch nicht gegeben. Die
"Zurverfügungstellung" des Wohnraumes geschieht lediglich unfreiwillig und ist bloße
Folge des Zwangsversteigerungsverfahrens und des dadurch bedingten
Eigentümerwechsels und beruht nicht auf einem mit gegenseitigen Pflichten behafteten
Vertragsverhältnis.
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Unerheblich ist auch der Vortrag der Gläubiger, es werde sichergestellt, dass die
Schuldner jederzeit Zugriff auf ihre Inventarstücke haben werden. Es ist nicht Aufgabe
der Gläubiger, über das Inventar zu verfügen und dieses aufzubewahren. Wie mit
beweglichen Sachen umzugehen ist, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung
sind, regelt § 885 Abs. 2 – 4 ZPO.
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Alledem stehen auch nicht die bereits oben genannten Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs entgegen. In den genannten Entscheidungen lag den jeweiligen
Vollstreckungen kein Zuschlagsbeschluss zugrunde; die Vollstreckung erfolgte stets auf
der Grundlage von Räumungsurteilen. Das Bestehen eines Vermieterpfandrechts war in
diesen Fällen stets denkbar und oblag vor diesem Hintergrund nicht der Prüfung des
Gerichtsvollziehers.
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2.
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Die Erinnerung ist auch hinsichtlich des Hilfsantrages zurückzuweisen.
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Ein Anspruch auf Herabsetzung des verlangten Kostenvorschusses ist nicht gegeben.
Der von dem Obergerichtsvollzieher verlangte Kostenvorschuss in Höhe von 12.000,00
€ ist angemessen. Der Obergerichtsvollzieher hat – nach Inaugenscheinnahme des
Objektes – die bei der Räumung voraussichtlich anfallenden Kosten detailliert und
nachvollziehbar aufgeschlüsselt. Zweifel an der Angemessenheit bestehen nicht.
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Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Spedition H ausweislich des
Kostenvoranschlags vom 02.03.2010 eine Räumung und Lagerung zum Preis von
5.854,80 € anbietet. Zum einen ergibt sich aus dem Kostenvoranschlag, dass die
Spedition die Räumlichkeiten und den Umfang des zu räumenden Gutes nicht in
Augenschein genommen hat, sondern der Kostenvoranschlag allein auf den Angaben
der Gläubiger beruht. Es kann indes nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden,
dass diese als Laien den erforderlichen Umfang zutreffend ermittelt haben. Zum
anderen – und hier entscheidender – ist, dass der Gerichtsvollzieher aus
Haftungsgründen nicht berechtigt ist, das Gut in den Räumen der Gläubigerin (oder
eines Dritten) zu lagern. Der Kostenvoranschlag bietet daher keine
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Vergleichsgrundlage.
Im Übrigen ist die von den Gläubigern benannte Spedition nicht ortsansässig; eine
Lagerung erfolgte daher nicht im unmittelbaren Einzugsbereich der Schuldner. Dies
kann den Schuldnern nicht zugemutet werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Gegenstandswert: 12.000,00 €
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